ARD-Pressekonferenz vom 15.09.2022

Wir finden es gut, wenn möglichst viel geshared wird.

Die Verantwortlichen der ARD sprachen auf einer Pressekonferenz in Köln u.a. über Transparenz, Compliance, Umschichtung, Digitalisierung, Gehälter und warum es für die Berichterstattung von einem Parteitag 58 Redakteure braucht.

ARD-Pressekonferenz vom 15.09.2022

Am 20.09.22 fand in Köln wieder eine ARD-Pressekonferenz statt, die Intendantinnen und Intendanten der ARD sowie die Gremienvorsitzenden der Landesrundfunkanstalten hatten zuvor in Bremen getagt. Hier gibt es die Videoaufzeichnung.

Auf dem Podium saßen diesmal Tom Buhrow (WDR-Indendant, ARD-Vorsitzender), Kai Gniffke (SWR-Intendant und ab Januar ’23 ARD-Vorsitzender, Yvette Gerner (Radio Bremen-Intendantin), ARD-Programmdirektorin Caroline Strobl, sowie Hans-Albert Stechl, Vorsitzender der ARD-Gremien und Mitglied im Verwaltungsrat des SWR.

Im Gegensatz zu den ARD-PKs, an denen ich sonst teilgenommen habe, gab es viel Zeit für Fragen (ca 80 Minuten) und soweit ich es sehen konnte, kam auch jeder dran, der eine Frage hatte.

Ich dokumentiere die PK unten in Auszügen. Zuvor ein bisschen Zusammenfassung und Anmerkungen:

– Tom Buhrow sagt, er überweise jedes Jahr einen fünfstelligen Betrag „an den WDR und damit an die Beitragszahlerinnen und -zahler zurück“. Klingt edel… warum es aber eher eine Nebelkerze ist, habe ich hier aufgeschrieben.
– Tom Buhrow sagt, dass laut Medienforschung ab dem Jahr 2030 das digitale Programm wichtiger sein wird, als das lineare.
– Neue Details zu den Enthüllungen beim RBB und NDR gab es keine, außer dass Tom Buhrow in Bezug auf den NDR „ein gutes Gefühl“ hat, „was die Aufklärung angeht“. Und: „Die ARD ist nicht die Aufsicht des RBB, die haben eigene Aufsichtsgremien.“
– Nachdem die ARD ja zur RBB-Leitung auf Distanz gegangen war, tagt man inzwischen wieder zusammen, Jan Schulte-Kellingshaus (Programmdirektor des RBB unter Patricia Schlesinger) „war bei allen Beratungen in Bremen dabei“, so Tom Buhrow
– Es gibt in der ARD zwei Arbeitsgemeinschaften, von denen sich eine mit „Umschichtung“ befasst. Diese AG soll laut Yvette Gerner „identifizieren, was lassen wir sein, um im digitalen Bereich präsenter zu sein“. Gerner selbst leitet mit Florian Hager (HR) die AG „digitale, föderale ARD. Da geht es darum, die Expertisen, das Know-How, das in den Landesrundfunkanstalten vielfältig vorhanden ist, gezielt einzusetzen ohne Doppelstrukturen zu produzieren.“ Die AGs arbeiten bis Ende des Jahres.
– Längst nicht alle ARD-Anstalten machen die hohen Gehälter ihrer Direktoren transparent. Darauf habe ich die Senderchefs schon öfter angesprochen. Nun sagt Buhrow: „Die Sender, die es noch nicht haben, dass auch die Direktorengehälter transparent sind, werden das, glaube ich, in absehbarer Zeit einführen. Und das werden Sie in deren nächsten Geschäftsberichten sehen, da bin ich sehr zuversichtlich.“ Diese Geschäftsberichte der einzelnen Anstalten verlinkt die ARD  neuerdings unter der Tabelle mit den Intendantengehältern. Und tatsächlich lohnt der Blick in die Geschäftsberichte: Im WDR-Bericht fällt nämlich das Gehalt von Buhrow nochmal um 3000€ höher aus, als in der ARD-Tabelle. Ich habe den Grund für diese Differenz bei der ARD-Pressestelle erfragt, aber bislang keine Antwort erhalten.

– Das Thema Compliance wurde vielfach angesprochen. Buhrow findet, man habe in der ARD „weitestgehend gute Compliance-Strukturen und Vorkehrungen“, dass sie beim RBB nicht funktioniert haben, sei auch „eine kulturelle Frage“ gewesen. „Die besten Regeln nutzen nichts, wenn es nicht in der Kultur drin ist, dass man sich bei allem, was man tut, auch prüft und es auch anwendet.“
– Die CDU hatte jüngst erklärt, dass bei ihrem Parteitag in Hannover 58 Redakteure der öffentlich-rechtlichen Sender akkreditiert waren, hinzu kamen laut Nordkurier.de noch 139 Techniker bzw. Kameraleute. Niemand auf dem Podium betrachtete diese Anzahl als Problem, es sei schließlich „sehr viel Programm gemacht worden“, so Buhrow
– Radio Bremen hatte 2021 erfolgreich einen Prozess geführt, gegen einen kritischen Beitrag von Medienjournalist Holger Kreymeier, dem Radio Bremen vorwarf, das Urheberrecht zu verletzen, weil er für seine Videokritik zu viel beitragfinanziertes RB-Videomaterial verwendete.
Verwunderlich ist, dass sich auf Youtube seit vielen Jahren tausende Re-Uploads von öffentlich-rechtlichem Material finden, OHNE dass die ARD dagegen vorgeht. Ich wollte wissen, ob die öffentlich-rechtlichen Sender dies den Beitragszahlern gestatten oder nicht. Tom Buhrow hatte darauf keine Antwort, dafür aber die Chefin der WDR-Presseabteilung Ingrid Schmitz: „Grundsätzlich finden wir es gut, wenn möglichst viel geshared wird.“ Anders sieht es Kai Gniffke: „Geklautes Material ist geklautes Material. Und das ist geistiges Eigentum, da sind Rechte dahinter, die erworben werden müssen und das können wir nicht einfach zulassen, dass das geklaut wird und mal mir nichts dir nichts auf irgendwelche Plattformen gestellt wird.“
RB-Intendantin Yvette Gerner erklärte, ihr Prozess gegen Kreymeier habe mit der Re-Upload-Thematik nichts zu tun. Kreymeier habe „nicht einfach Material verwendet und geuploadet, sondern es wurde zu einem anderen Beitrag verwendet und dagegen haben wir prozessiert.“
– Tom Buhrow sagt, er hoffe auf eine gesellschaftliche Debatte über den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen, „eine Art Auftrag- und Struktur-Diskussion 2.0.“ „Die demokratische Gesellschaft darf sagen, was sie will von einem öffentlich-rechtlichen und gemeinschaftlich finanzierten Einrichtung – und was sie nicht will, oder nicht mehr will oder ob sie da was anders haben will.“ Klingt ja wunderbar. Doch wenn man sich dann zum Beispiel anschaut, wie die ARD reagierte, als 2020 eine Petition mit 63.000 Unterschriften eine Corona-Sondersendung forderte, fragt man sich natürlich, wie ernst Buhrow das wirklich meint.
– Aufhorchen ließ dann noch eine Äußerung Buhrows, der erklärte, bei der jährlichen Erhöhung seines Gehalts „guckt sich der Verwaltungsrat immer an, wie sind die Teuerungsraten“. Dies ist insofern interessant, als dass sich die ARD für den Rundfunkbeitrag ja eine Kopplung an die Inflationsrate gewünscht hatte, das sogenannte „Indexmodell“. Jedoch: Diese Kopplung wurde von der Politik nicht umgesetzt, sie existiert nicht. Den WDR-Verwaltungsrat scheint das nicht weiter zu kümmern.

