Jon Fleming Olsen

Geld verdienen hat mich nie so wirklich interessiert.

Seit zehn Jahren schlüpft Jon Flemming Olsen in die Rolle des Imbisswirt Ingo in der improvisierten Serie "Dittsche". Und noch viel länger macht er Musik. Ein Gespräch über Anfänge im "Popkurs", den Erfolg mit Texas Lightning, die Ehrenrettung des Country, die Entwicklung von "Dittsche", Tofu-Würstchen und ein Imbiss-Ständchen von den Scorpions.

Jon Fleming Olsen

© Beba Franziska Lindhorst

Jon Flemming Olsen, Sie sind in Düsseldorf geboren, aber doch Zeit Ihres Lebens Hamburger. Wie kam das?
Jon Flemming Olsen: Ganz unspektakulär. Meine Familie kommt aus Hamburg, mein Vater war Werbegrafiker und hat damals in Düsseldorf ein Jobangebot bekommen. Deshalb ist die Familie, die vorher eine Zeit lang in Brüssel gelebt hatte, nach Düsseldorf gezogen und ich bin sozusagen unterwegs zur Welt gekommen. Wir sind dann aber ein Jahr später zurück nach Hamburg, so dass ich an Düsseldorf keine Erinnerungen habe.

Und Sie sind bis heute in Hamburg geblieben…
Olsen: Ja, ich bin stark in Hamburg verwurzelt. Allerdings wohne ich seit viereinhalb Jahren mit meiner Frau auf dem Land in Schleswig-Holstein an der Ostsee. Aber Hamburg ist natürlich immer noch das zweite Standbein, diese Stadt ganz zu verlassen könnte ich mir nur schwer vorstellen.

1989 sind Sie in Hamburg zum sogenannten „Popkurs“ gekommen, der nur wenige Jahre zuvor gegründet wurde. Bei wem hatte man da Unterricht?
Olsen: Bei hervorragenden, professionellen Musikern. Das war und ist sozusagen die Crème de la Crème der deutschen Studio- und Live-Musikerszene. Peter Weihe war Gitarrendozent, Anselm Kluge Bassdozent und Gesangsunterricht hatte ich bei Frank Ryan. Alles wirklich sehr gute Leute, ich habe viel davon profitiert.

Wären Sie musikalisch heute nicht dort, wo Sie sind, ohne den Popkurs?
Olsen: Nee, absolut nicht. Zum einen wäre ich es handwerklich nicht. Zum anderen knüpft man dort in dieser relativ kurzen Zeit sehr viele Kontakte zu anderen Musikern. Das darf man nicht unterschätzen.

War Musiker zu der Zeit schon Ihr Berufswunsch?
Olsen: Als ich mit 13 mit meiner Schülerband zum ersten Mal auf der Bühne stand, dachte ich: Das ist überhaupt das Allergrößte! Damit musst du dein Leben verbringen! Ich kann mich noch sehr genau an diesen Moment erinnern. Seitdem habe ich immer Musik gemacht und Bands gehabt.

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Eine Platte zum Reichwerden geht man sicher anders an. Aber dann geht man vielleicht auch sein ganzes Leben anders an, als ich das getan habe.

Jon Fleming Olsen

Einige Songs, die Sie jetzt auf Ihrem Album „Immer wieder weiter“ covern, scheinen aus Ihrer Jugendzeit zu stammen.
Olsen: Ja klar. Mit zehn, elf Jahren war ich beispielsweise glühender „Sweet“-Fan. Das war auch die Band, durch die ich erkannte, dass Geige dann doch nicht das „coole“ Instrument ist.

Kommt drauf an.
Olsen: Also, zumindest in meiner Wahrnehmung war es das nicht. Ich wollte eher so sein wie die Bands, die im Fernsehen bei Ilja Richter in der „Disco“ standen. Da waren „The Sweet“ ganz weit vorne. Insofern ist meine Bluegrass-Version von „Ballroom Blitz“ ein Tribut an die Musik meiner Kinderzeit. Ähnlich war es mit „The Clash“, die in der Pubertät meine großen Helden waren und von denen ich jetzt „Should I Stay Or Should I Go“ gecovert habe.

Der Großteil Ihres Albums besteht aus Coverversionen – was verdient daran der Originalkomponist?
Olsen: Der Originalkomponist und -textdichter verdient – leider – hundert Prozent der GEMA-Lizenzen. Es ist tatsächlich so, dass man die Genehmigung dafür, einen Song zu bearbeiten und zu übersetzen, nur dann von den jeweiligen Verlagen bekommt, wenn man bereit ist, auf sämtliche Ansprüche als Urheber des deutschen Textes zu verzichten. In 99 Prozent der Fälle ist das so.

