Lorenz Wolf

Wir fragen die Parteimitgliedschaft nicht ab.

Jede Rundfunkanstalt der ARD verfügt über einen Rundfunkrat, dem Vertreter verschiedener Organisationen angehören. Auch Parteimitglieder sitzen in den Rundfunkräten, beim Bayerischen Rundfunk haben von 50 Rundfunkräten 24 ein Parteibuch. Lorenz Wolf ist katholischer Geistlicher, seit 2014 Vorsitzender des BR-Rundfunkrats und derzeit Vorsitzender der "Gremienvorsitzendenkonferenz" der ARD. Hier spricht er über die Parteizugehörigkeit in den Rundfunkräten.

Lorenz Wolf

© ARD

Das folgende Interview entstand am Rande der ARD-Pressekonferenz am 27.11.2019 in München. Grundlage dafür ist eine Recherche zu den Rundfunkräten des Norddeutschen und des Bayerischen Rundfunks. Beim NDR haben von 58 Mitgliedern 21 ein Parteibuch, beim BR sind es von 50 Mitgliedern 24, also beinahe die Hälfte. Allerdings machen die Sender die Parteimitgliedschaft sehr vieler Rundfunkräte nicht transparent. Schaut man auf der BR-Website nach, könnte man meinen es sitzen fünf CSU-Mitglieder im Rundfunkrat, doch in Wahrheit sind es 14. Ich habe hier eine Liste der Parteimitgliedschaften in den Rundfunkräten erstellt, inklusive der entsprechenden Nachweise. Die Liste umfasst aktuell nur BR und NDR, soll aber zeitnah mit Angaben zu den übrigen Rundfunkanstalten ergänzt werden.

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(Audio-Mitschnitt hier)

Herr Wolf, die Rundfunkräte sind Personen, die von bestimmten Organisationen in die Rundfunkräte entsandt werden. Wer legt diese entsendenden Organisationen fest?

Lorenz Wolf: Die sind festgelegt über den Rundfunkstaatsvertrag. Das ist das Parlament, der Gesetzgeber legt fest, welche Regierungen in den Rundfunkrat entsandt werden. Es gab dann das ZDF-Urteil, das sagt: Die staatsnahen Vertreter dürfen ein Drittel nicht übersteigen. Und die Aufteilung unter den Parteien ist intern geregelt, wer wie viele Delegierte in den Rundfunkrat entsendet. Im Bayerischen Rundfunk sind es jetzt 50 Mitglieder. Es waren ursprünglich 50, dann wurden es 47, weil nach der Auflösung des Senats konnten die drei Senatsmitglieder nicht mehr entsandt werden. Damit hat man aber das Gesetz nicht geändert, man hat es bei 47 belassen und mit dem ZDF-Urteil wäre die Drittel-Grenze wahrscheinlich gerissen worden, deswegen haben wir wieder aufgestockt auf 50 und drei neue Plätze vergeben.

Weil Sie sagen ’staatsnah‘: Es gibt eine Skepsis unter Beitragszahlern, hinsichtlich der Staatsnähe in den Rundfunkräten. Ich habe dazu einige Rundfunkräte recherchiert und ob deren Parteimitgliedschaft vom ÖRR kenntlich gemacht wird. Zum Beispiel ist der Vorsitzende des Landesrundfunkrats Mecklenburg-Vorpommern in der CDU (Fred Mrotzek, Kreisvorstand CDU Rostock), doch der NDR macht das nicht kenntlich. Beim BR sind es noch mehr aktive Politiker im Rundfunkrat, doch der BR erwähnt deren Parteimitgliedschaft nicht. Warum nicht?

Wolf: Weil die Parteimitgliedschaft, eine private Parteimitgliedschaft nicht die Rolle spielt.

Wie gesagt, diese Personen üben Ämter aus.

Lorenz: Dann zählen sie zu den staatsnahen Mitgliedern. Wir müssen sehr genau schauen, wer gehört dazu und wer nicht. Diejenigen, die ein Staatsamt ausüben zählen zur Staatsbank. Man muss aufpassen, was ist die Drittel-Grenze, und was ist die eigene Zugehörigkeit zu einer Partei. Es wurde zum Beispiel immer wieder gesagt, dass ich bei der CSU sei. Ich war noch nie bei einer Partei, trotzdem wird das kolportiert.

Das lässt sich ja recherchieren. Im BR-Rundfunkrat sitzen CSU-Bürgermeister, ein Landrat ist dabei, ein anderer kandidiert auf kommunaler Ebene…

Lorenz: Da spielt aber die Partei keine Rolle. Sondern es spielt die Staatsnähe eine Rolle. Das ist ein Unterschied: Staatsnah sind alle Parteimitglieder. Ob der jetzt ein Grüner ist oder von der AfD, von der CSU oder FDP, SPD, spielt keine Rolle, die werden alle zusammengesetzt auf die Staatsbank.

