Bastian Pastewka

Ich lebe gerne still.

Bastian Pastewka über Spießigkeit, Pop-Kultur, den Film "Lulu & Jimi", die 80er Jahre und ein Talent, das er gerne hätte

Bastian Pastewka

© Joseph Wolfsberg/X-Verleih

Herr Pastewka, welchen Film von Oskar Roehler kannten Sie, bevor Sie das Rollenangebot für „Lulu & Jimi“ bekamen?
Pastewka: „Agnes und seine Brüder“ und „Elementarteilchen“.

Und wie war Ihr Eindruck?
Pastewka: Ausgezeichnet. 2006 sprach Oskar Roehler mich auf einer Filmpremiere an und sagte: „Es gefällt mir, was du machst, ich habe eine Rolle für dich.“ Den Satz höre ich oft auf vergleichbaren Anlässen, aber im Gegensatz zu sonst bekam ich quasi postwendend ein Drehbuch geschickt, nämlich „Lulu und Jimi“. Meine Zusage kam übrigens genauso schnell.

Was hat Ihnen an seinen Filmen gefallen?
Pastewka: Seine Genauigkeit, sein Blick und dass eine klare Haltung dahinter ist. Seine Filme hat er nicht aufs Geratewohl gemacht, sondern um zu verblüffen und das Abwegige, manchmal Abseitige zu zeigen. Das hat mir imponiert. Bei „Elementarteilchen“ war es der Handlungsstrang zwischen Martina Gedeck und Moritz Bleibtreu, der mir besonders gut gefallen hat. Der Soundtrack von Martin Todsharow ist eines meiner Lieblings-Alben. Er hat übrigens auch die Musik zu „Lulu und Jimi“ gemacht.

Würden Sie denn sagen, dass es nicht viele Regisseure gibt, mit einer „Haltung dahinter“?
Pastewka: Ich habe nicht mit so vielen gearbeitet, dass ich diese Frage erschöpfend beantworten könnte. Aber ich habe schon Regisseure kennen gelernt, die meiner Ansicht nach zuviel dem Zufall überließen – oder gar glaubten, die Schauspieler würden es schon rausreißen. Das ist sehr bedauerlich und hilft dem großen Ganzen in keiner Weise. Ich erwarte nicht, dass ‚mein’ jeweiliger Regisseur schon vor Drehbeginn sein Werk bis ins letzte Detail bewerten kann. Aber zu glauben, „ das wird schon“, oder „im Schnitt mach ich das Beste drauss“ kann böse nach hinten losgehen. Wohlgemerkt: Oskar Roehler gehört nicht in diese Kategorie.  

Sind Sie heute sehr wählerisch, was neue Filmprojekte anbelangt?
Pastewka: Ich habe nicht die Chance sehr wählerisch zu sein, da ich wenig Filmangebote bekomme. Deshalb muss ich meine Filmkarriere selber anschieben: Bei den „Wixxer“-Filmen habe ich beispielsweise an den Drehbüchern mitgeschrieben. Zwischendurch gibt es jedoch Glückstreffer wie Ralf Hüttners „Reine Formsache“, wo ich mich austoben konnte. Und auch die Gastrolle in Marcus H. Rosenmüllers Film „Schwere Jungs“ kam mir sehr entgegen. Der übrigens spielt wie „Lulu und Jimi“ ebenfalls in den 50ern, seltsam…

Sie selbst sind in den 80ern groß geworden, ohne all den Rock’n’Roll, wie wir ihn in „Lulu & Jimi“ erleben. Waren die 80er langweiliger?
Pastewka: Die 80er Jahre waren mit Sicherheit nicht langweilig, aber im Vergleich zu den wilden 70ern lief alles wieder ein bisschen gemäßigter. Shakin’ Stevens zum Beispiel hat in den 80ern wieder die 50er Jahre-Musik zitiert. Unter den Levi’s-Werbungen von 1987 lief Sam Cooke mit „Wonderful World“ oder Marvin Gaye mit „I Heard It Through The Grapevine“ – das waren Songs, die ich sofort mochte, aber eben vorher noch nicht kannte. Man guckte in den 80ern meiner Erinnerung nach zum aller ersten Mal überhaupt zurück, die ersten Remakes entstanden.

Aber war die Popkultur der 80er nicht sehr brav?
Pastewka: Ja, so etwas wie ‚New Wave’ hatte sicher etwas Versöhnliches, auch das Dandytum der "Talking Heads", Bryan Ferry oder ‚William Pitt’. Aber natürlich wurden in den 80ern auch sehr wilde Partys gefeiert. Seltsamerweise hat man mich dazu nie eingeladen.
Viele meiner Freunde standen auf die Musik der ‚68er’, nachdem sie im Plattenschrank ihrer Eltern gekramt haben und spielten nach, was diese ihnen vorlebten.

Sie auch?
Pastewka: Nein, ich fand die Musik der 68er fürchterlich uninteressant und anstrengend. Aber ich denke mir, wenn ich damals bereits gelebt hätte, würde ich vielleicht heute auch noch „The Doors“ hören. So ist meine Zeit eben die der „Pet Shop Boys“, von „OMD“ und meiner Lieblingsband „The Art of Noise“. Und meiner Zweit-Lieblingsband „Talk Talk“ – tja, man kann eben nicht alles haben…

Zitiert

Ich habe schon Regisseure kennen gelernt, die meiner Ansicht nach zuviel dem Zufall überließen - oder gar glaubten, die Schauspieler würden es schon rausreißen.

