Shahak Shapira

Lieber ehrlich als richtig

Shahak Shapira war schon in den verschiedensten Medien aktiv, seit kurzem hat der Satiriker eine eigene Show bei ZDFneo. Interview 2 von 2: Shapira spricht über Humor ohne Hinterabsichten, Timing auf der Bühne, Framing und die Sucht nach Relevanz.

Shahak Shapira

© Moritz Künster / ZDF

Shahak, du bist bereits in verschiedenen Medien und Formen in die Öffentlichkeit getreten. Was versprichst du dir von einer TV-Sendung bei ZDFneo?
Shapira: Ich will gute Comedy auf Deutsch machen – das ist schwer. Es sollte etwas sein, womit ich vielleicht irgendwann mit den guten amerikanischen Comedians mithalten kann. Und ich glaube, dafür ist das ZDF der richtige Ort. Beim Privatfernsehen ist das, glaube ich, schwieriger, da wird man sehr streng kontrolliert, die Inhalte werden von irgendwelchen Leuten editiert und massentauglich gemacht und sobald etwas nicht funktioniert, wird es abgesetzt. Für Comedy ist es aber sehr wichtig, dass man neue Dinge ausprobiert, dass man sich traut, auch mal mit etwas zu floppen, um besser werden zu können. Wenn man immer nur auf Nummer sicher geht, endet man bei dem, was wir bereits haben.

Hast du denn vom ZDF einen ‚Blanko-Check‘ bekommen und darst jetzt alles machen, was dir in den Sinn kommt?
Shapira: Das finden wir gerade raus (grinst). Am Anfang bekommt man ja immer gesagt, ‚du kannst alles machen‘, später heißt es dann ‚bis auf dieses und jenes‘. Bisher gibt es aber keine großen Probleme, ich fühle mich nicht zensiert oder kontrolliert, das würde sonst auch nicht funktionieren.

Was verspricht sich das ZDF von einer Sendung mit dir?
Shapira: Das, was jeder Sender will: Mehr junge Leute erreichen. Und ZDFNeo hat nicht viele eigene Formate, die wollen einfach mal wieder was Neues an den Start bringen.

Warum bist du dafür der richtige Mann?
Shapira: Selbstbewusstsein ist jetzt nicht meine Stärke, aber ich gebe mir Mühe, so qualifiziert dafür zu sein, wie ich nur kann. Ich arbeite viel, das ist mein Argument, ich gebe mir Mühe. Umso bitterer, wenn es dann nichts wird.

Dann hat man wenigstens alles gegeben…
Shapira: Das finde ich am Schlimmsten, wenn man scheitert und man hat alles gegeben. Wenn man irgendwas schlampig macht und es klappt nicht, dann weiß man, woran es gelegen hat, aber wenn man alles gegeben hat, dann tut das richtig weh.

Was würdest du auf keinen Fall in einer TV-Show machen?
Shapira: Da gibt es tausende Dinge. Ich würde mich nicht auf irgendeinen Mist einlassen, nur weil ich Angst habe oder Druck von außen bekomme. Ich würde nichts machen, wo ich nicht dahinterstehe, was nicht authentisch von mir kommt.

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Ich habe seit 13 Jahren keinen Fernseher.

Shahak Shapira

Deine Show wird einige Tage vor der Ausstrahlung aufgezeichnet. Ist aktuelle Tagespolitik dadurch gar kein Thema?
Shapira: Die brauche ich nicht, das ist ja kein politisches Format, wir machen keine Politiksatire. Davon gibt es schon genug und dort leben Witze oft nur von der Aktualität. Wir investieren da ein bisschen mehr Gedanken, wir sind eher monatsaktuell, jahresaktuell. Wobei ich nicht ausschließen will, dass auch bei uns mal ein paar tagesaktuelle Sachen in der Sendung vorkommen.

Vor kurzem machte ein sogenanntes „Framing Manual“ der ARD die Runde. Wäre das eine gute Comedy-Grundlage?
Shapira: Ich habe das „Framing Manual“ noch nicht gelesen, finde aber interessant, wer sich alles darüber aufregt. Framing an sich ist ja eine wichtige Sache, privat frame ich auch alles, ein anderes Wort dafür ist ‚Meinung‘, man präsentiert Informationen in einem bestimmten Kontext. Man sollte natürlich von öffentlich-rechtlichen Medien eine gewisse Neutralität erwarten. Aber seien wir doch mal ehrlich: Wer von allen menschengemachten Nachrichten völlige Neutralität erwartet, ist naiv und dumm. Da steckt ja eine Redaktion dahinter, da gibt es keine hundertprozentige Neutralität. Jedes Medium muss sich überlegen, welche Sachen an welcher Stelle präsentiert werden. Das Problem ist, wenn man bestimmte Dinge nur in einem bestimmten Licht zeigt, so wie es zum Beispiel die „Bild“-Zeitung macht. Das ist Framing.

Und du, betreibst du ‚framing‘ auf der Bühne?
Shapira: Also zumindest gehe ich bei meinem Programm ohne versteckte Agenda an die Sache ran. Comedy sollte keine Hinterabsichten haben, Comedy sollte ehrlich sein. Lieber ehrlich als richtig. Aber im weitesten Sinne ist es alles Framing.

