Peter Lohmeyer

Was für andere Meditation oder Yoga ist, das ist für mich Fußball.

Schauspieler Peter Lohmeyer über Fußball, seinen schauspielenden Sohn Louis, den deutschen Kinderfilm und seinen Part in "Das Wunder von Bern"

Peter Lohmeyer

© Senator Entertainment AG

Herr Lohmeyer, im Film "Das Wunder von Bern" spielen Sie den Kriegsheimkehrer und Familienvater Richard Lubanski. Hätten Sie nicht lieber die Rolle eines Fußballprofis übernommen?
Lohmeyer: Also, es war ja schon so eine Art Männerehre, überhaupt in einem deutschen Fußball-Film mitzuspielen. Und wenn ich dann sehe, was die Schauspieler Sascha Göpel als Helmut Rahn oder Knut Hartwig als Fritz Walter spielen, wenn ich also andere Kollegen in einer Rolle sehe, die ich mir vielleicht gewünscht hätte, die das aber so gut machen – dann habe ich damit überhaupt kein Problem. Da werde ich dann auch gerne zum Zuschauer. Und letzten Endes habe ich in meiner Rolle ja auch noch ein bisschen mit dem Ball zu tun.

In der Tat sieht man Sie in einer Szene den Ball jonglieren – kommt das noch aus Ihrer Kindheit?
Lohmeyer: Ja, seit ich sechs bin habe ich schon auf der Strasse Fußball gespielt, mit 14 war ich dann für ein Jahr beim VFB Stuttgart in der C-Jugend. Später, als wir nach Dortmund gezogen sind, waren allerdings Mopeds und Mädels wichtiger.

Aber vielleicht wäre aus Ihnen ein großer Fußballer geworden.
Lohmeyer: Reine Hypothese. Wobei ich nie vergessen werde, wie ich vor drei Jahren David James, dem aktuellen Torhüter der englischen Nationalmannschaft, einen rein gemacht habe und bei einem Freundschaftsspiel in Locarno zwei Tore geschossen habe, wo der Ex-Nationalkeeper der Schweiz im Tor stand.

Was sind das für Freundschaftsspiele, sind da unter Kollegen auch große Talente dabei?
Lohmeyer: Ja klar, besonders die mit Bauchansatz und Halbglatze. Traurig wird’s allerdings, wenn da jemand berühmter ist als sein Fuß und der dann mitspielt. Es geht aber einfach ums gewinnen und da grätscht man auch mal jemanden ab. Nur wird es natürlich schwierig bei jemandem wie Michael Schumacher, denn wenn ich den falsch abgrätsche oder er nicht weiß, wie man hinfällt, dann stehe ich am nächsten Tag in der Zeitung, weil ich Schuld am Ausfall von Schumi bin und werd deswegen noch auf 30 Millionen Euro verklagt.

Hat Fußball Sie erfüllt in Ihrer Jugend?
Lohmeyer: Ja, das war etwas absolut wesentliches. Aber, wie gesagt, wenn dann Mädchen auftauchten, war das erst mal wichtiger. Auch wenn ich eine Karte für ein Fußballspiel hatte, und mich Bettina gefragt hat, ob ich mit ihr Eis essen gehe – dann bin ich lieber Eis essen gegangen, sonst wäre das mit der Beziehung wohl daneben gegangen.
Mit sechs Jahren bin ich Schalker geworden und bin es immer noch. Was für andere Meditation oder Yoga ist, das ist für mich Fußball. Wenn ich in einer Woche mal nicht gespielt habe, auf dem Rasen im Park mit Kollegen, dann bin ich nicht zufrieden – ich brauche das. Genauso wie ins Stadion gehen: ich fahre dann oft morgens von Hamburg aus runter nach Schalke und abends wieder zurück. Das kostet natürlich zwar was, aber Fußball bedeutet für mich eben auch eine Menge.

Wie verlief bei den Dreharbeiten zu "Das Wunder von Bern" das Zusammenspiel mit Ihrem Sohn Louis, der im Film Ihren Sohn spielt?
Lohmeyer: Ich hatte mir vorher schon vorher überlegt, wie das sein könnte, wenn ich mit ihm und dem Regisseur Sönke Wortmann am Set stehe und ich etwas zu meinem Sohn sage, weil ich denke, dass er zu mir einen besseren Draht hat – für mich war es die Frage, wie ich mich in solchen Situationen zurückhalte. Es ist aber alles gut gegangen – sogar die Ohrfeige …

… die Sie ihm in einer Szene verpassen mussten.
Lohmeyer: Ja, das war beim Dreh die einzige Sache, vor der Louis Schiss hatte. Es ist ja so, bei weiblichen Kollegen spricht man sich ab, wie man sich küsst und unter männlichen Kollegen spricht man ab, wie man sich schlägt. Also habe ich das drei Wochen mit Louis trainiert. Ich habe ihm erklärt, dass ich das auf der Schauspielschule gelernt habe und dass es auch nicht wehtut, wenn man den Kopf in Schlagrichtung mitbewegt.

