Marla Glen

I’m melting away, I’m melting away… – das kann doch nicht die Botschaft sein!

Sängerin Marla Glen über schlechte Erfahrungen im Musikbusiness, Zukunftspläne, deutsche Popmusik, UFO-Plausch mit Nina Hagen und warum sie seit 1998 in Deutschland lebt

Marla Glen

© Maika Gregori

(Marla Glen hat sich zu Beginn des Interviews mein Mikrophon geschnappt und grummelt mit ihrer tiefen Stimme etwas hinein.) Sie mögen Mikrophone, habe ich Recht?
Marla Glen: Nein, ich würde auch gerne ohne Mikrophon singen – wenn Gott mir so eine Stimme gegeben hätte. So eine Stimme, wie sie Johannes der Täufer gehabt hat, der machte seinen Mund auf, und die ganze Welt hörte es.

Nicht jeder, der Ihre Musik kennt, weiß, dass Sie schon rund vier Jahre in Deutschland leben. Wie kam es dazu?
Glen: Also, ich kam nach Deutschland, weil ein bestimmter Mann, mein ehemaliger Anwalt, und viele Männer in meiner ehemaligen Plattenfirma, kriminelle Machenschaften begangen hatten. Da haben mich Leute lange Zeit veräppelt, die sagten, sie wären meine Manager, würden immer hinter mir stehen usw. Dabei haben sie nichts anders als listige Verträge gemacht – da gab es zum Beispiel einen Acht-Jahres-Vertrag, in dem stand drin, dass nach meinem Tod sämtliche Tantiemen an die Plattenfirma gehen. Ich habe also einen deutschen Anwalt gesucht, um mich gegen die deutsche Musikindustrie zu wehren. Ich kam nach Deutschland in erster Linie, um mir das Geld zu holen, das mir schon lange zusteht, von dem ich aber bisher keinen Penny gesehen habe.

Das sind keine guten Erfahrungen, aber Sie sind in Deutschland geblieben.
Glen: Sie fragen mich, warum? Weil ich hier Freunde gefunden habe und eine Gruppe von Musikern, die mich nicht betrügen wollen. Das sind Musiker, die ihre Arbeit gut machen wollen. Es ist einfach schön, so wunderbare Leute um sich zu haben, mit denen ich meiner Arbeit nachgehen kann, Platten aufnehmen kann, ohne beschissen zu werden. Ich habe außerdem viele Freunde hier gefunden. Wenn mir was fehlt, dann kann ich immer jemanden anrufen – ich habe sozusagen eine Menge Babysitter.

Wie ist Ihr Blick auf Deutschland im Moment?
Glen: Die Wirtschaft in Deutschland ist am Boden, weil die meisten Leute immer nur ihr striktes Business machen wollen und dabei viel zu viel in die eigene Tasche wirtschaften und dadurch unfair werden.

Sie sind in Potsdam gerade auf einer Wahlkampfveranstaltung der SPD aufgetreten.
Glen: Ja, das habe ich gemacht, weil ich etwas zu sagen habe. Mit meinen Liedern, mit meinen Auftritten. Bisher haben die Plattenfirmen mich ja nie etwas sagen lassen und auch die Zeitungen haben nicht das geschrieben, was ich eigentlich sagen wollte, da diese falsche Informationen erhalten haben. Mir wurde ein Image verpasst, Sie wissen schon: Zigarren, blonde Frauen und Drogen – alles was man laut einer Plattenfirma und Management als Star haben muss, Sex, Drugs and Rock’n’Roll. Schröder habe ich unterstützt, weil ich denke, dass die SPD-Regierung schon einiges bewirkt hat, wie zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Eheschließung, das Zuwanderungsgesetz. Schröder wird den Kindern und Jugendlichen in Deutschland eine Chance geben.

Haben Sie ihn bei der Veranstaltung getroffen?
Glen: Ja, wir hatten einen Kaffee zusammen. Er nimmt viel, sehr viel Zucker in seinen Kaffee. Er ist eben so ein Süßer. – Aber nein, Spaß beiseite, ich habe ihn leider nicht getroffen.