Eingangsstatements

Tom Buhrow: Welche Schlüsse ziehen wir aus den Ereignissen, Entwicklungen, Skandalen, Vorwürfen, die sich um den RBB entwickelt haben? Nach dem Doppelrücktritt von Patricia Schlesinger, als Vorsitzende der ARD und als Intendantin, haben wir sofort kommuniziert, dass wir auch als ARD Schlüsse daraus ziehen wollen und müssen, auch wenn sich das Epizentrum in Berlin abgespielt hat. Die Stärkung der Aufsicht über die Sender stand im Zentrum der zwei Tage (Beratungen in Bremen).
Wir hatten sofort einen Abgleich der Compliance-Regelungen in den verschiedenen Sendern gemacht und haben in Auftrag gegeben, dass von unseren Justiziariaten einheitliche Standards erarbeitet werden, bis zur November-Sitzung. Das wird im November fertig sein, nicht einheitliche Strukturen, aber einheitliche Standards.
Die ARD scheint manchmal wie ein Konzern, ist aber kein Konzern. Deshalb ist das eine große Regulierungsfrage, sowohl die Aufsicht, als auch die Leitungsfunktionen betreffend, die auch schon von unseren Aufsichtsgremien im letzten Jahr thematisiert worden ist. Darüber haben wir uns jetzt ausführlicher unterhalten. Das ist aber nichts, wo wir als Intendantinnen und Intendanten bestimmen können, sondern da wurden Erwartungen und Haltungen an uns herangetragen von unseren Aufsichtsgremienspitzen.
Wir haben uns auch mit Digitalisierung befasst, die große Transformation, die alle Medienhäuser haben. Aber da muss man sagen, da sind Rundfunkanstalten, das ist technisch viel aufwändiger, diesen Switch zu machen. Und da das Geld endlich ist, müssen wir gucken, wie wir auch durch Umschichtung diese Transformation bewältigen. Wir haben eine Arbeitsgruppe, die sich mit diesen Umschichtungen befasst, Priorisierung, was lassen wir weg, um digital stärker auftreten zu können. Wir haben eine weitere Arbeitsgruppe, die befasst sich damit, wie wir alle aus der ARD in diesem föderalen Verbund, auch wenn es in die Digitalisierung geht, unsere Stärken einbringen können, damit das nicht nur an ein, zwei oder drei Orten stattfindet, sondern wir haben alle Input zu geben. Die föderale Stärke wollen wir da einbringen, das ist die zweite Arbeitsgemeinschaft.
Wir wissen durch die Medienforschung, dass der Kipppunkt wahrscheinlich Ende des Jahrzehnts, 2030 sein wird. Bis dahin haben wir eine lange Phase, wo parallel das Lineare noch so wichtig ist wie das Digitale. Aber mit einer dynamischen Entwicklung, die müssen wir managen. Und wir wissen, dass wir nicht mehr Geld bekommen und dass unsere Ressourcen endlich sind, deshalb haben wir uns damit befasst.

Yvette Gerner: Die AG Umschichtung soll identifizieren, was lassen wir sein, um im digitalen Bereich präsenter zu sein. Diese AG wird von Albrecht Frenzel, dem Verwaltungsdirektor des Bayerischen Rundfunks und Florian Hager (HR-Intendant) geleitet. Und Florian Hager und ich sind zuständig für die AG digitale, föderale ARD. Da geht es darum, die Expertisen, das Know-How, das in den Landesrundfunkanstalten vielfältig vorhanden ist, gezielt einzusetzen ohne Doppelstrukturen zu produzieren. Wir wollen also mehr Netzwerk sein, als feste Strukturen für diesen digitalen Umbau aufbauen und müssen uns dann damit beschäftigen: wie organisieren wir das? Und zwar auf eine andere Art und Weise. Ein bisschen moderner, agiler, smarter. Das ist die Aufgabe dieser AG. Und wie steuern wir das dann auch gemeinschaftlich, so dass wir auch da immer wieder die gemeinschaftlichen Entscheidungen haben und das auch entsprechend controllen können.
Der SWR ist zuständig für die Mediathek, Radio Bremen hat eine hohe Social Media-Expertise, auch durch das Y-Kollektiv, das wir mit anderen Anstalten zusammen federführend produzieren und betreuen. Und wir betreuen Social Media-mäßig den ARD Youtube-Kanal und sind mit der Mediathek im Gespräch, ob wir da auch diese Kompetenz einbringen können. Auch kostengünstig, da können wir unsere kostengünstige Produktionsweise mit einbringen. Das wäre eine Stärke von Radio Bremen, aber andere Anstalten haben ganz andere Stärken. Das müssen wir identifizieren. Wenn man es als Motto zusammenfassen würde: das wäre föderal und digital, ja – föderal und doppelt, nein.

Kai Gniffke (ab 01.01.2023 ARD-Vorsitzender): Die Aufgabe eines Vorsitzenden ist es nicht, Entscheidungen vorwegzunehmen oder gar zu bestimmen, sondern die Aufgabe des ARD-Vorsitzenden ist es, Impulse zu geben, Themen zu strukturieren, Diskussionen zu moderieren, sie dann aber auch zu einer Entscheidung zu bringen. Das ist die Aufgabe und dieser Aufgabe verschreiben wir uns auch.

Fragen der Journalisten

Christian Meier (Die Welt): Uns interessieren die Vorgänge beim RBB und NDR. Was wurde besprochen? Warum gab es die Compliance vorher nicht? Was für Folgen hat das für die einzelnen Sender? Nur eine einheitliche Compliance-Verordnung bringt ja nichts, man muss sie auch umsetzen.

