ARD-Pressekonferenz vom 12.02.2020

Umschaltzeitpunkte muss man ernst nehmen.

In Köln sprachen der ARD-Vorsitzende Intendant Tom Buhrow und der Programmdirektor Volker Herres über längere "Tagesthemen", die wichtige Rolle der Umschaltzeitpunkte, Intendanten mit Parteibuch, den Finanzausgleich zwischen den Anstalten, "neue Bundesländer" und Forderungen nach Gehaltskürzungen in der ARD.

ARD-Pressekonferenz vom 12.02.2020

© Planet Interview

Am 12.02.2020 fand in Köln eine ARD-Pressekonferenz statt, bei welcher der neue ARD-Vorsitzende Tom Buhrow und der Programmdirektor Volker Herres Fragen beantworteten. Hier gibt es die Video-Aufzeichnung. Die Mitteilungen der ersten 18 Minuten lassen sich im Wesentlichen auf ARD.de nachlesen.

Das Format der ARD-Pressekonferenz wurde verkürzt, von zuletzt 80 Minuten auf 53 Minuten. Die Zeit für Journalistenfragen blieb gleich bei 35 Minuten. Es konnten 18 Fragen gestellt werden.

Erwähnenswert:

– Tom Buhrow sagt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk gesprächsbereit sein muss: „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss sich immer, muss immer bereit sein, grundsätzlich Fragen zu beantworten.“ Buhrow selbst hat sich in der Vergangenheit im Format „WDRcheck“ Fragen von Gebührenzahlern gestellt. Das war 2013 bzw. 2015. (Das Format sah vor, dass Beitragszahler, die in der Sendung eine Frage stellen wollten, diese Frage vorher per Mail einsenden). Ob und in welchem Rahmen sich Buhrow in der Zukunft wieder Fragen von Beitragszahlern stellen wird, blieb bei der PK offen. Aber Buhrow sagt: „Es ist mein Anspruch als ARD-Vorsitzender, dass wir da in den Dialog noch verstärkt kommen.“
Nachtrag 18.02.: Die ARD hat eine Übersicht über Dialogformate der verschiedenen Rundfunkanstalten erstellt, die ich hier hochgeladen habe (PDF). Es ist eine umfassende Übersicht, die aber auch diverse Formate beinhaltet, bei denen Bürger eingeladen sind über gesellschaftspolitische Themen (und nicht die Anstalten) zu diskutieren. Konkrete zukünftige Termine für 2020 ergeben sich aus der Unterlage nicht. Es seien aber z.B. im WDR drei Publikumsdialoge geplant, beim RBB soll es in der Reihe „Den rbb grillen“ zehn Veranstaltungen geben, den Auftakt gab es bereits am 05. Februar in Templin. Alle Rundfunkanstalten ermöglichen Interessierten auch den Blick hinter die Kulissen, der BR beispielsweise mit seiner jährlichen Aktion „Mitmischen“ im Mai.

– Tom Buhrow sagt in Bezug auf die Gehälter in der ARD: „Es ist legitim, kritisch zu fragen, auch nach Gehältern. Bei uns ist ja alles in Geschäftsberichten veröffentlicht“. Das entspricht leider nicht den Tatsachen. Nur einen Meter neben ihm steht Volker Herres, Programmdirektor der ARD, dessen Gehalt nicht veröffentlicht wird (so wie es auch von vielen anderen ARD-Direktoren nicht bekannt ist). Auch veröffentlicht die MDR-Intendantin Karola Wille ihr Gehalt NICHT im MDR-Geschäftsbericht (siehe MDR-Geschäftsbericht 2018 (PDF), Bemerkung auf S.80, „Auf die Angabe nach § 285 (…) HGB wurde verzichtet)

– Die ARD will den Etat für Sportübertragungsrechte nicht erhöhen. Zitat Tom Buhrow: „Wir kommen damit dem nach was die Gesellschaft uns sagt.“ Der Etat liegt aktuell bei 1,023 Milliarden Euro für vier Jahre.