Warum wird die Parteimitgliedschaft nicht transparent gemacht? Auch um die Skepsis beim Bürger vielleicht ein bisschen zu besänftigen.

Wolf: Weil wir es nicht abfragen. Wir fragen die Parteimitgliedschaft nicht ab.

Aber die ist doch bei vielen der betreffenden Personen bekannt.

Wolf: Aber das spielt für die Entsendung keine Rolle. Zum Beispiel kann der Musikverband nicht einen Politiker entsenden wenn die Drittel-Grenze gerissen wird, egal welcher Partei er angehört. (Im Fall des BR haben Musikorganisationen Ingrid Schrader entsandt, die für die CSU im Stadtrat von Hof sitzt, auch ihre Parteimitgliedschaft gibt der BR nicht an. Anm. d. Red). Die Parteizugehörigkeit des Einzelnen spielt keine Rolle, weil die Verantwortung für die Entsendung ist ja nicht die Partei, sondern ist die entsendende Organisation. Wenn die (unverständlich) Kultusgemeinde ihre Vertreterin und Vertreter entsendet habe ich doch nicht das Recht zu fragen, ‚welcher Partei gehören Sie an?‘. Das kann ich gar nicht. Wenn der Musikverband entsendet ist nicht meine erste Frage: Welcher Partei gehören Sie an?

Und Sie glauben auch nicht, dass es interessant ist für den Gebührenzahler? Dass er weiß, welche Leute mit welchem Parteibuch im Rundfunkrat Entscheidungen treffen?

Wolf: Ich glaube nicht, dass das eine Rolle spielt. Weil Sie in dem Moment, wo Sie im Rundfunkrat sind, ja nach der Geschäftsordnung nicht mehr ihre eigenen Interessen, nicht Parteiinteressen und nicht die Interessen der Entsendeorganisation vertreten dürfen. Ich als Vorsitzender habe peinlich darauf geachtet, dass keine Lobby-Arbeit passiert, sondern dass die Aufgabe heißt, die Interessen der Gesellschaft zu vertreten und die Interessen des Bayerischen Rundfunks und darüber die Aufsicht zu führen dass der Auftrag erfüllt. Und ob der Auftrag erfüllt wird, da spielt keine Rolle ob ein Mitglied in der CSU ist oder nicht CSU, ob SPD oder nicht SPD. Ich will es auch gar nicht wissen.

Warum gibt es dann innerhalb des Rundfunkrats die sogenannten „Freundeskreise“, wo es sich ja auch abzeichnet, ob schwarz oder rot? (vgl. Bericht auf uebermedien.de)

Wolf: In diesen Freundeskreisen mischt sich alles.

Die SPD geht in den Schwarzen Freundeskreis, die CSU in den Roten Freundeskreis, oder den Grauen?

Wolf: Ähm, ich gehe in alle. Ich wechsle durch.

Weil Sie Vorsitzender der Rundfunkräte sind.

Wolf: Das habe ich immer schon gemacht und weil ich einfach der Meinung bin, dass man Meinungsbildung in allen Bereichen sehen muss. Und die größte Gruppe sind nicht die Schwarzen oder die Roten. Sondern die größte Gruppe, die sich in der Meinungsbildung gebildet hat, sind die sogenannten Grauen, in München heißt sie „Kaktusgruppe“. Und die setzt sich auch immer wieder verschieden zusammen. Ich sehe Leute, von denen ich persönlich tatsächlich weiß, wie sie zuzuordnen sind…

Aber braucht es dann überhaupt diese Freundeskreise? Wenn Sie doch sagen, die Parteizugehörigkeit spielt keine Rolle?

Wolf: Es braucht eine Kommunikation die neben dem Rundfunk-(unverständlich). Meines Erachtens bräuchte es die Freundeskreise nicht, wenn wir im Rundfunkrat genügend Zeit hätten, diese Dinge zu besprechen. Aber in solchen Foren werden ja Themen besprochen, die den Rundfunkrat betreffen. Wo ich dagegen wäre: Dass Absprachen getroffen werden, dass in den Freundeskreisen Politik gemacht wird. Wir sind kein politisches Instrument in dem Sinne des Parlaments, dass wir bestimmte Interessen durchsetzen können. Mein Auftrag ist immer gewesen und ist es weiterhin als Rundfunkratsvorsitzender darauf zu achten: Was ist unsere Aufgabe und was ist nicht unsere Aufgabe? Die Einmischung ins Programm, die Einmischung in das operative Geschäft ist uns verboten. Und von daher sind wir kein Parlament sondern müssen schauen was tut der Bayerische Rundfunk, entspricht das dem Auftrag und entspricht das dem Gesetz. Wir sind zuständig für die Beschwerden, da kriegen wir sie hautnah mit, wo dem Bürger, dem Zuhörer und Zuschauer der Schuh drückt.

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