Buhrow: Zum Thema Compliance: Wir haben in den Häusern unterschiedliche, weitestgehend gute Compliance-Strukturen und Vorkehrungen. Der MDR ist ein ‚Best Practice‘-Beispiel, weil sie in leidvoller Erfahrung mit einigen Skandalen, die sie bewältigen mussten, das besonders geschärft hatten. Es muss nicht überall eine gleiche Struktur sein – die einen können Compliance-Beauftragte intern haben, die anderen extern, oder Mischform – aber der Standard muss gleich sein.
Es ist nicht so, dass wir keine Compliance-Vorkehrungen hatten, die gibt es sehr wohl in den Häusern und die sind auch grundsätzlich gut.
Was man beim RBB bislang sieht, das ist auch eine kulturelle Frage. Die besten Regeln nutzen nichts, wenn es nicht in der Kultur drin ist, dass man sich bei allem, was man tut auch prüft und es auch anwendet.
Es ist in jeder Landesrundfunkanstalt einzeln geregelt, es war auch nicht schlecht geregelt, aber es soll jetzt eben einfach ein einheitlicher Standard sein. Das ist auch eine Erwartung, die die Gremien an uns gerichtet haben. Insofern werden wir denen auch berichten müssen, den Fortschritt, wenn wir das im November beschließen.
Zum NDR: Wir haben ein gutes Gefühl, was die Aufklärung angeht, Intendant Jochem Knuth hat uns grob berichtet, wie der Stand ist, da wird auch Aufklärung betrieben, auch mit Nachdruck. Da hat er als Spitze des NDR ein hohes, elementares Interesse, alles aufzuklären und aufzuarbeiten. Aber wir haben uns nicht in der Sache damit befasst, nur damit, wie die Aufklärungsbemühungen sind.

Hans-Albert Stechl: Was beim RBB passiert ist, ist nur zum Teil ein Systemversagen, sondern zu einem erheblichen, wenn nicht überwiegendem Teil persönliches Versagen. Aber es wäre falsch, das alles darauf abzuschieben, deshalb haben wir uns in der Gremienvorsitzendenkonferenz dieses ganze Feld vorgenommen und sehr genau diskutiert und hingeschaut, wo wir besser werden können. Wir schauen auch in den Anstalten, wo es keine Skandale gab, hin, um zu schauen: wo sind unter Umständen Defizite, wo wir für die Zukunft besser werden müssen.
Zu Compliance: Wir wollen auch eine möglichst rasche kooperative Reform der ARD-Governance und – das geht an uns selbst – wir müssen auch unsere Arbeit professionalisieren. D.h. selbstkritisch hinterfragen, welche Kompetenz haben wir in den Gremien selbst. Da gibt es eine sehr hohe Kompetenz, gar keine Frage. Aber wir sind auch verpflichtet uns weiter zu bilden. auf entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen was für unsere eigene Kompetenz zu tun, da haben wir ein sehr exaktes Programm auf die Schiene gesetzt, wie wir es bislang nicht hatten. Und wir müssen selbstverständlich auch die Ausstattung der Gremiengeschäftsstellen in den Fokus nehmen.
Wenn es in den Gremien, bei aller fachlichen Kompetenz, die wir selbst einbringen, ein Defizit gibt, müssen wir auch künftig mutiger sein; wir beim SWR haben es schon häufig gemacht, eben auch Sachverstand von außen zu holen. Dann kommt man in entscheidenden Fragen deutlich weiter.
Wir nehmen das alles sehr ernst und selbstverständlich wird aus dem ganzen Prozess eine deutlich gestärkte Aufsicht in den Landesrundfunkanstalten hervorgehen. Das packen wir an, auch sehr kurzfristig, da wird überhaupt nichts auf die lange Bank geschoben.

PI: Im RBB wurde den Mitgliedern der Geschäftsleitung für die Zeit des ARD-Vorsitz das Gehalt um 1700 Euro erhöht. Wurde auch in anderen ARD-Anstalten Mitarbeitenden der Geschäftsleitung in der Zeit des ARD-Vorsitzes das Gehalt erhöht und falls ja, findet man das in Ihren Geschäftsberichten?

Buhrow: Nein. Wir hatten das nicht. Ich habe das mit derselben Fassungslosigkeit zur Kenntnis genommen, wie wahrscheinlich viele von Ihnen.

Gniffke: Für den SWR kann ich sagen: Nicht einen Cent.

PI: Herr Buhrow, Sie haben sich als ARD-Vorsitzender ein bisschen vom RBB distanziert. Mir fällt es schwer, Ihnen das abzunehmen, dass Sie so wenig gewusst haben über die Situation beim RBB. Können Sie nochmal präziseren, was Sie wussten und was nicht? Sie sind sich sicher, dass Sie von den angesprochenen Bonusgehältern im RBB nichts gewusst haben?

Buhrow: Ja, da bin ich mir sicher. Herr Gniffke sagt „dito“, er war ja auch bei unseren ARD-Sitzungen dabei. Das ist nie kommuniziert worden. Ich hätte das auch komisch gefunden. Wobei: wir hätten nichts machen können, denn das ist etwas, was jede Anstalt aus ihrem Budget regelt. Sie muss uns das auch nicht sagen. Auch als ARD-Vorsitzender gucken Sie nicht in die einzelnen Anstalten rein. Die ARD ist nicht die Aufsicht des RBB, die haben eigene Aufsichtsgremien.

Es gelten immer noch nicht die gleichen Transparenzregeln für alle ARD-Anstalten, weshalb zum Beispiel das Gehalt des früheren Programmdirektors Herres nie bekannt wurde. Wird es in Zukunft mehr einheitliche Transparenz geben?

Buhrow: Ja. Das kann ich sagen, auch wenn ich es nicht als Chef zu bestimmen habe, weil wir kein Konzern sind, aber wir sind uns einig, dass das der Zug der Zeit ist. Das wird kommen. Ohne, dass ich das anderen vorschreiben kann.
Wir haben als ersten Schritt jetzt die Geschäftsberichte der einzelnen Anstalten verlinkt (siehe hier), die sind in der Regel am detailliertesten. Da sieht man dann, wer im Moment welche Transparenzregeln hat und wer nicht. Ich würde mal die Prognose wagen, wir sind auch schon dabei: die Sender die es noch nicht haben, dass auch die Direktorengehälter transparent sind, werden das, glaube ich, in absehbarer Zeit einführen. Und das werden Sie in deren nächsten Geschäftsberichten sehen, da bin ich sehr zuversichtlich.

Anna Ringle (DPA): Die ARD hat klar gemacht, dass sie in die aktuelle Geschäftsleitung des RBB kein Vertrauen mehr hat. Teilweise haben Sie Sitzungen ohne den RBB abgehalten. Gehört das mit der Interimsregelung mit Katrin Vernau der Vergangenheit an? Ein Teil der alten Geschäftsleitung ist ja noch da.

Buhrow: Ja, das gehört der Vergangenheit an. Jan Schulte-Kellingshaus (Programmdirektor RBB) war bei allen Beratungen in Bremen dabei. Der Vertrauensentzug bezog sich nicht auf die internen Vorgänge beim RBB, aber er bezog sich auf das, was an Transparenz intern in der ARD-Gemeinschaft mitgeteilt wurde. Das war der entscheidende Punkt, das ist jetzt für uns erledigt.

