Rachel Portman

Ich habe nie Angst gehabt, in die Männerwelt vorzudringen.

Filmkomponistin Rachel Portman über Arbeitspensum, Filmangebote, Komödien und wie sie sich in der von Männern dominierten Filmwelt zurechtfindet

Rachel Portman

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Mrs. Portman, wenn Sie sich entscheiden, Musik für einen Film zu machen, auf welcher Grundlage basiert dann diese Entscheidung? Haben Sie einen Teil des Films dann schon gesehen?
Portman: Nein, normalerweise entscheide ich das anhand des Drehbuchs, ich werde ja auch oft schon mit der Musik beauftragt, bevor die Dreharbeiten überhaupt begonnen haben. Das hängt auch ab von der Größe der Produktion, bei den großen Produktionen jedenfalls wird der Komponist meistens ausgewählt, bevor der Film gedreht wird.

Und Sie lesen dann immer das gesamte Drehbuch?
Portman: Oh ja, das ist der einzige Weg, wie ich rauskriegen kann, ob ich zu dem Film passe, oder nicht und ob es etwas ist, was mich interessiert. Auch wenn der Film auf einem Roman basiert, dann lese ich auch den Roman, ich informiere mich über den Autoren usw.

Wie lange benötigen Sie für diese Entscheidungsfindung?
Portman: Das ist ganz unterschiedlich. Normalerweise liest man das Drehbuch und danach steht die Entscheidung fest. Vielleicht kennt man auch schon den Regisseur oder andere Filme, die er gemacht hat – das beeinflusst natürlich auch die Entscheidung. Und dann kommt natürlich noch die Frage, wie der Regisseur meine Reaktion auf das Drehbuch beurteilt.

Sie sind eine gefragte Filmkomponistin – inwiefern setzen Sie sich selber Grenzen beim Arbeitspensum?
Portman: Ich begrenze das schon, also ich versuche mich nicht zu überladen mit Projekten. Ich arbeite ja auch größtenteils selbstständig, beim Komponieren habe ich keine Assistenten. Wenn ich die Arbeit also gut machen will, muss ich schauen, dass ich nicht zu viele Aufträge annehme, ich will mich nicht so verheizen. Letzen Endes sind es dann etwa vier Filme pro Jahr, für die ich die Musik schreibe. Es gab auch Jahre da waren es mehr, aber genauso gab es auch Filme, an denen habe ich 10 Monate lang gearbeitet. Das hängt ganz vom Projekt ab.

Orchestrieren Sie all Ihre Musik eigentlich selbst?
Portman: Ich habe einen Orchestrator, mit dem ich viel zusammenarbeite, obwohl ich auch einen großen Teil immer selbst orchestriere. Wenn er mir hilft, liegt das meistens daran, dass mir einfach nicht genug Zeit für die Orchestrierung bleibt. Ich orchestriere meine Musik wirklich gerne selbst, wenn das aber nicht geht, gebe ich in den Noten sehr präzise an, wie ich mir die Orchestrierung vorstelle.

Schaut man Ihre Filmografie an, findet man vor allem Komödien, Liebesgeschichten und Dramen – sind Sie mit dieser Gewichtung zufrieden, oder würden Sie zum Beispiel viel lieber Fantasy-Filme vertonen?
Portman: Im Moment arbeite ich gerade an einem Psychothriller, "The Manchurian Candidate" mit Denzel Washington und Meryl Streep. Das macht Spaß, es ist mein erster Film dieser Art, das ist etwas Neues für mich und ich mag es, neue Sachen auszuprobieren. Dass meine Filmografie nun so aussieht, wie Sie beschreiben, liegt auch daran, dass ich beispielsweise kein Interesse habe an gewalttätigen Filmen.

Daher die Vielzahl an Komödien?
Portman: Das mit den Komödien kam so, als ich Anfang der 90er Jahre zum ersten Mal für amerikanische Filme begann die Musik zu schreiben. Einer der ersten Filme war die Komödie "Benny and Joon" und danach wurden mir ganz viele romantische Komödien angeboten. Ich wollte aber nicht nur Musik für Komödien machen, sondern viel mehr noch für ernstere, dramatischere Filme, was ich dann auch oft gemacht habe. Heute wiederum denke ich, habe ich bereits so viel Musik für ernste Dramen geschrieben, dass sich das auch wieder ändern könnte.

Aber gibt es bei Filmkomponisten das, worüber sich viele Schauspieler oft beklagen, dass sie nur noch stereotyp gecastet werden, also immer nur noch sehr ähnliche Rollen angeboten bekommen?
Portman: Ja, das ist richtig, das gibt es auch bei den Komponisten. Ich selbst ärgere mich aber nicht darüber, wenn ich mal nicht die Filme bekomme, die ich gerne machen würde. Und die Filme, die ich mache, sind eigentlich auch immer interessant für mich. Wenn man mir dann einen anbietet, wo ich denke, dass ich einen ganz ähnlichen Film schon mal vertont habe, dann lehne ich das Angebot auch ab.

Wie war denn Ihre erste Erfahrung mit einem Kriegsfilm, "Das Tribunal" mit Bruce Willis, für den Sie vor zwei Jahren die Musik geschrieben haben?
Portman: Das hat mir viel Spaß gemacht. Das war auch ein sehr männlicher Film, es gab eigentlich gar keine Frauen darin zu sehen, ein harter und spannender Film. Ich habe die Arbeit gemocht, weil ich wieder neues Territorium betreten habe, eine Herausforderung war das für mich, die mich auch auf neuen musikalischen Boden gebracht hat.