Spielte für Sie bei dem neuen Album das Finanzielle vielleicht auch weniger eine Rolle, weil es Ihnen bei der Band „Texas Lightning“ irgendwann zu viel ums Geschäft ging?
Olsen: Das ist jetzt einfach die Musik, die mir Spaß macht und die mir am Herzen liegt. Und das ist eben auch zum ersten Mal mit deutschen Texten verbunden und der Beginn eines neuen Weges für mich. Was dabei wirtschaftlich herum kommt, ist erst mal schnuppe. Eine Platte zum Reichwerden geht man sicher anders an. Aber dann geht man vielleicht auch sein ganzes Leben anders an, als ich das getan habe.

Reich werden“ ist demnach kein Lebensmotto von Ihnen?
Olsen: Ich habe nie Karrieren angestrebt, geplant oder mir Gedanken gemacht, wie ich in meinem Leben möglichst viel Geld verdienen könnte, das hat mich nie so wirklich interessiert. Ich wollte immer etwas machen, was mich erfüllt, mir Spaß macht und mich herausfordert. „Texas Lightning“ habe ich auch nie als eine Band betrachtet, die viele Platten verkaufen kann. Meine Motivation war, diese Musik zu spielen und – vielleicht ein romantischer Gedanke – dazu beizutragen, dass die Ehre der Country-Musik gerettet wird. Weil ich das Gefühl hatte, dass Country in Deutschland vollkommen missverstanden wird.

© Beba Franziska Lindhorst

© Beba Franziska Lindhorst


Würden Sie denn im Nachhinein sagen, dass die „Ehrenrettung des Country“ geglückt ist?
Olsen: … ähm, nee. (lacht) Glaub ich nicht. Aber wir haben vielleicht in der deutschen Musiklandschaft ein bisschen die Tür aufgemacht für Instrumente und Spieltechniken, die in diesem Genre benutzt werden. Wenn ich heute Songs aus den Charts höre, da gibt es immer mal wieder welche, wo ich denke: Diese Rhythmik oder dieses Arrangement, das hätten sie sich durchaus bei uns abgucken können.

Sie sind auch durch Ihre Rolle als Imbiss-Wirt Ingo in der improvisierten Fernsehsendung „Dittsche – Das wirklich wahre Leben“ bekannt. Sind Sie da ähnlich authentisch wie auf Platte?
Olsen: Ja und nein. In gewisser Weise bin ich das natürlich, weil das, was ich bei „Dittsche“ tue oder sage, spontan aus mir heraus kommt. Gleichzeitig ist es so, dass diese Rolle wirklich „nur“ eine Rolle ist. Diese Figur hat natürlich Berührungspunkte mit mir, ich glaube sogar, dass man überhaupt keine Figur spielen kann, an die man nicht auch irgendwie innerlich anknüpfen kann. Trotzdem bin ich ein ganz anderer Mensch als der Ingo.

Die Sendung wird live ausgestrahlt. Spüren Sie deshalb einen großen Druck beim Dreh?
Olsen: Nein, das hab ich nur ganz am Anfang gehabt. Nach zwei, drei Live-Sendungen hab ich gemerkt: Eigentlich sitzt du ganz gut im Sattel, irgendwie funktioniert das mit dir und Olli. Wir sind uns sehr vertraut und ahnen schon, worauf der andere hinaus will. Mittlerweile haben wir über 180 Sendungen im Kasten, da bin ich schon lange angstfrei und freue mich fast kindlich darauf, was in den nächsten dreißig Minuten wohl alles passieren wird.

Fühlen Sie sich in der Rolle als Imbiss-Verkäufer eigentlich in Ihrem Element?
Olsen: Absolut, ich genieße das in jeder Hinsicht. Erstens wächst man in so eine Figur immer weiter hinein und kann sie immer weiter ausstatten. Und dann hat sich der Ingo im Laufe der vielen Jahre auch verändert, genauso wie die Beziehung zwischen den beiden Figuren. Ingo war am Anfang viel mürrischer, wortkarger, abweisender, da fand teilweise gar keine Interaktion statt. Ingo drehte sich oft um und guckte auf seine Speisetafel, während Dittsche einfach ins Leere schwadronierte. Ingo hatte einfach keinen Bock, ständig von diesem dahergelaufenen Penner voll gelabert zu werden. Doch dieser Mann ist immer wieder gekommen und das hat den Ingo irgendwann beeindruckt. Er hat dann offenbar doch eine weiche Stelle an sich entdeckt. Das ist sozusagen eine Figurenevolution und passiert von ganz alleine. Wobei es so, wie wir es heute spielen, nicht weniger authentisch ist als vor zehn Jahren.