– Am 05. Januar 2020 stiegen Aktivisten einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisation auf das Dach des Kölner WDR-Funkhaus, entrollten ein Transparent und warfen Flugblätter. Vermutlich als Antwort auf das „Umweltsau“-Video hatten die Aktivisten auf ihr Transparent geschrieben „WDRliche Medienhetze stoppen! GEZ sabotieren“. Einige Medien berichteten darüber (siehe z.B. dwdl.de, zeit.de, tagesspiegel.de), doch beim WDR selbst, der die Aktivisten direkt vor dem eigenen Fenster hatte, konnte ich dazu keinen Beitrag finden, weder auf wdr.de, noch auf Twitter oder Facebook. Das verwundert etwas und auch der WDR-Intendant Tom Buhrow kann es sich „nicht vorstellen, dass wir das übers Dach nicht berichtet haben. Das würde mich sehr wundern.“

Nachtrag 14.02.: Auf Anfrage schreibt mir die WDR-Pressestelle dazu:
Der WDR hat seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über den Vorfall informiert. Eine externe Berichterstattung gab es nicht. Am 6. Januar hat der WDR Strafantrag gestellt, die Ermittlungen dauern an.“
Nachtrag 18.02.: Der WDR begründet die Nicht-Berichterstattung schriftlich wie folgt: „Die Redaktionen wägen bei solchen Aktionen sehr genau ab und entscheiden abhängig von den Umständen, ob sie berichten oder nicht. Hintergrund ist, dass eine Berichterstattung der illegalen Aktion genau die Öffentlichkeit gebracht hätte, die die Initiatoren zu erreichen versuchten. Dies gilt natürlich auch für vergleichbare Aktionen außerhalb des WDR.“ 
Als die gleiche Organisation schon mal im Jahr 2017 auf dem gleichen Dach ein anderes Transparent ausrollte, hatte der WDR zumindest noch einen Tweet abgesetzt. In den Folgejahren hat der WDR auch vielfach über die Organisation berichtet.

– Drei von neun ARD-Intendanten haben ein Parteibuch. Für den ARD-Vorsitzenden Tom Buhrow ist dies kein Problem, Zitat: „Leute sind auch Mitglieder von Gewerkschaften oder von Kirchen – das interessiert mich alles überhaupt nicht, auf dem Boden der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung. Das Wichtige ist, dass man das professionell aus seiner Arbeit rauslässt und davon nicht die Arbeit bestimmen lässt.“ Alle drei betreffenden Intendanten, Yvette Gerner (SPD, Radio Bremen), Ulrich Wilhelm (CSU, Bayerischer Rundfunk) und Thomas Kleist (SPD, Saarländischer Rundfunk) haben ihre Parteimitgliedschaft in ihrer offiziellen Sender-Vita NICHT transparent gemacht.

– Wenn sich etwas an den „Tagesthemen“ ändert, ist nicht nur das Medienecho groß, auch senderintern muss dafür beträchtlicher Aufwand betrieben werden – selbst wenn es nur um fünf Minuten Sendezeit geht. Zuerst haben die ARD-Intendanten angeregt, dass man die „Tagesthemen“ von Montag bis Donnerstag um 5 Minuten verlängern könnte. Daraufhin berät darüber die „Fernsehprogrammkonferenz“ und deren Chef Volker Herres erklärt, warum über diese 5 Minuten Programmänderung viel diskutiert werden muss. Man müsse da schauen, „was es für  nachfolgende Programme bedeutet, für Umschaltzeitpunkte. Und da gibt es ein paar Stellen, wo man sagt: Da ist es für die Umschaltzeitpunkte nicht nur vorteilhaft. Da haben Sie eine Güterabwägung zu treffen zwischen dem Ziel, das wir beschrieben haben, was wir inhaltlich wollen, und der Frage: Was nehmen sie dafür in Kauf? Und diese Güterabwägung muss man sehr gewissenhaft treffen, wenn man verantwortungsvoll arbeitet. Dazu bedarf es eines überzeugenden Konzepts. (…) Wenn man es macht, muss man schon nochmal mit allen Zuständigen sehr intensiv diskutieren, was heißt das konzeptionell. (…) Und dann schaun wir mal wo wir landen.“
Über eine verdoppelte Sendezeit der „Tagesthemen“ am Freitag (von 15 auf 30 Minuten) haben sich Intendanz und Fernsehprogrammkonferenz bereits verständigt.

– Die längere Sendezeit der „Tagesthemen“ soll u.a. genutzt werden für „vertiefende Informationen aus den Regionen Deutschlands“. Dies wurde auf der PK mehrfach betont, was ein wenig verwundert, da regionale Berichterstattung ja zu den Pflichten der öffentlich-rechtlichen Sender gehört („Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben“ siehe Rundfunkstaatsvertrag).

