Andy Serkis

Vermenschlichung der Tiere

Andy Serkis wurde als Gollum in „Der Herr der Ringe“ und „King Kong“ weltbekannt – und zur Galionsfigur der Performance-Capture-Technologie. Im Interview spricht der Schauspieler über die Liebe zu Haustieren, das Kino der Zukunft und seine Rolle als Schimpanse Caesar in „Planet der Affen: Revolution“.

Andy Serkis

© 20th Century Fox

Mr. Serkis, Sie haben einen beeindruckend festen Händedruck!
Andy Serkis: Finden Sie? Das liegt wahrscheinlich an dem ganzen Affen-Training. Ich muss mit meinen Begrüßungen wohl ein wenig vorsichtiger sein. (lacht)

Hat das wiederholte Verkörpern von Affen bei Ihnen zu bleibenden physischen Veränderungen geführt?
Serkis: Als wir „King Kong“ drehten, bekam ich viele Gewichte umgeschnallt, damit meine Bewegungen schwerfälliger werden. Und wie es nunmal die Art eines Gorillas ist, habe ich mich oft auf meinen Fäusten abgestützt. Davon haben sich die Knöchel meiner Finger nie wirklich erholt. Sie sind ziemlich dick geworden. Und als ich Monate später mit meinen Kindern auf dem Boden spielte, habe ich irgendwann realisiert, dass ich mich beim Aufstehen immer noch auf meinen Knöcheln abstützte. Da fragt man sich doch: Warum mache ich das? Das ist doch verrückt!

War für Ihre Rolle in „Planet der Affen: Revolution“ nun ein spezielles Training nötig?
Serkis: Man muss generell sehr fit sein, um so etwas zu spielen. Aber diesmal war es weniger anstrengend, denn im Gegensatz zu dem Film davor hat Caesar jetzt einen eher aufrechten Gang, eine menschenähnliche Haltung. Auf der anderen Seite verlangt diese Rolle eine besonders hohe körperliche Intensität und Konzentration. Seit „Planet der Affen: Prevolution“ sind zehn Jahre vergangen. Caesar war ja von einem Menschen groß gezogen worden und hat sich dann von den Menschen zurückgezogen, um im Wald mit anderen Affen zu leben. Seither liegt seine menschliche Seite im Streit mit seiner Affen-Persönlichkeit. Zudem hat er Verantwortung als Anführer der Affen und Familienvater übernommen. Diese ganze komplexe Entwicklung musste ich auch in seiner physischen Präsenz widerspiegeln.

Zitiert

Meine Finger haben sich von „King Kong“ nie wirklich erholt.

Andy Serkis

Sie waren einer der ersten Schauspieler, die mithilfe der sogenannten Performance-Capture-Technik Charaktere mit realen und animierten Anteilen zum Leben erweckten. Waren Ihnen die Möglichkeiten dieser Technologie von Anfang an bewusst?
Serkis: Nein. Als wir „Der Herr der Ringe“ vorbereiteten und Peter Jackson mich bat, Gollum zu spielen bedeutete das: Ich ging ganz normal ans Set, spielte Gollum und meine Bewegungen sollten dann als Vorlage für die spätere Animation dienen. Wir drehten also meine Szenen, auf 35mm-Film, so war das damals noch üblich. Aber dann musste ich ein halbes Jahr später nochmal ran und stand plötzlich in einem kleinen Raum in einem Motion-Capture-Anzug, ohne irgendeinen anderen Schauspieler um mich herum. Das wurde zu einer sehr einsamen Erfahrung.

Das heißt, Ihre ersten Erfahrungen als Gollum waren eher abschreckend?
Serkis: Zumindest ging ich davon aus, dass ich nach „Der Herr der Ringe“ erstmal wieder zum traditionellem Schauspiel zurückkehren und ein paar Filme machen, ein wenig Theater spielen würde. Aber dann bat mich Peter, auch die Rolle des „King Kong“ zu übernehmen. Und das war für mich eine Erleuchtung. Innerhalb weniger Jahre hatte sich die Capture-Technik so weit entwickelt, dass es nun nicht mehr nur um die Bewegungen ging, sondern auch um die Mimik, mein Gesicht. Da wurde mir klar: Ich könnte jetzt alles spielen, vom kleinen Hobbit bis zum Riesengorilla. Und ich dachte: Wow! Type-Casting ist tot. Es ist egal, wie groß du bist, wie dick, welche Hautfarbe oder Geschlecht du hast – du kannst als Schauspieler ab jetzt alles spielen! Ich hatte einfach das Glück, am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein.

Haben Sie in der Vorbereitung auf Ihre Rolle in den „Planet der Affen“-Filmen nach Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und dem Schimpansen Caesar gesucht?
Serkis: Als ich anfing mich mit Affen zu beschäftigen, dachte ich tatsächlich noch, das wäre eine Spezies, die mit meiner eigenen nicht viel tu tun hat. Ich dachte, ich könnte sie mir ganz objektiv anschauen und aus diesen Beobachtungen heraus entscheiden, wie ich einen Affen zu spielen habe. Aber ich musste schnell feststellen, dass es keinen großen Unterschied macht, ob ich einen Menschen oder einen Menschenaffen studiere. Sie sind alle sehr verschieden ausgeprägte Individuen. Sie haben gute und schlechte Tage, sie sind voller Emotionen, sie können auch aggressiv sein wir sind einander viel näher, als die meisten von uns wahrscheinlich denken. Das war für mich die größte Entdeckung.