Herr Gniffke, Sie haben im Interview mit VRM-Medien (Zusammenfassung hier) gesagt, Sie könnten sich ein Mantelprogramm in den dritten TV-Programmen vorstellen, mit einem hohen regionalen Anteil. Wurde darüber in Bremen auch gesprochen?

Gniffke: Es ist insofern drüber gesprochen worden, dass ich nochmal deutlich gemacht habe, dass dies nicht der neue Stil ist, den der künftige Vorsitz pflegt: dass ich Ankündigungen in der Presse mache und dann reden wir drüber.
Ich bin gefragt worden, nach den Vollprogrammen in den dritten Programmen und habe tatsächlich dann auch meine Meinung gesagt: Ich kann mir das gut vorstellen, sollten wir mal drüber diskutieren. Wir haben es jetzt nicht im Detail angesprochen, aber klar ist in der ARD, auch in dieser Sitzung deutlich erkennbar ein Geist hin zu mehr Arbeitsteilung, zu mehr Dingen, die wir zusammen machen. Das heißt nicht immer, dass immer alle das zusammen machen müssen, sondern dass man bilateral oder trilateral Kooperationsmöglichkeiten auslotet. Da geht meines Erachtens der Trend hin.

Imre Grimm (RND): Wie groß schätzen Sie die Bereitschaft der Kollegen ein, sich diesem Gedanken zu öffnen?

Gniffke: Wir haben es inhaltlich nicht diskutiert. Ich habe bei einigen eine Aufgeschlossenheit gespürt, aber das wäre jetzt sehr viel Kaffeesatzleserei.

Imre Grimm: Herr Buhrow, die berühmten, berüchtigten 58 Akkreditierungen beim CDU-Parteitag (Quelle), können Sie nachvollziehen, dass diese Zahl, gerade für privatwirtschafltich organisierte Medien relativ absurd wirkt, und halten Sie diese Zahl für angemessen?

Buhrow: Man muss das in Relation setzen zu dem, was an Programm gemacht wurde. Allein Phoenix hat elf Stunden berichtet. Und dann habe ich gehört, dass auch die CDU selbst für ihre Streaming-Sache auch hundert Leute da hatte, das weiß ich nicht.
Noch interessanter ist: Wie war es eigentlich früher? Hat das auch eine Rolle gespielt? Vielleicht war es ja eine Beschwerde, dass es so wenig sind. Ich habe gehört, bei Frau Merkel waren es doppelt so viel.
Im Ernst: Es ist sehr viel Programm gemacht worden, wir haben aber die Chefredakteurskonferenz gebeten, wir wollen wenigstens, dass wir zu so was dann schnell sprechfähig sind und einen Überblick haben, dass die Chefredakteurskonferenz das koordiniert. Das ist eines der Dinge, warum wir als ARD oft angreifbar sind, dass jede Landesrundfunkanstalt und das Hauptstadtstudio und Phoenix – alle machen unabhängig ihre Akkreditierungen und bewerten, wie viele Leute brauche ich für wie viel Programm.
Dann darf man auch nicht vergessen, dass die Abgeordneten oder Delegierten aus den Bundesländern oft auch erwarten, dass ihre regionalen Sendungen sie dann auch nochmal vielleicht befragen. Das fließt da mit ein.
Die Zahl kommt einem erstmal hoch vor, es ist sehr viel Programm gemacht worden, für mich ist auf jeden Fall eine Schlussfolgerung, auch für uns in der ARD, dass wir eine Stelle wollen, die das zumindest so koordiniert, das man nachvollziehen kann, ob der Aufwand so angemessen ist oder nicht und wie er erklärt werden kann. Da bitten wir die Chefredakteurskonferenz, sich damit zu befassen und Vorschläge zu machen.

Gniffke: Ich teile das, was Tom gesagt hat. Mein erster Impuls war, zu sagen: Ja, wir waren mit so vielen Leuten da, weil das Publikum einen Anspruch drauf hat. Weil Landesverbände aus 16 Bundesländern bei dem Parteitag sind. Und die Menschen in diesen 16 Bundesländern wollen wissen, wie haben sich denn unsere da verhalten, wie haben die Position bezogen zur Frauenquote in der CDU. Das wollen die wissen, im Radio, im Fernsehen, online – und dafür braucht es Leute, und wenn irgendwas unser Auftrag ist, dann ist das Information. Und deshalb waren wir da mit vielen ReporterInnen da. Ob man tatsächlich ein bisschen oder deutlich mehr Synergien hätte schöpfen können, das prüfen wir jetzt.

Annika Schneider (Deutschlandradio): Die erwähnte AG Umschichtung ist eine Baustelle, die Sie schon lange haben: Wie ist der Zeitplan, kann das mehrere Jahre dauern? Und haben Sie schon Anhaltspunkte, was wegfallen kann von dem Linearen?

Gerner: Es gibt zwei AGs, die Umschichtungs-AG ist die, die ich nicht mache. Der Zeitplan geht bei beiden AGs erstmal bis Jahresende, da werden Ergebnisse vorstellt, und da müssen wir schauen, an was man weiter arbeiten muss oder wo es Quick wins gibt, wo man sagen kann, da treffen wir klare Entscheidungen. Das gilt für beide AGs. Weil vorhin gefragt wurde, warum das HR und Radio Bremen machen: Wir haben gesagt, wir machen das smart und agil und das sind Themen, wir können da Kompetenzen und einen anderen Blick einbringen auf solche Themen und natürlich versuchen wir auch, Zuständigkeiten in der ARD immer wieder zu verteilen.

Buhrow: Wir haben mit dem Umbau ins Digitale hinein nicht jetzt erst angefangen, sondern betreiben das schon einige Zeit. Wir haben die „Big 5“ identifiziert, das ist Mediathek, Audiothek, Kika, Sportschau, tagesschau.de – die digitalen Big 5, das sind Bereiche, die schon gestärkt werden.
(…) zeitlich: Wir haben immer die Finanzierungsperioden, die aktuelle KEF-Periode gilt bis Ende 2024, deshalb sind die AGs bis Ende des Jahres, damit wir das (die Veränderungen) sicherstellen können bis Ende der KEF-Periode.
Voraussehen kann man: die Digitalisierung und die Stärkung, die Notwendigkeit geht ja weiter. Google hat Tausende Entwickler, wir haben glaube ich Dutzende. Wir können uns das nicht leisten, in dem Umfang. Aber wir müssen stärker werden und das muss dann irgendwo anders herkommen, weil wir können natürlich nicht in vollem Umfang sagen: „bitte Gesellschaft gib uns mehr Geld, weil wir haben hier Digitalisierung“, zum Teil muss man sagen „es kostet“ aber im Augenblick ist unsere Aufgabe, dass wir selber Priorisierungen vornehmen. (…)

Aurelie von Blazekovic (SZ): Wie erklären Sie sich die aktuelle Situation, die Krise der ARD? Das Finanzverhalten der Öffentlich-rechtlichen steht infrage, aber auch die journalistische Glaubwürdigkeit, siehe NDR. Es geht nicht nur um persönliche Verfehlung, die Kritik kommt auch nicht nur von den Üblichen Verdächtigen, sondern stark aus den eigenen Häusern, wo eine große Enttäuschung und Wut zu erkennen ist. Wie erklären Sie sich, wie Sie in diese Situation gekommen sind? Und was sind Ihre grundsätzlichen Ideen, abgesehen von konkreten Compliance-Geschichten? Was muss geschehen?

