Stefan Ruzowitzky

Ich habe ein Problem mit diesen ganz radikalen Revolutionären.

Regisseur Stefan Ruzowitzky über seinen Film „Die Fälscher“, groteske Szenen im KZ, die Zusammenarbeit mit dem „Fälscher“ Adolf Burger und wie er die Berlinale erlebt

Stefan Ruzowitzky

© Berlinale

Herr Ruzowitzky, Ihr Film „Die Fälscher“ über die größte Geldfälschungsaktion unserer Geschichte durch ausgewählte Insassen im KZ Sachsenhausen läuft im Wettbewerb der 57.Berlinale. Wie sind Sie auf diese Geschichten gestoßen?
Ruzowitzky: Innerhalb von drei Wochen haben mich zwei Produktionsfirmen unabhängig voneinander auf dieses Projekt angesprochen. Da habe ich mir gedacht, das muss jetzt was zu bedeuten haben, und ich wurde neugierig auf das Projekt. Ich habe die Firmen dann einander vorgestellt und daraus ist dann diese deutsch-österreichische Co-Produktion entstanden. Diese Geschichte ist einfach wahnsinnig reizvoll, weil sie auf wahren Tatsachen beruht und trotzdem so viele groteske Elemente enthält: die dauernde Operettenmusik-Berieselung, die Tischtennisplatte oder der bunte Abend im KZ. So etwas würde einem selber gar nicht einfallen, und selbst wenn es einem einfallen würde, würde man sich nicht trauen, es zu beschreiben. Ich wollte nie einen Film über den reinen KZ-Alltag drehen, weil das gar nicht fassbar und nachvollziehbar wäre, und ich den Zuschauer auch nicht überfordern möchte. Aber in der Situation der „Fälscher“ erschien mir das nicht der Fall zu sein, weil das Gewicht der Geschichte eben nicht auf dem reinen KZ-Alltag liegt, sondern auf der außergewöhnlichen Situation der Fälschergruppe.

Die Fälscher-Geschichte ist, anders als andere Kapitel der deutschen NS-Geschichte, bisher nur selten thematisiert worden. Warum?
Ruzowitzky: Das ist einfach eine heikle Geschichte, die auch leicht missverstanden werden könnte. Es gab diese Fälscher-Baracke, wo die Insassen gut zu essen bekamen, in warmen Betten geschlafen haben und sogar Freizeitmöglichkeiten hatten. Da besteht natürlich die Gefahr, dass Leute, die sich mit dieser Zeit nicht wirklich auskennen, zu dem Schluss kommen, dass das Leben in den KZ’s ja gar nicht so schlimm gewesen sein kann. Deswegen hat sich an dieses Thema bislang wohl niemand so richtig herangetraut.

Vermutlich hat es dieser langen Zeitspanne auch bedurft, um die Paradiesvögel innerhalb des KZ-Lebens zeigen zu können…
Ruzowitzky: Ja, das denke ich auch. In einer Zeit, als viele Nazi-Täter noch gelebt haben, also unter uns waren, war es wichtig in erster Linie dokumentarisch an diese Zeit heranzugehen, den Leuten die Beweisfotos zu zeigen und mit Hilfe von Zeitzeugen zu sagen: “So war es! Ich klage an!“ Das macht heutzutage allerdings immer weniger Sinn. Mein Kinopublikum ist eine andere Generation. Ich kann diese jungen Menschen nicht zur Trauerarbeit zwingen, sondern muss eine spannende und interessante Geschichte erzählen. Die kann natürlich auch politisch sein, aber ich darf mein Publikum im Kino nicht mit andauernden Schuldgefühlen für Taten konfrontieren, die sie gar nicht begangen haben.

Inwiefern haben Sie durch die Arbeit an „Die Fälscher“ mehr von dieser komplexen Zeit verstanden?
Ruzowitzky: Man liest und recherchiert natürlich sehr viel über diese Zeit, um sich eine Meinung zu bilden und auch eine möglichst authentische Geschichte erzählen zu können. Das Drehbuch basiert ja auf den Erzählungen und Erlebnissen von einem der Fälscher, Adolf Burger (August Diehl), der diese Zeit in seinem Buch „Des Teufels Werkstatt“ beschreibt. Daran konnte ich mich gut orientieren, und der heute 90jährige Adolf Burger war auch sehr stark in die Drehbucharbeit involviert. Wir haben viel über seine Erlebnisse gesprochen und somit hat der Film auch diesen hohen authentischen Gehalt erhalten. Diese NS-Zeit ist ja für einen Regisseur und Autoren immer so eine Art Haifischbecken. Du musst höllisch aufpassen was du machst und wie du diese Zeit darstellst, weil da auch sehr viele Emotionen mit verbunden sind. Durch eine umfassende Recherche kannst du dich da schon absichern. Und dass ich in diesem Fall auch auf Adolf Burger zählen konnte war schon ein echter Glücksfall.

