René Pape

Zeitgenössische Musik hat für mich gewisse Grenzen.

Opernsänger René Pape über den Liederzyklus "Mein Herz brennt" und sein Verhältnis zur zeitgenössischen Musik

René Pape

© Universal Music

Herr Pape, der Liederzyklus "Mein Herz brennt" von Torsten Rasch nach Texten von Rammstein ist sicherlich kein gewöhnlicher – gibt es dennoch Ähnlichkeiten mit anderen Liederzyklen, die Sie bereits interpretiert haben?
Pape: Das ist natürlich schwer zu vergleichen, aber vielleicht könnte man jetzt die "Michelangelo-Lieder" von Hugo Wolf nennen, oder die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss. Ich habe während der Aufnahme-Zeit von "Mein Herz brennt" in München viel "Elektra" gesungen und da kam mir die Musik von Torsten Rasch wie eine Weiterentwicklung der spätromantischen Tradition vor, vor allem, was die Instrumentierung anbelangt. Es ist ja auch eine moderne Variante der klassischen Konstellation Lied- und Orchesterkomponist und Texter. So, wie früher Franz Schubert Texte von Goethe vertont hat, macht es jetzt Torsten Rasch mit den Texten von Rammstein.

Und wie würden Sie die Rammstein-Texte heute einordnen?
Pape: Ich finde, man könnte die Texte als Fortführung, als moderne Version der Tradition der Romantik sehen, auch von ihrer Struktur her, da sie ja zum teil in Reimform geschrieben sind.

Wie schwierig war es für Sie, den Liederzyklus einzustudieren?
Pape: Also, das Einstudieren mit Akkorden am Klavier war noch relativ simpel. Als dann aber die gesamte Orchester-Musik dazu kam, war es schon nicht mehr so einfach, sich zu orientieren. Deshalb hat Torsten Rasch bei den Aufnahmen mit seiner riesigen Partitur vor mir auf dem Fußboden gesessen und mir immer alle Einsätze gegeben.

Ende November werden Sie den Liederzyklus in Dresden und Berlin live aufführen – was glauben Sie, erwartet Sie für ein Publikum?
Pape: Ich glaube, dass auf jeden Fall Rammstein-Fans kommen werden, die einfach mal wissen wollen, wie die Texte ihrer Idole klingen, wenn sie mit einer völlig anderen Musik unterlegt und völlig anders interpretiert werden. Wir haben bei der Arbeit an dem Projekt aber auch gemerkt, dass das Werk ebenso ein älteres Konzert-Publikum ansprechen könnte und zudem Leute, die wegen Katharina Thalbach oder mir ins Theater und in die Oper gehen.

Wie würden Sie denn im Moment Ihr Verhältnis zur zeitgenössischen Musik beschreiben?
Pape: Dieser Zyklus war meine allererste Begegnung mit zeitgenössischer Musik. Ich muss aber dazu sagen, dass zeitgenössische Musik für mich gewisse Grenzen hat. Ich bin kein Fan davon, wenn Musik auf einem Kamm oder Fön gemacht wird oder wenn ein Klavier von unten mit Briketts traktiert wird und dazu jemand auf einem Gartenschlauch bläst – das zählt für mich dann nicht mehr unter Musik. Solange es aber in eine Richtung geht, wie bei Torsten Rasch, wo die Komposition für mich nachvollziehbar ist, könnte ich mir auch vorstellen, weiter in diesem Bereich zu arbeiten.

Zitiert

Als Deutscher wird man kaum nach New York, Paris oder London eingeladen um Verdi zu singen - die meisten wollen dich nur für eine Wagner-Partie.

René Pape

Wie sind bisher Ihre Repertoire-Grenzen gesteckt?
Papa: Nun, als deutscher Sänger bin ich natürlich prädestiniert, Beethoven, Wagner und Strauss zu singen, was ich ja auch regelmäßig tue. Sicher ist Deutsch meine Sprache und mit der Musik von Beethoven, Wagner und Strauss bin ich ja auch großgeworden. Es wäre auch einfacher, zu sagen, "ich habe meine acht Wagner-Opern, mit denen habe ich ein ruhiges Leben, fahre ab und zu mal irgendwo hin" – das wäre wohl ganz angenehm, mein Leben wäre sicherlich auch finanziell abgesichert.
Auf der anderen Seite will ich aber möglichst vielseitig sein, weshalb ich versuche, auch italienisches und französisches Repertoire zu singen, später vielleicht auch russisches. Viele meiner deutschen Kollegen haben es da sehr schwer, international anerkannt zu werden. Denn als Deutscher wird man kaum nach New York, Paris oder London eingeladen um Verdi zu singen – die meisten wollen dich nur für eine Wagner-Partie.

Was sind die Gründe?
Pape: Ach, das sind ganz oft nur die Ausreden internationaler Intendanten oder Dirigenten, die behaupten, dass wir Deutschen nicht dieses italienische Timbre haben. Ich denke, dass ist nur bedingt richtig. Mir ist es ja inzwischen gelungen, auch international große italienische Partien zu singen. Wenn man ein Faible für diese Art Musik hat, dann kann man auch mit diesem Timbre umgehen, davon bin ich überzeugt. Ein gar nicht so unwesentliches Problem, das viele meiner Kollegen haben, ist allerdings auch der Name. Wenn im Programm steht, "Philip II. gesungen von Markus Lehmann", dann geht dort keiner hin, weil die Leute denken: ein Deutscher kann das nicht. Ich heiße nun "Pape" mit Nachnamen, was ja kein gängiger deutscher Name ist – das bringt manche Leute schon auf andere Gedanken.

Sie haben in Interviews schon des öfteren den hohen Altersdurchschnitt im Opernpublikum beklagt. Sehen Sie denn mit der Zeit positive Veränderungen?
Pape: Ja, mittlerweile schon. Und ich denke das liegt mit daran, dass viele Inszenierungen mittlerweile moderner sind, es wird mit modernen Mitteln gearbeitet und oft auch ein ganz anderes Publikum angesprochen. In Berlin zum Beispiel sehe ich inzwischen immer mehr junge Leute im Publikum, nicht nur die älteren Opernliebhaber – die ich natürlich auch mag und die ein wichtiger Teil des Publikums sind.

Herr Pape, wofür brennt Ihr Herz?
Pape: Oh, da müssten wir uns jetzt noch mal fünf Stunden hinsetzen, das kann man nicht in ein paar Minuten beantworten. Es sind so viele Sachen, für die ich mich begeistere, die mir am Herzen liegen – wenn ich also jetzt etwas antworten würde, dann wäre das bestimmt nur Blödsinn. Ich bin ein sehr begeisterungsfähiger Mensch, insofern würde ich sagen: mein Herz brennt immer.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic, welche Figur sind Sie?
Pape: Ich würde sagen, Obelix. Schließlich esse ich sehr gern, habe ein gutes Herz – und wirke manchmal ein bisschen trottelig.

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