Emmanuel Peterfalvi

Ich habe noch nie jemanden bloßgestellt.

Kabarettist Emmanuel Peterfalvi über die Figur Alfons, seinen Weg zur Comedy, strenge Regeln in deutschen Schrebergärten und warum grade ältere Menschen so authentisch vor der Kamera sind

Emmanuel Peterfalvi

© SR/Pasquale D'Angiolillo

Herr Peterfalvi, bereits als Kind haben Sie mit dem Kassettenrekorder erwachsene Menschen befragt. Welche Fragen haben Sie da gestellt?
Peterfalvi: Als ich vier Jahre alt war, hat mir der Weihnachtsmann einen Kassettenrekorder und ein Mikrofon geschenkt und eine Stunde später hatte ich schon meinen ersten Radiobeitrag gemacht (lacht). In der Schule in Frankreich mussten wir immer ganz viele Vorträge halten. Als ich einmal etwas über die Pariser Metro erzählen sollte, habe ich bei einem Metro-Fahrer an die Scheibe geklopft und durfte ihn dann eine ganze Strecke hindurch befragen – und sogar selber ein Stück fahren. Das war der Hit! (lacht) Das Mikro war schon damals ein Türöffner für mich.

Sie haben also schon früh journalistisches Interesse gezeigt. Heute sind Sie mit ihrer Figur „Alfons“ eher im Comedy-Bereich unterwegs. Warum haben Sie den Weg als ernsthafter Journalist nicht weiter verfolgt?
Peterfalvi: Ich habe ja versucht als Journalist zu arbeiten, doch alle haben über meine Beiträge gelacht, die gar nicht lustig gemeint waren. Da habe ich mir gedacht: Wenn schon alle lachen, dann will ich ihnen auch was Lustiges bieten. Ich bin also eher über die Ernsthaftigkeit zur Comedy gekommen.

Sie haben nach der Schule eine Ausbildung als Ingenieur für Kommunikationstechnologie absolviert. Wie erging es Ihnen damit?
Peterfalvi: Ich habe mich während dieser Zeit überhaupt nicht wohl gefühlt. Ich hatte als Kind ja schon ein Piratenradio gegründet und wollte auch Fernsehen machen, aber wohin das ganze führen sollte, war mir noch nicht klar. Meine Mutter meinte, dass die Medienarbeit nur gehen würde, wenn ich auch eine richtige Berufsausbildung mache. In diesem Fall eben als Ingenieur für Kommunikationstechnologie. Ich habe es bis zum Abschluss geschafft, allerdings ohne jede Motivation. Den Beruf habe ich nie ausgeübt – im Nachhinein ist das, glaube ich, auch besser so. Ich wäre ein ziemlich schlechter Ingenieur gewesen (lacht).

In Deutschland sind Sie bekannt geworden durch die Figur des Reporters Alfons, der mit gelfeuchten Haaren und Trainingsjacke bekleidet, Umfragen auf der Straße durchführt, stets mit starkem französischem Akzent. Wie ist diese Figur entstanden?
Peterfalvi: Zunächst einmal im Rahmen der Satire-Sendung „Extra-3“ beim NDR. Ich hatte vorher schon Comedy unter meinem richtigen Namen gemacht und hatte das Bedürfnis eine Pause zu machen. Ich suchte Inspiration und sprach mit vielen Leuten. Im Kostümfundus des NDR fand ich dann diese Trainingsjacke, probierte sie an und wusste: Alfons ist geboren! (lacht) Einen Tag später ging ich dann mit einem Kamerateam auf die Straße und machte erste Umfragen. Dann hat sich der Tonmann beschwert, dass er den Ton nicht einfangen kann, wenn ich mich ständig so schnell bewege und ich habe ihm vorgeschlagen, dass ich den Puschel doch auch selber halten kann. Außerdem hat es stark geregnet an diesem Tag, so dass meine Haare und die Zettel nass wurden. Als ich dann die Bilder im Schneideraum angesehen habe, wurde mir klar, dass alle Zutaten für Alfons da waren: Trainingsjacke, nasse Haare und schlechte Zettel (lacht).

