Sebastian Pufpaff

Die treuesten Zuschauer sind oft die, die einen hassen.

Am 27. Januar startet wieder die „heute-show“. Mit dabei: Sebastian Pufpaff. Im Ausführlichen Interview spricht der Komiker über Veränderungen im Kabarett, mündige Zuschauer, Witze über die AfD, zu viel Außenpolitik in den Nachrichten und seine „Schleimfrisur“.

Sebastian Pufpaff

© ZDF/Rico Rossival

Herr Pufpaff, Sie tragen auf der Bühne einen gegelten Seitenscheitel, eine „Schleimfrisur“, wie Sie es nennen. Gibt es dafür ein Vorbild?
Sebastian Pufpaff: Dean Martin. Ich bin ein riesiger Fan von Dean Martin und Jerry Lewis, den Urvätern der Comedy. Die waren damals die ersten tatsächlich witzigen Leute, die auf die Bühne gegangen sind und nur mit Witzen unterhalten haben. Das finde ich sensationell.

Doch diese Frisur erinnert auch an Personen aus der Gegenwart…
Pufpaff: Ach, an wen denn?

Banker zum Beispiel, Lobbyisten, Karrieristen – Menschen, wie Sie die auch in der „Heute-Show“ verkörpern.
Pufpaff: Wir sagen dazu bei der „Heute-Show“: Ich habe die „Arschloch-Rolle“.

Die spielen Sie oft sehr überzeugend und man vermutet: Sie haben solche Menschen schon mal kennen gelernt.
Pufpaff: Ich war zum Beispiel mal Kommunikationstrainer, für Menschen, die relativ schnell die Karriereleiter nach oben geschossen sind. Denen musste ich wieder die ’soft skills‘ beibringen, soziales Handeln. Die hatten extrem großes Fachwissen, wussten aber nicht, wie Teambuilding-Maßnahmen funktionieren. Da traf ich auf Menschen, die ’sozial behindert‘ sind, die einen Anzug für 3000 Euro tragen und ein unvorstellbares Gehalt verdienen, die aber nicht wissen, dass man seinem Gegenüber ‚Guten Tag‘ sagt.

Sie haben auch bei T-Mobile in der Personalabteilung gearbeitet…
Pufpaff: Ja, aber trotzdem habe ich als Komiker nie gedacht „ich möchte so aussehen wie diese oder jene Person und deshalb mache ich mir diesen Seitenscheitel“. Es geht dann eher um die Strenge, die dieser Scheitel ausdrückt. Humor funktioniert ja über einen Bruch, wenn das Erwartbare in irgendeiner Art und Weise gebrochen wird. Die Leute denken, ich sehe aus wie ein spießiger Finanzberater – und dann erzähle ich, dass man Hamster gut für die Reinigung der Zwischenräume seiner Heizung nehmen kann.

Macht Ihnen die Arschloch-Rolle Spaß?
Pufpaff: Ich finde den Bruch spannend. In der „Heute-Show“ bekomme ich diese Rollen, weil die Zuschauer es mögen, mir dabei zuzusehen, wie ich das Tabu breche, wie ich diese Arschloch-Attitüde nach außen trage. Wo ich dann sage: „Man kann doch auch mal gegen Ausländer sein, wo ist das Problem?“. Bei dieser Figur wird verstanden, dass es Satire ist, dass eine andere Message dahinter steckt. Die AfD könnte ein Video von mir nicht für sich verwenden, denn bei mir ist klar: Das meint der eigentlich nicht so.

Zitiert

Ich bin kein Arschloch – aber ich weiß ungefähr, wie sie ticken.

Sebastian Pufpaff

In der Sitcom „3. Stock links“ leben Sie als erfolgreicher Kabarettist in einer WG mit einem brotlosen Musiker (Hannes Ringlstetter). Hätten Sie auch seine Figur spielen können?
Pufpaff: Für die Rolle ist Ringelstätter klar die bessere Wahl. Ich bin immer der Meinung: Je näher am Original, am Authentischen, an dem, was man irgendwo in sich trägt, desto eher kann man das tatsächlich verkörpern. Ich bin jetzt kein Arschloch – aber ich weiß ungefähr, wie sie ticken. Ich kann mir gut vorstellen wie ein Arschloch sein muss, damit ein Mensch darüber lacht.

Sie haben Managern Kommunikation beigebracht – woher haben Sie eigentlich diese ’soft skills‘?
Pufpaff: Ich habe Soziologie studiert, Schwerpunkt Psychologie. Ich habe mir mehr oder minder selbst beigebracht, das als Darsteller nach außen zu tragen. Man muss zuhören können, man muss ein empathischer Typ sein. Aus der Zeit bei T-Mobile habe ich auch viel mitgenommen für den Bereich Kommunikationstraining.

