Jacques Berndorf

Im Kopf bin ich noch sehr jung.

Jacques Berndorf über die Eifel als Krimilandschaft, Wahrheiten in seinem Roman „Die Nürburg-Papiere“, besserwissende Leser und entzückte Leserinnen und einen Wetteinsatz von Kurt Beck

Jacques Berndorf

© Alexander Kuffner

Herr Preute, 2010 erschien Ihr 20. Eifel-Krimi „Die Nürburg-Papiere“, der sich um den rund 350 Millionen Euro schweren Ausbau des Nürburgrings dreht, in dessen Nähe Sie wohnen. Wie viele Wahrheiten rund um die Finanzaffäre, die dieser Ausbau nach sich zog, haben Sie in dem Roman verarbeitet?
Preute: Es steckt ziemlich viel Wahrheit darin, denn mit all den unfassbaren Details im Hintergrund wurde es mir ja fast leicht gemacht. Bei der Nürburgring GmbH gibt es schlicht keine schlechte Nachricht, die nicht stimmt. Ihr Ex-Hauptgeschäftsführer, Dr. Walter Kafitz, hat mit dem Ausbau etwas losgetreten, was von der Größenordnung her eigentlich nur noch der „stern“-Affäre rund um die gefälschten Hitler-Tagebücher nahe kommt. Der Mann hat es mit viel Zeit und Obsession geschafft, 330 bis 350 Millionen Euro auf seine Person zu konzentrieren. Dabei hat Kafitz von Finanzen und Wirtschaft keine Ahnung – das muss man nicht groß nachweisen, denn es ist ja mittlerweile offensichtlich.

Aber Kafitz steht ja nicht alleine als Schuldiger da …
Preute: Das ist richtig. Aber es ist einfach unglaublich, wie ein einzelner Mensch eine solche Summe auf sich vereinen, daraufhin wie ein Geisteskranker bereits bestehende Gebäudekomplexe einreißen und in wahnwitziger Geschwindigkeit neue bauen kann. Nur ein Beispiel: Warum musste alles in anderthalb Jahren passieren? Es gab doch offiziell keinen Zeitdruck. Bauen im Winter ist viel teurer, das weiß jeder Fachmann. Etwa 30 Millionen hätten so gespart werden können! Mir ist wirklich schleierhaft, wer das alles getragen hat. Politisch muss die gesamte Beamtenschaft vom kleinen Mann bis hoch zum Ministerpräsidenten Beck versagt haben. Um auf die Frage zurückzukommen: Vieles aus diesen Hintergründen ist natürlich in „Die Nürburg-Papiere“ eingeflossen, auch die Zahlen im Buch stimmen auf jeden Fall. Einige Wochen nach der Erscheinung kommt jetzt bald die dritte Auflage heraus und ich war bis jetzt nicht dazu gezwungen, auch nur ein Komma zu ändern.

Sie sind von Haus aus Journalist – wäre die Affäre nicht auch ein gutes Thema für eine Reportage gewesen? Warum wurde es ein Krimi?
Preute: Zum einen bin ich zu akribisch, zum anderen nicht mehr schnell genug für ein solches Thema. Das hätte ein Taschenbuch von vielleicht 150 Seiten werden müssen, aber davon abgesehen: Ich wüsste nicht, wer das drucken sollte. Sicher hätte ich zum Beispiel bei alten „SPIEGEL“-Kollegen anrufen und ihnen zwei Seiten anbieten können. Die Antwort hätte ich schon gekannt: „Spinnst du? Warum willst du dir das noch antun?“ Und man hätte Recht damit gehabt. Nochmal in den alten Job als Journalist zurück? Nein… (überlegt) Nein, das möchte ich nicht. Das ist vorbei.

Mit Wehmut oder ohne?
Preute: Schon auch mit Wehmut. Es kitzelt mich ab und zu in den Fingern und ich denke „Das möchtest du jetzt schreiben!“ Aber ich mache es dann doch nicht. Außerdem gab der Nürburgring ja auch einen fabelhaften Krimistoff ab, der noch dazu vor meiner Haustür lag.