2010 haben Sie der Imbissbude ganz allgemein mit Ihrem Buch „Der Fritten-Humboldt“ ein Denkmal gesetzt. Sagt diese Art von Treffpunkt mit seinen Besuchern eigentlich auch etwas über Deutschland aus?
Olsen: Ich glaube schon, das ist aber in keine Formel zu packen. Das Faszinierende an diesen Orten ist die starke Ambivalenz zwischen furchtbarer Trostlosigkeit und einer bestimmten Heimeligkeit – es sind sozusagen verlängerte Wohnzimmer für „abseitige“ Gäste, die es ja auch in Wirklichkeit gibt. Die laufen dort vielleicht nicht alle im Bademantel herum, aber es steckt eben dieses gewisse Spannungsfeld darin. Und selbst in solchen Imbissbuden zu stehen, mitzumachen und möglichst unerkannt zu bleiben, war eine unglaubliche Erfahrung. Wenngleich dieser Reisemonat geruchsmäßig und auch sonst durchaus harte Anforderungen gestellt hat.

Welche Rolle spielt eigentlich die Tageslaune, wenn man improvisiert?
Olsen: Gar nicht so viel. Ich hab immer das Gefühl, die löst sich auf, sobald es losgeht. In dem Moment, wenn Dittsche reinkommt, nimmt das irgendwie seinen Lauf und die Szenerie wird zu ihrer eigenen Realität.

Man ist dankbar dafür, dass jemand wie Olli Dittrich, der autonom und jenseits des Mainstreams arbeitet, im deutschen Fernsehen noch ein bisschen Raum bekommt. Könnten Sie seine Eigenheit in wenigen Worten zusammenfassen?
Olsen: Ich glaube, Olli ist einfach auf sehr positive Weise starrsinnig. Er lässt nicht ab von dem, was in seiner Vorstellung gewachsen ist. Und das ist bestimmt eine wichtige Eigenschaft, ohne die solche Formate nicht entstehen würden.

Doch trotz Grimme-Preis läuft „Dittsche“ nur im Nachtprogramm.
Olsen: Ja, um viertel nach elf, gut versteckt, damit man da möglichst nicht drauf stößt. Wie viele andere Sendungen auch, die durchaus Qualität haben. Andererseits – wir laufen seit zehn Jahren. Da kann man sich nicht beklagen.

Sie haben in der Eppendorfer Grillstube auch immer wieder Prominente zu Gast. Wer ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Olsen: Mit Wladimir Klitschko zum Beispiel hat es großen Spaß gemacht. Der ist auch ein großer Freund der Serie. Kurz nachdem wir mit ihm gedreht hatten, waren Olli und ich bei einem seiner Boxkämpfe. Bei der anschließenden Feier kam er freudestrahlend auf uns zu, begrüßte uns herzlich und fragte noch mal, ob er beim Dreh auch gut gewesen sei. Das war irgendwie rührend und hat mich beeindruckt.

Toll war es auch mit Rudi Carell. Er war der Quizmaster meiner Kindheit und „Am laufenden Band“ war damals die Familiensendung für uns. Und herrlich war, als die „Scorpions“ mit Akustikgitarren bei uns im Imbiss standen und unter einer ganz kleinen armseligen Disco-Kugel „Wind Of Change“ vorgetragen haben.

Sie haben sicher aufgrund von „Dittsche“ das ein oder andere Rollen-Angebot bekommen, oder?
Olsen: Ehrlich gesagt, nein. Ich wäre da gar nicht abgeneigt, ich glaube aber, dass man mich schauspielerisch einfach nicht auf dem Zettel hat. Viele denken vielleicht immer noch, dass da ein richtiger Imbiss-Wirt an der Theke steht.

Das wäre ja ein großes Kompliment für Sie.
Olsen: Ja, ich hab das über die Jahre schon des Öfteren aus unterschiedlichsten Richtungen zu hören bekommen. Nach den ersten paar Sendungen hat Stefan Raab beispielsweise zu Olli gesagt: „Super Sendung, die ihr da macht, aber dieser Imbiss-Wirt – peilt der das gar nicht?“ Das fand ich sehr schön.

Ich bin Vegetarier: Gibt es bei Ihnen auch Tofu-Wurst?
Olsen: Um Gottes Willen! Tofu-Wurst ist eine ganz schlimme Erfindung, ein trauriger, nicht-grillbarer Gipsfinger. Meine Frau ist Vegetarierin und ich selber esse auch nicht wahnsinnig viel Fleisch, bin aber ein großer Freund des Grillvergnügens und der Bratwurst nicht abgeneigt. Und wer mal versucht hat, so ein Tofu-Würstchen auf den Grill zu legen, in der Hoffnung, dass es nach irgendeiner Zeit schön aussieht oder anfängt zu duften, der weiß, dass das ein Irrglaube ist. Da passiert einfach gar nichts.

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