Ralph Siegel

Die Weltstars verdienen unglaublich viel Geld, teilweise berechtigt, aber oft auch übertrieben.

Musikproduzent Ralph Siegel über die Grand Prix-Kanditatin Corinna May, das Songschreiben und sein Label Jupiter Records

Ralph Siegel

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Herr Siegel, Sie stehen jetzt hier, haben gerade Corinna May Ihren Song singen hören, was ist das für ein Gefühl?
Siegel: Erst mal muss ich sagen, dass ich Corinna May sehr gerne höre. Wenn ich ihre Stimme höre, geht mir das Herz auf, und ich denke, dass es noch vielen anderen Millionen so geht. Ob nun bei "Hör den Kindern einfach zu", wo sie disqualifiziert wurde, oder bei "I believe in god", wo sie gegen Stefan Raab überhaupt keine Chance hatte. Jetzt beim dritten Mal Grand Prix ist das wieder eine tolle Sache, und ich denke, dass der Song sehr schön ist, und ihr Leben reflektiert. "I can’t live without music", das ist ihr Leben, das ist mein Leben, das ist das Leben vieler junger Leute, vieler alter Leute – ohne Musik wäre unser aller Leben schrecklich. Das ist ja auch die Idee des Grand Prix d’Eurovision, wo sich Musiker aller Länder treffen – ohne Grenzen. Es gibt keine Rassenprobleme, keine Religionskonflikte, die verstehen sich alle. Das hat man früher bei Woodstock gesehen, und hinter dem Eurovision Song Contest steht wieder diese Idee: dass Musik uns alle verbindet. Und wenn ich Corinna jetzt heute Abend hier singen höre ist da natürlich der Wunsch, es in Tallinn noch einmal zu schaffen. Ich würde es ihr sehr gönnen. Am 22. Februar werden ja auch nur gute Sänger dabei sein und ihr Bestes geben. Einer wird dann das Glück haben, für Deutschland starten zu dürfen.

Geht es Ihnen manchmal so, dass jemand eins Ihrer Lieder singt, und Ihnen diese Interpretation absolut nicht gefällt?
Siegel: (lacht) Das ist natürlich schon vorgekommen, aber da möchte ich jetzt keine Namen nennen, denn ich denke, dass alle Künstler auf der Bühne ihr Bestes geben. Wenn so etwas passiert, ist es ärgerlich, aber nicht zu ändern.

Wenn Sie jemandem einen Song schreiben, haben Sie den Interpreten dann schon vor Augen oder schreiben Sie den Song und gucken dann, zu wem der passen würde?
Siegel: Bei der Vorbereitung auf den Grand Prix habe ich mir lange überlegt, was passend sein würde, für Corinna, für die Eurovision, für mich. Musik, music, musique, musica – etwas, was man auf der ganzen Welt versteht. Der Song für Corinna ist auf englisch, weil die Gewinnersongs der letzten Jahre nun mal auf Englisch waren, Englisch ist die Popsprache geworden. Früher war es so, dass eine Jury abgestimmt hat, die hatte dann auch den Text von zum Beispiel "Ein bisschen Frieden". Jetzt wählt Europa am Telefon und da braucht man eine Idee, die Europa versteht, ohne große Übersetzung.

Kritiker werden wieder sagen "..schon wieder ein Ralph Siegel Song!" – was entgegnen Sie denen?
Siegel: Naja, in den letzten Jahren hatte ich ja nicht das Glück so oft zu gewinnen, mit einer Konkurrenz wie Guildo Horn, Stefan Raab und Michelle, von daher wäre es schön, wenn wir mal wieder fahren könnten. Ich habe mich seit 28 Jahren für den Grand Prix eingesetzt, und ja auch mit großem Erfolg: wir haben einmal den ersten, dreimal den zweiten, zweimal den dritten und zweimal den vierten Platz gemacht. Das waren Songs, die Europa gefallen haben. Wenn man abends am Klavier sitzt, mit der Vorstellung, dass dieser Song mal von 800 Millionen Menschen gehört wird, die eventuell sagen "Germany 12 points", ist das etwas, was einem wieder viel Kraft gibt.