Während die Aufarbeitung der Affäre im Untersuchungsausschuss des Landtages von Rheinland-Pfalz noch andauert, hat ausgerechnet der dortige Ministerpräsident Kurt Beck mit Ihnen zusammen den neuen Roman in der Mainzer Staatskanzlei gegenüber der Presse vorgestellt. Wie kam es dazu? Immerhin wäre Beck über die Nürburgring-Affäre fast gestolpert.
Preute: Für meinen Verlag und mich war von Anfang an klar, dass die Buchvorstellung nur im „Dorint“-Hotel am Nürburgring stattfinden kann. Dann kam jemand vom Verlag auf die Idee, Kurt Beck zu fragen, ob er Lust hätte, dahin zu kommen. Aber Beck könne nicht weg hieß es, Terminprobleme. Als wir sein Erscheinen schon abgehakt hatten, kam plötzlich ein Anruf aus der Staatskanzlei in Mainz: „Kommt ihr doch zu uns, wir machen eine Pressekonferenz!“ Wir haben lange hin und her überlegt. Sollen wir dahin? Was bezweckt er damit? Außerdem kam ich mir völlig bescheuert vor: Da machst du nichts anderes als ein Taschenbuch und der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz lädt dich für eine gemeinsame Presse-Vorstellung desselben in seine Schaltzentrale ein! Und das, obwohl Beck mein Buchmanuskript vorab gelesen hatte. Man kann ja nun nicht behaupten, dass es zu seinen Gunsten geschrieben wurde.

Beck hat bei dieser Pressekonferenz mit Ihnen gewettet – wenn in fünf Jahren die Finanzierung des Rings immer noch ein Thema sei, würden Sie 60 Flaschen besten Ahr-Rotwein von ihm erhalten. Ist ihm entgangen, dass Sie seit Jahrzehnten ein trockener Alkoholiker sind?
Preute: Im ersten Moment war ich schon ein bisschen verärgert und dachte, dass er sich wirklich was Netteres hätte einfallen lassen können. Aber dann dachte ich: „Was solls“? Die einzige, die sich wirklich über diesen Wetteinsatz gefreut hat, war meine Frau. Ich glaube im übrigen auch, dass Beck über mich Bescheid wusste. Aber 60 Flaschen Rotwein wirken für die Öffentlichkeit eben einfach leutselig!

„Die Nürburg Papiere“ hatten eine Startauflage von 80.000 Exemplaren und liegen wenige Wochen nach der Erscheinung bei 130.000 Büchern. In den Bestsellerlisten von „stern“ und „SPIEGEL“ sind Sie auf Platz eins und drei eingestiegen. Haben Sie persönlich eine Erklärung für diesen Erfolg?
Preute: Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht! Es herrscht ein Krimi-Hype in Deutschland, der völlig bescheuert ist und unendlich scheint. Schauen Sie allein ins Fernsehen: Es gibt keinen Tag ohne Krimi, auf fast jedem Sender. Ich kann das alles nicht erklären. Seit ich mit den Eifel-Krimis angefangen habe, und das ist  über 20 Jahre her, geht meine Kurve nach oben. Gut, ich konstruiere meine Fälle in einer Welt mit einigermaßen sympathischen Figuren, eventuell hat es auch damit zu tun.

Vielleicht ist es der Wiedererkennungswert, der Seriencharakter? Das fast familiäre Gefühl, Ihre Figuren und deren Lebensgeschichte so gut zu kennen wie alte Bekannte?
Preute: Möglich. Was mich angeht habe ich da beim Schreiben manchmal sogar schon Langeweile verspürt. Ich habe oft gedacht, dass ich doch nicht schon wieder einen alten Bekannten oder verschollene Familienmitglieder auftauchen lassen kann. Nicht noch eine neue Lebensgefährtin oder einen alten Freund, der überraschend nach Jahrzehnten hereinschneit. Aber dann ich habe erkannt, dass es keinen Sinn machen würde, sich darum herum zu mogeln. Wenn ich morgen noch einen heraus brächte, würde ich genauso weitermachen.

