Jim Sheridan

Amerika ist heute nicht mehr der Schmelztiegel, der es einmal war.

Der Regisseur Jim Sheridan über seinem Film "In America"

Jim Sheridan

© 20th Century Fox

Mr. Sheridan, in Ihrem aktuellen Film erzählen Sie die Geschichte der irischen Einwanderer Johnny und Sarah in New York. Bevor Sie mit Filmen wie "Mein linker Fuß" Erfolge feierten, waren Sie selbst von Irland nach New York ausgewandert. Der Film ist mit Ihrer Biographie verknüpft?
Sheridan: Richtig, und eigentlich kommt es ja nicht so oft vor, dass Leute einen großen Erfolg landen, wie ich mit "Mein linker Fuß", Karriere machen – und dann aber wieder zurückgehen, um so eine Art von Geschichte zu drehen. Aber ich dachte, so ein Film ist gut, um zu zeigen, wie ich gelebt habe, welche Erniedrigung man durch Manhattan erlebt, mit welchen Problemen man kämpfen musste. Ich denke, es ist gut, den Leuten so etwas zu zeigen.

Sie erzählen die Geschichte aber auch ein wenig auf zauberhafte Weise – was war der Grund?
Sheridan: Ich hatte einen Bruder, der starb als ich 17 Jahre alt war. Nach seinem Tod bin ich damals ins Theater gegangen, ich verweigerte mich der Realität und im Theater wurde ich so etwas wie eine nicht-reale Person. "In America" spielt nun ein bisschen mit der realen Geschichte, die auf magisch-reale Weise erzählt wird, wo wundersame Dinge passieren … Es geht ja auch ein bisschen um Religion, was die zwischenmenschlichen Ebene betrifft.

Johnny und Sarah haben zwei kleine Töchter, die sie in New York großziehen. Die schauspielerische Leistung von Sarah und Emma Bolger ist sehr beachtlich – wie schwer ist die Arbeit mit so jungen Schauspielern?
Sheridan: Die beiden waren total unängstlich, sie haben einfach gespielt, nie geklagt, die hatten große Freude an dem Film. Und bei Schauspielern, insbesondere bei Erwachsenen ist ja sehr schwierig, so eine Freude hervorzurufen. Das hat mir für die Arbeit noch einen zusätzlichen Kick gegeben.

Sie haben auch mit Ihrer Familie gearbeitet, Ihre beiden Töchter haben am Drehbuch mitgearbeitet. Ging das ohne Probleme?
Sheridan: Nun, man muss aufpassen, dass man selbst dabei nicht die notwendige Autorität verliert, denn sonst wird es schwer. Wenn ich das Drehbuch schreibe und die Regie führe, dann hab ich eine Art Kontrolle, und die brauche ich, sonst werde ich verrückt. Für "In America" hatte ich schon ein paar Entwürfe geschrieben, die funktionierten aber alle nicht. Also habe ich meine Kinder gefragt, ihre eigene Geschichte zu schreiben, welche ich dann genommen habe und die Charaktere mehr herausgearbeitet habe. Und ich habe mit ihrer noch kindlichen Perspektive gearbeitet.
Ich denke auch, je älter man wird, desto wichtiger wird es einem, mit der eigenen Familie zu arbeiten.

Können Sie etwas über die heutige Situation der Immigranten in New York erzählen?
Sheridan: Für Immigranten ist es schwieriger geworden, vor allem seit dem 11. September, besonders die illegal in den USA lebenden Einwanderer haben es sehr schwer. Es ist heute sehr schwierig, in die USA zu gehen ohne ein Arbeitsvisum – und das zu bekommen ist wirklich nicht einfach. Amerika ist heute nicht mehr der Schmelztiegel, der es früher einmal war, und wie es heute Städte wie London oder Berlin sind. Von der Kultur der Immigranten ist weniger die Rede, als davon, wie man sie vom Land fern hält.

Einer der Hauptfiguren Ihres Films erkrankt an Aids. Sie kamen Anfang der 80er nach New York, als der HI-Virus erstmals entdeckt wurde – was haben Sie diesbezüglich erlebt?
Sheridan: Das war eine große Tragödie damals. Ich traf viele Leute, die erkrankt waren, einer sagte zu mir: "Irgend etwas stimmt mit meiner Haut nicht"- drei Monate später war er tot. Damals sind Tausende Menschen so schnell erkrankt und gestorben, die vorher kerngesund waren.

Die Charaktere in "In America" sind sehr vielseitig, die Geschichte, die Sie erzählen dagegen eher einfach – warum?
Sheridan: Ich wollte es den Zuschauern so einfach wie möglich machen. Wenn du einen Film machst über deine eigene Kultur, über Leute aus Irland und du versuchen willst, andere Leute dafür zu interessieren, dann musst du schon sehr deutlich sein. Sonst verliert das Publikum schnell das Interesse an deinem Film.

Sie haben mit Ihrer Produktionsfirma "Hell’s Kitchen" in jüngster Zeit auch den Film "Bloody Sunday" produziert – wie würden Sie Ihre politischen Motivationen beschreiben?
Sheridan: Also, als wir in "Im Namen des Vaters" drehten – das war der erste Film, den wir mit "Hell’s Kitchen" produzierten – wollte ich einen Film machen über einen nicht gewalttätigen Vater und das im Zentrum von Nordirland. Auch in "The Boxer" war natürlich die Gewalt das Thema. Und ich denke, die Filme waren erfolgreich, sie haben in der Situation ein kleines bisschen weitergeholfen. "Bloody Sunday" war auch ein sehr guter Film. Es ist ja sehr wichtig, dass die Leute in Nordirland und ihre Geschichte gehört werden. Und je mehr ihre Geschichte Gehör findet, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie versuchen, sich irgendwann mit Waffen Gehör zu verschaffen.

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