Wie müsste man sich das Leben der Figur Alfons fernab der Kamera vorstellen?
Peterfalvi: Diese Frage habe ich mir oft gestellt. Ich dachte erst, ich müsste diese Figur methodisch weiter entwickeln und mich fragen, wie sie so lebt, ich habe das aber irgendwann aufgegeben, weil es mir etwas künstlich erschien. Ich entdecke Alfons eher über die Reportagen, die ich für „Puschel TV“ mache, wenn ich zum Beispiel in der ersten Folge einen deutschen Kleingartenverein in Lüneburg mit der Kamera besuche. Ich weiß vorher nie was passiert und lasse mich einfach von Alfons leiten. So lerne ich Alfons selber immer besser kennen.

Wie haben Sie denn als gebürtiger Franzose die deutsche Schrebergarten-Atmosphäre empfunden?
Peterfalvi: Ich fand das superinteressant! Schrebergarten war mir immer schon ein Begriff und viele Leute haben mir gesagt, dass ich mir das unbedingt mal ansehen soll. Ich war vor allem fasziniert von den Vorschriften. Ich wusste vorher nicht, dass man ein Drittel Rasen, ein Drittel Gemüse und ein Drittel Blumen in seinem Garten haben muss (lacht). Eigentlich herrschte in diesem Verein eine nette Atmosphäre und auch die Begegnung mit dem Schwarzafrikaner Jesse hat mir sehr gut gefallen. Ich finde es immer wieder toll, wie sich die Leute öffnen, wenn ich mit meinem Puschel ankomme. Sie sind einfach authentisch und das finde ich toll.

An der Wand in Jesses Parzelle hängt ein Bild von einem preußischen König und ein Parzellennachbar erzählt, dass Jessie gerne auch mal „Neger“ genannt wird, aber ansonsten würde jede Nation respektiert werden. Was geht in einem vor, wenn man so was während der Dreharbeiten hört?
Peterfalvi: Ich bin ja als Reporter Alfons da, der sich mit seinen naiven Augen diesen Kleingartenverein anguckt, nicht als Privatperson. Da schalte ich während der Dreharbeiten jede persönliche Beurteilung aus. Und so kann sich der Zuschauer letztendlich ein eigenes Bild machen. Ob ich diesen Begriff jetzt persönlich ablehne, was ich natürlich tue, spielt als Alfons vor der Kamera keine Rolle.

Sie haben mal gesagt, ihr Ziel sei es, aus Leuten aus der Nachbarschaft Helden zu machen.
Peterfalvi: Ja, die Leute müssen authentisch sein. Auch wenn ich ihre Aussagen und Ansichten nicht unbedingt teile, finde ich Authentizität erstmal super. Diese Fähigkeit der Leute bewundere ich. Darum gibt es auch keine Promis bei „Puschel TV“, die perfekt geschminkt ihre neue CD oder ihren Film vorstellen. Das sind keine Helden. Helden sind Menschen, die sich so geben und zeigen wie sie sind. Und die sieht man bei „Puschel TV“

In Ihren früheren Umfragen für „Extra 3“ haben Sie, ähnlich wie Stefan Raab und Wigald Boning in Ihren Anfängen, vornehmlich ältere Menschen in der Fußgängerzone befragt.
Peterfalvi: Das hat auch mit Authentizität zu tun. Ich habe bemerkt, dass junge Leute häufiger den Bedarf haben vor der Kamera eine Rolle zu spielen. Die passen auf, wollen intelligent rüber kommen. Da wird es schnell langweilig. Mit älteren Leuten komme ich deshalb besser in Kontakt, weil ich das Gefühl habe, dass ihnen die Kamera im Grunde egal ist. Die haben so viel erlebt und haben nichts zu verlieren. Die wollten mir was erzählen oder vielleicht auch einfach nur mal so richtig schimpfen. Manchmal musste ich sie sogar richtig bremsen, wenn der Kameramann zum Beispiel einen Akku wechseln musste und die Kamera nicht lief.

Zitiert

Ich bin über die Ernsthaftigkeit zur Comedy gekommen.