Aber wenn Sie ihm begegnen würden …
Glen: … dann würde ich mich vor ihn stellen und ihm meinen Song „The cost of freedom“ ins Gesicht singen. Er jedenfalls würde mich verstehen.

Vier Jahre sind Sie schon in Deutschland – mögen Sie die deutsche Sprache?
Glen: Ja, klar. Ich finde, Deutsch ähnelt ein bisschen dem Englischen. Ich habe übrigens auch den Nachnamen Schmidt in meinem Stammbaum. Ich werde auf meinem nächsten Album wahrscheinlich auch zwei Lieder von Udo Lindenberg singen. Auf Deutsch! „Cello“, das ist mein Lieblingssong von Udo. Allerdings bin ich im Deutsch lernen verdammt schlecht.

Wie laufen im Moment Ihre aktuellen Projekte? Wann wird es fertig sein, das neue Album?
Glen: Ich arbeite wieder mit Michele Crosio, der Produzent, mit dem ich bereits bei meinem ersten Album zusammengearbeitet habe. Wir sind wieder im Studio und nehmen Songs für das neue Album auf. Ein Vorgeschmack darauf wird im November zu meiner „Shut your mouth“ Tour veröffentlicht.

Sie hatten bereits als Teenager Ihre ersten großen Auftritte. Heute klagen Sie über die Machenschaften der Musikindustrie. Hat Sie damals niemand gewarnt?
Glen: Ein bisschen wurde ich schon gewarnt. Aber man muss die Erfahrung leider selbst machen. Ich war sozusagen ein kleines Kind. Natürlich kann man ein kleines Kind davor warnen, allein in den Wald zu gehen. Doch irgendwann geht das Kind in den Wald, weil es eben selbst erfahren will, wie es dort ist.

Was sagen Sie nun anderen, jungen Musikern?
Glen: Nichts, wieso sollte ich denen etwas sagen? Die Musiker werden ja doch nicht umkehren und nach wie vor ihren Weg gehen, da man unheimlich neugierig ist. Das liegt in der Natur des Menschen, ich habe dasselbe getan. Ich werden nicht sagen: „Geh nicht zu einer Plattenfirma, die werden dich nur bescheißen“ – das weiß heute sowieso jeder. Im Musikbusiness wird sehr viel Geld verdient, aber der Musiker sieht davon meistens leider nur sehr wenig.

Generell, was haben Sie für ein Gefühl, laufen da draußen in der Welt mehr böse als gute Menschen herum?
Glen: Ja und Nein! In der Vergangenheit hatte ich leider nur das Pech nicht an die richtigen Menschen zukommen. Man konnte mir einiges vormachen. Künstlerische Naivität! Doch ich habe einiges gelernt und habe jetzt ein gutes Team und kann wieder voll durchstarten. Ich fühle mich wohler als je zuvor. Ich muss heute auch keine Anwälte mehr bezahlen, die nicht bereit sind, mir zu helfen, sondern sich lieber mit meinem Geld auf Mallorca vergnügen.

Wo haben Sie denn den letzten Urlaub verbracht?
Glen: Auf Mallorca.

Tatsächlich?
Glen: Ja, es war Urlaub und Arbeit. Zu erst habe ich ein, zwei Tage ausgespannt. Ich war bei Martin Semmelrogge eingeladen, einem guten Bekannten. Mit ihm war ich am Meer relaxen. Einmal waren wir sogar gemeinsam Ausreiten, der Muskelkater verfolgte mich noch einige Tage, es hat mir aber riesen Spass gemacht. Dann hatte ich berufliche Termine, Interviews und Gespräche mit Konzertagenturen und Studios.

Gefällt Ihnen denn Mallorca? Die Insel wird ja nicht selten als 17. deutsches Bundesland bezeichnet.
Glen: Ja, das ist schrecklich. Man sollte auf Mallorca nur die richtig spanischen Orte besuchen. Es ist nicht schön zu sehen, wie die Deutschen einen Teil Spaniens einfach für sich einnehmen. Vor allem diese Sangria-Partys – schrecklich!

