K-OS

Soundtrack zur Veränderung

Rapper Kevin Brereton aka K-OS über sein erstes Musikvideo, das Album "Joyful Rebellion", amerikanischen HipHop und seine Heimat Kanada

K-OS

© Dustin Rabin / EMI

Kevin, vor kurzem ist dein zweites Album erschienen, Musik machst du aber schon seit über 10 Jahren.
Brereton: Ja, ich habe mir glaube ich 1993 meinen ersten Sampler gekauft, ich habe angefangen zu samplen, Beats zu programmieren usw. Und im gleichen Jahr habe ich einen Song von mir bei so einem Komitee eingereicht. Da gibt es bei uns ein staatliches Programm für Musiker, man reicht einen Song ein und wenn der denen gefällt finanzieren sie dir ein Video. Das ist mir gelungen und mein Video lief dann auf einem kanadischen Musiksender, vergleichbar mit MTV.

Wie bitte, die Regierung bezahlt ein Musikvideo?
Brereton: Ja, unser früherer Premierminister Pierre Trudeau hat früher mal so ein Jugendprogramm eingeführt.

Und das existiert noch heute?
Brereton: Ja klar, es heißt VideoFact. Und mir hat das damals eine Menge gebracht, mein Video wurde im ganzen Land gezeigt, ich bin auf Tour gegangen…

Was hast du in dem Video gemacht?
Brereton: Ich lief auf er Straße rum und rappte. Ich meine, was machen die Leute denn sonst in den Rap-Videos? Sie laufen die Straße entlang. Das war jedenfalls mein Anfang, ich war 21 Jahre. Ich habe zwar vorher schon immer Songs und Raps geschrieben, Battles mitgemacht usw. Aber mit dem Video konnte ich den Leuten das erste Mal richtig etwas anbieten und fragen: was meint ihr dazu?

Wie hast du dich denn selbst empfunden, wenn du dich im Fernsehen gesehen oder im Radio gehört hast?
Brereton: Ich mochte das, weil ich da selbst etwas gemacht hatte. Aber mir gefiel nicht, dass das noch nicht wirklich original ich war, alles war ein bisschen aufgesetzt. Ich war aber froh, dass es nun draußen war, da wusste ich auch, ich müsste von jetzt an besser werden.

Ein Kommentar zu den heutigen, stereotypen HipHop-Videos generell?
Brereton: Die Videos sind in gewisser Weise auch eine Reaktion der Schwarzen auf ihre Geschichte: wenn du ein Schwarzer in Amerika bist und dein Name John Smith lautet, dann ist das nicht dein richtiger Name. Aber du kennst deinen afrikanischen Namen nicht, deine Wurzeln nicht – du weißt nur, dass du gerade in Amerika bist und dass du ständig mit anderen Amerikanern konkurrieren musst.

Und magst du amerikanischen HipHop?
Brereton: Nein, nicht besonders. Ich lebe in Kanada und ich glaube nicht, dass die USA diktieren sollten, was HipHop ist, so was ist lächerlich. Meine Vorstellung von Musik ist da anders. HipHop mag seinen Ursprung zwar in den USA haben, aber wenn ein BMW in München gebaut wurde, heißt das ja auch nicht, dass den nur Deutsche fahren dürfen. Nicht weil HipHop in Amerika zu erst gemacht wurde ist das jetzt ihre Musik, so war das noch nie mit Musik, sei es Klassik, Jazz oder Pop. Die Kunstform Musik ist frei für alle und ist gedacht für den kulturellen Austausch.

Mit welchen Bands hattest du denn persönlich den wichtigsten musikalischen Austausch?
Brereton: Ich würde Bands nennen wie The Clash, The Strokes, Tribe Called Quest, Bob Dylan, Rolling Stones… da wären jetzt sehr viele zu nennen.

