Niki Lauda

Ich kann doch niemals so ein Arschloch gewesen sein.

Rennsport-Legende Niki Lauda brauchte eine Weile, bis er an dem Formel 1-Film "Rush" Gefallen fand. Im Interview spricht er über die Darstellung seiner Person, Unfälle und Sicherheitsstandards, lästige Radarkontrollen und warum die Formel 1 seinerzeit wie Woodstock war.

Niki Lauda

© Universum Film

Herr Lauda, inwiefern waren Sie an der Entstehung des Films „Rush“ beteiligt?
Niki Lauda: Ich war mehr oder weniger involviert in die Erarbeitung des Drehbuchs von Peter Morgan. Er hat immer wieder zu mir gesagt, dass ich aufpassen muss, weil er das Drehbuch schreibt, und egal was ich ihm erzähle, es könnte sein, dass mir das im Film eventuell nicht gefallen würde. „Because it is Hollywood“, hat er immer hinzugefügt. Aber da er ja schon Oscars gewonnen hat, habe ich mir gedacht, er wird schon wissen, was er tut.

Und, wusste er es?
Lauda: Er hat mir immer wieder Sachen von seinem Laptop vorgelesen, beispielsweise „Du startest deinen Ferrari, drehst den Schlüssel um und fährst los“. Da habe ich ihn gefragt, ob er spinnt, denn der Ferrari hat natürlich keinen Schlüssel, sondern einen Startknopf, es ist ja kein Straßenauto! Ich habe ihn dann gebeten, mich öfter um Rat zu fragen, denn wenn er solch einen Blödsinn aufschreiben würde, dann käme da nichts bei rum. Schließlich haben wir uns ziemlich ausgiebig über die Renngeschichte unterhalten.

Wie war der Eindruck, als Sie den fertigen Film das erste Mal gesehen haben?
Lauda: Das war in Wien, in einer Privatvorführung, wo ich feststellen musste, dass ich richtig negativ rüberkomme. Ich kann doch niemals so ein Arschloch gewesen sein, dachte ich mir. Am Nürburgring wurde der Film danach den Formel 1-Leuten gezeigt, ich saß mit Hamilton und Rosberg und auch vielen anderen, die die Zeit noch selbst erlebt haben da, das war das kritischste Publikum für mich. Die Reaktionen waren unglaublich, speziell bei den Krankenhaus-Szenen, die auch mich etwas erschreckt haben, wurde mir klar, dass meine subjektive Wahrnehmung tatsächlich eine ganz andere war.

Sie haben den Film also doch noch liebgewonnen?
Lauda: Durch den andauernden Informationsaustausch mit Peter (Morgan) hatte ich erst nicht den Abstand, den Film so zu betrachten, wie ihn der normale Zuschauer sieht. Zur Vorführung in Toronto bin ich schließlich auch noch geflogen, dort waren die Zuschauerreaktionen überwältigend, es gab Standing Ovations, das hat mich wirklich positiv überrascht. Mittlerweile gefällt mir der Film richtig gut, weil es für die heutige Zeit ein gescheiter Film ist, mit Emotionen und der Darstellung einer Formel 1, die anders war, als sie heute ist.

Wie zufrieden sind Sie mit Daniel Brühl?
Lauda: Was er geleistet hat, ist unglaublich. Als er das erste Mal im Film auftritt, habe ich mich erschrocken und fühlte mich, als ob ich selbst da auf der Leinwand stehe. Das hat sofort funktioniert.

© Universum Film

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Haben Sie Daniel Brühl bezüglich des Wiener Akzents Hilfestellung gegeben?
Lauda: Nein. Er kam zu mir nach Wien, ganz am Anfang, und ich habe ihn zuerst gefragt, wie schwierig das für ihn sein würde, die Rolle zu spielen. Er sagte, es sei wahnsinnig schwer, weil ich ja transparent und bekannt und immer noch am Leben bin, das sei eine irre Herausforderung. In Wien hat er dann Österreichisch gelernt und sich gut vorbereitet und ich habe ihn anschließend noch nach Brasilien zum Grand Prix mitgenommen, weil er mir sympathisch war und wir uns sofort gut verstanden haben.

Was war denn ihre erste Reaktion, als bekannt wurde, dass Daniel Brühl Ihre Person im Film spielen würde?
Lauda: Bei Filmen bin ich nicht so versiert, aber meine Frau Birgit hat mir dann erklärt, was Daniel schon alles gespielt hat, und dass er quasi ein ‚Upcoming Star‘ ist. Mehr wusste ich am Anfang nicht. Aber ich habe ihn dann ja kennengelernt und finde ihn echt gut!

Sie sagten gerade, die Formel 1 war damals anders, was konkret meinen Sie?
Lauda: Ich mag im Bezug auf die damalige Zeit den Vergleich mit Woodstock. Es ging auch in der Formel 1 darum, das Leben innerhalb kürzester Zeit zu genießen und auch bereit zu sein, etwas zu riskieren. Zurückholen kann man das natürlich alles nicht, aber ich habe es erlebt, und ich bin auch der heutigen Zeit gegenüber nicht negativ eingestellt.

Zitiert

Es ging in der Formel 1 darum, das Leben innerhalb kürzester Zeit zu genießen und auch bereit zu sein, etwas zu riskieren.

Niki Lauda

Der deutsche Kolumnist Harald Martenstein schreibt: „Die Möglichkeit, dass jemand sterben könnte, erhöht die Attraktivität eines Formel 1-Rennens“. Stimmen Sie dieser Bewertung zu?
Lauda: Es gab damals sicher Leute, die nur aufgrund des hohen Risikos und der manchmal tödlichen Unfälle zugeschaut haben. Deswegen waren auch die Familien, Kinder und Hunde der Fahrer nie beim Rennen dabei, das hätte nicht funktioniert.

