Kaya Yanar

Darf man sich über den Propheten lustig machen, Herr Yanar?

Comedian Kaya Yanar über über Tabuthemen, den Umgang mit Religion und seinen Schritt auf die Kinoleinwand mit „Agent Ranjid rettet die Welt“

Kaya Yanar

© Constantin Film Verleih GmbH

Herr Yanar, in Ihrem ersten Kinofilm „Agent Ranjid rettet die Welt“, spielen Sie den indischen Putzmann Ranjid. Sie selbst sind türkischer Herkunft, haben Sie bewusst keine türkische Figur genommen?
Wieso? Türsteher Hakan kommt doch auch vor, aber Ranjid ist die liebenswerteste meiner Figuren, eigentlich noch ein Kind. Mit dem kann sich jeder identifizieren.

Sie spielen gerne mit Nationalitäten und Klischees, schlüpfen als Türsteher Hakan, Macho Francesco oder Wahrsagerin Olga in verschiedene Rollen. Wie reagieren Ausländer auf Sie?
Manche Menschen beschweren sich, dass ihre Landsleute bei mir überhaupt nicht vorkommen, Afghanen beispielsweise. Ich teste in meinen Bühnenprogrammen immer neue Figuren, spiele Chinesen, Holländer, Norweger, Türken, Italiener. Eigentlich hat man’s erst geschafft, wenn man bei mir im Programm landet. (lacht)

2001 zeigten Sie eine Persiflage des Madonna-Videos von „American Pie“, schwenkten statt Stars & Stripes eine riesige türkische Flagge und setzten eine Darstellerin ein, die mit einem Ganzkörperschleier bekleidet war. Gab es daraufhin Drohungen?
Ja, es gab Drohungen. Vielen Menschen ist Religion heilig. Seitdem denke ich mir: Nimm Rücksicht. Das bedeutet auch, die Religionen gleichberechtigt zu behandeln und nicht Witze über das Christentum zu machen, nur, weil die toleranter sind. Man weiß nie, ob man nicht einen falschen Spruch macht und damit Menschen verletzt. Also lasse ich’s.

Der Film „Innocence of Muslims“ sowie zahlreiche Mohammed-Karikaturen sorgten für gewaltsame Proteste in der arabischen Welt. Darf man sich über den Propheten lustig machen?
Ich persönlich bin nicht religiös erzogen worden und in dieser Hinsicht nicht empfindlich. Ich lache auch über Religionswitze oder über Monty Python’s „Das Leben des Brian“. Aber ich habe früh gemerkt, dass die Religion ein Minenfeld ist.

Sie haben sich selbst zensiert?
Ich habe mich nicht zensiert, ich suche nur nicht in diesem Feld. Mir schwirren genug schwachsinnige Ideen im Kopf rum. Man kann auf Kultur, Tradition, Sprache und Aussehen eingehen. Ich vermisse die Religion als Thema gar nicht.

Interessiert Sie das Thema privat?
Ja, sehr. Ich beschäftige mich viel mit verschiedenen Religionen wie dem Hinduismus, oder auch mit Atheismus. Natürlich beobachte ich die weltweite Entwicklung, ich habe auch gerade Richard Dawkins‘ „Der Gotteswahn“ gelesen. Es ist bemerkenswert, wie sehr sich die Menschheit in den letzten tausend Jahren medizinisch und technisch entwickelt hat, nur was Religion betrifft, hat sich in den Köpfen nichts verändert. Da gibt es keinerlei Entwicklung. Der eine zündelt, der andere reagiert, so war es immer und so ist es heute noch.

Kann Humor in diesem Bereich überhaupt etwas bewirken?
Ich denke schon. In Deutschland hält man sich meist politisch korrekt bedeckt. Aber es gibt internationale Comedy-Kollegen, z.B. Briten oder Amerikaner, die kennen da gar nichts. Manche machen es mit der Holzhammermethode, was ich nicht sehr clever finde. Grundsätzlich muss Humor auch in diesem Bereich sein, die Frage ist nur wann, wo, von wem.

Würden Sie beispielsweise soweit gehen wie Sacha Baron Cohen in seinen Filmen?
Wahrscheinlich nicht. Wofür? Für internationale Aufmerksamkeit? Ich habe Spaß an meiner Karriere. Aber ich hab keine Lust dazu, ständig mit Bodyguards durch die Gegend zu rennen.

Und eine Parodie auf einen Terroristen, wäre das denkbar?
Terroristen sind eine Form des Extremismus und keine Religionsgruppe, das ist uns allen klar. Über die kann man definitiv Witze machen. Wir hatten mal ein tollpatschiges Terroristenduo, das andauernd die falschen Sachen in die Luft sprengt. Da hat dann allerdings der Sender gestreikt, das war denen zu heiß.

Mal abgesehen von Religion, welche Themen würden Sie nicht anfassen?
Bei Themen wie Krankheit, Tod und Katastrophen sehe ich kein Comedy Potential. Jay Leno hat das mal gut erklärt: „Wenn eine Boeing 747 abstürzt, hört für mich der Humor auf. Aber wenn sie beinahe abgestürzt wäre, alle gerettet sind und der Pilot besoffen war, dann gehe ich drauf los.“ Wenn die Katastrophe wirklich eintritt, ist der Komiker arbeitslos. Zu Recht.