– Sowohl der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow als auch der Programmdirektor Volker Herres verwenden 30 Jahre nach der Wiedervereinigung für Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern den Begriff „neue Bundesländer“. (Ja, das tun auch viele andere Journalisten, was das Ganze aber nicht unbedingt zeitgemäßer macht.)

– Zur Sprache kam die Neuregelung des Finanzausgleichs zwischen den ARD-Anstalten, der dafür sorgt, dass die Anstalten mit dem kleinsten Sendegebiet, Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk, zukünftig mehr Geld aus Richtung der größeren Anstalten bekommen (zu den bisher 93,3 umgeschichteten Millionen Euro sollen rund 34,5 Millionen hinzukommen, gerechnet auf vier Jahre). In dem Zuge lohnt es sich, kurz auf die Gehaltstabelle der Intendanten zu schauen. Denn es ist gar nicht so, wie man vielleicht vermuten würde, dass die kleinste ARD-Anstalt das niedrigste Intendanten-Gehalt zahlt.
Radio Bremen (226 Mitarbeiter): 273.000 Grundvergütung/Jahr
Saarländischer Rundfunk: (544 Mitarbeiter): 245.000 Grundvergütung/Jahr
Rundfunk Berlin-Brandenburg (1468 Mitarbeiter): 261.000 Grundvergütung/Jahr
Nun habe ich am Ende der PK gefragt, wie diese Unterschiede zustande kommen, worauf Tom Buhrow nur sehr knapp antwortete: „Es ist der Verwaltungsrat. Die tragen den regionalen Besonderheiten und den Aspekten in ihrem Bundesland Rechnung.“

– im Anschluss an die PK konnte mir Tom Buhrow, nach zwei Interviews für die ARD, noch eine Frage zum Ende der „Bambi“-Übertragungen in der ARD beantworten. Buhrow erklärte, den Reim „Bambi, ein süßes tolles Reh, für immer in der ARD“ habe er nicht als ARD-Vorsitzender gesagt, sondern als WDR-Intendant. Er schätze den „Bambi“ nach wie vor.


Im Folgenden die PK in Auszügen:

(…)

Tom Buhrow: In diesen Zeiten, wo die Gesellschaft immer mehr auseinanderzerrt, ist unsere Rolle besonders wichtig, als zuverlässiger Informationsgarant aber auch als jemand, der die Menschen mit allem versorgt, was zur Grundversorgung gehört.
Und wenn wir fragen, was die Menschen an der ARD besonders schätzen, dann werden immer wieder genannt: verlässliche Information und regionale Präsenz. Denn in Zeiten, in denen sich Zeitungen mehr und mehr zurückziehen, aus der Region, aus finanzieller Not auch, und in denen alle anderen Rundfunkbetreiber eher großflächig unterwegs sind, sind wir diejenigen, die nicht zur Berichterstattung einreisen sondern wir sind da, wir sind schon präsent, wir sind Nachbarn. Diese zwei Elemente wollen wir stärker zur Geltung bringen, und wollen, auch in Zeiten knapper Kassen, unsere programmlichen Stärken ausbauen. Dem kommen wir nach mit mehreren Maßnahmen, darunter, die „Tagesthemen“ zu stärken. (…) Da haben wir bekräftigt, was die Fernsehdirektoren schon beschlossen haben, dass wir am Freitagabend die „Tagesthemen“ verdoppeln von 15 auf 30 Minuten. Zusätzlich haben wir den Wunsch formuliert, dass die „Tagesthemen“ von Montag bis Donnerstag um fünf Minuten verlängert werden, explizit dafür, dass wir die Lebenswirklichkeit der Menschen aus Deutschlands Regionen abbilden unabhängig von der Tagesaktualität.

(…)

Volker Herres: Mit dem Auslaufen der „Lindenstraße“ zum 01.04. werden wir eine Reihe von Veränderungen im Programm Das Erste haben. Wir werden die „Brisant“-Leiste, auch das ist Information, die Woche über durchziehen, so dass um 17 Uhr am Sonntag auch eine neue „Brisant“-Sendung ins Programm kommt. Der Bericht aus Berlin bekommt auch 5 Minuten mehr Sendezeit. (…) Dann werden wir um 18.30 eine Sportschau haben, die mit mehr Rechten, auch internationalen Rechten, mehr zeigen kann von dem, was auch im Breitensport am Sonntag passiert, die wir auch nutzen wollen, für das, was uns in der Sportberichterstattung neben der Begeisterung für den Sport auch auszeichnet: die kritische Begleitung, der Hintergrund zum sportlichen Geschehen. Dafür haben wir künftig auch mehr Raum.