Zitiert

Im Musikbusiness wird sehr viel Geld verdient, aber der Musiker sieht davon leider nur wenig.

Marla Glen

Wo auf der Welt ist denn Ihr Lieblingsort?
Glen: Da, wo ich mich gerade befinde. Immer, egal wo ich hingehe, der Ort ist für mich der schönste. Und wissen Sie warum? Die Welt ist mein Zuhause.

Eine der bekanntesten Zeilen Ihrer Songs ist: „This world is in trouble“. Geschrieben haben Sie das vor vielen Jahren. Hat sich etwas geändert?
Glen: Es ist auf keinen Fall besser geworden, falls Sie das meinen. Die Probleme haben sich ein bisschen verändert. Es gibt noch einige Probleme von früher, einige wurden gelöst und es kamen auch Neue dazu. Aber das wird wohl immer so sein.

Wie sind Ihre Gefühle im Moment für die USA, Ihr Heimatland?
Glen: Oh, ich war dort schon über 20 Jahre nicht mehr. Ich gondle jetzt tatsächlich schon in Europa rum, seitdem ich 18 bin. Ich bin auch nie zurück gefahren. Wieso sollte ich auch?

Vielleicht, weil Sie jemand besuchen, oder einfach das Land wiedersehen wollen?
Glen: Nein, ich will nichts sehen. Alles, was ich brauche, habe ich bei mir. Meine Katze und all meine Sachen. Und: das sind nicht wenige Sachen. Ich bin nämlich jemand, der einen Einkaufswagen nimmt, damit durch den Park geht und alles aufsammelt, was ihm in die Quere kommt. Ich habe eine richtige Sammelwut.

Was sammeln Sie?
Glen: Alles, einfach alles. Speisekarten, Postkarten, Raumschiffe, Spielzeug, Kaffeetassen, Aliens – ja, ich habe eine Menge Aliens.

Dabei haben Sie doch noch keinen Song über UFOs geschrieben, oder?
Glen: Doch, ich habe inzwischen einen Song aufgenommen, der heißt „U.F.O.“ und kommt vielleicht mit auf das nächste Album. Ich habe ja auch schon zweimal in meinem Leben ein UFO gesehen, als Kind und als Teenager. Also habe ich den Song geschrieben, wie es dazu kam: Im Park spazieren, nichts zu tun …

Gucken Sie auch all diese Alien-Filme?
Glen: Ja, alle. Ich mag sie alle. Und Sie?

Nein, da gibt es für mich zu viele kommerzielle Schinken.
Glen: Kommerziell. Hm, ist das jetzt gut oder schlecht?

Was da aus den großen amerikanischen Studios kommt, finde ich schon sehr schlecht. Die Leute kriegen immer nur das, was sie wollen. Immer den gleichen Brei mit Happy End und so weiter.
Glen: Oh, ich merke schon, Sie glauben nicht an UFOs.

Noch nicht, muss ich zugeben. Sie haben in den letzten Jahren einiges verkraften müssen, wir haben bereits darüber gesprochen. Woher nehmen Sie die Kraft dafür?
Glen: Die Kraft kommt von Gott (lacht). Auch wenn ich lache, das ist die Wahrheit.

Gehen Sie in die Kirche?
Glen: Ganz einfach: Meine Kirche ist in meinem Herzen.

Sind Sie eigentlich mit kirchlicher Musik aufgewachsen, mit Gospelgesang?
Glen: Nein, ich bin unter einer Menge verrückter Leute aufgewachsen – meine Familie, das ist schon ein Haufen Verrückter. Mein Vater ist Mexikaner, meine Mutter ist Jamaikanerin, meine eine Großmutter kam in Paris zur Welt. Ist doch verrückt, oder? Da fließen jede Menge verschiedene Nationalitäten durch mein Blut.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihrer Familie?
Glen: Ich telefoniere öfters mit meinem Vater. Er kommt auch manchmal nach Europa, wenn ich auf Tour gehe, das gefällt ihm.