Das hat sich mittlerweile geändert.
Lauda: Die Sicherheitsstandards haben sich glücklicherweise sehr positiv entwickelt, heute kann man als Fahrer die Kinder mitnehmen, weil man aus dem Rennwagen auch wieder heil aussteigt. Aber deswegen sind die heutigen Fahrer auch nicht mehr gefordert, einen starken Charakter und eine große Persönlichkeit mitzubringen. Sie müssen sich nicht vor jeder Saison damit auseinandersetzen, ob sie noch mal bereit sind, dieses Risiko einzugehen. Damals sind jedes Jahr ein oder zwei Leute tödlich verunglückt, da war es durchaus denkbar, dass man von einem Rennen nicht zurückkehrt. Wir mussten das damals mit uns selbst ausmachen, diese Frage muss sich heute keiner mehr stellen.

Die Formel 1 ist heute ein vergleichsweise sicherer Sport?
Lauda: Nein, irgendwann wird es wieder einen Unfall geben. Das ist ganz logisch, wenn einer bei den hohen Geschwindigkeiten einen Fehler macht, dann passiert das wieder. Der Mensch gewöhnt sich natürlich schnell an diese Sicherheitsstandards. Deswegen hat auch der Leichtsinn auf der Straße zugenommen, weil kein Mensch mehr nachdenkt, bis es dann kracht. Die Formel 1 ist im Moment sozusagen in einem paradiesischen Zustand, 20 Jahre ist nichts passiert, es hat sich glaube ich nicht mal jemand einen Finger gebrochen.

Wurde man als Rennfahrer damals nachdenklich oder ängstlich, wenn ein Gegner einen schweren Unfall hatte?
Lauda: Klar, man musste sich immer überlegen, wie man darüber hinwegkommt. Für mich war immer wichtig, den Grund für das Unglück herauszufinden. Ich habe mir immer die Aufräumarbeiten angeguckt, um zu analysieren, warum das passiert ist. Man darf keinen Fahrfehler machen, sonst ist man tot. Psychologische Betreuung gab es ja damals noch gar nicht.

Ein Formel 1-Rennen ist, abgesehen von der körperlichen Fitness, also vor allem eine mentale Sache?
Lauda: Ja, weil man sich mit diesen ganzen Sachen auseinandersetzen musste. Was ist die logische Konsequenz, wenn Sie einen Risikoberuf haben? Ich bin ein Mensch der eigentlich keine Angst hat und natürlich risikobereit ist, aber man muss trotzdem immer aus den Fehlern der anderen Gegner lernen.

Hat sich durch die verbesserten Sicherheitsstandards auch der Typus des Rennfahrers verändert?
Lauda: Die Fahrer müssen sich heute mit dem Tod oder dem Thema Unfall nicht mehr auseinandersetzen. Damals passierte in der Formel 3 oder der Formel 2, den kleinen Serien, kaum etwas, die Autos waren klein, hatten schmale Reifen, die Geschwindigkeiten waren geringer, es war relativ risikofrei. Und plötzlich landete man in der Formel 1, weil man die dafür nötige Leistung gebracht hat, war euphorisch und kriegte dann mit, wie der Fahrer vor einem verunglückte. Damit begann dann ein neuer Druck, weil man plötzlich realisiert hat, dass das Risiko viel höher ist.

Warum ist die Faszination für den Rennsport bei Ihnen nach wie vor ungebrochen?
Lauda: Es ist wie in jedem anderen Sport die Höchstleistung, die man bringen will und natürlich ist es immer der Wettkampf darum, der Beste sein zu wollen. Egal ob es Stabhochsprung, Tennis oder Formel 1 ist, alle werden getrieben von ihrem Talent, und der Herausforderung, sich mit den Besten zu messen. Wenn man einmal drin ist, gibt es immer eine nächste Aufgabe, eine neue Herausforderung.

Es tritt also kein Sättigungsgefühl ein, wenn man schließlich Weltmeister geworden ist?
Lauda: Nein, man will das ja wiederholen. Wie Sebastian Vettel, der will auch das vierte Mal in Folge Weltmeister werden. Aber er muss jedes Jahr besser werden und sich steigern, er kann nicht genauso weiterfahren, wie nach dem letzten Sieg, das funktioniert nicht.

Filmplakat RushIm Film sagt Daniel Brühl dass das Rennfahren eine Arbeit ist, die er kann, und mit der er gutes Geld verdient…
Lauda: …Geld verdienen war vollkommen wurscht. Zuerst muss man Leistung bringen, dass ist in jedem Sport das Gleiche. Wenn es die Triebfeder ist, auf dem Podest stehen zu wollen, weil man dann drei Millionen mehr verdient, kommt man niemals dorthin. Du musst es machen, weil dein ganzes System es will, und dann kommt das Geld automatisch. Ein Hochleistungssportler wird niemals erfolgreich sein, wenn er nur auf das Geld schaut, das funktioniert nicht.

Dieses Gefühl, ständig von den Leistungen getrieben zu sein enthält also auch einen gewissen Suchtfaktor?
Lauda: Es gibt Menschen die wollen immer mehr, und hören nie auf. Und andere gehen mit 50 in Rente und tun nichts mehr. Zu denen zähle ich sicher nicht (lächelt).

Vermissen Sie das schnelle Fahren?
Klar. Es ist stinklangweilig, überall stehen Radarkontrollen oder Polizisten (lächelt). Aber ich habe meinen Führerschein noch nie verloren, muss ich dazu sagen (klopft dabei auf den Holztisch), weil ich so fahre, wie es sich gehört.

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