Es gab in den letzten Jahren einige Filme, wie z.B. „Attenberg“, in denen sich Menschen das Verhalten von Affen zum Vorbild nehmen. In „Holy Motors“ lebt ein Mann sogar mit seiner Affenfrau und mehreren Jungen zusammen...
Serkis: Wollen Sie jetzt etwa wissen, ob ich für die Legalisierung der Affen-Ehe bin? (lacht)

Wenn Sie dazu etwas sagen möchten, bitte. Aber eigentlich war die Frage eine andere…
Serkis: Nun, die Beziehungen zwischen Menschen und ihren Katzen oder Hunden sind ja oft tatsächlich so eng, dass man sagte könnte: Da ist jemand mit seinem Haustier verheiratet. Menschen empfinden wirkliche Liebe und Zuneigung zu ihren Tieren, nicht weniger als zu ihren Geschwistern. Ich finde es sehr interessant, dass es Filme gibt, in denen Tiere entsprechend vermenschlicht werden.

© 20th Century Fox

Andy Serkis steckt hinter dem Affen Ceasar     © 20th Century Fox


Aber woher kommt die Lust an dieser Vermenschlichung?

Serkis: Das hat wohl damit zu tun, dass wir im zweiten Jahrhundert nach Darwin glauben, die Tiere auf der wissenschaftlichen Ebene durchschaut zu haben. Wir kennen ihre Anatomie, ihre DNA, wir beobachten sie auf dem Discovery Channel oder lesen Magazine wie National Geographic. Aber kennen wir sie dadurch besser?

Das klingt nach einer rhetorischen Frage.
Serkis: Wir haben uns ihnen wohl eher entfremdet. Je mehr wir über die Tiere wissen, desto überlegener fühlen wir uns. Das ist bizarr. Aber manche Filme, Dramen oder Bücher, zu denen ja auch Pierre Boulles Romanvorlage zu „Planet der Affen“ gehört, verbinden uns immer wieder mit dem animalischen Anteil in uns selbst. Im Mittelalter war unser Verhältnis zu Tieren wiederum ein anderes. Da war es üblich, Tiere vor Gericht zu stellen und zum Beispiel als Mörder zu verurteilen.

Wäre die logische Konsequenz einer emotionalen Vermenschlichung von Tieren, dass man sie auch juristisch ähnlich wie Menschen behandelt?
Serkis: In der Tat habe ich vor ein paar Wochen mit einem Primatologen darüber gesprochen, der eine Kampagne für Affenrechte analog zu den Menschenrechten durchführt. Denn durch den Handel mit Bushmeat in Afrika drohen Affen, besonders einige spezielle Gorilla-Arten, komplett ausgelöscht zu werden. Er ist dafür, das juristisch als Mord zu ahnden und ich denke, das sollte man auch tun.

Noch einmal zurück zur Performance-Capture-Technik. Sie haben in London eine eigene Firma gegründet: The Imaginarium…
Serkis: Da geht es darum, diese Technik als Kunst und als Handwerk weiter zu entwickeln. Auch Schauspieler werden dort entsprechend trainiert. Wir bringen sie mit Autoren, Regisseuren, Grafikern und Künstlern zusammen, um Charaktere für Filme, Videospiele und sogar fürs Theater zu kreieren. Wir erkunden die grenzenlosen Möglichkeiten dieser Technik.

Zur Zeit wird im Kino vor allem in immer ausgefeiltere Effekte und Oberflächen investiert. Sehen Sie auch Fortschritte in der Frage, was und wie Geschichten im Kino erzählt werden?
Serkis: Daran glaube ich schon. Auch darüber machen wir uns in unserer Firma Gedanken: Wie wird man in 20 Jahren Geschichten erzählen? Wird man überhaupt noch im Kino sitzen? Wird es ein eher interaktives Erlebnis werden? Wird es noch in 3D sein oder versetzen wir uns dann komplett in eine virtuelle Umgebung? Wird es eine Mischung aus Videospiel und Film geben? Performance Capture eignet sich sehr gut, um ganz neue Ideen des Erzählens, um die Geschichten der Zukunft zu entwickeln.

Gleichzeitig scheint die Zukunft für Sie weiterhin in einer Mischung aus Mensch- und Tierwelt zu liegen. Sie sollen Neuverfilmungen von „Animal Farm“ und dem „Dschungelbuch“ planen…
Serkis: Wir arbeiten an beiden Projekten gleichzeitig, aber „Das Dschungelbuch“ wird nun zuerst gedreht. Die Arbeit an „Animal Farm“ dauert einfach länger als gedacht. Wir waren mit dem Drehbuch und der Entwicklung der Charaktere noch nicht weit genug, in dem Moment wurde uns dann das „Dschungelbuch“ angeboten. Das Drehbuch war schon sehr weit ausgereift, wir mussten nur zugreifen. Ich werde Regie führen und wir werden uns sehr eng an Rudyard Kiplings Buch und den ursprünglichen Ton seiner Geschichten halten.

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