Anna Gourari

Man sollte sich auch gestatten, nicht immer perfekt zu sein.

Pianistin Anna Gourari über Konzentration am Flügel, Interpretation russischer Werke, den Komponisten Alexander Skrjabin, über David Helfgott und warum sie nicht in ihre russische Heimat reisen kann

Anna Gourari

© Decca / Universal Music

Frau Gourari, woran denken Sie, wenn Sie in einem Konzert am Flügel sitzen und spielen?
Gourari: Das ist ganz von der Musik abhängig, das sind Gedanken und Gefühle der unterschiedlichsten Art. Ich könnte nicht sagen, dass ich an einer bestimmten Stelle an etwas bestimmtes denke. Das ist immer ein Kommen und Gehen.

Aber das man mal etwas völlig anderes im Kopf hat als das Werk, das man gerade spielt, kommt das vor?
Gourari: Nein, eigentlich sollte man auch versuchen, ständig die Kontrolle zu behalten, über das, was man macht. Das bedeutet, auch mit dem Kopf, mental da zu sein. Im Konzert ist sowohl das Spielen wichtig, den Gefühlen freien Lauf lassen – aber auch die Kontrolle zu haben.

Und das gelingt immer?
Gourari: Das gelingt freilich nicht immer. Aber das ist immer das Ziel.

Was sind das für Situationen, wo es vielleicht nicht gelingt?
Gourari: Nun, der Mensch ist halt keine Maschine. Man sollte sich auch gestatten, nicht immer perfekt zu sein, man sollte sich auch vergeben können, wenn man mal etwas nicht hundertprozentig hingekriegt hat. Das gehört dazu. Auch wenn man die Perfektion immer anstreben sollte.

Sind Sie eine ehrgeizige Person?
Gourari: Nein, ich würde mich nicht als ehrgeizig bezeichnen. Andererseits ist es auch so, dass heute einiges von einem erwartet wird, dazu gehört auch ein gewisser Grad an Ehrgeiz.

Dieses berühmte ‚gesunde Maß‘ – haben Ihnen das auch Ihre Eltern, die ja beide Pianisten sind, mit auf den Weg gegeben?
Gourari: Meine Eltern sind in Russland natürlich von der Zeit des Sozialismus geprägt worden. Da hat man die Kinder also immer zu Wettbewerben geschickt und sie auf die Karriere vorbereitet. Aber weil meine Eltern die Schwierigkeiten dieses Berufs selbst sehr gut kennen, haben sich mich vor bestimmten Dingen auch gewarnt. Da weiß man auch, dass das eigentlich nichts bringt, wenn man jemanden unglaublich unter Druck setzt. Weil dann zerbricht derjenige früher oder später daran.

Wie sieht es mit der Klavierschule denn heute in Russland aus?
Gourari: Ich war seit 15 Jahren nicht mehr in Russland.

Warum das?
Gourari: Ich bekomme kein Visum. Ich werde zwar eingeladen, um in Russland Konzerte zu spielen, ich habe auch schon schriftliche Einladungen vom russischen Kultusministerium bekommen. Aber dann gehe ich in Deutschland aufs Konsulat und bekomme kein Visum. Ich bin damals sozusagen illegal ausgewandert, ich war noch nicht volljährig. Aber es war auch nicht meine Entscheidung gewesen, nach Deutschland zu gehen, sondern die meiner Eltern.

Aber wenn nun selbst das Kultusministerium Ihre Einreise wünscht? Geht es da noch um den verletzten bürokratischen Stolz der russischen Behörden?
Gourari: Ja, absolut. Das ist total lächerlich und frustrierend und ich weiß nicht, wie viele Generationen es noch dauern wird, bis sich daran etwas ändert.

Haben Sie diese Loslösung von der Heimat denn inzwischen überwunden, oder fühlen Sie sich heute noch entwurzelt?
Gourari: Also, es ist … ein komisches Gefühl. Die Heimat wird einem langsam ein bisschen fremd und eigentlich findet man aber auch keine neue Heimat. Ich fühle mich in Europa zwar zu hause, aber es ist für mich keine Heimat. Heimat ist dort, wo man geboren ist und das bleibt es auch. Man verliert mit der Zeit natürlich den Kontakt, wenn man Jahrzehnte nicht dahinfährt. Das geschieht bei mir nur über die Medien, das Fernsehen, Zeitung – aber das ist überhaupt nicht das gleiche, als wenn man in dem land selbst leben würde. Meine ganze Entwicklung hat eigentlich in Deutschland stattgefunden, die Jugend, das Studium – das finde ich irgendwie schade.