Emmanuel Peterfalvi

Ältere Menschen sind oft unerfahren im Umgang mit neuen Medien und stellen somit eine leichte Beute dar. Inwiefern müsste man da die älteren Menschen auch vor sich selber schützen, damit sie sich nicht vor der Kamera bloßstellen lassen?
Peterfalvi: Ich habe noch nie jemanden bloßgestellt. Das ist weder mein Ziel noch mein Wunsch. Ich führe niemanden vor. Ich habe vielleicht Meinungen vorgeführt, aber keine Menschen. Ich hatte auch noch nie Ärger mit Leuten, die in meiner Sendung zu sehen waren und sich im Nachhinein darüber beschwert haben. Ganz im Gegenteil: Wenn ich heute auf den Wochenmarkt gehe, kommen viele Leute auf mich zu und fragen: „Alfons, kann ich dir helfen? Was ist dein Thema heute?“ Das freut mich natürlich.

Nicht selten erhitzten Sie durch ihr Auftreten als Alfons die Gemüter der Befragten. Als Sie vor einigen Jahren den Castor-Protest in Gorleben besuchten, wurden Sie von einigen Demonstranten und anderen Journalisten wüst beschimpft, nachdem sie gefragt hatten: „Welche Steine eignen sich besonders gut zum Werfen?“.
Peterfalvi: Diese Szene werde ich nie vergessen. Heute passiert mir das wegen meiner Popularität seltener, aber es sind immer tolle Momente. Ich fühle mich da natürlich nicht persönlich angemacht, denn das findet ja alles in der Rolle statt. Heute würde sich wohl kein Journalistenkollege mehr wundern, dass der NDR Leute wie Alfons auf die Straße schickt und das Ganze ernst nehmen (lacht). Aber ansonsten hat sich Alfons durch die Popularität kaum verändert. Die Leute stellen sich seinen Fragen wie früher und geben auch dieselben lustigen Antworten.

Wie läuft so eine Umfrage eigentlich ab? Nach welchen Kriterien suchen Sie die Leute aus?
Peterfalvi: Für drei Minuten Film drehen wir etwa zehn Stunden. Daran sehen Sie schon, dass meine Kriterien nicht besonders effizient sind, denn sonst müssten wir ja nur drei Minuten für eine dreiminütige Umfrage drehen (lacht). Der Rest ist einfach Ausdauer und Intuition, wer etwas Zeit mitbringt, um eine Umfrage mitzumachen. Wenn die Leute schnell und gehetzt gehen, weiß ich schon, dass sie sowieso nicht mitmachen. Darum gehe ich ja auch so gerne auf den Wochenmarkt. Denn die Leute, die dort zum Einkaufen hingehen, bringen meistens auch viel Zeit und Lust mit, sich zu unterhalten. Ansonsten gibt es eigentlich keine Kriterien.

Wie schafft man es den Leuten nach zehn Stunden noch mit derselben Energie wie am Anfang des Drehtages zu begegnen?
Peterfalvi: Kein Mensch kann zehn Stunden lang ein Energielevel halten, aber für die Rolle des Alfons ist das gar nicht so schlimm, wenn ich mal müde bin. Da entstehen oft besonders lustige Momente.

Was würden Sie eigentlich Nicolas Sarkozy fragen, wenn Sie ihn auf der Straße treffen würden?
Peterfalvi: Er ist ja sehr klein, und ich finde es lustig, dass er so ein großes Problem damit hat, so dass er es immer verstecken muss. Neulich habe ich gesehen, dass er auf einem Gruppenfoto mit anderen Staatschefs auf Zehenspitzen stand. Das fand ich sehr lustig und darauf würde ich ihn ansprechen.

Ab September 2009 gehen Sie nun mit Ihrem Bühnenprogramm „ALFONS – Mein Deutschland“ wieder auf große Deutschland-Tournee. Was erwartet die Zuschauer?
Peterfalvi: Dieses Bühnenprogramm ist deshalb entstanden, weil mich die Leute immer gefragt haben, ob es mal eine DVD von Alfons geben wird. Ich wollte das aber nie, sondern wollte viel lieber die Reaktionen der Leute auf die Beiträge live miterleben. Außerdem macht es ja auch viel mehr Spaß mit vielen Menschen zusammen zu lachen, als alleine vor dem Fernseher. Im Grunde erwartet die Zuschauer bei meinen Live-Auftritten eine Bühne, eine Leinwand und Alfons mit einem Mikrofon. Aber vor einer Sache brauchen die Leute im Publikum keine Angst haben: Sie werden nicht interviewt werden.