(…)

Fragen der Journalisten:

Frage (dpa): Der Finanzausgleich, ist das schon beschlossene Sache?

Buhrow: Es ist ARD-intern beschlossen, ich habe die entsprechenden Briefe abgeschickt an die Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, an die Vorsitzenden der Gremien-Kommission und an die KEF. Die Mechanik, die jetzt in Gang gesetzt ist: Unser Beschluss ist gefasst, damit haben wir den internen Streit ausgeräumt, aber natürlich gehört das zur finanziellen Rahmengebung die im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag stattzufinden hat. Wir sind da eine Art „interne KEF“, wir geben die Empfehlung ab, wir sagen, das haben wir ermittelt, aber wir sind nicht diejenigen, die es festzusetzen haben. Festsetzen tut es die Politik, also die Länder. Und das ist dann Teil des Finanzierungsstaatsvertrags genauso wie die Ausstattung mit unserer Gesamtfinanzierung.

Frage (tagesschau): Wann kommt es zur Verlängerung der Tagesthemen?

Buhrow: Wir wollen nicht die Fachexperten, Volker Herres für das Erste und die Programmdirektoren und die Chefredakteurskonferenz dabei überspringen. Aber unser Wunsch ist formuliert. Wir regen an, bitte guckt mal wie das gehen könnte und wie das mit Leben gefüllt werden könnte. (…) Dafür haben wir eine Fernsehprogrammkonferenz, und da haben wir alles Vertrauen, dass die den Ball aufnehmen.

Herres: (…) Wenn man es macht, muss man schon nochmal mit allen Zuständigen sehr intensiv diskutieren, was heißt das konzeptionell. (…) Da ist noch konzeptionelle Arbeit fällig und dann schaun wir mal wo wir landen. (…)

Frage (Süddeutsche Zeitung): Wann kommt es zur Verlängerung der täglichen Tagesthemen, woran könnte es noch scheitern?

Herres: Scheitern kann es eigentlich nur, wenn uns nicht einfällt. Das schließe ich aber aus. (…)

Frage (DWDL): Laut uebermedien stehen Sie, Herr Herres, der Verlängerung der Tagesthemen Montag-Donnerstag kritisch gegenüber, u.a. weil das negative Auswirkungen auf die Quoten der nachfolgenden Formate haben könnte.

Herres: Das ist in der Zusammenfassung nicht zutreffend. Ich habe darauf hingewiesen, wenn man einer solchen Verlängerung ins Auge fasst, ich in meiner Rolle ja an alle Sendungen des ersten denken muss. Ich muss ja das Gesamtprogramm verantworten. Also muss ich gucken, was bedeutet das für nachfolgende Programme, für Umschaltzeitpunkte. Das muss man ernst nehmen. Und da gibt es ein paar stellen, wo man sagt: das ist es für die Umschaltzeitpunkte nicht nur vorteilhaft. Da haben Sie eine Güterabwägung zwischen dem Ziel das wir beschrieben haben, was wir inhaltlich wollen, und die Frage: Was nehmen sie dafür in Kauf. Und diese Güterabwägung muss man sehr gewissenhaft treffen, wenn man verantwortungsvoll arbeitet. Dazu bedarf es eines überzeugenden Konzepts. Insofern gibt es keinen Gegensatz sondern eine spannende inhaltliche Diskussion. Ich finde es schön, dass man in der ARD immer inhaltlich um den richtigen Weg streitet und um die richtigen Inhalte und die richtige Ausrichtungen von Sendungen.

Frage (Ulrike Simon): Wie reagiert das ZDF/„heute-journal“ auf die „Tagesthemen-Verlängerung?

(…)

Frage (PI): Es heißt, Sie haben für den ARD-Vorsitz das Kommunikationsteam vergrößert von 4 auf 15 Personen. Warum?