Buhrow: Es ist nicht eine Krise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks oder eine Krise der ARD, sondern ausgelöst durch den RBB eine Infragestellung. Die grundsätzlichen Fragen, die sowieso die ganze Zeit schwelten, und die die Gesellschaft beschäftigten, werden jetzt eruptiv nach oben gespült. Das sind berechtige Fragen. Das habe ich auch immer gesagt: die demokratische Gesellschaft darf sagen, was sie will von einem öffentlich-rechtlichen und gemeinschaftlich finanzierten Einrichtung – und was sie nicht will, oder nicht mehr will oder ob sie da was anders haben will.
So sehr unsere Produkte geschätzt werden, so sehr hatte sich schon in den letzten und nicht erst zehn Jahren die Finanzierung als ein Streitpunkt in der Gesellschaft entwickelt.
Ich habe immer Wert drauf gelegt, zu sagen: Man muss ehrlich diese beiden Dinge zusammen sehen. Denn weder sollten wir als Sender sagen, „muss die Politik regeln, ist nicht unser Bier“ noch kann die Politik sagen „die Sender müssen das selber machen“. Es gibt Dinge, die können wir selber machen, in dem gegebenen Rahmen und es gibt Dinge, die kann nur die Politik machen. Aber die grundsätzliche Frage, was will man von uns, die bricht jetzt mit aus, inklusive Frust bei einigen, dass die Fortschritte, auch in dem Miteinander zwischen Gesellschaft, Politik und Sendern, zu langsam sind.
Die ARD ist in ihrer Uneinheitlichkeit immer leichter ein Ziel, weil man immer an der Uneinheitlichkeit Dinge festmachen kann. Selbst wenn die nicht schlimm ist. Die ist ja auch ein Schatz, die Uneinheitlichkeit, in der Regionalität ein unheimlicher Reichtum.
Aber da, wo es um Compliance und andere Dinge geht, kann man immer sagen: Warum ist es hier so und dort anders?
Ein anderer Punkt: Auch wenn das manche immer in Abrede stellen, ich kenne es mein ganzes Berufsleben, lange bevor ich Intendant geworden bin, nicht anders, als dass die Budgets immer knapper geworden sind. Das heißt, dass was wir jetzt tun, als Verantwortliche, zu versuchen, ehrlich zu priorisieren, und zu sagen, wir müssen dann auch was lassen. Das habe ich häufig auch vermisst, auch als junger Reporter.
Wir haben als WDR damals das Morgenmagazin geschaffen. Das wurde geschaffen, erstmal zusätzliche Stellen, dann wurden die aber wieder ausgeschwitzt und abgebaut. Das heißt, wir haben eigentlich ohne zusätzliche Leute etwas Neues geschaffen, eine riesige Programmfläche. Und das spüren die Reporter, die freien Mitarbeiter. Das spüren die Cutter und Mediengestalter. Die Drehtage bei Produzenten, bei Filmen etc. Diese über Jahrzehnte hinweg sich hin ziehende immer knapper werdende Ressourcen haben auch Frust und Arbeitsverdichtung und Unsicherheiten bei unseren Belegschaften ausgelöst. Das kommt jetzt alles zusammen. Jetzt ist sozusagen der Deckel weg, deshalb glaube ich auch nicht, dass das jetzt eine Sache ist, die sich in ein paar Monaten durch irgendwelche Einzelmaßnahmen regeln lässt.
Wir können durch Stärkung der Aufsicht vieles verbessern, damit das wirtschaftliche Gebaren nachvollziehbarer ist und die Accountability, dass man Rechenschaft abgegeben muss für das, was man tut und das auch mit kompetenten Aufsichtsgremien bespricht. Das können wir verbessern, das wird aber nicht das Grundsätzliche, den Scheinwerferkegel, der jetzt auf jede Kleinigkeit bei uns gerichtet ist, wegkriegen.
Und die ARD ist immer, weil sie besonders ein Feld ist, wo man immer Uneinheitlichkeit vorfindet, bei solchen Kontroversen natürlich besonders im Fokus. Das sage ich nicht jammernd, wir müssen uns dem stellen, ich finde, was den dritten Punkt angeht, das ständige, immer knapper werdende Budgets, ich finde, dass wir uns dem stellen, durch Umschichtung, durch das Postulat: wir müssen auch weglassen, das weiß aber auch jeder in seinem eigenen Haus, ich habe das im WDR auch. Abstrakt sind alle dafür, auch die Arbeitnehmervertretungen. Aber in dem Moment, wo es heißt, „das geht weg“, da sind ja Aufträge weg, für die Menschen, die das gemacht haben. Dann wird es sofort wesentlich schwieriger. So wird das auch bei den großen Debatten in der Gesellschaft. Abstrakt kann man immer leicht sagen: ‚Seid mal schlanker‘. Aber wenn man dann sagen soll, als Auftraggeber, als Besteller, als Gesellschaft: Ja, was will ich denn nicht mehr bestellen? Dann wird es sofort ein Riesending. Es ist kompliziert, ich war immer der Meinung wir müssen uns dem ehrlich stellen und ehrlich darüber reden.
Diese drei Faktoren, also das objektive Versagen und vermutete Vergehen (im RBB), zweitens die Uneinheitlichkeit der ARD, drittens der Frust in unseren Belegschaften, dass sie seit Jahrzehnten immer größere Arbeitsverdichtung und knappere Budgets kennen. Die wir aber als Intendanten natürlich nur bedingt beeinflussen können.
Was wir beeinflussen können ist Priorisierung und Ehrlichkeit.

Martin Kessler (Rheinische Post): Sie sagen, Sie hätten gute Compliance-Regeln schon immer gehabt, jetzt wollen Sie Standards machen – wäre es nicht sinnvoll, da auch mal von außen draufgucken zu lassen?

Buhrow: Einzelne Anstalten haben das ja auch gemacht, jetzt sind unsere Justiziare da dran. Ich weiß nicht, ob die auch externe Expertise dafür in Anspruch nehmen. Wenn nicht, ist das eine gute Idee. Sie können sich externe Expertise dazu holen wie sie wollen.

Gniffke: Aber dafür haben wir eine Aufsicht. Wir können uns unsere Aufsicht nicht selber schnitzen, sondern das ist natürlich eine Aufgabe der Gremien und die nehmen die wahr und dafür nehmen sie unterschiedlich ausgeprägt nach den Häusern auch externen Sachverstand in Anspruch.