Mit „Puschel TV“ bekommen Sie nun ihre erste eigene Sendung mit Studiopublikum. Das Problem ist nur: Die Sendung läuft montags um 0.35 Uhr. Wie sehr ärgert Sie das?
Peterfalvi: Das Ganze ist ein Projekt. Wir wollten einfach mal gucken was passiert, wenn die Deutschen so wenig schlafen und dann trotzdem morgens zur Arbeit gehen (lacht). Außerdem hat mir Sarkozy gesagt: „Finde mal irgendeine Lösung, damit die Deutschen wenigstens an einem Tag weniger als die Franzosen arbeiten!“ (lacht). Deshalb haben wir diesen Sendetermin ausgesucht.

Aber, Hand aufs Herz, es ärgert Sie schon, oder?
Petefalvi: Ein bisschen früher wäre schon schön, aber was soll ich machen? Das liegt ja nicht in meiner Macht. Mir haben auch viele Leute gesagt, dass sie die Sendung sehr gut finden. Man wird sehen wie sich das entwickelt. Im Moment kann ich das nicht ändern.

Die sechs Folgen von „Puschel TV“ bereits im SR – und auf „Youtube“ kann man sich einige Beiträge ansehen. Inwiefern ist das schädlich in Hinblick auf die Quoten der ARD-Ausstrahlung?
Peterfalvi: Ach, damit habe ich kein Problem. Die jungen Leute gucken heute alles übers Internet. Wenn sie sich gegenseitig die Beiträge der Sendung empfehlen, ist das doch super. Im Internet kann ich so kostenlos Werbung für meine Sendung machen. Das Internet ist da eher eine große Hilfe, um die Sendung populärer zu machen. Ich freue mich auf jeden Fall über jeden Besucher auf meinem „Youtube“-Portal.

Könnten Sie sich eigentlich vorstellen das „Puschel TV“ auch im Privatfernsehen läuft?
Peterfalvi: Ich glaube diese Sendung ist schon sehr öffentlich-rechtlich, weil es auch mein Ziel war, die Leute etwas zum Nachdenken anzuregen und ihr Land einmal aus einem neuen Blickwinkel heraus zu betrachten. Mir haben viele Leute gesagt: „Warum lebst du eigentlich in Deutschland? Hier ist doch alles doof, humorlos und langweilig.“ Mit meinen Beiträgen möchte ich diesen Leuten zeigen, dass in Deutschland nicht alles doof ist, sondern dass es in diesem Land vieles zu entdecken gibt und man viel Spaß haben kann. Als wir die Sendung aufgezeichnet haben, kamen Menschen zu mir und sagten: „Man merkt, als du da gereist bist, dass du glücklich bist. Und wenn wir die Sendung angucken, macht es uns auch glücklich.“ Das war ein absolut tolles Kompliment, und ich denke wenn einen etwas glücklich macht, kann man dafür auch bis ein Uhr aufbleiben (lacht).

Der französische Kabarettist Emmanuel Peterfalvi (geboren 1967 in Paris) ist den meisten vor allem als liebenswerter Kultreporter Alfons bekannt. In der Rolle tritt er, immer im gleichen Outfit (gelfeuchte Haare, orangefarbene Trainingsjacke und mehr

Ein Kommentar zu “Ich habe noch nie jemanden bloßgestellt.”

  1. Kripper, Horst |

    Ich bin Jahrgang 1940 und der Kommenzar ihrer jüdischen Oma hat mich beeindruckt zum Verhaten ggenüber uns Deutschen.
    Aber ich freue mich immer wenn ich mir die Sendung „Alfons und Gäste“-
    Weiter so und bleiben Sie erhalten.
    Danke

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