Ist die Musik für Sie eine neue Heimat?
Gourari: Das ist eine alte Heimat. Ich würde sagen, das ist eine Art Religion.

Und wenn wir speziell über russische Komponisten sprechen?
Gourari: Die russischen Komponisten sind für mich einfach unglaublich wichtig, weil sie diese Art des Denkens und des Fühlens der Russen weitergeben. Das ist eine ganz besondere Art, die nur in diesem Kulturkreis vorkommt, so eine extreme Verbindung zwischen diesen – vielleicht auch intellektuellen – Gedanken und diesen ekstatischen Gefühlen.

Hat man dazu denn eine besondere Beziehung wenn man in Russland geboren ist? Es gibt ja auf der Publikumsseite viele Zuhörer, die bei russischen Werken nur auf russische Orchester und Interpreten schwören. Ist da was dran, dass man als Russe diese Werke intensiver oder gar ‚besser‘ interpretiert?
Gourari: Ich denke, man fühlt als Russe einfach, dass diese Werke zur eigenen Kultur gehören, das ist so ein natürliches Zugehörigkeitsgefühl. Man hat einen ganz natürlichen Zugang zu den Werken, also diese ‚russische‘ Interpretation kommt deshalb zustande, weil man so fühlt. So kann ein Deutscher nicht fühlen, ein Franzose fühlt auch ganz anders, ein Italiener wieder anders usw. Und wenn ich russische Werke spiele, weiß ich, dass es so richtig ist.

Aber fehlt Ihnen dafür nicht manchmal die russische Umgebung ?
Gourari: Nein, ich trage dieses Gefühl ja in mir.

Sie haben kürzlich eine CD mit Werken des Russen Alexander Skrjabin aufgenommen. Nun wird in Biografien Skrjabins oft auch seine philosophische Ader thematisiert, dass er den Zuhörer durch seine Musik auf eine andere Bewusstseinsebene bringen wollte und dass er sich selbst als eine Art Musik-Messias sah. Inwiefern spielen diese Dinge bei Ihrer Interpretation von Skrjabin eine Rolle?
Gourari: Natürlich gehört das zu der Musik dazu. Aber ich möchte Skrjabins Musik nicht festlegen auf seine philosophischen Traktate. Davon abgesehen, würde ich es sowieso vermeiden, diese Musik zu beschreiben. Denn ich finde, jedes Wort, mit dem man diese Musik zu beschreiben versucht, drückt es falsch aus. In dem Moment, wo ich eine Beschreibung für diese Musik ausspreche, verliert sie ihre ursprüngliche Bedeutung. Die Sprache ist zwar vielfältig, aber sie kann nie so viel aussagen wie die Musik selbst, auch weil Musik bei jedem Spielen wieder unterschiedlich ist und man sich ja auch selbst verändert. Das ist wie mit dem Augenblick: jeder Augenblick ist anders und der Versuch, einen Augenblick noch einmal genauso zu erleben ist absolut unmöglich. Insofern will ich Skrjabins Musik nicht festlegen, indem ich sie auf seine philosophische Traktate beziehe.

Aber diese Vision des Erreichens einer anderen Bewusstseinsebene, steckt davon etwas in seiner Musik drin?
Gourari: Ich denke, dass in der Musik durchaus etwas davon drin ist – und zwar der Versuch, die Grenzen zu ignorieren. Die Grenzen, die dem Menschen durch das Leben vorgegeben werden. Er hat sich auch als eine Einheit mit dem Kosmos empfunden, was ich sehr interessant finde, er hat in sich die ganze Welt empfunden. Das hat auch was buddhistisches: die ganze Welt nicht in einem Gott finden sondern in sich selbst. Aber man sollte diese Dinge auch nicht überinterpretieren, weil es über diese Seite seiner Persönlichkeit sehr viele widersprüchliche Berichte gibt. Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der Musik.

