Frank Plasberg

Unterhaltung und Anspruch schließen einander nicht aus.

TV-Moderator Frank Plasberg über den Kampfsendeplatz seiner Polittalkshow „Hart aber fair“, Gäste-Absagen, die Kunstwelt der Fernsehstudios, den Umgang mit der Quote und den „Menschenfischer“ Wowereit

Frank Plasberg

© ARD / Marco Grob

Herr Plasberg, mit dem Wechsel von „Hart aber fair“ vom WDR ins Erste gibt es nun drei politische Talkshows bei den beiden großen öffentlich-rechtlichen Sendern ARD und ZDF. Machen Sie doch mal zum Einstieg ein bisschen Werbung für sich: Warum sollte jemand wie Kurt Beck in Ihre Sendung kommen, anstatt zu Anne Will oder Maybrit Illner zu gehen?
Plasberg: Ich würde ihm die Wahl immer überlassen. Wir würden ihn einladen und warten, wofür er sich entscheidet. Manchmal hat das nichts mit einer Zu- oder Absage ans Format zu tun, sondern ist vom Terminkalender oder von alten Verbindungen abhängig. Unser Bestreben ist es eh nicht, jede Woche eine Runde zusammenzubekommen, die an ein gesetztes Essen bei der Queen erinnert. Es müssen nicht immer von jeder Sparte die Top-Vertreter mit dabei sein. Wir haben festgestellt, dass man manchmal mit den Gästen aus der zweiten Reihe die originelleren Besetzungen hat und die fruchtbareren Sendungen zustande bringt.

Es ist also nicht nötig, sich mit den anderen beiden abzusprechen – was Gäste angeht, was Themen angeht?
Plasberg: Themen entwickeln sich weiter und manchmal kann man dann dasselbe Thema noch mal nehmen, manchmal auch nicht. Wir werden daher gucken, ob sich ein Thema weiterentwickelt hat und ob es verschiedene Zugänge dazu gibt. Neulich hat Anne Will eine Sendung zum Thema „Innere Sicherheit“ gemacht, sie hatte Wolfgang Schäuble zu Gast. Wir haben es völlig anders angepackt – und es war eine sehr erfolgreiche Sendung. Das geht, da bin ich überhaupt nicht bange. Und vor allem ändert sich doch überhaupt nichts. Die Donnerstagsveranstaltung mit Maybrit Illner gab es schon immer, und eine Sonntagsveranstaltung gab es auch schon immer – erst den Salon „Sabine Christiansen“, jetzt heißt er „Anne Will“. Wir senden seit sechs Jahren jeden Mittwoch, brauchten immer schon fünf Gäste und hatten in der Spitze mit über zwei Millionen Zuschauern meist eine Top-Quote.

Sie haben es dennoch oft nicht leicht, Politiker in Ihre Sendung zu bekommen. In einem Interview sagten Sie, dass Sie teilweise pro Sendung von einer Partei 30 Absagen bekommen…
Plasberg: …es waren sogar schon mal 40. Meist hat es mit Terminpech zu tun…

…andere Gründe gibt es nicht?
Plasberg: Das werde ich nie erfahren. Offiziell werden es immer Termingründe sein. Keiner wird sagen: Ihr seid mir zu frech, zu anstrengend, zu gefährlich.

Stellen Sie fest, dass sich solche Terminprobleme bei bestimmten Themen häufen?
Plasberg: Ich kann mich nicht beklagen. Diejenigen, die von ihren Medienberatern nach dem Motto „Du bist besser, wenn du gefordert wirst“ beraten werden, die kommen auch. Dazu zählt zum Beispiel ein Herr Steinbrück oder auch Utz Claaßen, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der EnBW, der unmittelbar vor seinem Prozess bei uns war. Sein Medienberater hatte ihm dringend davon abgeraten, aber er sagte: „Nee, ich kenne die Sendung, ich kenne den Moderator, ich gehe da hin.“ Anschließend hat der Medienberater gesagt: „Entschuldigung, ich habe mich geirrt“.