Die Gesamtauflage Ihrer zwanzig Krimis aus der Eifel-Reihe geht in die Millionen. Was bedeutet Ihnen das?
Preute: Richtig angekommen ist es bei mir immer noch nicht. Vor allem in den unsicheren Momenten des Alltags, die jeder mit sich selbst erlebt. Ich denke oft darüber nach wie wahnwitzig das alles ist, etwa wenn ich morgens vorm Spiegel stehe und mir den Bart schneide.  Sie dürfen nicht vergessen: Hier ist der Arsch der Welt! Und ausgerechnet daraus ist dieses alles entstanden. Also: Ich bin stolz auf den Erfolg, allerdings habe ich auch immer die Verpflichtung gefühlt – das klingt jetzt pathetisch, ich weiß – der Eifel etwas zurückgeben zu müssen. Sie hat mir mein heutiges Leben geschenkt, eines abseits von meinem teilweise irren Leben früher.

…in dem Sie Gerichtsreporter, Polizeireporter und Kriegsberichterstatter waren. Welche Motivation steckte damals eigentlich für Sie dahinter? Und inwieweit haben diese Erfahrungen Einfluss auf Ihre Arbeit als Krimi- und Thrillerautor?
Preute: Krimis sind eine legale Möglichkeit, mit allen möglichen Aspekten von Gewalt zu spielen. Und ich habe viele Arten der Gewalt erlebt. Diese Erfahrungen verarbeite ich heute teilweise in meinen Büchern. Es gibt Kollegen mit einem ähnlichen Hintergrund, die mir attestieren, dass ich Gewalt unglaublich gut beschreiben könne. Und meine Motivation nährte sich damals aus meiner nicht enden wollenden Neugierde darauf, die Hintergründe herauszufinden. Ich wollte wissen, warum sich Menschen immer wieder gegenseitig Gewalt antun. Wirklich herausbekommen habe ich es nie.

Für Ihren 2008er Krimi „Mond über der Eifel“ hagelte es erstmals Kritik seitens Lesern und Presse. Wie stehen Sie zu diesem Roman?
Preute: Ich habe schon gespürt, dass er nicht mein Stärkster ist. Aber wenn du zwanzig von den Dingern geschrieben hast, merkst du: Jeder zweite hat irgendwo Schwächen. Ich weiß also, dass „Mond über der Eifel“ einer der Schlechteren war, aber damit muss ich leben. Die Esoterik-Szene, in der das Buch spielt, ist sehr schwierig und am Ende lief mir auch ein bisschen die Zeit davon… Die Kritiken konnte ich damals jedenfalls meistens nachvollziehen.

Wie sehr achten Sie beim Schreiben auf Realismus wenn Sie tatsächlich existierende Orte beschreiben?
Preute: Da ist meine Recherche wie in alten Journalisten-Zeiten ganz genau. Wenn ich etwa eine Kreuzung beschreiben will, die dreißig Kilometer von mir entfernt liegt und die ich nicht so genau kenne, dann fahre ich hin und sehe sie mir an. Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass meine Romane wegen ihres stark erhöhten Realismus immer in Hinblick derer geschrieben werden müssen, die sich mit dem Buch in der Hand ins Auto setzen und die Orte abfahren.