Aber löst Skrjabins Musik bei Ihnen andere Gefühle aus, als es Werke anderer Komponisten tun? Taucht vielleicht auch das Publikum bei Skrjabin in eine ‚andere Welt‘ ein?
Gourari: Also, das sollte das Publikum im Idealfall ja sowieso, wenn man ein Konzert gibt. Bei Skrjabin ist das schon sehr schwierig, weil diese Musik eine innere Arbeit voraussetzt. Es setzt voraus, dass man bereit ist, sich auf diese Reise zu begeben. Es ist etwas Anderes, Fremdes, etwas Eigenartiges, Einzigartiges – da muss man bereit sein, mitzugehen.

Ist es da eigentlich sinnvoll, wenn Klavierschüler schon in ganz jungem Alter Skrjabin spielen?
Gourari: Es gibt ja auch relativ einfache Stücke von ihm, die auch Kinder spielen können. Und was sollten die Kinder denn sonst überhaupt spielen? Czerny -Etüden? Irgendwann muss man beginnen, diese Reife zu entwickeln.

Aber wie vermittelt man das jungen Kindern?
Gourari: Ich denke, das Wichtigste lernt man nicht, sondern man trägt es in sich – oder auch nicht. Entweder ist man interessant auf der Bühne, man möchte etwas mitteilen und die Menschen hören einem gerne zu – oder die Menschen hören einem einfach nicht gerne zu. Das ist auch eine Sache, die sich schwer analysieren lässt.

Aber dass dieser Funke überspringt – gibt es Pianisten, wo Sie das noch nie erlebt haben?
Gourari: Eine Menge. Da denkt man dann, die spielen zwar unglaublich professionell, es stimmt alles – aber es interessiert mich nicht, es sagt mir nichts neues, es berührt mich nicht. Das erlebe ich sehr oft.

Gehen Sie denn viel in Konzerte?
Gourari: Nein, eben aus diesem Grund gehe ich nicht besonders oft. Ich gehe nur zu jemandem, wo ich genau weiß: der interessiert mich. Aber das kommt nicht oft vor.

Bei wem denn zum Beispiel?
Gourari: Wenn wir über Pianisten sprechen ist das für mich vor allem Alfred Brendel.

Und beeinflusst so ein Höreindruck dann auch Ihr eigenes Spiel?
Gourari: Bei Brendel ist das schon extrem für mich. Ich habe unglaublich viel von ihm gelernt, vielleicht sogar mehr, als an der Hochschule. Ich habe eine Zeit lang sogar richtig versucht, ihn zu imitieren, weil ich finde, dass er so einen unglaublichen Klavierton hat.

Aber hat Ihnen kein Lehrer ausreden wollen, jemanden zu imitieren? Man sollte doch versuchen, eine eigene Stimme zu entwickeln…
Gourari: Nein, jeder große Meister hat am Anfang imitiert und sich dann erst allmählich einen eigenen Stil erarbeitet – das Imitieren ist am Anfang ganz ok. Das muss man sogar.

Alfred Brendel ist heute schon im hohen Alter. Inwiefern macht das einen Pianisten interessanter?
Gourari: Das kann ich nicht sagen, manche Pianisten werden auch älter, aber nicht besser.

Aber wie wichtig ist Lebenserfahrung beim Klavierspiel?
Gourari: Das werde ich Ihnen erst später erzählen können, das weiß ich heute noch nicht. Ich denke aber schon, dass Lebenserfahrung sehr wichtig ist.

Ist es denn aber nicht schon ‚genug‘ Erfahrung, wie in Ihrem Fall, von der Heimat losgerissen worden zu sein?
Gourari: Ja, aber die Frage ist, ob man das in die Musik umsetzen kann, inwiefern die Erfahrung, die du machst, brauchbar ist und inwieweit du die Fähigkeit hast, diese Erfahrungen musikalisch umzusetzen.

Wie schätzen Sie sich da selbst ein?
Gourari: Ich denke schon, dass mir der Heimatverlust einiges gebracht hat. Sowieso glaube ich: je mehr negative Erfahrungen man macht, desto reicher wird man, desto reicher wird die Gefühlswelt. Ich habe jedenfalls durch Negatives, durch Niederlagen sehr viel gelernt.