Stechl: Wir haben beim SWR eine Arbeitsgruppe aufgesetzt, aus Mitgliedern von Rundfunkrat und Verwaltungsrat, speziell zum Thema Compliance. Und es ist völlig klar, dass wir da externen Sachverstand dazu holen. Ich bin zwar selbst Volljurist und Rechtsanwalt aber die gesamten Compliance-Möglichkeiten zu überschauen, das würde jeden von uns überfordern.
Ich weiß, dass der Siemens-Konzern im Nachgang zum damaligen Schwarzgeld-Skandal eine vorbildliche Compliance-Ordung hat und da werden wir uns selbstverständlich mit Hilfe von externem Sachverstand auch Compliance-Ordnungen aus anderen Wirtschaftsbereichen anschauen, um daraus dann wirklich das Optimale herauszufiltern.
Die Anregung der GVK ist, eine anstaltsübergreifende und auch vergleichbare Aufsichtsqualität und Aufsichtstiefe in allen Anstalten hinzubekommen. Das ist ein zentraler Punkt, solch eine Public-Corporate Governance zu installieren, da sind wir dran, und das gehen wir sehr schnell an. Diese Arbeitsgruppe beim SWR wird in den nächsten 1-2 Wochen mit der Arbeit beginnen.

Hans-Jürgen Kupka (Neue ARD-Forum): Was sagen Sie zu einer möglichen Gebührenerhöhung? Insbesondere in diesen teuren Zeiten.

Buhrow: Da wissen wir nichts zu. Es ist ja so geregelt, bei uns werden die Zahlen gesammelt und dann von der KEF geprüft. Die Entscheidung steht erst an für 2025, für die Politik, die sich mit der KEF-Empfehlung auseinandersetzt, ist das im Augenblick so früh mit diesem Verfahren, dass ich dazu nichts weiß oder sagen kann.

PI: Angesichts des Prozesses von Radio Bremen gegen Holger Kreyemeier, dem vorgeworfen wurde, über das Zitatrecht hinaus, Material eines Radio Bremen-Beitrags genutzt zu haben: Auf Youtube findet sich sehr viel Material der öffentlich-rechtlichen Sender als Re-Uploads, also außerhalb der von den Sendern betriebenen Youtube-Kanäle. Dürfen wir als Gebührenzahler dieses Material unkommentiert einstellen, oder wird der gebührenfinanzierte Prozess, den Frau Gerner gegen Holger Kreymeier geführt hat, am Ende als Präzedenzfall genommen, um dann allemöglichen Re-Uploads von Youtube zu entfernen?

Gerner: Ich glaube, dass das ein so spezieller Fall ist, dass uns das relativ weit raustreiben würde aus der Kurve. Das ist ein anderes großes Thema, dass Sie ansprechen. Es geht um einen speziellen Fall, da wurde nicht einfach Material verwendet und geuploadet, sondern es wurde zu einem anderen Beitrag verwendet und dagegen haben wir prozessiert und gewonnen tatsächlich, fast vollumfänglich. Das hat mit anderen Prozessen, glaube ich, gar nichts zu tun. Man muss sich Einzelfälle immer wieder anschauen und zu den allgemeinen Richtlinien können vielleicht Kai Gniffke, der die Mediathek federführend betreut oder Tom Buhrow als ARD-Vorsitzender etwas sagen. Mir ist dieser Prozess nicht als pars pro toto bekannt, sondern wir haben einen Prozess geführt, da war es uns wichtig. Bei vielen anderen Punkten sagen wir auch als Radio Bremen gar nichts.

PI: Sie haben mit dem Zitatrecht argumentiert und es macht gar keinen Sinn, wenn Sie sehen, dass viele „geklaute“ Inhalte auf Youtube stehen. Ich verstehe die Begründung nicht bzw. warum lassen die anderen ARD-Anstalten allemöglichen geklauten Beiträge auf Youtube stehen, aber Radio Bremen nimmt sich Gebührengeld, um gegen einen Kritiker zu prozessieren?

Moderatorin Ingrid Schmitz (WDR): Da geht es um einen speziellen Fall und grundsätzlich finden wir es ja eigentlich ganz gut, wenn möglichst viel geshared wird, wie man heutzutage sagt.

Gerner: Lassen Sie uns das doch bilateral nochmal nachvollziehen, ich glaube, das würde hier relativ weit führen, dann biete ich Ihnen einfach nochmal ein Gespräch an.

PI: Mich interessieren die Standpunkte der Intendanten dazu? Wie können Gebührenzahler mit dem Material umgehen, dürfen sie es online einstellen oder nicht?

Gniffke: Weil sich auch Intendanten an Recht und Gesetz halten müssen. Das ist der gleiche Grund, warum auch Presseverlage das Leistungsschutzrecht in Anspruch nehmen. Weil geklautes Material ist geklautes Material. Und das ist geistiges Eigentum, da sind Rechte dahinter, die erworben werden müssen und das können wir nicht einfach zulassen, dass das geklaut wird und mal mir nichts dir nichts auf irgendwelche Plattformen gestellt wird.

Buhrow: Ich kann nur sagen, dass die Rechte oft begrenzt sind, wir haben ja selbst nur begrenzte Rechte, die laufen aus. Es ist mittlerweile ja so, dass viele Produkte, ob es Produktionen sind oder Ankäufe, nur für ein Zeitfenster erworben sind. Deswegen müssen die dann auch aus der Mediathek wieder verschwinden zu unserem Kummer und zum Kummer der Programmdirektoren. Aber das ist eben so. Die andere Frage, da muss ich auch etwas um Geduld bitten, weil ich das rechtlich erstmal überprüfen muss. Sie sagen, da gehen die Sender nicht gegen vor, ich weiß es nicht. Das muss man nachrecherchieren. Die rechtliche Begründung dafür können wir nachliefern.

Stechl: Als Urheber- und Medienrechtler darf ich sagen, dass Kai Gniffke 100-prozentig recht hat.

Anne Burgmer (KSTA): Es geht um viel um Glaubwürdigkeit und die richtigen Signale. Jetzt gibt es beim WDR-Tarifverhandlungen, und da geht es auch um die Frage, ob diejenigen, die außertrariflich bezahlt werden, von möglichen Erhöhungen auch profitieren würde. Mein Stand ist, Ja. Wäre das das richtige Signal auch an die Menschen in Ihrem Haus, die erheblich leiden müssen unter dem Druck der herrscht?