Sind Ihre Leser denn so akribisch?
Preute: Oh ja, das glauben Sie gar nicht! Ein ganz aktuelles Beispiel: In den „Nürburg-Papieren“ wird gleich zu Anfang ein Manager mit einer Kalaschnikow erschossen. Ich habe aus der Waffe eine normale Kalaschnikow gemacht, die allerdings untypischerweise ein Magazin aus 72 Schuss besaß. Für diese Szene war ich einfach auf der Suche nach einer völlig sinnlosen Waffe, die Leute quasi in der Mitte durchzusägen vermag. Das Hintergrundwissen holte ich mir bei einem altgedienten Kriminaldirektor aus Tübingen. Und jetzt schreibt mir ein Militärhistoriker aus Krefeld, dass das alles nicht stimme. Es hätte mehrere Modelle gegeben, aber keine mit 72 Schuss. Dann gibt er mir schriftlich eine kleine Lehrstunde in Kalaschnikow-Geschichte. Ich weiß so was doch nicht! Da vertraue ich meinen Kontakten. Und wenn da mal was nicht stimmt, dann ist das Pech. Also bedanke ich mich in einem Brief artig bei dem Militärhistoriker, verkünde, dass ich diesen Fehler noch einmal recherchiert habe und er im Recht sei. So etwas in der Art kommt dauernd vor. Die Leute kommen sogar persönlich! Es klingeln mindestens zwei Leser in der Woche privat bei mir, um mir Fragen zu stellen. Hier laufen Leute aus Rostock auf!

Zitiert

Es herrscht ein Krimi-Hype in Deutschland, der völlig bescheuert ist und unendlich scheint.

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Was war denn das skurrilste Leser-Feedback bisher?
Preute: Das war so ein persönlicher Besucher. An meiner Tür klingelte es Sturm und als ich öffnete, stand da ein Mann – groß, freundliche Erscheinung, ein Bart wie Kaiser Wilhelm. Er stellte sich mit holländischem Akzent als Feuerwehrhauptmann aus Rotterdam vor und sagte: „Sie haben da in „Eifel-Gold“ einen Fehler gemacht. Hier in der Nähe. Können Sie mal eben mit mir dahin fahren?“ „Klar“, sagte ich und folgte ihm kurzerhand in sein Auto – ein furchtbares Ding, irgendein schneller, röhrender Achtzylinder. Darin rauschten wir eine Waldstrecke entlang, einige Kilometer von meinem Haus entfernt. Dabei las mir der Kerl aus meinem Roman vor, den er im Lenkrad liegen hatte. An einer bestimmten Stelle im Buch, die den uns umgebenden Wald beschreibt, ging er plötzlich in die Eisen, deutete auf die Stämme und sagte: „Bitte, wo ist hier der Buchenwald? Da stehen Tannen!“ Es stimmte – da hatte ich mich im Buch um 800 Meter verhauen. Dieser Mann und seine Frau sind mittlerweile vier mal im Jahr bei uns zu Besuch. Wir sind Freunde geworden.

Die Eifel ist zur Krimilandschaft Nummer Eins in Deutschland geworden, den Trend dazu haben Sie 1989 mit Ihrem ersten dort verwurzelten Krimi selber losgetreten. Was macht eine „Krimilandschaft“ aus, was macht die Eifel zu einer?
Preute: Eigentlich nichts, so etwas gibt es gar nicht. Man darf aber auch nicht vergessen, dass sich mittlerweile jede Eifeler Touristinformation auf Krimis beruft. Dabei waren sowohl der Regionalbezug in meinen ersten Romanen als auch deren Titel mit Eifel-Bindestrich-Irgendwas ursprünglich ironisch gemeint. Wer um Gottes Willen sollte sich schon unter „Eifel-Blues“ etwas vorstellen können? Das war völlig gewagt von mir, denn in der Eifel spielten damals nur ganz wenige Romane und erst recht kein Krimi! Letzten Endes haben meine Kollegen und ich die Eifel zur Krimilandschaft gemacht, indem wir unsere Morde in sie hineingeschrieben haben. Sie ist virtuell, diese Krimilandschaft. Ein Blase.

