Paul Greengrass

Auf der Suche nach Frieden

Regisseur Paul Greengrass über seinen Film "Bloody Sunday", der die dramatischen Geschehnisse des 30. Januar 1972 im nordirischen Derry dokumentiert

Mr. Greengrass, ein paar Wörter zum Drehbuch, Sie haben es selbst geschrieben…
Greengrass: Wir haben versucht einen offenen Text zu schaffen, nicht ein Drehbuch, dass die Schauspieler begrenzt. Und im Wesentlichen ein Drehbuch, das versucht die Geschehnisse zu verknüpfen. Das, was am Bloody Sunday 1972 in Derry passierte, war nicht eine eindeutige Verschwörung von einzelnen Soldaten, die mit ihren Gewehren drauflos feuerten, es war ein Komplex, ein Verbund aus dem katholischem Protest und dem unbeweglichen Objekt des Militär – das war die Dynamik des Tages. Wir haben das Drehbuch auch so angelegt, dass Leute aus Derry, damalige Demonstranten und auch Militärs zu uns kommen konnten und ihre eigenen Erfahrungen an diesem Tag einbringen konnten und das Drehbuch so mitformen konnten, um es so authentisch wie möglich zu machen. Und so sind auch die meisten Leute im Film keine professionellen Schauspieler, sie schauspielern auch nicht, sondern sie leben die Geschichte noch einmal. Und das ist das, was dem Film seine Authentizität verleiht. Wir haben bei den Dreharbeiten in diesem Film die Leute aus Derry zusammengebracht, viele, die an diesem Tag vor 30 Jahren zusammen marschiert sind und ehemalige Mitglieder der britischen Armee, die an jenem Tag gedient haben.

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Greengrass: Dieser Film ist auch darüber, zwei Seiten zusammenzubringen die an einem Konflikt beteiligt waren. Dabei war uns eine Sache ganz besonders wichtig, dass man versucht zu verstehen, was es bedeutet hat, am Bloody Sunday ein Soldat gewesen zu sein – ohne zu verteidigen, was von Seiten der Armee getan wurde. Die Realität ist ja, dass diese Soldaten, die nach Derry an diesem Tag geschickt wurden, Befehlen gehorcht haben außerdem auch ihre eigene Perspektive auf den Konflikt haben. Also, wir versuchen auch, das Gefühl eines Soldaten an diesem Tag zu vermitteln.

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Greengrass: Die Idee hinter diesem Film ist, dass wir alle zusammenkommen, um diesen schrecklichen dramatischen Tag noch einmal zu (er)leben und die Wahrheit über ihn erzählen. Und wir fühlen, dass dieser Film auch eine kleine aber bedeutende Rolle im sich entwickelnden Friedensprozess spielt.

Die Frage der Verantwortlichkeiten am Bloody Sunday ist sehr kompliziert gewesen, viel mehr als die Armee-Befehlshaber haben die Politiker Verantwortung getragen. Daher die Frage, wieso Sie nicht die Politiker in Ihrem Film erwähnen?
Greengrass: Das tun wir schon, die Generäle im Film wissen ja, dass sie aus einem politischen Kontext heraus handeln und "Downing Street" wird auch erwähnt. Wir haben aber keine Szenen in Politiker-Büros dargestellt, weil ich denke, dass es bei diesem Film wichtig ist, an einem Ort zu einer Zeit zu bleiben, um zu verstehen wie sich die Geschehnisse ereigneten. Aber ich denke, der Film macht klar, dass der wesentliche Kontext ein politischer ist.

Sehen Sie den Film als eine Widmung an die Opfer des Bloody Sunday?
Greengrass: Ja, auf jeden Fall.

Nun liegt der Bloody Sunday schon 30 Jahre zurück…
Greengrass: 27 Menschen wurden am Bloody Sunday erschossen und schon immer haben die Angehörigen und Freunde deren Unschuldigkeit zu beweisen versucht. Die größte Ungerechtigkeit am Bloody Sunday war ja, das die militärischen Aktionen der Armee verteidigt wurden und dass die Untersuchungen angeblich ergaben, dass die Demonstranten Handfeuerwaffen oder Bomben bei sich hatten. Die Familien der Opfer haben mit großer Würde und Stärke in einer 30-jährigen Kampagne gekämpft, um diese Untersuchungen aufzuheben, zu widerlegen. Und heute sind sie näher dran als je zuvor, sie haben einen Gerichts-Prozess, der die damaligen Anschuldigungen aufheben kann. Und ich denke, in ein paar Jahren wird der Kampf eine Ende haben und die Familien werden ihre Gerechtigkeit bekommen haben. Ich denke, das auf vielerlei Weise "Bloody Sunday" und der Kampf der Familien, stellvertretend für die Suche nach Frieden steht und wir auf diesem Weg einen großen Schritt weitergekommen sind.

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