Buhrow: Die 15, wir nennen es den „Stern“, da geht es nicht nur um reine Kommunikation, sondern da sind Vertreter aus unserem Haus aus allen Ecken drin, von allen Direktionen. Weil mir wichtig war, dass wir eine gute Binnenkommunikation haben – dass alles, was sich in der ARD tut, wenn wir den Finanzausgleich diskutieren, wenn wir die SD-Verbreitung diskutieren, will ich, dass die Produktionsdirektion über alle Aspekte der Verbreitung mit im Boot ist. Sowohl Input gibt an uns als auch sozusagen informiert über alles, was es in der ARD für Kommunikationsmaßnahmen gibt aber auch Diskussionen gibt. (…) Es ist nicht wie eine Pressestelle, sondern auch für eine Binnenkommunikation und den Informationsfluss in unserem Haus. Und zu allen zu Rundfunkanstalten und zum Generalsekretariat.
Wir hatten im letzten Jahr die Diskussion, die Überlegungen, was mit dem „Weltspiegel“, wie der Sonntag neu geordnet werden soll. Wenn dann Vorüberlegungen, die einige anstellen, in die Presse kommen und es dann zurecht kritische Nachfragen gibt, dann fragt sich jede Landesrundfunkanstalt: Wie wird jetzt kommuniziert? Was läuft jetzt im Hintergrund ab?
Deshalb ist wichtig für uns, dass nicht nur die wirklichen Kommunikationsteams miteinander Telefonkonferenzen haben, dass nicht nur dann informiert wird, sondern dass gewissermaßen ein ständiger Fluss ist, dass jede Landesrundfunkanstalt informiert ist. Also Binneninformationsfluss, Informationsfluss in die Landesrundfunkanstalt – und das eigentliche Presse-Team…

(Birand Bingül, WDR-Presse): Wir haben zwei Sprecherinnen, wir haben das Social Media Team verstärkt (…)

Buhrow: Es ist ein besonderes Jahr, in dem unser finanzieller Rahmen festgelegt wird. Wir hatten aber seit 2009 keine Anpassung mehr. Das heißt wir haben eine ganze Generation von Menschen, für die eigentlich klar ist: eigentlich sinkt der Beitrag nur ab und zu mal, aber er steigt nie.
Wir werden jetzt eine Diskussion haben um eine Anpassung nach oben, die uns aber trotzdem Sparmaßnahmen auferlegt, weil wir nämlich die Rücklagen nicht mehr haben, die das alles so stabil gehalten haben. Und das ist ein besonderes Jahr. Das beschert uns zum Teil eine Grundsatzdebatte. Und wenn Sie sich angucken, was in Thüringen passiert und passiert ist – da müssen wir uns grundsätzlichen Fragen stellen. Ich finde das auch legitim. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss sich immer, muss immer bereit sein, grundsätzlich Fragen zu beantworten. Warum gibt es uns, warum gibt es uns so, warum mit so und so viel Hörfunk-Wellen, warum mit so und so viel Programmen, mit der Regionalität? Das sind legitime Fragen. Das ist eine Grundsatzdebatte, die jetzt gekoppelt an die Beitragsdiskussion mit besonderer Vehemenz an uns gestellt wird. Und da kann man nicht so tun, als wenn es ein Jahr wie jedes andere wäre.

Frage (PI): Vom ZDF gab es 2019 Bürgerdialoge, wo Beitragszahler Fragen an ZDF-Verantwortliche stellen konnten. Was ist in dieser Hinsicht bei der ARD konkret geplant, auch in Anbetracht dessen, dass es zu einer Gebührenerhöhung kommen könnte?
Und an Herrn Herres, würden Sie sich aufs Podium setzen, wenn Beitragszahler im Publikum sitzen?

Buhrow: Als ich Intendant war, habe ich das sofort gemacht, den WDR-Check gemacht, ein Format „wir über uns“, wir sind rausgegangen, wo wir im Townhall-Stil Bürgerdialoge gemacht haben. Das ging es nur um kritische Fragen, warum ist die Musikauswahl in den Hörfunkwellen so usw. (…) Komischerweise kamen dort weniger Fragen zum Beitrag, sondern mehr über Programminhalte, Farben der Musik im Hörfunkprogramm. Ich habe damit Erfahrung, ich habe auch mit Lutz Marmor eine solche Sendung für die ARD gemacht – wir sind da komplett offen. Das ist auch das Jahr der Kommunikation. Mein Anspruch war, für den WDR sowieso vom ersten Tag an, dass wir uns öffnen. Dass wir nicht in der Zitadelle sitzen sondern dass wir uns auch Kritik und Fragen öffnen. Die meisten Zuschauer schätzen uns ja grundsätzlich, haben Detailkritik. Aber wir müssen uns allem stellen. Ich finde, dass die ARD das auch macht. Das ist mein Anspruch als ARD-Vorsitzender, dass wir da in den Dialog noch verstärkt kommen.