Diese Blase haben in den letzten Jahren auch zahlreiche Filmproduktionsfirmen für sich entdeckt. Es wird mit Vorliebe in der Eifel gedreht, zum Beispiel die ARD-Krimiserie „Mord mit Aussicht“. Warum hat es noch keiner Ihrer Krimis ins Fernsehen oder auf die Leinwand geschafft?
Preute: Ich weiß es nicht! Vielleicht gelten meine Stoffe bei den Produktionsfirmen als verbrannt, denn mit meinem alten Verlag, bei dem ich bis 2008 war, gab es viele Probleme in puncto Verfilmung. Es regnete viele gute Angebote, es wurde über Jahre verhandelt, Skripte wurden verfasst und so weiter. Aber es kam nie zu einer Einigung. Das ist damals alles versaut worden, wenn auch ohne mein Zutun. Seit dieser Zeit herrscht Ruhe. Dabei weiß ich, dass momentan sämtliche Produktionsfirmen händeringend Stoffe suchen, wir sprachen ja schon vom Krimi-Boom. Aber irgendwann wird irgendjemand meine Romane aufgreifen, weil ich nämlich in aller Bescheidenheit glaube, dass die Sachen gut zu verfilmen sind. Möglicherweise bin ich dann allerdings schon längst Staub.

Wie steht es um Ihren privaten Krimikonsum? Lesen Sie viele Ihrer Kollegen? Schauen Sie „Tatort“?
Preute: Ich lese viele Kollegen, von LeCarré über Mankell bis Rankin. Im Schnitt komme ich bestimmt auf drei Lesestunden pro Tag. Natürlich nicht nur Krimis, das wäre mir zu langweilig. „Tatort“ schaue ich ab und an, aber eher seltener. In Krimiserien wie „Mord mit Aussicht“ gucke ich auch rein. Die ist übrigens gut gemacht.

Wie arbeiten Sie? Haben Sie, wie viele andere Schriftsteller, einen geregelten alltäglichen Arbeitsablauf, oder wie gehen Sie ein Buchprojekt an?
Preute: Einen festgelegten Alltag habe ich nicht. In der Phase meiner Recherchen, die je nach Buch bis zu sechs Monate dauern können, arbeite ich etwa 12 bis 14 Stunden pro Tag. Natürlich auch mal mit Löchern und Pausen. Das ist für mich die intensivste Periode. Währenddessen formt sich die Geschichte in meinem Hirn. Das eigentliche Schreiben dauert dann sieben bis acht Wochen, nicht länger. Dann aber ununterbrochen von morgens bis abends oder nachts. Wenn ich überhaupt einen festen Arbeitsablauf habe, dann während des Schreibens, weil ich einfach nichts anderes tue in der Zeit – bis auf Schlafen, Duschen und Essen. In dieser Phase findet meine Frau mich immer zum Kotzen. Ich bin dann getrieben, gestresst, versessen, habe Scheuklappen auf und nehme kaum mehr etwas um mich herum wahr.

Inwieweit haben der PC oder andere technischen Möglichkeiten in den letzten Jahren Ihre Art zu arbeiten beeinflusst?
Preute: Kaum. Ich arbeite nur am PC, weil ich es damit den Verlagen und Lektoren einfacher mache. Wahrscheinlich würde ich ansonsten noch Schreibmaschine tippen. Auch Emails, Handys, SMS und so weiter – ist mir alles ein Graus. Wie soll ich gute Unterhaltung machen, wenn es ständig um mich herum bimmelt oder ich Nachrichten beantworten muss?

Aber Sie verweigern sich der Technik nicht komplett…
Preute: Sicher habe ich seit vielen Jahren ein Handy und nutze es auch, aber es ich schalte es auch oft aus. Und der PC ist für mich ein modernes Schreibgerät, nicht mehr. Auch mit dem Internet kann ich heute noch nicht richtig umgehen. Klar kann ich googeln und so, aber da kommt dann dermaßen viel Scheiß raus und ich habe dann weder Zeit noch Lust, die Ergebnisse alle zu filtern und auszuwerten. Da ist mir mein 40bändiger Brockhaus bei weitem lieber. Ich lese auch nichts online, weder Tageszeitung noch Magazine. Da bestehe ich auf bedrucktes Papier.