Weil Sie zwar „hart“ sind, aber eben auch „fair“?
Plasberg: „Hart“ heißt nicht zuletzt auch hartnäckig. „Fair“ heißt ausreden lassen, Zeit geben, Raum geben. Darum bemüht sich unsere Sendung. Wenn man jemanden hart bespielt, mit Fragen, mit Filmen, und er auch Gelegenheit bekommt, ausführlich zu antworten, entspricht das nicht zuletzt auch dem Fairnessanspruch der Zuschauer. Wenn Sie auf jemandem herumtrampeln, ihm keine Gelegenheit geben, sich zu wehren und sich beim Zuschauer schließlich der Mitleidseffekt einstellt, haben sie verloren.

Glauben Sie, dass es mit dem Wechsel zur ARD leichter wird, die Gäste zu bekommen, die Sie gerne in der Sendung hätten?
Plasberg: Das mag sein. Aber die Zeiten, dass Politiker Schlange stehen, sind generell vorbei. Ich mache mir diesbezüglich auch wenige Hoffnungen. Aber ich sage noch mal: Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und die Kompetenz entwickelt, überraschende Gäste in der Sendung zu präsentieren. Ich muss nicht jede Woche drei Bundesminister in der Sendung haben.

Der Journalist Thomas Roth sagte gegenüber Planet Interview: „Spitzenpolitiker kommen meistens dann, wenn es in ihre Kommunikationsstrategie passt.“
Plasberg: Wunderbarer Satz. Ich sehe es auch so: Sie kommen dann, wenn sie es für nützlich halten. Der Wechsel zur ARD ist nicht entscheidend, es wird dann leichter, Spitzenpolitiker in die Sendung zu bekommen, wenn wir auf einen Wahlkampf zusteuern. Das ist aber normal, das macht jeder andere Mensch auch. Ich überlege mir ja genauso, ob ich eine Einladung annehme, weil ich weiß: Wenn ich da jetzt hingehe, dann ist der Freitagabend perdu. Wenn du aber ein Buch geschrieben hast, an dem dein Herz hängt, wie ich es gerade gemacht habe mit dem „Inlandskorrespondenten“, dann erwähne ich das an dieser Stelle geschickterweise im Interview und gehe natürlich auch Freitagabend in die Talkshow. Weil ich in dem Fall auch ein Interesse daran habe und es dann Vorrang für mich hat.

Klaus Wowereit tingelt mit seinem Buch derzeit auch durch die Talkshows und meint: „Ich kann Journalisten instrumentalisieren. Ich weiß, auf was sie abfahren und wenn ich eine Nachricht produzieren will, dann weiß ich, wo ich sie hinsetze.“ Eigentlich kein gutes Zeugnis für die Medien, oder?
Plasberg: Es gibt weder „die“ Medien, noch gibt es „die“ Politiker. Dass Klaus Wowereit ein Menschenfischer ist – und Journalisten sind auch Menschen – ist unbestritten. Er wird aber irgendwann einen schalen Geschmack im Mund bekommen, denn er wird nicht nur auf Journalisten treffen, die leicht zu manipulieren sind, sondern auf Kollegen, die die harte Währung für ihn sind. Und dann wird er auch wieder mehr Respekt vor dem Handwerk bekommen. Solche Erfolge, wie er sie da beschreibt, schmecken auf Dauer schal.

Ihre Redaktion führt mit jedem Talk-Gast Vorgespräche, auch Sie selbst telefonieren vor der Sendung mit jedem einzelnen…
Plasberg: …nur wenn es Minister sind, nicht. Die lassen sich nicht sprechen, die kommen einfach. Ich tue es dann besonders ausführlich, wenn ich für jemanden Verantwortung empfinde.

Wann ist das der Fall?
Plasberg: Bei einem Politiker nicht, der kommt auf eigene Rechnung. Wir legen jedoch Wert darauf, dass bei uns normale Menschen mit in der Runde sitzen und nicht nur auf dem Einzelinterview-Platz zu Wort kommen. Wir hatten kürzlich eine Hartz IV-Empfängerin in der Sendung, die jetzt wieder Arbeit hat. Sie hat die Auswirkungen von Hartz IV auf ihre Familie geschildert und sich wunderbare Diskussionen mit Politikern geliefert. Ihr 17-jähriger Sohn, der stottert, war als Einzelgast mit dabei und sprach über die Auswirkungen aus seiner Sicht. Wenn ich jemanden aus seinem normalen Leben in die Kunstwelt eines Fernsehstudios katapultiere, damit das „normale Leben“ dort vorkommt, übernehme ich für ihn eine große Verantwortung. Zum Beispiel für den 17jährigen Jungen, der es übrigens wunderbar gemacht hat.