Sie waren auch mal Moderator auf einem Shopping-Kanal. War das eine gute Schule?
Pufpaff: Ja, sehr gut! Das war fürs Fernsehen im Grunde genommen die beste Schule, durch die ich gelaufen bin. Kameras machen mir seitdem keine Angst mehr. 60 Minuten live vor einem roten Lämpchen durchzuquatschen, egal was vor dir dasteht? – Kein Problem.

Wie wird man Shopping-Moderator?
Pufpaff: Ich habe damals bei den RTL-Nachrichten als studentische Aushilfe gearbeitet. Ich war kurz davor, an der Uni exmatrikuliert zu werden, damals gab es Studiengebühren und der Studentenjob bei RTL hat nicht genug abgeworfen. Dann hing bei RTL am Schwarzen Brett dieser Job. Mein Kumpel las mir das vor und meine erste Antwort war: „Bist du bescheuert?!“ – Dann bin ich aber hin zum Casting nach Köln-Ossendorf, wo ich als erstes zeigen sollte, wie ich einen Staubsauger verkaufe.

Sie hatten offenbar Talent…
Pufpaff: …vor allem war ich mit Mitte, Ende 20 im richtigen Alter. Denn ich wurde für die Rolle des perfekten Schwiegersohns gecastet. Beim Teleshopping steckt ja ziemlich viel Psychologie dahinter. Gesucht war der gepflegte junge Mann, den ich gerne zu mir nach hause lasse und der mir erklärt, warum ich diesen Staubsauger haben muss. Ich habe dort Toaster, Mixer, Staubsauger, Heißdampfreiniger und all so was verkauft – und damit mein Studium finanziert. Ich habe das auch ein bisschen wie eine Schauspielschule gesehen. Andere Leute zahlen für ein Seminar „Camera Acting“ 700 Euro und mehr. Ich habe damals die 700 Euro im Monat bekommen.

Sie sagten einmal bei „Pufpaffs Happy Hour“: „Es ist eine verrückte Welt da draußen, deswegen brauchen wir Satire.“ Bräuchten wir Satire dann nicht auch früher als 22.15 Uhr (Beginn der „Heute-Show“)?
Pufpaff: Dazu muss ich sagen, dass ich überhaupt kein lineares Fernsehen mehr gucke, ich weiß gar nicht, wann die Sendungen anfangen. „Pufpaffs Happy Hour“ kommt tatsächlich um 20.15 Uhr…

…auf 3Sat, nicht im Hauptprogramm.
Pufpaff: Das ist doch eine schöne Nische.

Es lässt sich zumindest feststellen, dass Satire im TV nur am Rand des Programms vorkommt. Berechtigter Weise?
Pufpaff: Fernsehen ist ja etwas, was der Mensch gerne sehen möchte. Und wie viele Menschen möchten tatsächlich Satire sehen? Liegt der Zuspruch bei Rosamunde Pilcher, dem „Tatort“, oder bei der Satire? – Die meisten Menschen tendieren dann eher zum Blockbuster auf Pro7, Rosamunde Pilcher oder „Tatort“. Und da sagt der Sender, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat: Oh, die Quote, wir richten uns da nach den Sehgewohnheiten der Menschen.

Und das ist legitim?
Pufpaff: Ich finde nicht. Meiner Meinung nach hat Satire auch im Hauptprogramm zu einer guten Sendezeit etwas zu suchen, denn die öffentlich-rechtlichen Sender haben einen Bildungsauftrag. Dort mal so eine Sendung reinzuhauen wäre vielleicht nicht verkehrt, anstatt es um 23.30 Uhr zu verstecken. Wenn dann aber 70% der Zuschauer sagen, wir wollen das nicht sehen: Wer bin ich dann, dass ich denen sage „Ihr müsst!“? – Da bin ich etwas hin- und hergerissen.

Der Journalist und Aktivist Ken Jebsen brachte bei uns im Interview die Idee ins Spiel, den Bürger frei darüber entscheiden zu lassen, wofür seine Rundfunkgebühren ausgegeben werden. Was halten Sie von dieser Idee?
Pufpaff: Volksentscheid im öffentlich-rechtlichen Fernsehen? Das wäre nichts Anderes als die Volksbefragung in der Politik – und davon halte ich nichts. Wenn wir für eine gute Mischung sorgen wollen, sollte man die Leute, die sich mit einem Programm auskennen, entsprechend wählen und diese dann entscheiden lassen. Anstatt dass jeder aus dem Bauch heraus sagt: „Ich will jetzt nur noch Horrorschocker und Frühstücksfernsehen.“ Sonst haben wir hinterher ein Programm, dass nicht der gesamten Bevölkerung gerecht wird.