Glauben Sie denn, dass Ihre Krimis auf E-Books genauso gut herüberkommen, wie auf Papier?
Preute: Meiner Meinung nach gibt es da keinen Unterschied. Ich habe schon jede Menge Verträge für die Umsetzung meiner Romane auf E-Books unterschrieben, warum auch nicht? Es ist ja nur eine andere Form des Konsums. Die Art zu lesen wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ändern, das ist klar. Ich bin mir aber trotzdem sicher, dass gedruckte Bücher nie aus der Mode kommen werden.

Kommen wir noch zur Erzähltechnik. Was denken Sie, wie es Ihnen gelingt, die Leser zu fesseln? Haben Sie einen „Trick“?
Preute: Als kleiner Junge hatte ich ein großes Vorbild: Ernest Hemingway. Der wurde uns damals in der Schule als modern verkauft. Er schrieb kurz, prägnant, ungeheuer simpel – und war wahrscheinlich deswegen auch so gut. Mir war klar: Das möchte ich auch mal können! Für mich als junger Mensch war wichtig, zu wissen, dass es da einen gibt, der es genauso macht wie ich es immer machen wollte. Irgendwann habe ich Hemingway geistig verlassen und mich Thomas Mann und den großen Engländern zugewandt. Aber Hemingways Machart, diese einfachen Worte, das leicht melancholische… diesen Stil habe ich eigentlich nie verlassen. Er hat sich nur mit tödlicher Sicherheit im Laufe der Zeit verfeinert. Ich möchte Personen und Begebenheiten die ich beschreibe so rüber bringen, als seien sie Geschichten aus deiner Welt. Typische Geschichten. Eigentlich gar nicht besonders. Der Alltag im Leben des Normalen. Ich habe schon immer so geschrieben, auch vor den „Eifel-“ Krimis. Vielleicht fessle ich meine Leser auch dadurch, dass ich den Leuten aufs Maul schaue und so schreibe, wie wir alle im Alltag reden. Aber genau weiß ich auch nicht, was es ist – irgendetwas muss meine Schreibe ja haben. Was ich allerdings weiß ist, dass Frauen diesen Baumeister lieben …

… Baumeister, den Protagonisten aller Eifel-Krimis, bezeichnen Sie immer gerne als Ihr alter Ego. Sind Sie denn beide Frauenversteher?
Preute: Ich würde sagen ich bemühe mich, mich Frauen verständlich zu machen. Immerhin sind zwei Drittel meiner Leserschaft weiblich. Es gibt da ein schönes Beispiel, das mir im Gedächtnis geblieben ist. Folgende Szene: Eine junge Frau kommt zu Baumeister und sagt „Ich heirate nächste Woche.“ Darauf sagt Baumeister: „Gut. Werdet ihr Kinder haben?“ und sie antwortet „Ja, natürlich.“ Und während er sich schon wieder von ihr abwendet sagt er nur „Schalom“. Nachdem ich diese Passage in einer Lesung vortrage, seufzt eine weit über 80jährige, sehr aufgebrezelte Dame: „Das finde ich so unheimlich toll! Einfach nur Schalom…“  Und so etwas kommt öfters vor. Diese winzigen Details scheinen Frauen dazu zu bewegen, in Scharen zum Buchhändler zu laufen wenn ein neuer Krimi von mir erscheint. Meiner Meinung nach wollen Frauen auch in Romanen ihre Seele bestätigt sehen. Wir sind ja auch heute noch nicht richtig in das Zeitalter der Frauen eingetreten, das wird erst noch kommen. Davon abgesehen denke ich wirklich, dass Frauen die besseren Männer sind. Sie haben es einfach besser drauf.

Baumeister scheint in den letzten zwanzig Jahren kaum gealtert zu sein, im aktuellen Roman steht er noch vor der 50, während Sie im Herbst 74 werden. Wie viel Baumeister steckt heute immer noch in Ihnen?
Preute: Eine ganze Menge. In mir gibt es einen Anteil, der nicht alt wird. Im Grunde genommen bin ich im Kopf noch sehr jung. Ich würde mich auch heute immer noch auf völlig neue Lebensumstände einrichten können. In meinem Kopf herrscht eine Mischung aus jungem Denken und Altersweisheit.  Manchmal sind jüngere Menschen aus meinem Umfeld überrascht, wie verrückt dieser alte Mann heute noch ist und was für bekloppte Ideen er haben kann.