Inwiefern?
Plasberg: Da sitzt jemand plötzlich in einer Sendung, bei der zwei bis zweieinhalb Millionen Menschen zugucken und muss über 90 Minuten „funktionieren“, sprich: er soll nicht nur seine Geschichte erzählen und vielleicht noch eine Forderung destillieren, sondern er soll auch mitdiskutieren. Anschließend wird er vielleicht noch ein Jahr lang darauf angesprochen, wie er sich möglicherweise blamiert hat. Ein Politiker oder ein Wirtschaftsboss hingegen vergisst so etwas, bei dem relativiert es sich in der nächsten Sendung.

Belastet Sie diese Verantwortung, die Sie in solchen Fällen übernehmen?
Plasberg: Ich hab’ bei so etwas echt Schiss. Es sind Glücksmomente für mich, wenn ich dann zwei Tage nach der Sendung einen Brief bekomme, in dem sich Mutter und Sohn bedanken und die positiven Reaktionen im Arbeitsleben und in der Schule schildern. Es kann aber auch schief gehen, und das ist dann richtig blöd. Wir versuchen das auszuschließen, indem wir sehr viel Recherchekraft in die Suche nach solchen Menschen stecken. Das ist die Art von Vorbereitung, die sich am Ende auszahlt. Trotzdem bleibt immer ein Restrisiko, und das empfinde ich jedes Mal aufs Neue als sehr belastend.

Finden Sie, dass Sie, was die Zusammensetzung der Gäste in Ihrer Talkshow angeht, eine optimale Mischung gefunden haben – auf der einen Seite mit Politikern und Wirtschaftsbossen, auf der anderen eben u.a. auch mit direkt Betroffenen?
Plasberg: Um es als Redaktion richtig zu machen, brauchen Sie eine große Erfahrung. Und Sie müssen als Moderator auch die Fähigkeit haben – das sage ich jetzt mal zynisch – Betroffene nicht als „Petersilie“ zu betrachten, als „Beilage zur Sendung“, sondern als eigenständige Persönlichkeiten. Und Sie müssen es als Moderator schaffen, innerhalb von Sekunden von harter Interviewbefragung, wo sie immer konfrontativ und hellwach sein müssen, zu einer stützenden Befragung einer betroffenen Person umzuschalten.

Ist das schwierig?
Plasberg: Ja, und anstrengend. Betroffene muss ich nicht hart befragen, sondern ihnen mit meinen Fragen ein Geborgenheitsgefühl geben und ihre Geschichte durch Fragen so strukturieren, dass in einem begrenzten Zeitraum möglichst viel von diesem Leben, von dieser „Blutspende“, in die Sendung rüberkommt. Dabei muss ich ihre Würde im Auge haben. Wenn es ein Einzelgast ist, habe ich anschließend, während ich in die Runde zurückgehe, drei Meter Zeit, um auf das alte Ding umzustellen.

Zitiert

Unser Bestreben ist es nicht, jede Woche eine Runde zusammenzubekommen, die an ein gesetztes Essen bei der Queen erinnert.