Demnach scheinen Sie kein Verfechter der Quote zu sein.
Pufpaff: Ich bin gegen eine Quote. Deshalb finde ich übrigens sensationell, wie das bei Netflix läuft: Die geben die Quoten nicht preis, ganz bewusst. Ob eine Sendung erfolgreich ist wird lediglich daran gemessen, wie viele Preise sie bekommt, aber es kennt keiner die Netflix-Zahlen. Vielleicht wäre das mal ganz cool für die Öffentlich-Rechtlichen.

Der Fall Böhmermann und seines Schmähgedichtes warf im vergangenen Jahr auch die Frage auf, wie es um die Kunstfreiheit im Fernsehen bestellt ist. Wie ist da Ihre Erfahrung?
Pufpaff: Ich kann machen was ich will. Ich bin noch nie in irgendeiner Art und Weise zensiert worden. Selbst beim Bayerischen Rundfunk nicht. In einer BR-Sendung haben wir mich als Jesus auf den Fußboden genagelt – konnten wir machen. Die Frage ist ja immer: Was will man damit sagen, gibt es dahinter einen Sinn, eine Message, ist es zielführend?
Bei mir wurde nie etwas eingeschränkt, bei keinem Sender. Bei der „Happy Hour“ habe ich einen Sketch mit sieben der schlimmsten deutschen Schimpfwörter gemacht. Ohne Probleme.

Muss denn eine Show von Ihnen, die im Fernsehen läuft, abgenommen werden?
Pufpaff: Ja, man hat einen Redakteur, der dafür verantwortlich ist. Bei der „Happy Hour“ gehe ich vorher mit einem Redakteur meine Nummern durch. Der guckt sich das an und weiß dann schon mal, bei welcher Nummer er Zuschauerpost bekommt und bei welcher er vorher den Justiziar fragen muss. Es gibt in Deutschland ja zum Beispiel das Gesetz, dass wir über die Sakramente keine Witze machen dürfen.

Wann kommt am meisten Zuschauerpost?
Pufpaff: Ganz schlimm ist es immer, wenn ich etwas mit kleinen Tieren mache. Sie können Witze über Flüchtlinge machen, da kommt nichts. Aber wenn ich sage, dass ich fürs Autopolieren meinen Hamster nehme, kommt ganz sicher Post. Kleine Tiere, Katzen am meisten, danach Hunde. Da können Sie die Uhr nach stellen. Nur bei Witzen mit Pferden kommt komischerweise nichts – vielleicht werden die als elitär angesehen?

Was ist bei Witzen über die AfD?
Pufpaff: Da kommt auch regelmäßig Post, Emails, Hasskommentare. Davon lasse ich mir die Top3 weiterreichen, aber die anderen lese ich mir nicht durch.

Dass diese Kommentare kommen, ist doch eigentlich ein gutes Zeichen, oder?
Pufpaff: Klar, die treuesten Zuschauer sind oft diejenigen, die einen hassen. Die schalten jedes Mal ein um sich wieder aufzuregen. Aber ehrlich gesagt, freue ich mich dann doch eher über Zuschauerpost, wo jemand sagt: „Mensch, so habe ich das noch gar nicht gesehen, herzlichen Dank, ich gehe morgen mit einem Lächeln aus dem Haus.“

Ich meinte mit ‚gutes Zeichen‘ auch den Umstand, dass Sie offenbar nicht nur diejenigen erreichen, die Ihre Kritik ohnehin nachvollziehen können.
Pufpaff: Richtig, es zeigt, dass man auch jenseits der Pseudo-Intellektuellen noch Menschen erreicht, die mit einer Nummer konfrontiert wurden, die unbequem ist, für ihren Horizont. Ich bin in erster Linie Unterhalter, ich finde es toll, wenn ich viele Leute erreiche, wenn die Hütte voll ist und die Leute hinterher sagen: Geiler Abend!
In Düsseldorf kam nach meinem Auftritt ein AfD-Mitglied auf mich zu und wir haben eine halbe Stunde diskutiert – und das hat mir Spaß gemacht. Diskurs und Streit ist wichtig. Und dass ich auch diese Leute erreiche finde ich gut.