Zitiert

Der Nationalsozialismus darf nicht auf den Autobahnbau reduziert werden, mit dem Holocaust als Unfall am Rande.

Stefan Ruzowitzky

Es gab in den letzten Monat große Diskussionen über Dani Levy’s Film „Mein Führer“, der den NS-Komplex sehr komödiantisch betrachtet. Wo stehen Sie in dieser Debatte? Darf man über Hitler lachen?
Ruzowitzky: Ich finde es grundsätzlich nicht schlimm eine Komödie über Adolf Hitler zu drehen. Dabei muss aber immer klar sein, dass es sich bei diesem Thema um eine hochpolitische Angelegenheit handelt. Der Nationalsozialismus darf nicht auf den Autobahnbau reduziert werden, mit dem Holocaust als Unfall am Rande, sondern als durch und durch verbrecherische Ideologie. Das kann natürlich auch eine Komödie leisten.

In der Vorbereitung auf eine solche Thematik stellt man sich sicher auch die Frage, wie man sich an Stelle der Fälscher verhalten hätte. Hätten sie rebelliert wie Burger, oder sich eher geschickt durchgeschlagen wie Oberfälscher Sorowitsch? (Karl Markovics)
Ruzowitzky: Ganz klar, Sorowitsch! (lacht) Aber irgendwie haben ja alle auf ihre Weise recht. Natürlich stimmt es wenn Burger sagt, dass die Prinzipienlosigkeit der Menschen die Nazis zum Erfolg führt. Aber auch Sorowitsch hat Recht, wenn er sich um das Leben seiner Kameraden sorgt, genau wie der Insasse Zillinski, der nach all dem was er durchlitten hat, einfach nur noch um jeden Preis überleben möchte. Natürlich bewundern wir alle Idealisten wie Burger, die bereit sind für ihre Prinzipien zu sterben, aber letztendlich würden wir uns doch eher mit Anstand durchwurschteln wie Sorowitsch es getan hat. Deswegen funktioniert der Sorowitsch bei allen seinen Fehlern auch so gut beim Publikum. Ich habe ein Problem mit diesen ganz radikalen Revolutionären. Daran glaube ich nicht. In meiner Studentenzeit hatte ich einen Freund, der war politisch sehr aktiv, und wollte die Welt verändern. Damit hat’s nicht geklappt woraufhin er dann als Übersetzer für einen Waffenproduzenten in Nigeria gearbeitet hat. Das ist meine Skepsis gegenüber diesen Menschen, die alles wollen, und wenn’s dann nicht klappt, eben radikal die Seiten wechseln.

Ist das auch der Grund weshalb die Figur Sorowitsch im Mittelpunkt steht, obwohl der Film ja eigentlich auf dem Buch „Des Teufels Werkstatt“ von Adolf Burger basiert?
Ruzowitzky: Es gibt so viele Berichte von Intellektuellen über diese NS-Zeit, von Menschen, die mit dem Wort spielen können und eine sehr breite Sicht auf dieses Thema haben. So einer ist Sorowitsch nicht, und das hat mich fasziniert. Sorowitsch ist ein schlauer Gauner mit Knasterfahrung, der das Herz am rechten Fleck trägt. Ich fand es viel spannender diese Geschichte aus seiner Sicht zu erzählen, weil es das in dieser Form noch nicht gab.

Sie haben Ihren Film gerade auf der Berlinale vorgestellt. Gefällt Ihnen der Rummel um Partys, Empfänge und Filmpremieren?
Ruzowitzky: Ich war bisher eigentlich jedes Jahr auf der Berlinale. Die ersten beiden Tage sind immer sehr lustig, bis es dann am dritten Tag mühsam wird. Du triffst immer die selben Leute auf den Partys, Schade ist nur, dass ich als teilnehmender Regisseur kaum dazu komme ins Kino zu gehen. Ansonsten finde ich die Berlinale jedoch großartig und ich bin sehr stolz dieses Jahr mit meinem Film „Die Fälscher“ dabei zu sein.

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