Frank Plasberg

Ende 2005 war Ursula von der Leyen zu Gast in Ihrer Sendung, nachdem sie kurz zuvor Bundesfamilienministerin geworden war. Sie stellten ihr die Frage, ob sie sich schon entschieden habe, was sie lieber sein wolle – eine gute Mutter oder eine gute Ministerin. In der Sendung reagierte sie darauf recht locker, später sagte sie in Interviews, nichts habe sie so sehr verletzt, wie diese Frage. Hat Sie die Reaktion von Frau von der Leyen im Nachhinein überrascht?
Plasberg: Ich habe sie nicht verstanden. Denn ich habe die Frage nicht in dieser Form gestellt, sondern mir eine Rampe gebaut. Ich finde es wichtig, den genauen Text der Frage zu kennen. Ich sagte. „Frau von der Leyen, Sie haben gerade Applaus bekommen, aber es gibt natürlich auch viele Zweifel an der Möglichkeit, seine Karriere mit sieben Kindern zu kombinieren. Ich kleide den Zweifel mal in eine Frage, die sich viele in Deutschland stellen. Die Frage geht so: Entweder sie üben ein Ministeramt gut aus oder sie sind eine gute Mutter! Haben Sie schon entschieden, was sie machen wollen?“ Um der Wahrheit die Ehre zu geben, denn das hat sie vermutlich vergessen: Es gab später eine Filmeinspielung mit einer von uns erfundenen Zeitungsschlagzeile, die sie wirklich getroffen hat. Diesen Einspieler würde ich heute nicht mehr so machen. Ich glaube, dass sie ihre Verletztheit auf die falsche Sache bezieht. Ich möchte das gerne noch mal mit ihr klären, nachdem ich es jetzt über Jahre lesen konnte, dass sie sich in vielen Gesprächen immer wieder so geäußert hat, wie Sie es zitiert haben. Wenn sie mir eine Gelegenheit gewährt, werde ich mir ihr über diese Angelegenheit sprechen.

Sie war seitdem nicht noch einmal in der Sendung?
Plasberg: Nein.

Sie haben Sie aber bestimmt angefragt.
Plasberg: Ja, oft.

Wann halten Sie es prinzipiell für gerechtfertigt, einen Politiker mit seinem Privatleben zu konfrontieren?
Plasberg: Wenn jemand sein Privatleben in die Politik einführt, dann bittet er förmlich um die Frage, inwieweit das kongruent ist mit anderen Dingen. Frau von der Leyen hat eine Home-Story mit dem Tenor „So funktionieren die von der Leyen’s“ mit Fotos von ihrer Familie in der BILD-Zeitung möglich gemacht. Diese BILD-Seite haben wir dann als Vorlage für unseren Einspieler genommen, indem wir das mal neu zusammengesetzt haben. Wenn Frau von der Leyen ein Rollenbild vorlebt, das auf Andere indirekt Druck ausübt und damit Politik macht, muss sie sich auch Fragen gefallen lassen, die darauf Bezug nehmen. Seitdem macht sie das übrigens nicht mehr, weil sie es inzwischen auch kritischer sieht.

Auch der CSU-Politiker Horst Seehofer, der zuletzt – trotz Affäre und unehelichem Kind – ein klares Bekenntnis zu Ehe und Familie abgegeben hat, war zu Gast bei Ihnen. Bis zu welcher Grenze darf aus Ihrer Sicht als Moderator das Privatleben eines Politikers in einer solchen Diskussion eine Rolle spielen?
Plasberg: Ich habe Herrn Seehofer gefragt, woher er die Überzeugung nimmt, dass die Wähler den Politiker Seehofer völlig getrennt vom Privatmenschen Seehofer betrachten. Gerade was Entscheidungskraft und Wahrhaftigkeit angeht. Und diese Frage hat er auch beantwortet. An so einer Frage überlege ich dann aber auch etwas länger.

Es kommt also auf die Formulierung an?
Plasberg: Auf die Formulierung und auf den jeweiligen Politiker. Außerdem, das Schöne in diesem Land ist doch: Man kann alles fragen und man kann alles antworten. Man kann aber auch sagen: Diese Frage beantworte ich nicht… das ist doch wunderbar! So wie Seehofer es bei „Beckmann“ getan hat.

Eine Besonderheit von „Hart aber fair“ ist der so genannte „Faktencheck“. Nach jeder Sendung überprüft Ihre Redaktion mit Hilfe von Experten Aussagen Ihrer Talkgäste, bei denen es während der Sendung nicht möglich ist, festzustellen, ob sie zutreffen oder nicht. Die Stellungnahmen der Experten können sich die Zuschauer am nächsten Tag im Internet ansehen. Hat sich dieses Element Ihrer Sendung bewährt?
Plasberg: Es hilft mir, während der Sendung darauf verweisen zu können, indem ich sage: „Stopp, wir können das jetzt nicht klären, aber schauen Sie doch bitte morgen in den Faktencheck!“ Ich finde das super. Der „Faktencheck“ sorgt auch bei den Gesprächsgästen für große Spannung, die sich am nächsten Morgen oft direkt reinklicken und wissen möchten, mit welchem Ergebnis sie überprüft wurden…

…gibt es anschließend mit den Talk-Gästen einen Austausch über die Ergebnisse?
Plasberg: Wir rufen niemanden noch mal an. Aber wenn jemand das nächste Mal in der Sendung ist, dann muss er damit rechnen, auf eine falsche Behauptung angesprochen zu werden.