Die untergraben unser System“, sagten Sie in einem Sketch über Anhänger der AFD bzw. Pegida. Geht es Ihnen bei so etwas auch um die politische Botschaft?
Pufpaff: Das hat einen großen kabarettistischen Anteil, der dann auch häufig in der Benennung einer Wahrheit liegt. Und wer diese Wahrheit ähnlich empfindet, ist häufig mein Zuschauer – oder der, der es halt überhaupt nicht so empfindet. Das ist dann Kabarett und kein Schenkelklopfer-Humor. Und dort sehe ich meine Aufgabe darin, das Miteinander zu stärken. Ich bin ein Botschafter fürs Miteinanderquatschen. Weil wir im Moment in einer Zeit leben, in der „auffe Fresse hauen“ das einzige Ventil zu sein scheint. Siehe Hollywood: Die im Moment erfolgreichsten Filme spiegeln Krieg wieder, „Avengers“, „Captain America“, „Civil War“ – oder ‚ein Mann räumt auf‘, wie Jack Reacher oder John Wick. Wir hauen Böse so lange auf die Fresse bis Böse weg ist und vergessen komplett den Moment der Diplomatie. Wer bitte guckt sich zwei Stunden einen Film an, in dem auf diplomatische Art und Weise ein Konflikt gelöst wird? Das tun wir sofort als romantische Schmonzette ab, das sei „schwul“, sagen wir dann. Ich finde, wir müssen mehr miteinander reden.

Wenn Sie Witze über die AfD machen, ist das dann linkes Kabarett?
Pufpaff: Dazu muss ich erstmal sagen, dass ich mich gar nicht als Kabarettist sehe, eher als Komiker oder Humorist.

Sie finden zumindest häufig im Kabarett-Rahmen statt.
Pufpaff: Genau. Ich habe dieses Label irgendwann mal auf den Hintern bekommen – was auch super ist, denn dadurch verdienen Sie auf einmal mehr Geld als ein Comedian.

Warum?
Pufpaff: Sie kommen dadurch in das Abonnement-Programm von Stadttheatern hinein. Dort kaufen Sie für 120 Euro eine Veranstaltungsreihe 6x Kabarett, können sich sechs mal im Jahr die Birne waschen lassen, Sie denken am Ende der Vorstellung: „Donnerwetter, wie schön ist das denn!“ und dann steigen Sie in den Mercedes, fahren ins abbezahlte Haus und sagen: „Die Welt ist gut.“ Das ist das klassische Kabarett-Publikum.

Zurück zur Frage, nach der politischen Richtung…
Pufpaff: Man könnte sagen: Der klassische Kabarett-Gänger, der ursprünglich mal links war, ist mittlerweile in der Mitte angekommen und entspricht dem konservativen Bild der Jetzt-Zeit. Der Parka-Träger, der auch gerne mal den Stein geschmissen hat, hat eine Wandlung a la Joschka Fischer über sich ergehen lassen und ist jetzt angekommen im System. Steine schmeißt er nicht mehr und aus dem Parka ist eine Jack Wolfskin-Jacke geworden. Ich will nicht sagen, dass das auf jeden Zuschauer zutrifft, aber ich denke, dass viele, die früher Steine geschmissen haben, jetzt in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Damals Kommune ist heute Einfamilienhaus, aus Fahrrad wurde Mittelklasse-Wagen und das Konto ist bei der Deutschen Bank. Trotzdem geht man am Samstag noch ins Kabarett, sagt „Ja!“ und erinnert sich mit einer romantischen Träne im Auge an die Zeit von damals.

Und wie haben sich die Kabarett-Inhalte verändert?
Pufpaff: Früher war Kabarett oft so, dass man sich irgendeine Politiker-Schlagzeile nahm, die Augenbraue hochzog und dann kam die Pointe – hahaha. Das mache ich in meinen Programmen nicht, sondern ich gehe immer auf die Bevölkerung, auf den Wähler, auf uns. Zum Beispiel wenn wir uns als selbstbestimmte, mündige Bürger sehen, zeige ich gerne mal auf, wo wir nicht mündig sind. Der Protest gegen TTIP war riesig, Tausende haben demonstriert, wunderbar. Aber verändert es irgendetwas am Konsumverhalten der Menschen? Verzichten wir jetzt auf das T-Shirt von KIK für 1,99, oder die Milch für 79 Cent? Mache ich mir Gedanken darüber, ob die in Plastik verschweißte Bio-Gurke unbedingt in Plastik verschweißt und mit Pseudo-Bio-Label verkauft werden muss?
Kabarett heute ist anders als in den 80er Jahren. Als der große Georg Schramm abgedankt hat, schrieb die Süddeutsche dazu einen Artikel nach dem Motto, ‚erst Beltz, dann Hildebrandt, jetzt Schramm‘, mit dem Fazit: Das Kabarett ist tot. Bei sowas kriege ich das kalte Kotzen. Denn da draußen sind so viele junge Leute, die neues, modernes, anderes Kabarett machen. Es gibt jetzt Comedians, die sind politisch viel aufgeladener als der Großteil der Kabarettisten. Und andersrum gibt es Kabarettisten die nur schlechte Comedy machen.