In „Die Nürburg-Papiere“ sagt Baumeister zu einem alten Freund, dass er freiwillig in der Eifel gelandet sei und dort beerdigt werden möchte. Das dürfte auch auf Sie zutreffen, nur: Würden Sie immer noch in der Eifel leben, wenn Sie nicht seit Anfang der 1990er Jahre so einen Erfolg mit ihr gehabt hätten?
Preute: Keine Ahnung! Es ist so gelaufen wie es gelaufen ist. Vielleicht würde ich jetzt gemeinsam mit meiner sechsten Frau bei meinem Freund Günther in Portugal leben. Vielleicht gäbe es heute dann Lissabon-Krimis, weiß der Geier. Ich bin damals nicht mit der Intention in die Eifel gekommen, Krimis zu schreiben. Und erst recht nicht, um bis an mein Lebensende hier zu bleiben. Aber nach zehn Jahren Eifel war mir langsam klar, dass es wohl einmal so kommen wird.

Vor vier Jahren hatten Sie größere gesundheitliche Probleme, mit dem Herzen, kürzlich eine Augenoperation. Wie geht es Ihnen heute?
Preute: Das mit den Augen war nichts Besonderes, ich habe zwei neue Linsen bekommen und dann war gut. Das kommt eben mit dem Alter. Der eine bekommt neue Linsen, der andere neue Hüften … Ich drücke mich um so etwas herum wie jeder andere, aber ich nehme es wie es kommt. Meine Herzsache befindet sich unter ständiger Kontrolle, mein Koronar-Spezialist ist sicher gut. Trotzdem: Den Arzt, der mir meine Pfeife oder ab und an auch eine Zigarette verbietet, halte ich für einen Trottel. Das sag ich denen auch. Ich muss in meinem Alter nicht mehr neu lernen, wie ich zu arbeiten und zu leben habe. Aber ich achte auch auf mich. Ich habe einen Heimtrainer den ich benutze, ich gehe spazieren. Ich bemühe mich, auf die Ernährung zu achten. Aber ich würde nie asketisch leben, um sämtliche Risiken zu minimieren. Natürlich möchte ich noch gerne viele Jahre leben und arbeiten, aber wenn mir diese Chance nicht gegeben wird, bin ich auch nicht sauer. Sterben ist zutiefst menschlich. Ich habe wirklich keine Angst davor. Deshalb werde ich auch nie ein Senior werden, der sich ständig beobachtet und eine halbe Stunde lang über einen quer sitzenden Furz reden kann. So ernst kann ich mich gar nicht nehmen, dann würde ich mein Grinsen verlieren.

Gibt es trotzdem Überlegungen, die Tastatur einfach an den Nagel zu hängen und in Ruhe Ihr Haus in der Eifel zu genießen?
Preute: Ich bemühe mich von Zeit zu Zeit faul zu sein und in den Tag zu träumen, aber das geht nie lange gut. Nach 14 Tagen fange ich spätestens wieder an, Pläne zu schmieden oder zu recherchieren. Außerdem sind da immer Verpflichtungen wie Lesungen und so weiter. Das gehört zum Job und  ich akzeptiere es, da bin ich Preuße. Was soll ich mit dem Ruhestand? Ich kann mir vielleicht vorstellen, die Arbeit in Zukunft ganz langsam ein wenig einzuschränken. Aber ich bin immer noch der Meinung, dass ich härter arbeite als so mancher 50jähriger. Davon abgesehen: Schreiben ist ganz klar eine Art Sucht für mich.

Zum Schluss: Wenn Sie eine Autobiografie schreiben würden, wäre die spannend?
Preute: Das würde ich niemals tun, aber … (überlegt lange) spannend wäre die sicherlich. Und trotzdem: Es ist einfach nicht mein Ding. Ich bin nicht wichtig genug für so was.

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