Wie gehen Sie damit um, dass Ihr Sohn in dem jungen Alter schon bei so einem großen Projekt mitmacht?
Lohmeyer: Ich habe schon reichlich negative Erfahrungen mit so was gemacht, weil ich ja auch schon mit Kindern gedreht habe und Eltern gesehen habe, die die Karriere ihrer Kinder teilweise bis dorthinaus zu pushen versuchen.
Louis hatte seine erste Film-Erfahrung ja schon gemacht. Ich habe mir bei ihm zwar immer gesagt, Filme drehen muss überhaupt nicht sein. Aber dann rief einmal eine Freundin an wegen eines Castings, für eine Rolle, die eigentlich nicht so sehr Louis‘ Ding war – aber er hatte von dem Anruf etwas mitgekriegt und wollte unbedingt hin. Schließlich kam er mit der Hauptrolle nach Hause, der Film hieß "Der Mistkerl". Ich habe dann die Rolle seines Vaters gespielt, die Dreharbeiten waren auch in den Ferien, insofern war alles in Ordnung. Der Film kam dann auf die Kinder-Berlinale, wurde im ausverkauften Zoo-Palast gezeigt, aber Louis hat danach nicht den Dicken gemacht. Er hat ein paar Interviews gegeben und fertig. Und für alle seiner Geschwister musste er von seiner Gage etwas kaufen, die durften sich was von ihm wünschen. Das haben wir beim "Wunder von Bern" übrigens auch so gemacht.

Wann lehnen Sie einen Rollenangebot ab, dass Ihr Sohn bekommt?
Lohmeyer: Also, ich lese zuerst die Drehbücher. Was nicht geht, sind Filme, wo Kinder einfach nur gebraucht oder womöglich missbraucht werden, also Geschichten, denen er erst mal gar nicht begegnen muss. Es sollten schon Geschichten sein, die er aufgrund bestimmter Erlebnisse auch schon nachvollziehen kann. Das Drehbuch muss einfach eine bestimmte Qualität haben, deshalb bin ich die erste Entscheidungs-Stufe.
Ich habe zuletzt drei Bücher von sehr guten Regisseuren für ihn angeboten bekommen, die waren auch alle interessant – letztendlich wären die Dreharbeiten aber immer in der Schulzeit gewesen und das geht nicht. Ich habe Louis davon erzählt und er war einfach nur stolz darauf, dass es vielleicht eine Möglichkeit gegeben hätte, zum Beispiel mit dem Regisseur von "Crazy" zu arbeiten. Er hat aber nie wieder danach gefragt, zumal ihn auch ganz andere Dinge teilweise mehr interessieren als die Schauspielerei. Sein Berufswunsch ist im Moment Kameramann. Und vielleicht, sagt er, kann er seine Ausbildung später dadurch finanzieren, dass er irgendwann nochmal einen Film macht.

Wie beurteilen Sie die Kinderfilme, die in letzter Zeit in Deutschland entstanden?
Lohmeyer: Ich bin ein Anhänger des skandinavischen und des tschechischen Kinderfilms sowieso. Von den letzten deutschen Kinderfilmen, die ich gesehen habe, mal abgesehen von Ausnahmen wie "Der Mistkerl" oder "Das Sams" war ich eher enttäuscht.
Ich selbst habe ja mit Kinder- und Jugendtheater angefangen und es ist echt eine sensible Angelegenheit, mit Kindern zu arbeiten. Nun verfilmt man in Deutschland alles an Kinder- und Jugendliteratur, wo man sich sicher glaubt, dass die Kasse klingelt, was ja an sich völlig in Ordnung ist, nur vermisse ich einfach eine gewisse Poesie und Natürlichkeit, die Filme aus anderen Ländern für mich viel mehr ausstrahlen.

So manches Fußballturnier leidet ja unter taktischen Spielen, wie auch dem ersten Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen die Ungarn in Bern 1954, dass 3:8 verloren ging. Gab es solche taktischen Spiele auch in Ihrer Karriere, die letztendlich zwar zum Wunder von Bern geführt haben, die aber eigentlich eher Frust waren?
Lohmeyer: Also, taktiert habe ich eigentlich nie in meiner Karriere. Es gab aber bestimmt zwei, drei Male, wo ich gesagt habe "Konto hallo…" Aber prompt habe ich es auch einmal so was von bereut – der Film kommt demnächst, den Fernseher dann also bitte nicht einschalten – da hatte ich leider den falschen Trainer am Start. Ich habe jetzt 50 bis 60 Filme gemacht und ich weiß, fünf davon hätte ich nicht machen sollen, das waren wirkliche Fehler. Ich finde aber, fünf aus 60, das ist eine ziemlich niedrige Quote. "Das Wunder von Bern" ist nun mein erster großer kommerzieller Film, ich habe noch nie in einem Film mit so hohem Budget gearbeitet. Da habe ich aber nicht taktiert, sondern ich wollte einfach mal bei einem Fußballfilm mitmachen.

Wem geht es nun Ihrer Meinung nach besser: dem deutschen Fußball oder dem deutschen Film?
Lohmeyer: Finanziell geht es dem deutschen Fußball ja besser, der DFB ist immerhin einer der reichsten Vereine in Deutschland, allerdings sollte man das Geld wohl besser verteilen. Thema Jugendarbeit, darüber müssen wir erst gar nicht reden, mein Sohn hat deswegen mal einen Verein verlassen. Ich war aber das erste Mal seit zehn Jahren glücklich über unsere Nationalmannschaft, als ich gestern die letzten 20 Minuten gegen Italien gesehen habe (Spiel vom 20. August 2003), da war ich richtig erstaunt.
Der deutsche Film ist ein Glücksspiel – zumindest was die Kinokasse angeht. Als Produzent braucht man in diesem Land verdammt viel Geduld. Oder du machst dich, in einer Stadt wie dieser (nämlich Hamburg) zu einem dieser Pfeffersäcke auf, und überzeugst ihn mit zehn Kisten Cohibas, doch in das nächste Projekt auf Cuba einzusteigen, das ich mit meiner Firma Glückauf Film schon seit Jahren verwirklichen will. Hoffnung habe ich immer, sonst würde es meine Firma schon längst nicht mehr geben.

Und im Fußball, auf wen hoffen Sie da?
Lohmeyer: Auf das Wunder von Gelsenkirchen.

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