Bernd Mayländer

Wir warten darauf, dass nichts passiert.

Bernd Mayländer startet in seine 15. Saison als Fahrer des „Safety Car“ in der Formel 1. Ein Gespräch über sein erstes Rennen, Sicherheitsstandards, Rennfahrertypen und neue Regeln, die 2014 für Diskussionen sorgen werden.

Bernd Mayländer

© Zwippgruppe

Herr Mayländer, am 16. März beginnt die Formel-1-Saison in Melbourne. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Bernd Mayländer: Eigentlich hat die Vorbereitung darauf schon nach dem letzten Rennen in Brasilien angefangen. Besonders im Hinblick darauf, dass es dieses Jahr viele Veränderungen, speziell im technischen Bereich, in der Formel 1 geben wird: die Fahrzeuge sehen 2014 zum Beispiel komplett anders aus, als sonst. Dann stehen noch einige interne Besprechungen mit der FIA an. Die körperliche Erholungsphase ist für mich jetzt natürlich ebenfalls vorbei und die Fitnessphase beginnt. Allerdings brauche ich nicht die Fitness zu haben, welche die Fahrer benötigen, aber generell geht auch in meinem Job nichts über eine sehr gute körperliche Verfassung.

Sie steuern im 15. Jahr das Formel-1-Safety-Car. Gibt es noch Erinnerungen an Ihren ersten Einsatz damals in Australien?
Mayländer: Natürlich, damals hatte Jaques Villeneuve diesen schlimmen Unfall, bei dem tragischer Weise ein Streckenposten ums Leben kam. Ich denke, so etwas vergisst man niemals im Leben – speziell dann nicht, wenn es direkt beim ersten Einsatz mit dem Safety Car passiert ist.

Was geht in einem vor, wenn gleich bei der Premiere jemand ums Leben kommt?
Mayländer: Damals habe ich den Unfall auf meinem Monitor im Safety Car gesehen, wusste aber noch nicht, dass so etwas Schlimmes passiert ist. Das habe ich erst nach dem Rennen mitbekommen. Natürlich wünscht man sich, dass nichts schlimmes passiert ist, wenn man dann mit dem Safety Car an der Unfallstelle vorbeifährt. Und man hat zu funktionieren und macht seinen Job, damit nicht noch ein größeres Unglück geschieht.

Ein optimaler Grand-Prix für Sie persönlich ist es also dann, wenn Sie nichts zu tun haben?
Mayländer: Für mich persönlich und für die Gesundheit aller Beteiligten auf jeden Fall. Wenn ich in der Auslaufrunde dem letzten Fahrzeug hinterher fahre und es ist nichts passiert, dann kann ich für mich sagen, dass es ein perfektes Wochenende war.

Wie verbringen Sie und Ihr Co-Pilot Peter Tibbetts denn ein solches perfektes Wochenende im Safety Car?
Mayländer: Wir sitzen auf jeden Fall permanent im Fahrzeug. Ungefähr fünf Minuten vor der Green Flag Lap verlassen wir die Startaufstellung und wenn die ersten zwei oder drei Kurven nach dem Start okay gehen, dann wechseln wir die Parkposition, fahren zurück auf unsere normale Position am Ende der Boxengasse und warten darauf, dass nichts passiert. Wir sind die ganze Zeit über angeschnallt, tragen unsere Helme und sind ununterbrochen mit der Race Control verbunden. Von dort bekommen wir auch alle Informationen bezüglich des Rennens und auch die Anweisungen, auf die Strecke zu fahren, sollte etwas passiert sein.

Wann kommt dann bei Ihnen das Adrenalin?
Mayländer: Das ist eigentlich immer vorhanden, weil man ja nie weiß, ob und was noch passiert.

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Manche behaupten, die Formel 1 sei langweilig geworden, da nur noch Sebastian Vettel gewinnt und früher sei alles besser und spannender gewesen. Das ist aber Unsinn.

Bernd Mayländer

Mit welcher Geschwindigkeit fahren Sie durchschnittlich auf der Strecke?
Mayländer: Das ist natürlich streckenabhängig. In Monaco bin ich mit Sicherheit nicht so schnell unterwegs, wie in Monza. Dort können es dann aber schon mal 260 km/h werden. In Monaco dagegen liegt die Höchstgeschwindigkeit so etwa bei 200 km/h.