Buhrow: Wir haben im Moment in fast allen Häusern Tarifverhandlungen. Und die beziehen sich ja nur, deswegen heißen sie so, auf die Tariflichen und nicht auf die Außertariflichen. Es gibt keinen Automatismus und keine Verbindung zu der Behandlung der Außertariflichen. Die außertariflichen Löhne und Gehälter beginnen oft ganz knapp über dem tariflichen Raster. Wenn Sie jetzt also sagen, Sie machen nie eine Erhöhung bei außertariflichen, dann überholen irgendwann die Tariflichen die niedrigsten Außertariflichen. Das ist ein Aspekt. Aber es gibt da keinen Automatismus, damit befasst sich jedes Mal immer der Verwaltungsrat und der tut das verantwortungsvoll. Die Tarifverhandlungen beziehen sich nur auf die Tarife.

Anne Burgmer: Aber Sie sagen, man muss es bei den Außertariflichen erhöhen, weil sie sonst irgendwann eingeholt werden: Wenn es Tariferhöhungen gibt, werden dann auch zum Beispiel die Direktoren im WDR davon profitieren?

Buhrow: Sie konzentrieren sich jetzt nur auf die Direktoren. Sie haben ja eben richtig gesagt, es geht um die Außertariflichen, und die sind gestaffelt. Anders als in Ihrem Verlag, wo der Verleger Millionen verdient und der Pförtner ganz wenig, ist bei uns die Spreizung nicht so groß. Das bedeutet, Sie müssen immer mitrechnen, was für Auswirkungen hat das, auf das gesamte außertarifliche Gefüge. Das habe ich jetzt auch nicht zu entscheiden, es gibt auch keinen Automatismus, das ist einfach kein Thema in den Tarifverhandlungen, weil die sich nur auf die Tarife beziehen. Alles andere ist ganz grundsätzlich so: wenn Sie es in die freie Verhandlung geben, gucken Sie in die freie Wirtschaft, da können Sie in Ihren eigenen Verlag gucken: da, wo es frei verhandelt wird, ist es immer teurer, als wenn Sie sich orientieren an den Tarifabschlüssen.

Anne Burgmer: Die Rundfunkräte spielen eine zentrale Rolle in den Fragen der Aufsicht und Sie sagten, man müsse diese Arbeit professionalisieren. Wie wollen Sie das angehen, in den Rundfunkräten die Kompetenzen zu erhöhen?

Stechl: Wir überlegen uns durchaus, ob wir nicht mit den Entsendeorganisationen Kontakt aufnehmen müssen, um dort auch einge gewisse Vorstellung zu entwickeln, welche Personen sie in die Gremien entsenden. Das fängt damit an, sage ich ganz offen, dass manche Organisationen Leute in die Gremien entsenden, die dann feststellen „hoppla, das kostet ja doch Einiges an Zeitaufwand“, und die dann selten oder ganz wenig an Sitzungen teilnehmen. Das ist auch ein Appell an die Entsendeorganisationen, Leute in die Gremien zu schicken, die a von der Materie Ahnung haben und b Zeit haben.
Wir selbst müssen da, wo wir nicht hinreichenden Sachverstand haben selbstverständlich uns externe Expertise holen.
Das Thema Fort- und Weiterbildung haben wir in den vergangenen Jahren vielleicht auch nicht mit der Konsequenz angepackt wie wir es hätten anpacken müssen, aber wir haben daraus gelernt und haben bei der GVK-Sitzung in Bremen ein Konzept auf die Schiene gesetzt: zum einen eine Verbesserung der Ausstattung der Gremiengeschäftsstellen, dass da eine vermehrte Expertise da ist und die auch im Sinne von Fortbildungsmaßnahmen gestärkt wird. Und das zweite ist, dass die Gremienmitglieder selbst ein Angebot erhalten, mit denen sie sich selbst zu bestimmten Themen qualifizieren können. Das muss nicht das Seminar sein, wo man sie bundesweit prüft, sondern es gibt mittlerweile Fortbildungstools, die kann sich heute jeder am eigenen Bildschirm zu hause anrufen, sich am Abend 2-3 Stunden hinsetzen, und sich dann vielleicht in der Frage, wie ein Haushalt zu lesen ist, professionalisieren.

Joachim Huber (Tagesspiegel): Wann gibt es den Bachelor für Rundfunkräte?

Stechl: Der Verwaltungsrat des SWR, da sind 18 Leute drin, da sind welche dabei, die kennen sich aus im Ausschreibungswesen, haben sich darin auch professionalisiert. Da gibt es Leute wie mich, ich kann einen Großteil der juristischen Fragen beantworten. Es sind 18 Leute mit zum Teil sehr unterschiedlichen Kompetenzen, die schließen sich aber zusammen und in diesem Zusammenschluss dessen, was da an Fachwissen da ist, kommen wir sehr viel weiter. Aber niemand weiß alles, und wenn wir sehen, da ist ein Problem, wo wir selbst nicht sachkundig genug sind, dann holen wir uns externe Expertise.
Ich wohne in Freiburg, ich laufe öfter als einmal im Jahr zu einem Prof, den ich kenne und sage: Kannst du mal eine Stunde mir dieses Problem durchdiskutieren? Dann bin ich wieder fit für die Diskussion im Verwaltungsrat. So geht es mit unterschiedlich kleinen Schritten, aber insgesamt bringen wir eine Kompetenz zusammen, die wirklich so gut ist, dass wir keinen Bachelor brauchen.

Florian Schwiegershausen (Weser-Kurier): Nach Kritik am Bonussystem im RBB: Inwiefern können Sie für Ihre Häuser ausschließen, dass es in ihren Häusern ein Bonus-System gibt, auf welcher Ebene auch immer?

Gerner: Bei Radio Bremen gibt es kein Bonus-System.

Buhrow: Wir haben das abgefragt, sobald das bekannt wurde. Das gibt es in keiner anderen ARD-Anstalt.

Florian Schwiegershausen: Wäre es sinnvoll bei Mitgliedern der Aufsichtsgremien Rundfunkrat und Verwaltungsrat das Alter zu begrenzen?

(…)

Buhrow: Im Verwaltungsrat, das sind alles Ehrenamtliche, wann haben Sie denn die Zeit, sich durch diese komplexe Materie durchzuwühlen? Da kann man dankbar sein, wenn jemand sich die Zeit nimmt, und die hat man häufig, wenn man ein bisschen im fortgeschrittenen Alter ist.

Christian Meier (Die Welt): Der politische Druck auf die ARD wird größer, es werden deutliche Forderungen nach Verschlankung gestellt, wir sind uns aber glaube ich einig: in dem bestehenden System geht das nicht. Haben Sie eine Überlegung, ’so könnten wir uns aufstellen, im Jahr 2030, wenn das immer so weiter geht‘, eine Idee, wo fundamental an der Struktur etwas geändert werden kann? Oder sagen Sie: ‚wir machen so weiter wie bisher, wir werden uns als Intendanten nicht selbst beschneiden‘?