Zitiert

Ich habe früh gemerkt, dass die Religion ein Minenfeld ist.

Kaya Yanar

Ihre Kollegen in Deutschland scheinen das ähnlich zu sehen, mit Ausnahme vielleicht von Harald Schmidt
Harald Schmidt ist völlig schmerzfrei. Als beim Jahrhunderthochwasser 2002 im Osten ganze Existenzen drauf gegangen sind, war ihm das scheißegal. Ich kann mich noch erinnern, wie er sagte „Wenn man so sieht, was da für Möbel und Klamotten vorbei schwimmen, ist das `ne schöne Sache, dass man nochmal von vorne anfangen kann.“

Es wurde schon häufiger versucht, deutsche Comedy-Stars auf die Leinwand zu bringen, nicht jeder Versuch ist geglückt. Ist die Fallhöhe beim Film höher als im Fernsehen?
Mir ist bewusst, dass Wenige den Schritt vom TV ins Filmbusiness geschafft haben. Im Film braucht man eine gute Story und unterhaltsame Figuren. Man kann nicht 90 Minuten Slapstick machen. Ich hoffe natürlich, dass mein Film den Zuschauern gefällt, ich würde nämlich gerne wieder einen machen, und das ist einfacher, wenn der erste gut gelaufen ist.

Was ist die Botschaft Ihres Films?
Ich stehe auf verrückte Charaktere, auf Comics, auf Tom und Jerry oder Animationsfilme wie „Shrek“. „Agent Ranjid“ ist bunt, mit viel Action, Explosionen, Prügeleien. Bloß keine Langeweile. Ich will keine reine Dialog-Comedy. Die Botschaft ist: Das hier ist mein Humor.

Es heißt, Sie fühlten sich beim Drehen wie ein Kind auf einem Spielplatz…
Ich war wirklich wie ein Kind und dachte: „Wow“! Vor Monaten habe ich die Idee gehabt, dass Hakan mit einem Satelliten acht holländische Hooligans mit einer Tanzchoreografie ausschaltet. Oder eine Verfolgungsjagd auf einer Achterbahn zu Fuß. Und plötzlich ist Geld dafür da, und das wird wirklich gedreht.

Ärgert Sie es, dass Ihr Film mit James Bond-Persiflagen wie „Johnny English“ verglichen wird?
In jedem Genre, egal ob Liebesfilm oder Komödie, hat man das Problem, dass alles schon mal irgendwie da war. Klar kenne ich Johnny Englishs Timing und Slapstick, die skurrilen Figuren eines Austin Powers, den bescheuerten Humor und die blöden Sprüche von „Die nackte Kanone“. Aber Bollywood kam in der Form noch nie vor. Unser Film ist auf jeden Fall neu.

Regisseur Martin Campbell hat in „Casino Royale“ einige typische Bond-Szenen verändert, z.B. die Martini-Frage „Geschüttelt oder gerührt“, worauf Bond entgegnet „Sehe ich aus, als ob mich das interessiert?“ Wird der echte Bond zu beliebig?
Ja, die Gefahr besteht. Der Zeitgeist hat sich verändert. Sean Connery, mein liebster Bond, und Roger Moore waren chauvinistische Womanizer. Heute ist es nicht mehr weit bis zu „Mission Impossible“ oder der „Bourne Identity“. Eigentlich leben die Bonds nur noch vom Mythos. Trotzdem mag ich Daniel Craig und wie er den Bond interpretiert.

Wie viel „Agent Ranjid“ steckt eigentlich in Ihnen?
Sehr viel. Ich bin auch etwas tollpatschig, treu-doof, immer noch ein bisschen Kind und hoffentlich ein anständiger Kerl. Ich habe ein großes Herz für Tiere und esse kein Fleisch. Wenn wir uns nicht so ähnlich wären, könnte ich ihn nicht so spielen. Nur asexuell bin ich nicht. (lacht)

Dürfen wir uns denn auf Bond-Girls freuen?
Ja klar! Hakan hat ein leckeres Girl abbekommen…

Und bei Agent Ranjid gibt es keine Liebesgeschichte?
Doch, mit Benytha.

Seiner Kuh…
Ja. Unsere Kuh war Hilde aus Hannover. Ich hab sie sehr für ihre Geduld beim Drehen bewundert. Sie hat im Film ja Einiges zu tun! (lacht)

Und der raffinierte Bösewicht, der nicht fehlen darf?
Ist ein Holländer. Ich liebe die Holländer, aber ich kann ihre Sprache nicht ernst nehmen. Dieser Bösewicht hat überhaupt keine Autorität, das ist sehr komisch.

Charlie Chaplin hat mal gesagt: „Filmemacher sollten bedenken, dass man ihnen am Tag des Jüngsten Gerichts alle ihre Filme wieder vorspielen wird.“
(lacht) Ich liebe „Agent Ranjid“, insofern freue ich mich auf das Jüngste Gericht.

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