Bastian Pastewka

Und Rebellion in den 80ern?
Pastewka: Gab es natürlich. Zu Beginn der 80er Jahre begann die große Friedensbewegung! In meiner Heimatstadt Bonn versammelte sich ganz Deutschland auf der Hofgartenwiese und protestierte gegen das atomare Wettrüsten. Willy Brandt sprach dort, Heinrich Böll – da waren die Leute noch auf der Straße. Anfang der 90er rannte ich selber mit Plakaten durch die Stadt, um Bush Seniors Golfkrieg zu stoppen. Das ist lange her. Die Deutschen haben sich meiner Erinnerung nach letztmals zu übergroßen Friedensketten zusammengeschlossen, als nach der Wiedervereinigung in Mölln und Hoyerswerda Ausländerheime angezündet wurden.

Sie spielen in „Lulu & Jimi“ den spießigen Industriellen-Sohn Ernst. Welches Verhältnis haben Sie zum Spießertum?
Pastewka: Tja, wenn mir doch endlich jemand erklären könnte, was Spießigkeit eigentlich ist. Jeder von uns hat doch Rituale, die er jeden Tag macht. Jeder hat irgendwas, was er braucht, und sei es die Tasse Kaffee am Morgen, der Sonntagsspaziergang oder ein Mettbrötchen zur guten Nacht. Solange mich niemand mit Regeln und Verbohrtheit nervt, dürfen gerne alle, die sich bemüßigt fühlen, weiter rumspießern.

Gibt es einen Lebensbereich, wo Sie enorm spießig sind?
Pastewka: Ich mag Pünktlichkeit und bestehe auf Ruhepausen. Und mich macht laute Musik absolut wahnsinnig. Ich lebe gerne still und mag es nicht, bei irgendetwas gestört zu werden. Aber dass ich übermäßig viele Macken hätte, die irgendwann ins Manische übergehen, kann ich guten Gewissens verneinen.

Macht Geld spießig?
Pastewka: Nein. Geld verleiht eine gewisse Unabhängigkeit, aber wie man diese nutzt, ist ja jedem selbst überlassen. Ich gehe gerne sehr gut Essen, am liebsten mit Freunden. Das finden andere vielleicht spießig – ich finde es lecker. Es ist ruhig, es ist nett – und ich mag Essen überhaupt sehr gern. Sieht man mir momentan übrigens auch an.

Waren Sie immer schon Künstler, oder hätten Ihre Eltern Sie lieber auf einen geradlinigen Berufsweg geschickt?
Pastewka: Also, es gab in meiner Familie niemanden, der – wie man es oft bei Künstler-Biografien hört – sich gegen das gestellt hätte, was ich damals versucht habe. Im Gegenteil: Meine Eltern haben mich in dem, was ich gemacht habe, immer unterstützt. Nur habe ich diese Unterstützung im Grunde nicht in Anspruch genommen; es war mir immer ein wenig peinlich, meine Eltern in die Planungen meiner ersten Theaterstücke und Comedy-Bühnenshows einzuweihen.
Auf der anderen Seite: Dass ich mich überbordend ins Künstlerleben geworfen hätte und mit Alkohol und bewusstseinserweiternden Drogen irgendwelche Bestimmungen gesucht hätte – das war eben auch nicht so. Ich bin einfach mit guten Kollegen wie Bernhard Hoëcker aufgetreten, habe mehrere Comedy-Programme entwickelt und diese dann in ländlichen Mehrzweck-Hallen vor bis zu 12 Leuten gespielt – von denen sich drei in der Veranstaltung geirrt hatten.

Sicher etwas deprimierend.
Pastewka: Und wie. Meine Gruppe hieß „Comedy Crocodiles“, wir haben uns 1990 gegründet – und uns wollte zunächst überhaupt niemand sehen. Obwohl wir glaubten, unser Programm sei so überbordend lustig, toll und intelligent. Aber wir waren natürlich völlig unbekannt und auch nicht besonders gut; man probiert sich am Anfang eben erst mal aus. Wir haben 6 Jahre durchgehalten. Ich wusste irgendwann, was ich kann und was ich nicht kann. Im Übrigen: Mir hilft auch heute noch die Erinnerung an diese Anfangsjahre bei meiner Rollenauswahl. Eben weil ich Grenzen setzen und mir ohne Groll sagen kann: ‚Manches lässt du eben sein!’ Auch wenn noch so viele Menschen meinen: „Mensch, mach das, das wird unglaublich gut!“ Wenn ich ahne, dass ich trotz oder auch wegen aller Erwartungen nichts ausrichten kann, dann sage ich umgehend ab.

Welche Talente würden Sie denn gerne besitzen?
Pastewka: Ich wäre gerne ein guter Musiker. Ich habe mal Klavier gespielt, dies aber vernachlässigt, als die Pubertät begann. Noch heute wünsche ich mir im Nachhinein, es hätte mich jemand gezwungen, weiterzumachen.

Zum Schluss: Werden Sie manchmal noch als „Brisko Schneider“ angeredet?
Pastewka: Ja, selbstverständlich. Ich bitte doch darum. Hoffentlich niemand anders, wenn dann nur ich. Manche rufen gerne auch mal „Ottmar“ oder „Wolle Rose kaufen?“ oder „Mensch, Sie sind doch der Wixxer!“

Hat man Ihnen denn damals viele Filmrollen angeboten, die dem Brisko ähnlich waren?
Pastewka: Nach meinem Ausstieg aus der „Wochenshow“ hat mir eine Fernseh-Produktionsfirma ein Format für eine ähnliche Figur unterbreiten wollen, weil man glaubte, diese Sendung könne ich ganz besonders gut machen. Ich habe abgelehnt, da ich mich nicht wiederholen wollte. Und weil ich wusste: Brisko Schneider ist gewissermaßen mein Nummer 1-Hit unter den „Wochenshow“- Figuren gewesen; warum sollte ich also etwas Vergleichbares noch mal machen? Ein ‚Brisko Schneider light’ hätte niemandem gefallen.

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