Was würde passieren, wenn Sie mit dem Safety Car einen Unfall hätten, oder aus einem anderen technischen Grund nicht auf die Strecke fahren könnten?
Mayländer: Für diesen Fall gibt es immer ein zweites Fahrzeug in unmittelbarer Nähe. Zum Glück ist mir so was aber in den vergangenen 14 Jahren noch nie passiert.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Sicherheitsstandards in der Formel 1? Ist es heute sicherer, als noch zu Zeiten von Nikki Lauda oder Ayrton Senna?
Mayländer: Ja, auf jeden Fall. Allein die neuen Materialien, aus denen beispielsweise die Chassis gebaut werden, sind heutzutage wesentlich stabiler, als früher. Die Fahrer haben auch mehr Platz im Cockpit, auch die Helme sind besser zu tragen und die Rennstrecken haben bessere und längere Auslaufzonen. Früher wurde da mit Kies gearbeitet. Heute versucht man, diese Zonen alle zu asphaltieren, um dort sicherer die Geschwindigkeit abbauen zu können.

Niki Lauda sagte uns im Interview, dass die heutigen Formel-1-Piloten durch die erhöhten Sicherheitsstandards nicht mehr gefordert wären, einen starken Charakter und eine große Persönlichkeit mitzubringen.
Mayländer: Rennfahrer wie Niki Lauda hatten damals sicherlich mit mehr Risiken und Gefahren zu kämpfen, als die heutigen Piloten. Gerade er und sein schwerer Unfall sind ein gutes Beispiel dafür. Es stimmt daher schon, dass die Fahrer zur damaligen Zeit stärkere Charaktere waren, die den Rennsport nachhaltig geprägt und populär gemacht haben.

Würden Sie auch sagen, die heutigen Fahrer sind im Gegensatz zu früher bedächtiger geworden?
Mayländer: Nein, ich denke nicht, dass die Fahrer bedächtiger geworden sind – sie sind heutzutage nur in einer besseren körperlichen Verfassung. Die Belastungen, die ein Rennfahrer von heute aushalten muss, sind wesentlich härter, denn es wird auf einem viel höheren Level gefahren, als früher zu Zeiten von Lauda und Senna.

Dennoch sagen Kritiker, die Formel 1 habe an Attraktivität verloren.
Mayländer: Es gibt einige Zeitgenossen, die behaupten, die Formel 1 sei langweilig geworden, da nur noch Sebastian Vettel gewinnt und früher sei alles besser und spannender gewesen. Das ist aber Unsinn. Die Formel 1 ist heutzutage genau so spannend, wenn nicht sogar noch interessanter geworden: es gibt beispielsweise mehr Zweikämpfe, mehr Überholmanöver … Aber ich glaube, dieses Negativsehen ist einfach der Blick des Deutschen. Daher möchte ich sagen: Macht einfach mal eure Augen auf und guckt euch ein Rennen richtig an!

Wenn also die Sicherheitsstandards in der Formel 1 heute besser sind, als noch vor einigen Jahren, mutet es ja fast schon wie Ironie des Schicksals an, dass Michael Schumacher seinen schweren Unfall privat beim Skifahren hatte und nicht auf der Rennstrecke.
Mayländer: Ja, das stimmt. Ich glaube, außer einem gebrochenen Bein war Schumi mit sieben Weltmeistertiteln nie ernsthaft verletzt. Michael ist ein Kämpfertyp und ich wünsche ihm natürlich, dass er möglichst schnell wieder ganz gesund wird.

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Haben sich bei Ihnen im Laufe der Jahre Freundschaften zu Michael Schumacher oder zu anderen Fahrern gebildet?

Mayländer: Ja. Natürlich hat man zu manchen Fahrern ein engeres Verhältnis, als zu anderen. Zu Mark Webber, der 1997 und 98 mein Teamkollege bei den FIA-GT-Meisterschaften war, habe ich verständlicherweise einen engeren Kontakt, als zu ganz jungen Fahren, die ganz frisch in der Formel 1 sind. Allerdings bleibt an so einem Rennwochenende nicht wirklich viel Zeit, um private Dinge auszutauschen.

In der kommenden Formel-1-Saison gibt es einige neue Regelungen. So gibt es in Zukunft ein Strafpunktekonto für die Fahrer.
Mayländer: Ich finde es generell gut, dass dieser neue Strafpunktekatalog eingeführt wurde. So etwas ähnliches hat es in der Vergangenheit ja auch schon gegeben, wenn ein Fahrer zum Beispiel des Öfteren damit aufgefallen ist, dass er zu viele Fehler gemacht hat, die nachweisbar hätten vermieden werden können. Wenn man das Ganze einmal aus der disziplinarischen Sichtweise betrachtet, dann ist es für den Motorsport mit Sicherheit von Vorteil, dass es diese neue Regelung gibt.