Er mag auch Ihre Musik?
Glen: Er ist mein Vater, er sollte meine Musik gut finden (lacht), oder nicht? Andersherum sagt er: „Du bist meine Tochter, also schick mir doch ein bisschen Geld rüber.“

Würden Sie sagen, Deutschland ist ein „multikulturelles“ oder „internationales“ Land?
Glen: Ja, Deutschland bessert sich, finde ich. Deutschland öffnet sich nach außen. Besonders die jungen Leute gefallen mir. Die Alten scheinen mir manchmal ein bisschen eingefahren, aber die jungen dagegen, die werden ihre Chancen schon nutzen. Seit etwa einem Jahr habe ich begonnen, Deutschland zu lieben. Vorher habe ich Deutschland lange nicht gemocht, eben wegen dem ganzen Mist, der mit mir gemacht wurde.

Welche deutschen Bands mögen Sie?
Glen: Oh, ich habe schon so viele CDs mit deutscher Musik. Wie schon erwähnt, Udo Lindenberg, den habe ich auch schon öfters getroffen. Ich werde dann noch zum Beispiel auf einem Konzert von Xavier Naidoo gehen. Und ich habe Nina Hagen kennengelernt.

Worüber unterhält sich Marla Glen mit Nina Hagen?
Glen: Über UFOs. Sie liebt es, über UFOs zu reden, weil Sie daran glaubt. Und ich bin ein bisschen spirituell, deshalb mag sie mich. Wir haben einen Draht zueinander, weil wir gerne über komische Sachen reden. Zum Beispiel über Aliens, die vielleicht jetzt schon unter uns leben (lacht).

Noch mal zu den deutschen Musikproduktionen. Was halten Sie von den vielen kommerziellen deutschen Produktionen der letzten Jahre?
Glen: Ich finde es traurig, dass in letzter Zeit so viele Platten gemacht werden, die nichts, überhaupt nichts aussagen. Ob das jetzt kommerziell ist oder nicht – meine Platten waren ja auch irgendwie kommerziell. Aber wenn die Platten für die Hörer wenigstens eine Aussage haben würden. „I’m melting away, I’m melting away….“ – das kann doch nicht die Botschaft sein. Da wird sehr viel Mist auf Platte gebracht. Die Sängerinnen sind vielleicht schön aber die Texte dumm. Ich versuche ja wenigstens, über das zu singen, was heute mit der Welt passiert und welchen Problemen wir uns annehmen sollten. Und ich schreibe meine Texte selbst.

Was sagen Sie für die Erde voraus?
Glen: Der Frieden wird wiederkommen, da bin ich mir sicher.

Das Leben ist ein Comic, welche Comic-Figur sind Sie?
Glen: Ich wäre gerne Popeye. Der isst so viel Spinat. Ich mag Spinat über alles und wäre gern genauso stark wie er.

4 Kommentare zu “I’m melting away, I’m melting away… – das kann doch nicht die Botschaft sein!”

  1. Cintron Siller |

    Ich weiß nicht ob sich Maria noch an mich erinnert.mein Name ist Cintron würde gerne wissen wie es ihr geht .möchte ihr nur sagen das ich sie nie vergessen habe . Das Interview fand ich sehr gut das ist Maria wie ich sie kenne ehrlich und autenttisch .wennsie Mischmasch kontaktieren möchte immer gerne

    Antworten
  2. ich&mein schatz |

    suuupischönes interview ! !

    diese frau ist einfach C O O L !!!

    Antworten
  3. eifskleineronkel@web.de |

    dringend Kontakt

    Wir, das Roxyconzert suchen zu Marla Glen kontakt.Nicht über Ihre Agentur,es geht um ein Konzert am 05.03.05 in Flensburg.Wir haben viele Karten schon Verkauft,haben dann eine Absage bekommen über Ihre Agentur,und wollte Sie doch nochmals persönliche bitten,besteht die möglichkeit das Sie uns helfen ???

    MFG Roxyconzert

    Antworten

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