In "Das Tribunal" gab es keine Männer, aber dafür war einer Ihrer letzten Filme "Mona Lisa Smile" ja ein sehr ‚weiblicher‘ Film. Glauben Sie, es gibt Regisseure oder Produzenten, die sich in Bezug auf den Inhalt des Films ganz bewusst für einen weiblichen Komponisten entscheiden?
Portman: Ich weiß nicht, das ist ja auch oft eine sehr persönliche Angelegenheit des Regisseurs. Der Regisseur von "Das Tribunal", Gregory Hoblit, hatte sich gedacht, dass es interessant wäre für diese Nur-Männer-Welt eine Frau mit der Musik zu beauftragen. Deswegen hat er mich gefragt. Bei "Mona Lisa Smile", wo Mike Newell Regie führte, könnte es ähnlich gewesen sein. In dem Film kommen nur wenige Männer vor und vielleicht hat sich Newell deswegen für mich entschieden. Andererseits kannte er auch meine Musik, insofern hat es vielleicht gar keine Rolle gespielt, dass ich eine Frau bin. Wie und warum sich Regisseure bei der Komponistenfrage entscheiden, kann man nie genau sagen, ich für mich kann nur hoffen, dass die Frage nach dem Geschlecht dabei keine Rolle spielt.

Wie sieht es bei den Regisseuren aus, welche Erfahrungen haben Sie da mit dem Geschlecht gemacht, führen Frauen anderes Regie als Männer?
Portman: Es sind alles verschiedene Individuen. Man kann nicht sagen, dass man bei Frauen nur bestimmte und bei Männern bestimmte andere Erfahrungen macht. Ich mag die Arbeit mit Regisseurinnen genauso wie mit Regisseuren, keiner ist einfacher als der oder die andere. Leider gibt es viel mehr Männer als Frauen, die Regie führen, deshalb habe ich nicht so oft die Gelegenheit, mit Regisseurinnen zu arbeiten. Aber dafür habe ich an anderen Stellen im Filmgeschäft viel mit Frauen zu tun, insofern trauere ich dem nicht hinterher.

Aber wo liegen eigentlich die Gründe, dass auch heute noch so wenig Frauen auf den Regiestuhl kommen?
Portman: Also, das ist eine Art Kampf, den die Frauen in der gesamten Filmbranche schon lange kämpfen, in jeder einzelnen Abteilung, wo es weniger Frauen gibt als Männer. Das ist so wie in vielen anderen Berufsgruppen auch. Warum das so ist – ich weiß es nicht.

Was waren denn die besonderen Fähigkeiten, die Sie benötigt haben, um als weibliche Filmkomponistin akzeptiert zu werden?
Portman: Ich denke, dass vor allem meine sehr persönliche Sicht auf die Dinge entscheidend war, auch, dass ich einfach ignoriere, dass ich eine Frau bin. Ich bin früher auf eine Jungen-Schule gegangen, wo es kaum Mädchen gab, aber ich fand das nie schlimm. Ich habe auch nie Angst gehabt, in die Männerwelt vorzudringen, seit dem ich die Schule verlassen habe. Später bin ich auf ein College gegangen, wo der Großteil Männer waren. Aber ich empfand das nicht als Nachteil, weil ich es bereits gewöhnt war, mich in der Männerwelt zurechtzufinden. Das war eher ein Vorteil, weil ich so die Frage nach dem Geschlecht einfach ignoriert habe. Ich wollte viel mehr auf der Basis meiner Arbeit beurteilt werden und nicht anhand meines Geschlechts.

Um noch einmal auf das Komponieren zu sprechen zu kommen: Sie verwenden hauptsächlich natürliche Instrumente, nur sehr selten auch elektronische. Hat das einen besonderen Grund?
Portman: Nun, für mich sind akustische Instrumente und der Klang, den sie hervorrufen, viel lebendiger. Mir persönlich gibt das nicht so viel, wenn ich synthetische Klänge höre, für mich leben diese Klänge nicht, sie atmen nicht. Und ich kann Emotionen einfach viel besser über lebendige, atmende Instrumente kreieren. Mein Job ist es, Emotionen zu vertonen, Geschichten durch die Musik zu erzählen – das mit synthetischen Klängen zu realisieren, finde ich sehr schwierig, was natürlich nicht heißt, dass andere Komponisten das auch nicht können.

Welches Instrument kommt Ihrer Meinung nach der menschlichen Stimme am nächsten?
Portman: Die Oboe? Oder das Sopran-Saxofon vielleicht? Ich benutze ja sehr oft Holzbläser, Klarinette verwende ich sehr gerne, die kommt der menschlichen Stimme meines Erachtens auch sehr nah.

Sie haben nicht nur Filmmusik komponiert – im letzten Jahr hatte Ihre Oper "Der kleine Prinz" (nach Antoine de Saint-Exupéry) an der Houston Grand Opera Premiere. War das für Sie so etwas wie Urlaub vom Filmbusiness?
Portman: Das könnte man so sagen, allerdings war es nicht wirklich Urlaub sondern sehr viel harte Arbeit. Ich wollte schon immer etwas für Sänger schreiben, eine Kinderoper hatte ich mir schon lange vorgenommen. Das war eine fantastische Erfahrung auch weil es glaube ich meine Filmmusik etwas mehr befreit hat.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Portman: Wenn das Leben ein Comic wäre … hm … dann wäre ich wohl Snoopy. Der ist wunderbar gezeichnet, den find ich einfach süß.

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