Wenn man diesen Song mit den anderen Songs vom Album "I Can’t Live Without Music" vergleicht, fällt auf, dass er sich doch sehr von denen unterscheidet. Haben Sie den Song etwas tanzbarer gemacht, damit er auch bei jüngeren Leuten ankommt?
Siegel: Der Song heißt "I can’t live without music" und ist somit für die Jungen, für die Alten, für alle. Im Endeffekt haben wir einen Popsong gemacht, der gleichzeitig eine Ballade ist. Zu Weihnachten habe ich den meinen Kindern vorgespielt, die den immer einmal hören müssen und sich dann gnädigerweise noch ein zweites mal anhören. Dieses Jahr war es so, dass sie ihn zehnmal gespielt haben, und sie danach getanzt haben. Also haben wir auch noch eine Dance-Version, eine Rave-Version gemacht, die in den Diskotheken und sogar auf der Love-Parade laufen könnte. Und was immer bleibt ist einfach "I can’t live without music" (singt) – da kommt es nicht auf schnell oder langsam an. Musik ist in unser aller Herzen und natürlich auch in den Beinen.

Nach einen erfolglosen Album hat sogar ein Superstar wie Mariah Carey ihren Plattenvertrag verloren, inwieweit sagt das etwas über die Musikindustrie aus?
Siegel: Erst mal kann man mit Mariah Carey kein Mitleid haben, sie hat Millionen Alben verkauft, $ 30 Millionen als Abfindung bekommen, ich wünschte dieses Geld den Menschen, die es nötiger haben. Und auch bei diesen Weltstars ist es so, dass es mal rauf und mal runter geht. Bei mir war es auch so, oft rauf, aber dann mal nach ganz unten. Eine Mariah Carey braucht niemand zu bedauern, sie wird noch viel singen und noch viel Musik machen können. Das Problem war bei ihr wahrscheinlich, dass mit einer Verlängerung des Vertrages noch viel mehr Geld hätte gezahlt werden müssen, was in einem Jahr, wo es vielleicht nicht so gut gelaufen ist, zu riskant war. Das ist das Problem, wenn die Manager von solchen Weltstars zig Millionen Dollar verlangen – aber ich denke, dass jede Plattenfirma der Welt sie sonst sofort nehmen würde. Wir spielen hierzulande allerdings in einer ganz anderen Liga. Diese amerikanischen Weltstars verdienen unglaublich viel Geld, teilweise vielleicht schon berechtigt, aber oft auch übertrieben.

Ihr Label "Jupiter Records" ist ein Independent-Label – wie ist es zur Zeit um das Label bestellt?
Siegel: Jupiter Records ist ein Label, das ich 1974 gegründet habe. Mein Vater hatte damals schon ein Label mit Big Bands und alten Stars wie Hanne Wieder und Roy Etzel gehabt, und ich habe das wieder aufleben lassen. Erst mit Chris Roberts und "Du kannst nicht immer 17 sein", dann mit Popsongs wie Silver Convention und "Fly Robin fly", "Lady Bump", später DeeDee Jackson. Dann kam Dschingis Khans "Moskau", was heute ja immer noch mein größter Erfolg ist. Das läuft auf der ganzen Welt, sogar in Moskau. 1982 kam dann der Grand Prix-Gewinn mit Nicole, welcher der kleinen Firma Jupiter Records natürlich auch sehr geholfen hat. Die letzten zehn Jahre waren dann eher nicht so gut – also es kann nur aufwärts gehen.

Was müsste man als Künstler tun, damit Sie ihm einen Song schreiben?
Siegel: Wichtig ist für mich die Glaubwürdigkeit eines Künstlers. Zum Beispiel müsste man ein Leben leben wie Corinna May oder Nicole, die beide schon mit fünf Jahren angefangen haben zu singen. Sie müssen stark genug sein und genügend Kraft haben, diesen Beruf durchzustehen. Man denkt immer, das sind nur drei Minuten auf der Bühne, aber hinter diesen drei Minuten steht oft ein halbes Leben harter Arbeit. Corinna May zum Beispiel hat einen unheimlich langen Weg hinter sich, hat in unzähligen Kirchen und Jazzclubs gesungen, um da zu sein, wo sie jetzt ist. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Künstler mit voller Kraft und voller Inbrunst für diesen Beruf einsteht und jeden Tag für die Musik und sein Publikum da ist, würde ich auch ein Lied für ihn schreiben.

Das Leben ist ein Comic, welche Figur sind sie?
Siegel: Hm, da gibt es einige, erst mal "Werner", wie der würde ich auch gerne mal wieder auf dem Motorrad durchstarten, auch der Roadrunner mit seinem pididipipiep gefällt mir. Da gibt es einige Figuren, die ich lustig finde, aber an erster Stelle, ganz klar: Werner!

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