Ebenfalls neu ist dieses Jahr, dass die Fahrer die doppelte Punktzahl im letzten Rennen erreichen können. Bei vielen Formel-1-Fans kommt diese Regelung aber gar nicht gut an. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Mayländer: Ich sehe das sportlich: Für die Fahrer dürfte es auf jeden Fall ein Ansporn sein, da sie dadurch bessere Chancen auf den Sieg haben. Und es erhöht definitiv die Spannung beim letzten Rennen …

… und den kommerziellen Aspekt der Formel 1?
Mayländer: Natürlich geht es bei der Formel1 auch um Marketing, ganz klar. Durch die neue Regelung können die Fahrer mehr gewinnen, aber logischer Weise auch mehr verlieren. Das treibt die Spannung nach oben und ist ein zusätzlicher Reiz für die Zuschauer, sich die kommende Saison anzusehen. Ob dadurch aber der kommerzielle Aspekt vergrößert wird, kann ich nicht sagen.

In der Fußball-Bundesliga beispielsweise wäre es undenkbar, dass ein Sieg am letzten Spieltag doppelt so viele Punkte bringt.
Mayländer: Ich finde, man kann die Formel 1 nicht mit der Bundesliga vergleichen.

Hat man denn diese neue Punkteregelung dem Dauererfolg von Sebastian Vettel zu verdanken?
Mayländer: Nein, auf keinen Fall. Mit Vettels Erfolg hat das sicherlich nichts zu tun. 2014 ist einfach ein Jahr der Neuerungen in der Formel 1, sowohl im technischen, als auch im sportlichen Bereich. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Aber besteht durch diese neue Punkteregelung nicht die Gefahr, einen „Glücksweltmeister“ zu bekommen, der außer einem Sieg im letzten Rennen nicht viel während der Saison erreicht hat?
Mayländer: Bestimmt nicht. Da müsste dann ein Fahrer schon 19 Rennen lang Glück haben und das ist wohl sehr unwahrscheinlich. Wie immer wird auch dieses Jahr der Beste gewinnen und das hat größtenteils einfach mit Können zu tun!

Gibt oder gab es eigentlich Überlegungen Ihrerseits, aktiv in die Formel 1 einzusteigen?
Mayländer: Nein. Ich bin jetzt 42 Jahre alt und da wäre es schon falsch, über so etwas nur nachzudenken. Ich bin noch nie aktiv ein Formel-1-Rennen gefahren und das war auch nie mein Wunsch. Ich wollte immer in der DTM fahren, das war mein großer Traum und der ist ja auch in Erfüllung gegangen. Was ich mir allerdings vorstellen könnte, sollte ich die Zeit dafür haben, wäre Langstreckenrennen zu fahren.

Wie sicher fahren Sie eigentlich, wenn Sie privat unterwegs sind?
Mayländer: Ich bin ein eher risikofreier Fahrer. Seit 25 Jahren bewege ich mich unfallfrei im Straßenverkehr. Und ich hoffe, dass das auch künftig so bleibt.

Stichwort Sicherheit im Straßenverkehr: sollten Senioren ab 65 regelmäßig „zum TÜV“, wie das schon einige Politiker gefordert haben?
Mayländer: Ich denke, bei der Dichte an Verkehrsschildern, die wir auf den deutschen Straßen haben, ist es schon wichtig, fit zu sein. Man hört und liest ja öfter mal in den Medien, dass manche Zeitgenossen damit gar nicht zurechtkommen. Unsere Autos werden immer schneller, zum Glück aber auch immer sicherer. Und ich finde, wir sollten schon nach Möglichkeiten suchen, die es unseren älteren Mitmenschen erleichtern, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Es gibt aber im Gegenzug auch genug junge Autofahrer, denen es nicht schaden würde, ab und an mal diverse Sicherheitskurse zu besuchen.

Sie sind jetzt 42 Jahre. Wie lange möchten Sie Ihren Job als Fahrer des Safety Cars noch machen?
Mayländer: Komisch, die Frage bekomme ich seit zwei Jahren regelmäßig gestellt (lacht). Vielleicht sollte ich mir mal Gedanken machen … Nein, im Ernst: ich mache diesen Job wahnsinnig gern, es macht mir immer noch großen Spaß, das Safety Car zu fahren und mit der FIA zusammenzuarbeiten. Die vielen Reisen und die körperlichen Belastungen dieses Jobs stecke ich immer noch gut weg. Von daher würde ich sagen: solange es geht und solange ich Freude daran habe, fahre ich das Safety Car.

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