Birand Bingül: Es gibt eine Reihe von Dialogformaten auch bei den Landesrundfunkanstalten Mitteldeutscher Rundfunk, RBB, der Bayerische Rundfunk, auch wir gehen in die Gespräche.

Herres: Ich mache das sehr häufig, in dem ich zu Veranstaltungen gehe, wo Bürger sind, Zeitungen veranstalten zum Teil solche Foren, ich habe das schon in Nürnberg, oder bei der Nordseezeitung gemacht, wo Leserinnen und Leser eingeladen werden und man dann als Gast auftritt und sich den Fragen unseres Publikums stellt. Das finde ich immer sehr spannend, da kann man nämlich sehr viel lernen, weil die Sicht des Publikums auf unser Programm dann doch häufig noch eine andere ist, als unsere reine Binnensicht.

Buhrow: Unsere Direktorinnen und Direktoren machen das auch häufig.

Frage (N.N.): Tagesthemen, mehr regionale Berichterstattung, was könnte das konkret heißen? Sie berichten ja jetzt auch schon aus den Regionen?

Buhrow: (…) Wie ist die tägliche Wirklichkeit des Nachrichtenredakteurs, der geht nach aktueller Lage vor. Und wenn man dann sagt, wir machen jetzt auch mal eine Lebenswirklichkeit, die vielleicht nicht die politische Brisanz hat, dann fallen die Stücke, die man als nicht im engeren Sinne politischen Journalismus bezeichnet, leicht mal hinten runter, weil einfach die Zeit nicht da ist. (…) Und das heißt: Wenn ich Klagen höre, aus den sogenannten „neuen“ Bundesländern, dann hören wir oft: Zu uns kommt ihr immer nur wenn Pegida marschiert, dann wird das Klischee bedient. (…)
Es geht darum: Der Journalismus sollte immer, eine Tagessendung, die vertiefend ist, sollte immer auch mal die gesamte Lebenswirklichkeit abbilden.
Ich habe in Mecklenburg-Vorpommern gehört, bei meinen Antrittsbesuchen als ARD-Vorsitzender, dass da der Abwanderungstrend schon seit einiger Zeit nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt worden ist, es gibt mehr Zuwanderung als Abwanderung. Und auch solche Geschichten müssen auch vorkommen. Und häufig ist der Aktualität, wo man nur nach den brisanten Themen geht, für so etwas kein Raum.

Herres: Sie sind immer in der Gefahr, in dieser nervösen Berliner Republik, dass Sie sehr fokussiert sind auf das Hauptstadtgeschehen. Das müssen wir auch abbilden, politischen Streit, Auseinandersetzung und eine bestimmte Perspektive. Aber das Politische spielt sich ja auch im Alltag ab. Da näher hinzugucken und zu sagen: Welche politischen Konflikte, die abstrakt in Berlin diskutiert werden, kann man an ganz konkreten Geschichten in den Regionen erzählen. Wenn man das macht ändert sich sehr schnell die Perspektive. Weil man etwa über das Thema Elektromobilität ganz anders spricht, wenn man es aus einer urbanen Perspektive sieht, wenn Sie in einer Stadt wie ich in München wohnen – da habe ich gesagt: privat bräuchte ich gar kein Auto, weil es stehen dauernd welche vor der Tür, da gibt es Carsharing, öffentlichen Nahverkehr. Das sieht auf dem Land anders aus und das ist etwas, was man ins Bewusstsein heben muss.
Ich sage, gerade auch mit Blick auf die neuen Länder, ein Stückweit das, was man „Constructive Journalism“ nennt. Wir haben glaube ich auch oft eine Perspektive, die sehr schnell Aufmerksamkeit – so sind Journalisten, sie kommen, wenn der Wasserhahn tropft, nicht wenn alles in Ordnung ist – wir haben so eine Perspektive, wo wir sagen, da ist etwas Negatives, da gucken wir schnell hin.
Mal zu sagen, man guckt auch mal hin und sucht positive Beispiele, wo man sagt: Ja, hier ist ein Strukturproblem, hier ist ein Integrationsproblem, hier ist Wirtschaftsproblem, ein Infrastrukturproblem, wie hat die Region das gelöst? Da gibt es tolle Geschichten und ich glaube, dass wir die auch erzählen müssen. Dass das auch ein Stückchen Überwindung von Spaltung, die wir in Deutschland ja gerade doch wieder vertiefend erleben, dass das ein Stückchen von Überwindung von Spaltung sein kann. Eine selbstkritische Reflexion, wie richten wir uns aus, vor dem Hintergrund führen wir die Debatte.