Und welche Ländern waren für dich musikalisch wichtig?
Brereton: Die Welt. Ich höre Musik aus der ganzen Welt, die muss für mich jetzt nicht unbedingt aus Kanada oder Amerika kommen. Man muss dazu auch sagen, Kanada ist mit etwas über 100 Jahren noch ein relativ junges Land, wir haben noch keine so feste Kultur. Und deshalb gucken wir sehr viel, was auf dem Rest der Welt los ist, finden bestimmte Dinge und machen damit unsere eigene Musik.

Dein aktuelles Album ist stilistisch sehr vielseitig…
Brereton: Ja, die Leute haben heute ja auch iPods, sie hören also schon viel mehr unterschiedliche Musik als früher. Der iPod überlässt dir die Entscheidung, willst du gerade The Clash hören, oder vielleicht doch lieber Beach Boys…

…und du hast ebenso viel unterschiedliche Musik auf deinem iPod?
Brereton: Ja, klar, Boby Dylan, Eurythmics, The Smiths, Miles Davis – ich liebe Musik, egal woher sie kommt.

Wo wir gerade über den iPod sprechen: die Internet-Entwicklung der letzten Jahre hat auch zur Folge, dass sich die Leute mehr und mehr nur einzelne Songs aus dem Netz laden, und seltener ein ganzes Album.
Brereton: Ja, aber es ist doch eh schon lange so, dass nur noch Alben herauskommen, wo nur drei, vier gute Songs drauf sind. Wie viele Alben hast du denn zuletzt gehört, wo jeder Song gut ist? Wahrscheinlich nur sehr wenige. Und natürlich hören die Leute deswegen immer weniger ganze Alben. Dass die Leute angefangen haben, sich einzelne Songs aus dem Internet herunterzuladen kommt ja nur daher, dass schlechte Alben produziert wurden. Ich habe das selber gehasst, ein Album zu kaufen, und immer wieder schlechte Tracks überspringen zu müssen. Da bezahlt man schon viel Geld für ein Album und bekommt dann nur zwei, drei gute Songs – da fühlt man sich irgendwie betrogen. Insofern ist es ja nicht zu verwerfen, wenn sich die Leute nur bestimmte Tracks von einem Album runterladen. Aber manchmal gefallen ihnen von einem Künstler Songs alle Songs und dann haben sie irgendwann das ganze Album.

Der Titel deines aktuellen Albums ist "Joyful Rebellion" – um was für eine Rebellion geht es dir da?
Brereton: Also, ich bin rein musikalisch motiviert. Politiker, die reden meist nur, Musiker dagegen, die machen ihr Ding, die handeln. Früher, wenn jemand König werden wollte, musste er dafür noch etwas tun, zum Beispiel ein Schwert aus einem Stein ziehen oder so etwas. Heute geht es in der Politik nur darum, wer am meisten redet. Die Politiker werden nicht mehr für das gewählt, was sie im Leben schon alles gemacht haben… ich will mir nicht angucken, wie die Politiker debattieren, wie sie ein Problem lösen: sie sollen es einfach lösen und nicht nur darüber reden.

Welche Aspekte sind dir in deinen Texten wichtig?
Brereton: Zum Beispiel über Wahrheit zu sprechen, oder Gott, die Frage, wer oder was Gott eigentlich ist. Ich mache das aber auf die Art eines Musikers, nicht auf eine besonders religiöse Art. Ich will den Leuten nichts bestimmtes aufdrücken, keine Definition, wie Gott ist. Ich will nur sagen, dass da ein Gott existiert, aber wie man sich den vorstellt, soll jedem selbst überlassen sein.
Es geht auch darum, dass die Leute ein bisschen begreifen sollen, dass sie nicht nur ihr Ego, ihren freien Willen haben, sondern dass sie auch in Beziehung stehen zum Universum, dass sie nicht nur das Beste für sich selbst tun sollen, sondern auch für die Welt. Und dass die Menschen nicht auf einem höheren Level stehen als die Tiere und die Natur, wir sind letztendlich auch Säugetiere. Wir haben ja gerade deshalb heute so viel Probleme, weil wir uns höher als die Natur, weil wir uns gegen die Natur stellen. Unsere Architektur zum Beispiel, ist ja schön und gut, aber ist es auch das, was die Natur will? Um solche Fragen geht es in meiner Musik, allerdings auf einer eher subversiven, unterbewussten Ebene. Ich will den Leuten nicht sagen, wie sie sein sollen, aber ich will ihnen vermitteln, dass, wenn sie die Welt verändern wollen, zuerst bei sich selber anfangen müssen.