Sie interpretieren regelmäßig auch Werke der zeitgenössischen Komponistin Sofia Gubaidulina. Könnten Sie sagen, was das Besondere an Ihrer Musik ist?
Gourari: Das Besondere an Gubaidulina ist, dass sie sich keinem Kulturkreis richtig zuordnen lässt.. Sie kommt aus Kasan, genau wie ich, aber sie selber möchte nicht als tatarische oder russische Komponistin bezeichnet werden – und ich verstehe auch, warum. Ihre Musik ist irgendwie universal, ohne bestimmte volkstümliche Elemente.

Und ihre Persönlichkeit?
Gourari: Die ist phänomenal, sie ist unglaublich in ihrer eigenen Welt versunken. Man hat das Gefühl – selbst wenn man mit ihr spricht – dass sie wirklich nur in den eigenen Gedanken schwebt. Und sie sieht sich als ein Mensch, der auf der ganzen Welt zuhause ist, sie beschäftigt sich mit Kosmologien, mit Religion. Wenn man ihre Stücke hört, hat das wirklich etwas von einem Spiegel unserer Zeit.

Aber früher – so nimmt man zumindest an – waren Komponisten noch etwas andere Persönlichkeiten, mit einer Aura, großer Ausstrahlung, Genialität. Gibt es so etwas heute noch?
Gourari: Ich habe Sofia Gubaidulina zwar kennen gelernt, aber ich würde mir jetzt nicht anmaßen, sie als Mensch zu kommentieren. Genauso wie ich Schubert als Mensch nicht kennen gelernt habe. Das sind immer nur Vermutungen und Mutmaßungen, die dann auch sehr wenig mit der Musik zu tun haben.
Ich habe zum Beispiel neulich den zweiten Satz aus dem zweiten Klavierkonzert von Brahms gespielt, zuhause, nur für mich – und ich war überwältigt von einem Gefühl, genau zu wissen, wie Brahms gewesen ist, menschlich. Was für eine Palette an Empfindungen dieser Mensch gehabt haben muss. Ich muss dafür nicht die Biografie lesen oder sonst irgendetwas – ich lese das aus der Musik heraus.

Es gibt ja von einigen großen Klavierkomponisten, die ins 20 Jahrhundert hineingelebt haben, auch eigene Aufnahmen, Rachmaninow wäre so ein Fall. Doch meistens haben diese Komponisten ihre Werke ganz anders gespielt, als man es erwarten würde.
Gourari: Ich denke, das Schöne an der Musik ist doch, dass jeder sie auf eine unterschiedliche Art hören, empfinden und interpretieren darf. Und es klingt halt immer ein bisschen anders, wenn der Komponist eigene Werke spielt und man empfindet das selten als die ideale Interpretation.
Skrjabin hat auch sehr viel die eigenen Werke gespielt, wobei ich nicht weiß, ob es davon Aufnahmen gibt. Ich weiß aber zumindest, dass er bei der dritten Klaviersonate, wo die linke Hand so unglaublich weit gespreizt werden muss, selber einer Sehnenscheidenentzündung bekommen hat – von der eigenen Sonate!

Wie ist das mit Sofia Gubaidulina, gibt die Ihnen Anweisungen, wie man Ihre Werke zu spielen hat?
Gourari: Nein, überhaupt nicht. Das ist aber auch von Komponist zu Komponist unterschiedlich. Manche wollen dir jeden Ton korrigieren und andere lassen dem Interpreten die ganze Freiheit.

Wie viel Zeit nimmt in Ihrem Alltag eigentlich alles Nicht-Musikalische ein?
Gourari: Ich versuche das sehr gerecht einzuteilen. Das heißt, ich bin sehr faul, ich übe genau so viel, wie ich muss und nicht mehr. Und den Rest der Zeit beschäftige ich mit anderen Dingen.

Aber wenn man bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag ist, wie Sie, dann muss man in das Drumherum auch viel Zeit investieren, oder?
Gourari: Das geht. Man muss schon sehr viel Organisation mitmachen, man muss genau wissen, wann man was übt, was realistisch ist und was nicht. Ja, es gibt sehr viele Dinge, die nicht direkt mit Musik zu tun haben – und das nervt. Vor allem die Zeit, die man durch das Reisen verliert. Auch die Energie, die Nerven, die man dadurch verliert.