Frage (Hans-Jürgen Kupka): Könnte am Freitag, der Bericht aus Berlin, nach den „Tagesthemen“ gesendet werden?

(…)

Frage (Kölner Stadtanzeiger): Herr Buhrow, Sie haben gesagt, der Sportrechte-Etat wird eingefroren statt erhöht? Wie hoch ist er, wie hoch war die geplante Erhöhung und welche Auswirkungen hat das, dass er eingefroren wird?

Herres: Sportrechte ist in der Programmdirektion angesiedelt. (…) Das ist ein Vier-Jahres Etat (…) die Gesamtsumme liegt über 4 Jahre von 2017-2020 bei 1 Mrd und 23 Millionen, aufs Jahr sind es ca. 250 Millionen, aber die Jahre sind unterschiedlich, mal mit Olympischen Spielen, mal mit Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, mal ohne Top-Ereignisse. Auf dieser Größenordnung wird er auch für die kommende mittelfristige Finanzplanung von 2021-24 fortgeschrieben.

Nachfrage: Um wie viel sollte er erhöht werden?

Herres: Rund 68 Millionen, wenn man ihn proportional mit den üblichen Steigerungsraten erhöhen würde, die wir bei anderer Finanzlage, die wir aber absehbar nicht haben werden, gehabt hätte. Faktisch ist es eine Kürzung, denn wir haben Preissteigerungen überall und im Sportrechte-Bereich in besonderer Weise. Eine 1:1 Fortschreibung bedeutet immer, dass wir uns für die kommenden Jahre, bis 24 im Bereich der Sportrechte zurückhalten müssen. (…)

Buhrow: Wir tragen damit dem Rechnung, was uns häufig entgegenschallt, dass wir gerade beim Sportrechte-Etat natürlich auch besonders schauen müssen, dass wir nicht jede Preissteigerung nachgeben, sondern da besonders drauf gucken sollen. Das haben wir bisher, auch aus Gründen der Akzeptanz, da sind wir mit unserer Verhandlungsführung nachgekommen, aber auch in dem wir nur bis zu einem bestimmten Betrag mitgeboten haben und dann auch schon vieles nicht mehr gemacht haben. Den Weg gehen wir weiter, wir kommen damit dem nach was die Gesellschaft uns sagt.

(…)

Frage (Süddeutsche Zeitung), vom Moderator Birand Bingül fälschlicherweise dem Thema Finanzausgleich zugeordnet; es geht in der Frage von Hans Hoff aber um den Rundfunkbeitrag:
Es gibt Stimmen, die sagen, dass nicht alle Länder der Empfehlung der KEF (den Rundfunkbeitrag auf 18,36 Euro anzuheben) folgen wollen. Was passiert, wenn es zu keiner Einigung kommt. Was wäre die Folge für die ARD?

Buhrow: Ich kann darüber nicht spekulieren. Im Rundfunkstaatsvertrag ist Einstimmigkeit vorgesehen, es hat bisher noch nie den Fall gegeben, dass er nicht von allen ratifiziert wurde, wenn die Ministerpräsidenten einen Beschluss gefasst hatten. Rein technisch wäre es so, dass es keine Veränderung gäbe, zum jetzigen Beitrag. Und da wir jetzt mit den Rücklagen 18,35 Euro verzehren, und nicht 17,50 sondern wir haben den Beitrag stabil gehalten und einmal senken können, durch die Umstellung – das ist jetzt aufgezehrt, wir würden abrupt einen Schock-Schrumpf-Effekt haben, der über das hinaus geht, was uns bei der Annahme der KEF-Empfehlung sowieso schon ins Haus steht. Aber das wäre dann noch extrem verstärkt. Rein von der Mechanik her bliebe dann der jetzt geltende Beitrag.

Frage (Tagesspiegel): Soll sich der neue Finanzausgleich noch auf den künftigen Rundfunkbeitrag auswirken?