Kann ein Musiker mit einem Song die Welt verändern?
Brereton: Nein, ich dachte auch erst, ich könnte das. Aber dann habe ich gemerkt, dass sich die Welt eh verändert und dass Musik aber der Soundtrack zu dieser Veränderung werden kann. Ich mache gerne Musik, die sich jemand anhört und die die Leute motiviert weiter an ihrer Sache zu arbeiten, weiter sich und die Welt zu verändern.

Du hast dich auch sehr viel mit dem Philosophen Jiddu Krishnamurti beschäftigt.
Brereton: Ja, als ich 25 war, hatte ich eine Freundin, die drückte mir ein Buch in die Hand und sagte: "Das musst du lesen, der denkt genauso wie du." Das war ein Buch von Krishnamurti und ich habe das in zwei Tagen durchgelesen. Dieser Mann war unglaublich und mit vielen seiner Ansichten stimme ich überein. Da geht es darum, den Moment zu leben, dass man die Wahrheit in sich selbst suchen soll, dass man die Menschen nicht abhängig sondern selbstständig machen soll, also anstatt denn Menschen Fische zum essen zu geben, sollte man ihnen eher beibringen, wie sie selber fischen können. Das waren Dinge, die ich auch schon immer im Kopf hatte, Krishnamurti war da eine Bestätigung für mich.

Und was hat deine Lebensphilosophie nun mit deinem Künstlernamen "K-OS", also Chaos, zu tun?
Brereton: Also bei mir steht K-OS für "Knowledge of Self", also sich selbst kennen. Und wenn du dich nicht selbst kennst, wenn du dir selbst nicht bewusst bist, ja dann befindest du dich tatsächlich selbst im Chaos, weil du immer auf alles irgendwie reagieren willst, was um dich herum passiert. Ein Beispiel: wenn ich eine Straße entlang gehe und mich jemand anrempelt, dann würde ich normalerweise sauer sein. Aber dadurch, dass ich mich selbst kenne und weiß, wie ich reagieren würde, dass das in einem Streit ausarten würde etc – …. kann ich mich beherrschen.

Es gibt in Michael Moores Film "Bowling for Columbine" eine Passage in Kanada, in der Michael Moore feststellt, dass sich die Kanadier gegenüber ihrer Gesellschaft so viel Vertrauen haben, dass sie noch nicht mal die Haustür abschließen. Entspricht das eigentlich den Tatsachen?
Brereton: Ja, klar. Ich selbst habe neulich für drei Tage meine Haustür nicht abgeschlossen als ich verreist war. Ich bin dann wieder heimgekommen und reingegangen, ganz einfach. Kanada ist ein friedvoller Fleck auf der Landkarte. Es mag zwar hier und da auch Gewalt geben, aber mir ist bislang noch nichts passiert. Im Sommer lassen die Leute ihre Türen offen… in Kanada zu leben gefällt mir jedenfalls.
Das schöne an Kanada ist auch: du kommst in das Land und musst dich an gar nichts anpassen. Wenn du aber nach Amerika, Frankreich oder Deutschland kommst, das sind Länder, die haben schon ihre eigene, ganz bestimmte Art – Kanada ist aber so ein junges Land, da kannst du hinkommen und einfach du selbst sein.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Brereton: Es gibt ja bei Bugs Bunny manchmal so eine Hand, die auf einmal eine Figur wegraddiert… Ich wäre gern eine Figur, die Bescheid weiß über die Hand des Zeichners. Mehr nicht.

Ein Kommentar zu “Soundtrack zur Veränderung”

  1. Gambler- |

    Hammer

    K-OS rockt einfach nur. So viel AUdruck und EMotionen in einem Album. Lamm ich eigentlich jedem empfehlen!!!!

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