Dieter Nuhr sagte bei uns im Interview, das Kabarett verharre auf alten Frontlinien, die es in der Realität nicht mehr gäbe. „Die Wirtschaft ist böse, die Bevölkerung ist gut. Die Industrie ist schlecht, der Kleinbetrieb ist gut. Die Linken sind gut, die Rechten und Konservativen sind schlecht.(…) Die da oben schlecht, wir hier unten gut – das ist so dumm, dass es knallt!“
Pufpaff: Diese Aufteilung existiert – wir sehen sie in den Nachrichten jeden Abend aufs Neue. Dort wird immer ein Feinbild dargestellt, gegen das wir sein sollen. Die Frage ist: Unterwirft sich Kabarett diesem Schema – oder geht es auch darum, sich an die eigene Nase zu fassen? Sich zu überlegen, warum so ein Feindbild existiert.
Mir zum Beispiel wird regelmäßig vorgeworfen, dass ich gar nicht politisch sei. Ich sei kein Kabarettist, weil ich nichts zu Merkel sage, mich nicht zur FDP und zu Waffenexporten positioniere. Aber Kabarett ist heute anders und es nimmt auch die Zuschauer, also die Bevölkerung aufs Korn. Warum bildet sich keine Lobby für Erzieherinnen und Hebammen? Warum lassen alle ihr Geld bei der Deutschen Bank? Warum gefährden plötzlich Flüchtlinge die eigene Existenz und nicht das Bankhaus, wo man jetzt keine Zinsen mehr bekommt? – Um solche Dinge geht es mir.

Hat Kabarett jetzt sozusagen mehr Bürgernähe?
Pufpaff: Es ist Till-Eulenspiegel-hafter geworden, es wird viel mehr das eigene Handeln gespiegelt, als dass man eine Meinung vorgibt. Man muss als Zuschauer mündiger sein, sich selbst reflektieren, sich fragen: Was bedeutet das für mich? Das macht zum Beispiel „Die Anstalt“ sehr gut. Sie stellt etwas dar, was in irgendeiner Art und Weise auch im eigenen Leben stattfindet. Und dann muss man sich dazu positionieren.

Sie sagten einmal in Ihrem Programm „Auf Anfang“ (3Sat, 14.9.15): „Wenn Sie sich aufregen wollen, schalten Sie die Nachrichten ein, die sagen Ihnen, was schlimm ist (…) Dann sagen sie uns immer, gegen wen wir sein sollen. (…) Wir werden als Mob angestachelt“. Nun haben Sie ja früher selbst in einer Nachrichten-Redaktion gearbeitet. Fußt diese Äußerung also auch auf Ihren Erfahrungen auf der Macher-Seite?
Pufpaff: Also, ich kann ja offen sagen: 60 bis 70 Prozent des Bildmaterials, das in den Nachrichten gesendet wird, ist Archiv-Material. Es gibt aktuelles Material, das ein Kameramann eingeschickt hat, und dann kommt Archiv-Material hinzu, um die Meldung entsprechend aufzubauschen. Wenn also ein Bericht über den Hurrikan Matthew kommt, wird darin relativ schnell der Vergleich zu Catrina gezogen und dafür das entsprechende Archiv-Material rausgeholt. D.h. die Nachricht, dass die USA von einem Wirbelsturm bedroht sind, ist nur 12 Sekunden lang, aber sie machen daraus mit dem spektakulären Bildmaterial aus New Orleans 45 Sekunden.

In Bezug auf die Tagesschau scheinen Ihre Prozentangaben sehr hoch, gerade was die Tagespolitik betritt.
Pufpaff: OK, tagesaktuelle Nachrichten, da gebe ich ihnen Recht, darauf trifft es nicht zu.