Buhrow: Ich war immer der Überzeugung, dass die Gesellschaft sich mit den Sendern ehrlich aber auch miteinander darüber unterhalten muss: was wollen wir und was nicht?
Wir wollen nicht schnell zur Tagesordnung übergehen, wir stellen uns dem, dass das Fragen aufwirft an uns, auch grundsätzliche. Und ich kann Ihnen auch sagen, dass wir in diesen internen Runden uns auch mit dieser großen Frage beschäftigen. Aber man kann nicht von uns erwarten: „Jetzt sorgt ihr mal für eine schlankere ARD“. Da habe ich in Sachsen-Anhalt gehört: ‚Warum seid ihr neun Sender, braucht Bremen eine eigene Landesrundfunkanstalt?‘ Entschuldigung, aber das haben wir überhaupt nicht zu entscheiden, das ist Abbild der föderalen Bundesrepublik. Es hat einige Fusionen gegeben im Laufe der Jahrzehnte, aber das ist eine Sache, die die Länder miteinander besprechen müssen.
Ich bin der Überzeugung, dass jetzt die Zeit ist, wo diese Grundsatzdebatte stattfinden muss. Wenn Sie so wollen eine Art Auftrag- und Struktur-Diskussion 2.0.
Ich sage Ihnen aber auch, was Herr Bartl, Mitglied der KEF in Sachsen-Anhalt – also dem Epizentrum der Kritik an der Verfasstheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks – in einer Anhörung vor kurzem sagte: ‚Den Auftrag der öffentlich-rechtlichen so zu lassen, wie er ist, und zu erwarten, dass der Beitrag nominal eingefroren bleibt, also real schrumpft, ist volkswirtschaftlich und mathematisch unmöglich.‘
Da hoffe ich, statt immer nur das Spotlight zu richten auf ‚warum seid ihr so viel, warum habt ihr dies, das…?‘ „ Wir machen ja allemöglichen Strukturprojekte. 2017 hat Karola Wille in ihrem Vorsitz enorme… das spart eine Milliarde bis 2028, sonst wäre der Beitrag höher. Aber das sind alles Dinge, die das Programm nicht touchieren.
Sobald Sie an das gehen, was unsere Leistungen betrifft, sagen dieselben Leute häufig: ‚Ja, aber da und hier doch nicht kürzen.‘
Wir sind glaube ich alle inzwischen überzeugt davon, dass diese Debatte eigentlich nötig ist. Und wir machen uns auch Gedanken dazu. Wir wollen es auch nicht auf die Politik schieben, aber man kann es auch nicht ganz nur zu uns schieben und sagen: ‚Das müsst ihr alles klären, seid mal schlanker aber bitte bringt genaus dasselbe wie vorher.‘
Ich bin immer der Meinung gewesen, dass man sich darüber verständigen muss, auch nicht nur mit der ARD, sondern da geht es um eine große gesellschaftliche Debatte – und meine Hoffnung wäre, dass wir dann einen Generationenvertrag hätten und eine Verständigung, die nicht nur ein paar Wochen hält, sondern dass man sagt: das ist das, was wir wollen als Gesellschaft. Und auch das, was wir nicht mehr wollen mit allen Härten die dazu gehören.

PI: Schadet es nicht Ihrer Glaubwürdigkeit, wenn Sie einerseits immer wieder von „knapperen Kassen“ sprechen, die Beitragszahler aber gleichzeitig sehen, dass Ihr Gehalt jedes Jahr steigt?

Buhrow: Ich habe gleich zu Beginn eine Einkommenskürzung vorgenommen. Alle meine Vorgänger konnten rechtlich und vertraglich alle Einnahmen, auch Tantiemen für die Aufsichtsräte in den Tochtergesellschaften behalten. Das summiert sich auf Etliches. Ich überweise jedes Jahr einen hohen fünfstelligen Betrag an den WDR zurück, weil ich meinem erstem Vertrag so zugestimmt habe, dass das gedeckelt ist, auf das was bei NRW-Kommunalbeamten üblich ist. Ich überweise jedes Jahr in mehreren Tranchen, das wird in diesem Monat ein hoher fünfstelliger Betrag sein, an den WDR und damit an die Beitragszahlerinnen und -zahler zurück.
Ich habe verzichtet auf eine Gehaltserhöhung bei meiner Verlängerung, bei meiner Wiederwahl. Stattdessen guckt sich aber der Verwaltungsrat immer an, wie sind die Teuerungsraten und die Tarifsteigerungen und ist zu dem Schluss gekommen, dass eine Orientierung, nicht 1:1 – wir kriegen das nicht 1:1 und auch nicht automatisch – dass eine Orientierung an dem, was tariflich sich abspielt, mit Abschlägen allerdings für uns Außertarifliche besser ist, und auch preiswerter für den Beitragszahler als eine freie Verhandlung bei jeder Vertragsverlängerung.

Aurelie von Blazekovic (SZ): Die Gehaltsfrage war bei Patricia Schlesinger eine entscheidende, dabei liegt Ihres höher. Auch der Massagesitz im Auto, den Sie auch haben, hat bei von Frau Schlesinger eine große Rolle gespielt, bei Ihnen nicht. Warum denken Sie, dass das bei Frau Schlesinger zum Skandal wurde und bei Ihnen nicht?

Buhrow: Es gibt einen himmelweiten Unterschied. Und zwar ob in einer Anstalt ein Gehalt ausgewiesen wird, dass dann heimlich um etliches höher ist, als das, was alle wissen, im Betrieb und die Beitragszahler. Ich weiß nicht, ob es dort die Aufsichtsgremien in voller Höhe wussten. Viele in der Öffentlichkeit wussten es nicht. D.h. heimlich gab es Gehaltsausweitungen. Mein Gehalt ist in der größten ARD-Anstalt vom ersten Tag an transparent in unseren Geschäftsberichten, in toto.

Aurelie von Blazekovic: Herr Gniffke, was ist Ihre Mission für das kommende Jahr?

Gniffke: Mich treibt um, dass wir in Zeiten Leben, wo wir nicht wissen, ob wir in drei Monaten die Menschen in Deutschland die Bude warm kriegen. Dass seit Monaten deutsche Bauern nur noch im Staub rumpflügen und da nichts mehr wächst, weil das Grundwasser zu Ende geht. Und dass in den Städten Läden schließen, weil sie kein Personal mehr finden. Das sind die Dinge, die mich umtreiben, die diese Gesellschaft gerade umtreiben. Das werden riesengroße Entscheidungen sein, die dieses Land, diese Gesellschaft zu führen hat. Und darüber müssen wir Debatten führen. Jetzt ist die Frage, wer führt diese Debatte, wer liefert den Rohstoff für diese Debatten? Überlassen wir das den Algorithmen aus China, nämlich bei Tiktok? Oder überlassen wir es den Algorithmen aus den USA, die darauf setzen: je knalliger, je skandalisierender, desto besser, desto mehr Erlöse? Überlassen wir es denen, oder bieten wir in Deutschland eine Plattform für diesen Diskurs, bieten wir unabhängig recherchierte Information für diesen Diskurs? Das ist die Rolle der ARD, das ist meine Mission.

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