Nicht immer gibt es eine eindeutige Antwort auf eine Frage, selbst beim „Faktencheck“ nicht. Wie kann da eine objektive Antwort möglich sein und die Einschätzung eines Experten als überprüfter Fakt präsentiert werden?
Plasberg: Wir versuchen, die Experten möglichst neutral auszuwählen und suchen nach der so genannten Instanz. Wenn es um Wirtschaftspolitik geht, dann nehmen wir natürlich niemanden, der dem Gewerkschafts- oder Arbeitgeberlager zuzuordnen ist. Aber wenn es keine eindeutige Antwort gibt, dann tun wir auch nicht so, als ob es sie gibt, sondern liefern zwei Antworten. Aus denen kann man sich dann eine Wahrheit basteln oder man betrachtet sie als Ansatzpunkt für eigene Recherchen.

Sind politische Talkshows mehr als „folgenlose Unterhaltung“? – so hat Wolfgang Thierse sie einmal bezeichnet…
Plasberg: Ich habe nichts gegen Unterhaltung. Wir befinden uns in einer ähnlichen Situation wie ein Boulevardmedium. Der Leser kauft sich jeden Tag die BILD-Zeitung, den Kölner Express oder die BZ, weil er sich etwas davon verspricht. Der Fernsehzuschauer muss die Fernbedienung drücken und sich etwas davon versprechen. Ich kann doch von einem Zuschauer, der spät abends nach Hause kommt, nicht erwarten, dass er sagt: „Klasse, da läuft etwas über die Föderalismusreform!“…

Wie lockt man den Zuschauer denn vor den Fernseher?
Plasberg: Es geht darum, auch komplizierte Themen so aufzubereiten, dass man zwischendurch darüber lachen kann und sich unterhalten fühlt. Deswegen ist Unterhaltung überhaupt nicht schlimm. Unterhaltung und Anspruch schließen einander nicht aus. Wenn das nicht in jedem Punkt dem Unterhaltungsbedürfnis von Herrn Thierse gerecht wird, der vielleicht auch noch ein ganz Spezielles hat, dann ist das nicht mein Problem. Davon fühle ich mich überhaupt nicht angesprochen.

„Hart aber fair“ ist die längste politische Talk-Sendung…
Plasberg: …und wir haben es geschafft, 90 Minuten lang eine große Zuschauerzahl vor dem Fernseher zu halten. Gucken Sie sich die vielen Einspieler an, mit denen wir arbeiten! Teilweise grenzt es an Belehrung, was wir da machen. Und trotzdem gucken die Sendung so viele Menschen. Die Zuschauer haben doch aber auch das Recht, sich zu unterhalten. Ich möchte in meiner eigenen Sendung keine Pro-Seminar-Stimmung aufkommen lassen, auch ich möchte mich gerne mal unterhalten. Und wenn es bei einer ernsthaften Diskussion zwischen mir und der FDP-Politikerin Frau Koch-Mehrin zu einem Dialog kommt und ich zu ihr sage: „Frau Koch-Mehrin, Sie haben jeden Malus, den man haben könnte: Sie waren zu jung, Sie waren zu blond, Sie waren zu schön“ und sie wie aus der Pistole geschossen antwortet: „Schade, dass das alles vorbei ist, Herr Plasberg“, finde ich das wunderbar! Dann gibt es einen Riesenlacher. Was ist schlimm daran?

Politische Talkshows werden oft auch als „Ersatzparlamente“ bezeichnet, in die sich die politische Diskussion verlagert habe.
Plasberg: Diese Behauptung ist einfach falsch. Natürlich findet Politik nach wie vor im Parlament statt. Es gibt darüber hinaus vielleicht bald ein Parlamentsfernsehen, es gibt den Sender „Phoenix“. Von jemandem wie Bundestagspräsident Norbert Lammert wird das „Ersatzparlament“ immer wieder als rhetorische Figur genutzt, um noch einmal die Bedeutung des Parlamentes anzumahnen. Wenn Sendungen wie „Hart aber fair“ durch ein kleines Irritieren dazu beitragen, ein paar fest gefügte Meinungen zu lösen, dann ist schon viel passiert. Es wird aber in politischen Talkshows keine Politik gemacht.