Und wenn Sie behaupten „Wir werden angestachelt als Mob“…
Pufpaff: Diese Gewalt, Naturkatastrophen, sexuelle Übergriffe – das wollen wir sehen und das wird entsprechend bebildert. Die Nachrichten bestehen in den ersten Minuten aus Krieg, dann kommt Katastrophe, dann ein bisschen Fußball und dann das Wetter. Man könnte jetzt sagen: So sind die heutigen Zeiten. Aber so sind die Zeiten eigentlich gar nicht. Es könnte zum Beispiel berichtet werden, dass eine neue Industrie für Elektromotoren entsteht, dass Batterien erfunden werden und wir 2030 vielleicht wirklich Elektroautos haben. So etwas könnte man zeigen, anstatt immer nur Krieg, Bomben, Katastrophe und Leid. Aber wir sind in einer Dauerschleife der Angst – und dafür bekommen wir die Bilder geliefert.

Und warum wird diese Angst produziert?
Pufpaff: Was finden Sie denn geiler: Gänseblümchen oder einen Panzer? Gewalt oder Liebe?

Sie meinen, Gewalt kommt überproportional in den Nachrichten vor…
Pufpaff: …weil wir es sehen wollen.

Das würde bedeuten, dass die Nachrichtenmacher die Sendungen mit Blick auf Quote produzieren.
Pufpaff: Nicht aufgrund der Einschaltquote, sondern einfach aufgrund dessen, was vom Bauchgefühl her verlangt würde. Suchen Sie als Enthüllungsjournalist nach einem Watergate oder nach dem Kleintierzüchter-Verein? Bekommen die „1414“-Reporter von „Bild“ 150 Euro für ein Gaffer-Video, oder für den schönsten Sonnenuntergang? Erzählen Sie mir doch nicht, dass wir da draußen Ringelpiez mit Anfassen suchen und uns der Panzer im Grunde genommen nicht interessiert! Nein, wir finden: Leid und Krieg versendet sich besser. Und das machen die Nachrichten.
Nur, gehört zu meiner Informiertheit wirklich eine allumfassende Darstellung des Leids? Wäre es nicht besser, auch darauf hinzuweisen, was auf der eigenen Untertasse passiert? Wie zum Beispiel eine Renten-Misere. Oder dass in Köln viele Kinder keine warme Mahlzeit am Tag haben. Klar, muss man auch darüber informiert sein, wie es in Aleppo aussieht. Damit wir auch kapieren, warum die Flüchtlinge hierher kommen. Aber: Müssen Nachrichten nur noch diese Kriegsbilder generieren? – Meine Kinder würde ich im Moment nicht die Nachrichten schauen lassen.

Es gibt sie nun mal, die Kriege in dieser Welt und ihre Opfer.
Pufpaff: Aber wissen Sie was durch diese vielen Bilder eigentlich impliziert wird? – Dass Sie die Welt retten müssen. Kann der einzelne Zuschauer die Welt retten? Nein. Kann der Zuschauer die Verantwortung für das komplette Leid auf der gesamten Erde übernehmen? Diese Bebilderung spricht ja dafür. Fühlen Sie sich wohl, wenn Ihnen gesagt wird: Übernimm die Verantwortung für die Welt?

Dass mir als Zuschauer die Verantwortung zugeschoben wird, sehe ich nicht so. Ich sehe es als Pflicht der Medien, Kriegsgeschehen zu dokumentieren.
Pufpaff: Für mich stimmt die Gewichtung nicht. Nachrichten sind heute viel internationaler als vor 20-30 Jahren, Innenpolitik ist komplett abgemeldet, spätestens seit Trump. Ich frage jeden Abend mein Publikum, was im Moment innenpolitisch relevant ist – Sie glauben nicht, wie still es da im Saal wird.
Die Leute fangen erst an, sich mit etwas auseinander zu setzen, wenn es sie berührt, wenn sie es sehen und nachvollziehen. Im Moment sehe ich aber nur Trump und Syrien. Warum berühren mich die USA, warum berührt mich ein zerbombtes Aleppo? – Und dann kommt irgendwann ein Kumpel vorbei, und sagt mir, was mich eigentlich berührt: Da wären jetzt Flüchtlinge nebenan. Und sie hätten den Lidl zugemacht, weil Flüchtlinge geklaut und die Kassiererin vergewaltigt hätten… – und dann merken Sie: Weil wir uns in den Nachrichten nicht mehr mit der Innenpolitik beschäftigen, funktioniert der Stammtisch wieder. Dort entstehen dann solche Horror-Storys wie mit dem Lidl. Oder jemand setzt das Gerücht in die Welt, dass Muslime im Schwimmbad ein Mädchen vergewaltigt haben – da fragen Sie sich dann, ob das stimmt, schalten den Fernseher ein und da kommt aber nur Trump, Aleppo und wie die deutsche Nationalmannschaft gespielt hat. So bekommt der Stammtisch einen viel höheren Gegenwert. Wenn wir die Berichterstattung über Inneres vernachlässigen, wem überlassen wir das dann?