(…)

Frage (Kölner Stadtanzeiger): Herr Buhrow, Sie sagten im Deutschlandfunk, dass Sie in Sachen „Omagate“ keine Solidarität von den anderen Intendanten erwarten. Jetzt wo Sie mit denen hier beim WDR zusammengesessen haben, war das nochmal Thema? Haben Sie darüber gesprochen, wie man mit solchen Dingen zukünftig anders umgehen könnte?

Buhrow: Es ist bei uns nicht so ein Thema wie in der Medienszene. Insofern haben wir das hier und da gestreift, es war überhaupt kein Thema unserer Gespräche unserer Tagesordnung. Für mich unterstreicht die ganze Sache meinen Anspruch, dass wir nah bei den Zuschauern zu sein haben, und dass wir für die Menschen da sind, und dass dazu auch gehört, dass man Sorry sagen kann. Ohne dass es gleich eine riesige Kontroverse auslöst.

Frage (PI): Drei von neun Intendanten haben ein Parteibuch. Ist das ein Problem für die Unabhängigkeit, politisch gesehen, der ARD?

Buhrow: Das ist für mich, auch bei meinen Leuten, bei meinen Redakteurinnen und Redakteuren überhaupt nichts, was mich interessiert. Mich interessiert, dass sie journalistische Standards haben, professionelle Standards, nach denen sie alles, was sie glauben – Leute sind auch Mitglieder vo Gewerkschaften oder von Kirchen – das interessiert mich alles überhaupt nicht, auf dem Boden der freiheitlichen, demokratischen Grundordnung. Das Wichtige ist, dass man das professionell aus seiner Arbeit rauslässt und davon nicht die Arbeit bestimmen lässt.

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt hat Sie aufgefordert, Ihr Gehalt zu senken. Finden Sie die Forderung populistisch oder nachvollziehbar?

Buhrow: Es ist immer legitim, kritisch zu fragen, auch nach Gehältern, bei uns ist ja alles in Geschäftsberichten veröffentlicht, und natürlich ist dann legitim, dass es von jedem, auch Ministerpräsidenten ist das nicht verwehrt, kritische Nachfragen zu stellen. Ich finde das nicht populistisch.

Es war keine Frage von Herrn Haseloff sondern eine Forderung.

Buhrow: Auch das finde ich nicht populistisch, das ist jedem freigestellt.

Wie erklärt sich, dass zum Beispiel das Gehalt der Intendantin von Radio Bremen (226 Mitarbeiter) höher ist als das von der Intendantin des RBB (1468 Mitarbeiter)?

Buhrow: Wie kommt das zustande? Es ist der Verwaltungsrat. Die tragen den regionalen Besonderheiten und den Aspekten in ihrem Bundesland Rechnung.

Frage (PI): Bei Ihnen waren Anfang Januar Aktivisten auf dem Dach, aber ich finde dazu im WDR keinen Bericht. Gibt es dazu Ermittlungen, Ergebnisse?

Buhrow: Mir ist der Stand nicht bekannt. Ich weiß nicht, ob da ein Ermittlungsverfahren schon beendet ist.

Frage (PI): Warum findet man dazu beim WDR nichts?

Buhrow: Ich bin ziemlich sicher, dass wir darüber berichtet haben. Es waren ja auch Demonstrationen vorm Haus, da haben wir drüber berichtet. Da kann ich mir nicht vorstellen, dass wir das übers Dach nicht berichtet haben. Das würde mich sehr wundern. Das prüfen wir nochmal nach und können wir Ihnen nachliefern.

+++ im Anschluss an die PK beantwortete Tom Buhrow noch folgende Frage zum Bambi +++

Herr Buhrow, Sie reimten bei der letzten „Bambi“-Verleihung des Burda Verlags, die Gala bleibe „für immer in der ARD“. Nur zwei Monate später wurde bekannt, dass die ARD die „Bambi“-Verleihung in Zukunft nicht mehr zeigt. Wie kam der Sinneswandel?

Buhrow: Bei mir ist es kein Sinneswandel weil ich schätze Bambi, und schätze den Verlag und schätze auch die langjährige Zusammenarbeit sehr. Aber das sind natürlich immer programmliche Erwägungen mit ganz vielen Aspekten und mit vielen Facetten, die auch in der Gemeinschaft getroffen werden müssen.
Den Reim habe ich nicht als ARD-Vorsitzender gesagt, ich glaube, da war ich auch noch nicht ARD-Vorsitzender, sondern nur als WDR-Intendant.

Sie hätten es gerne fortgesetzt?

Buhrow: Ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte.

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.