Und der Augenblick, in dem man auf die Bühne kommt und in die Tasten greift – ist das für Sie dann so ein Moment der Erlösung, wo Sie denken ‚jetzt bin ich endlich da angekommen, wo ich hin will‘?
Gourari: Nein, ich will ja gar nicht immer auf der Bühne sein.

Das gibt es also schon, dass Sie ein Konzert geben, auf das Sie überhaupt keine Lust haben?
Gourari: Das passiert auch – und man muss damit leben.

Das ist dann Routine?
Gourari: Nein. Routine ist etwas, was mir zum Beispiel einen Teil der Aufregung nimmt – und das ist total wichtig. Das heißt für mich, dass ich es gewöhnt bin, auf die Bühne zu gehen, so kann ich die Situation beherrschen und habe kein Problem mit meinen Nerven. Je seltener man spielt, desto nervöser ist man – mir geht das zumindest so.

Was macht einen denn noch nervös, im Konzert?
Gourari: Da gibt es eine Menge Sachen, die einen unnötig aus der Fassung bringen können. Man versucht immer, sich voll und ganz auf die Musik konzentrieren, aber leider gibt es viel zu viel, was einen ablenkt. Immer.

Auch das Publikum?
Gourari: Eigentlich nicht, wo bei es natürlich auch ein Publikum gibt, dass sich sehr unruhig verhält. Wenn jemand ständig hustet – ja, dann verstehe ich nicht, warum der überhaupt ins Konzert gekommen ist, obwohl er so krank ist. Weil das einfach stört.

Was machen Sie dann? Auch mal abbrechen?
Gourari: Nein. Aber ich habe einmal sehr intensiv zu demjenigen hingeschaut – das war’s aber auch schon.

Und wenn man spielt, ist das Publikum dann für einen weit weg?
Gourari: Nein. Das Publikum ist da. Man spielt ja auch für das Publikum.

Mehr für das Publikum oder für den Komponisten?
Gourari: Für sich selbst.

Aber das Konzert ist doch auch ein bisschen eine Ehrerbietung vor dem Komponisten, oder?
Gourari: Ja, man muss in gewisser Weise den Komponisten lieben, sein Werk zumindest – sonst kann man das nicht machen. Das ist ein Akt der Liebe. Und ein Akt der Demut.

Mal zu einem anderen Pianisten: der Australier David Helfgott ist dieses Jahr wieder auf Konzerttournee gegangen, kommerziell gesehen heute einer der erfolgreichsten Pianisten überhaupt. Sie kennen ihn doch, oder?
Gourari: Ja, ich habe ihn sogar mal persönlich kennen gelernt bei einer Talkshow. Das war, als gerade sein großer Erfolg anfing, da waren wir bei "Willemsens Woche" eingeladen. Er war da mit seiner Frau, er hat alle umarmt, er war total nett – aber er ist einfach krank. Er hat alle gestreichelt, er hat versucht, die Frauen alle anzufassen, er hat auch versucht, mich anzufassen – wie ein pubertierender nicht zurechnungsfähiger Mann. Aber auch total lieb, er hat ständig Kontakt gesucht zu anderen Menschen. Er hat mir total leid getan, weil er gar nicht versteht, was um ihn herum passiert. Ich finde das schlimm, wie er vermarktet wird und wie er ausgenutzt wird. Das ist eigentlich nur eine Zurschaustellung seiner psychischen Krankheit.

Und sein Spiel?
Gourari: Er spielt wie ein Kind, schrecklich. Aber dafür kann er ja nichts, er versteht ja nicht, was er macht. Und trotzdem gehen die Leute hin und hören sich dieses furchtbare Spiel an.

Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Gourari: Entschuldigung, aber ich hasse Comics. Ich schaue mir so etwas nie an, ich finde das lächerlich.

Und wie ist es mit Filmen, gibt es vielleicht eine Filmfigur…
Gourari: … die ich gerne mal gewesen wäre? Vielleicht als Kind die Anna Karenina. Aber nicht die aus der Verfilmung mit Sophie Marceau, sondern da gab es vorher noch eine russische Verfilmung. Die sollten Sie sich mal anschauen.

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