Sparen Sie denn Trump in Ihren Sketchen aus?
Pufpaff: Nein. Ich sage ja: Ich finde den Panzer geiler als die Blumenwiese mit Schmetterlingen – es sei denn, die Blumenwiese explodiert, dann wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. So sind wir nun mal. Warum war das Video von Gina-Lisa Lohfink drei Tage lang das meistgeklickte Video im deutschen Internet? Weil wir es so abscheulich finden?

Sie kritisieren also Nachrichten-Macher und Publikum gleichermaßen…
Pufpaff: Das meine ich mit dem Till Eulenspiegel: Ich halte einen Spiegel vor – und nehme mich davon auch nicht aus. Soll ich jetzt nur Gina-Lisa Lohfink die Schuld geben? Oder dem Apparat, der das für sich instrumentalisiert? Oder eben den Zuschauern, die sagen: Gib mir mehr Panzer, mehr Gina-Lisa?
Gucken Sie sich die Berichterstattung an: Manche sagen „viele Tote“, andere beziffern das genau, sagen „306 Tote“, und es gibt Redaktionen, die noch mehr versuchen rauszuholen: Zum Beispiel, in dem gesagt wird, „306 Tote, davon über 100 Kinder und viele haben ein Bein verloren.“

Aber dann muss Sie Ihr Job bei den RTL-Nachrichten doch angewidert haben.
Pufpaff: Also, es war nicht so, dass ich dort in triefenden Kadavern stand. Ich habe die Nachrichten bei „Punkt 12“ betreut, wo wir tatsächlich viel Kleintierzüchter-Themen und weniger die Hardcore-Nachrichten hatten. Hätte ich damals die Video-Tapes aus dem Irak-Krieg sichten wollen? Ich glaube nicht, da hätte ich einen an der Klatsche gekriegt.

Wir haben Zeiten, in denen die Satire den Job des Journalisten übernehmen muss“, sagte uns Ihre Kollegin Christine Prayon. Stimmen Sie ihr zu?
Pufpaff: Da kommen, glaube ich, verschiedene Sachen zusammen: Unsere Aufmerksamkeitsspanne hat sich verändert. Wer hat noch Lust, einen 1:30min-Beitrag zu verfolgen, in dem keine Bombe fällt? Da ist die Satire ein probates Mittel, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. Denn ein Lacher weckt Interesse. Das macht halt Spaß. Deshalb schafft es Satire, die Aufmerksamkeit länger zu halten und deswegen kann sich die „heute-Show“ auch über 30 Minuten mit Nachrichten beschäftigen. Wobei das natürlich anders aufgemacht ist, repetitiv, witzig, auch mit mehr Informationen, mit O-Tönen – und mit einer Wertung. Da ist die Verantwortung einer „Tagesschau“ natürlich eine ganz andere. Wobei ich trotzdem sage: Die Nachrichten bitte weniger international, mehr national.

Nun bringen „Die Anstalt“ und auch die „heute-show“ bestimmte Themen ans Licht, die in den normalen Nachrichten nicht vorkommen. „Die Anstalt“ berichtete über Journalisten, die in Think-Tanks sitzen und Christine Prayon klärte in der „heute-show“ auf, wie die Bundesregierung bei der Bezeichnung „Völkermord“ mit zweierlei Maß misst.
Pufpaff: Ich würde den Medien aber nicht unterstellen, dass sie absichtlich Dinge weglassen. Auch weil sie ja Sendungen wie „Die Anstalt“ oder die „heute-show“ zulassen. Solange es dieses Korrektiv gibt, sehe ich das wie Yin und Yang, ist doch super. Da kommen ja dann auch noch Magazine wie „WISO“ oder „Panorama“ hinzu, welche Nachrichten anders aufbereiten.