Wenn es nach Lammert ginge, sollten alle Politiker eine zweijährige Talkshow-Pause einlegen…
Plasberg: Herr Lammert ist ein brillanter Rhetoriker, und wenn Sie ihn einmal erleben, spüren Sie, wie viel Spaß auch er an Selbstdarstellung hat. Er sucht sich andere Bühnen, das Fernsehen braucht er als Bundestagspräsident gar nicht. Aber er ist natürlich auch jemand, der gerne wirkt und ein toller Performer ist. Er hat eine andere Form gefunden, sollte aber Kollegen, die das Fernsehen als Bühne wählen, nicht derart appellhaft davon abhalten, in Talksendungen zu gehen. Das finde ich ein bisschen merkwürdig.

Ihre Kollegin Maybrit Illner sagte kürzlich gegenüber Planet Interview, dass die Quote ein Ausweis der Qualität ihrer Sendung ist. Stimmen Sie ihr zu?
Plasberg: Die Quote ist in jedem Genre ein Ausweis der Qualität. Wenn ich eine Gerichtshow mache und die höchste Quote habe, dann habe ich wahrscheinlich die schrillste Gerichtshow. Bei einer Polit-Talkshow kann ich davon ausgehen, dass die Show mit der höchsten Quote, diejenige ist, von der sich die Zuschauer am meisten versprechen – oder die den besten Sendeplatz hat. Früher wurde die Quote als böse Stiefschwester der Qualität gesehen und ich bin wirklich stolz, dass es uns mit „Hart aber fair“ im WDR gelungen ist, beides miteinander zu versöhnen. Es ist die Vorzeige-Sendung des Senders geworden und hat gleichzeitig eine Hammer-Quote. Die Quote ist wichtig, sie macht auch immun gegen Einflussnahmen.

Und wenn sie nicht stimmt?
Plasberg: Dann gibt es immer einige kluge Ratschläge von besorgten Verantwortungsträgern. Wenn sie aber gut ist, dann sind die ruhig und alle haben dir den Erfolg schon immer vorausgesagt… Quote schützt!

Haben Sie bei der ARD eine Quotenvorgabe?
Plasberg: Die machen wir uns selbst. Ich möchte auf Dauer schon im zweistelligen Bereich landen. Der Mittwoch um 21.45 Uhr ist allerdings ein Kampfsendeplatz. Ich trete in direkte Konkurrenz mit meinen Freund Claus Kleber, der zur gleichen Zeit das „heute-journal“ im ZDF moderiert. Obwohl ich es eigentlich gerne mal bequem haben und sonntags senden wollte. Dann hätte ich von den acht Millionen Zuschauern, die vorher den „Tatort“ sehen, profitieren können. Kein Fußballspiel, kein Jauch mit Stern TV dagegen, alles schön entspannt. Leider hat das nicht geklappt, den Job macht jetzt Anne Will.

Am Sonntag hätten Sie dafür nur 60 Minuten Sendezeit gehabt, nun haben Sie mehr Zeit.
Plasberg: Das stimmt. Am Sonntag wäre ein Format von 75 Minuten kaum möglich gewesen.

Maybrit Illner hat kürzlich ein Buch geschrieben, in dem es um die aus ihrer Sicht oft viel zu unverständliche Politikersprache geht. Sie sieht sich als Talkshow-Moderatorin in der Rolle einer „Politikübersetzerin“. In welcher Rolle sehen Sie sich?
Plasberg: Ich möchte lieber etwas organisieren, vielleicht einen Dialog, den es so automatisch nicht mehr gibt – nach dem Motto „Politik trifft Wirklichkeit“. Das Übersetzen ist aus meiner Sicht nur die Mindestvoraussetzung, die dabei immer erfüllt sein muss.

Herr Plasberg, unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Plasberg: Ich wäre Sponge Bob – damit ich meinem Sohn gefalle und er mir endlich mal applaudiert…

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.