Und das Kabarett ist ein „Korrektiv“?
Pufpaff: Ich meine das jetzt nicht in dem Sinne, dass Falschmeldungen korrigiert werden, sondern es geht darum, eine Bandbreite darzustellen, das ist für mich ein Korrektiv. Dass wir zwei verschiedene Meinungen erstmal stehen lassen können und dass ich dann selbst entscheide, was richtig ist. Auch da: Es geht um den mündigen Bürger.
Der „heute-show“ wurde übrigens auch schon falsche Berichterstattung vorgeworfen, als der O-Ton einer Linken-Politikerin so beschnitten wurde, dass eine andere Aussage dabei herauskam. Darauf hat Oliver Welke reagiert, hat es kommentiert und seitdem gibt es online die Rubrik „What the Fakt“. Dort kann man dann die Fakten zu den Themen, die in der „heute-Show“ dargestellt wurden, nochmal nachlesen. Korrektiv heißt also für mich eher, sich gegenseitig auf die Finger zu schauen. Zum Beispiel auch wenn Jan Böhmermann mit „Verafake“, wofür er viel Lob bekommen hat, einen riesigen Aufschrei auslöst, u.a. damit, dass die Darsteller nur 450 Euro kriegen. Was dort nicht gesagt wurde: Die meisten Teilnehmer von „Schwiegertochter gesucht“ sind Hartz4-Empfänger, die dürfen gar nicht mehr als 450 Euro dazuverdienen. Die dürfen auch keinen Arbeitsvertrag haben, selbst wenn es nur für einen Tag ist. Diese Fakten gehören zu dem Gesamtbild dazu.

Muss ein Kabarettist heute also auch journalistisch arbeiten?
Pufpaff: Also, in meinen Nummern kommen ja kaum Zahlen vor, ich reflektiere mehr den Zuschauer. Ich quatsche auch unwahrscheinlich gerne mit Leuten, mit Taxifahrern, Busfahrern – so merke ich irgendwann, was gerade Thema ist. Ich muss jetzt nicht in die Tiefe recherchieren, sondern kann Leute direkt fragen: Warum hast du jetzt Schiss vor den Flüchtlingen?
Bei Lidl habe ich aber tatsächlich angerufen und gefragt, ob es irgendeine Filiale gab, die zugemacht hat, weil in der Nähe ein Flüchtlingsheim ist. Nein, gab es nicht. Das habe ich recherchiert, aber das war nur ein Telefonat. Und klar ist natürlich auch: Wenn ich bei einem Sketch über die Deutsche Bank mit Zahlen hantiere, wäre es doof, wenn die nicht stimmen. Auch wenn man über den BER spricht sollte man jetzt nicht Milliarden mit Millionen verwechseln.

Apropos Millionen: Über ein Thema wird in der „heute-show“ allerhöchstens am Rande mal ein Witz gemacht: Die Rundfunkgebühren.
Pufpaff: Ja, das stimmt. In dem Fall könnte man der „heute-show“ vorwerfen, nur die großen, aktuellen Themen zu behandeln, sprich die Dinge, die in der Woche im Politik-Teil der Süddeutschen verhandelt wurden. Dass die „heute-show“ nun in Wallraff-Manier sagt: „Wir haben herausgefunden, dass ARD und ZDF jedes Jahr 45 Millionen in einen neuen Jugendsender stecken, was machen die da eigentlich mit dem ganzen Geld?“, das gab es bisher nicht. – Ja, könnte man mal machen.

3 Kommentare zu “Die treuesten Zuschauer sind oft die, die einen hassen.”

  1. U. Steffens |

    Warum soll ich alles an Leid in der gesamten Welt sehen wollen? Um mir zu sagen, dass ich hilflos bin? Das weiss ich auch so, auch, dass ich die Welt nicht retten kann ist bekannt. Ich kann nur in kleinem Rahmen wirken, wozu zeigt man mir den ganzen Dreck im großen Rahmen? Damit ich mir in meinem kleinen Leben sagen kann, dass es mir gut geht – gemessen am Elend anderer. Dass unsere Umwelt im Ars%& ist, dass das Klima sich verändert, überall Plastik rumfliegt, das kann man dann verdrängen. Das zerbombte Aleppo ist visuell wirksamer…

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  2. gast |

    Dem mündigen Bürger also z.B. erklären, wo er unmündig ist. Zum Beispiel dort, wo mit seinem Geld Fernsehen produziert wird. Was eine gute Mischung ist, wird ihm nämlich von Klügeren erklärt und vorgesetzt. Wenn man davon profitiert, muss man das natürlich verteidigen. Andere könnten das als Bevormundung verstehen.

    Antworten
    1. anderer gast |

      @Gast: Wieso ist es „Bevormundung“, dass es eine Vorauswahl gibt, was in die 24 h/Tag passt? Soll denn einfach jeder Sch*#% gesendet werden, damit niemand behaupten kann, ihm würde etwas vorenthalten? (Es gibt Stimmen im Universum, die behaupten, dies passiere jetzt schon)

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