Was meinst du mit ‚Lieber ehrlich als richtig‘?
Shapira: Ich glaube viele Leute auf der Bühne haben Angst, ehrlich zu sein, weil sie Angst haben, dass sich das Publikum damit nicht wohl fühlt, sich nicht bestätigt fühlt. Aber darauf will ich keine Rücksicht nehmen. Ich finde, man verschwendet die Zeit der Menschen, wenn man auf der Bühne steht und sie gedanklich nicht weiterbringt. Provokation ist immer so negativ behaftet. Ich sehe das ganz anders, wir sollten uns wieder mehr darauf einlassen. Ich will den Leuten etwas Echtes geben, anstatt eine Illusion zu verkaufen.

Du sagtest eingangs, dass du es im Privatfernsehen schwerer haben würdest: Siehst du denn Humorunterschiede zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern?
Shapira: Das kann ich nicht beurteilen, ich habe seit 13 Jahren keinen Fernseher. Ich gucke kein deutsches Fernsehen, auch generell kein lineares Fernsehen, sondern ich will die Sendungen, die ich mir aussuche, gucken wann immer ich möchte.

Was ist aktuell die wichtigste Inspirationsquelle für deine Sketche?
Shapira: Dave Chappelle oder Key and Peele, Sarah Silverman, Andy Samberg… Ich orientiere mich fast nur an amerikanischen Künstlern. Die meisten von ihnen kennt man in Deutschland gar nicht.

Bräuchte es in Deutschland mehr Stand-up, mehr Sketche?
Shapira: Es gibt keine Stand-up-Kultur in Deutschland, das kam hier bisher nicht in Mode. Netflix gibt gerade Milliarden Dollar für Stand-up aus, eigentlich beginnt gerade die goldene Ära – außer in Deutschland. Vielleicht schaffe ich es ja, ein paar Menschen hier für Stand-up zu begeistern.

© Moritz Künster / ZDF

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Zum Ensemble deiner Sendung gehört auch Comedian Phil Laude, der mit Y-Titty im
Netz sehr erfolgreich war. Er sagte einmal hier im Interview, dass die Smartphone-Gesellschaft von Comedians ein höheres Tempo erwartet. Kannst du das bestätigen?
Shapira: Ja, wobei jedes Medium andere Gesetzmäßigkeiten hat, Youtube zum Beispiel hat andere Anforderungen als eine Liveshow. Wenn du in New-York Stand-up machst, dann sitzen die Booker, die für die Clubs arbeiten, mit ihren Stopp-Uhren dort und schauen nur auf die Gag-Dichte und erwarten, dass man alle 15 Sekunden einen Lacher bekommt.

Ist hohes Tempo für dich ein Qualitätsmerkmal?
Shapira: Klar, aber es gibt auch Ausnahmen. Du kannst auch 30 Sekunden überhaupt keinen Lacher bringen, dafür muss dann aber der nächste umso besser sein. Das Warten muss sich lohnen. Je länger du für eine Punchline brauchst, desto stärker muss sie sein.

Du hast in den letzten Jahren zunehmend für Aufmerksamkeit gesorgt, sei es mit
Aktionen im Netz oder mit Live-Shows. Inwiefern hat dich das Rampenlicht verändert?
Shapira: Ich habe viele Freunde verloren und bin ein noch einsamerer, frustrierterer Mensch geworden. – Nein, im Ernst, mein persönliches Leben ist durch das Rampenlicht etwas unwichtiger geworden. Man tourt durch Deutschland, Leute bezahlen Geld, um zu hören, was du zu sagen hast. Das hat schon Einfluss auf deine Person und darauf, wie du dein Umfeld wahrnimmst. Du bist es irgendwann gewohnt, die Menschen für Geld zu unterhalten. Und wenn man dann wieder mit Freunden zusammensitzt, kann das seltsam sein. Manchmal war mir mein Privatleben nicht mehr glamourös genug und ich habe mich ein bisschen abgekapselt. Mein Leben hat sich nicht wirklich zum Positiven entwickelt.

Beruflich doch aber schon, oder?
Shapira: Naja, mal schauen, wie sich das jetzt entwickelt. Vielleicht geht es auch total schief und die neue Sendung wird das Ende meiner Karriere. Dann könnte ich natürlich wieder zur Werbung zurückkehren – aber man wird schnell süchtig, nach der Relevanz und der Anerkennung. Das beste Beispiel dafür ist das Dschungel-Camp: Dort sind die Leute bereit sich zu erniedrigen, nur für einen Hauch von diesem Ding, was sie mal hatten.

Relevanz scheint in unserer Gesellschaft zur neuen Währung zu werden…
Shapira: Ich sehe im Moment das Problem, dass jeder Relevanz bekommt und jeder somit auch das Gefühl hat, dass seine Meinung gefragt ist. Du gehst auf Facebook und wirst gefragt: Was hältst du von diesem Thema? Auch wenn du komplett unqualifiziert bist, darüber zu reden. – Nein, wie wäre es mal mit keiner Meinung?! Man darf doch auch mal dumm sein! Wir bekommen immer das Gefühl, dass unsere Meinung gefragt ist und dann zählt die Meinung von anderen, zum Beispiel von Experten, immer weniger. Ich würde auf meine Meinung scheißen, wenn ich nicht ich wäre.

Also weniger Meinung und mehr…
Shapira: Wir sollten Fakten wieder wertschätzen. Wir haben so viele Informationen heutzutage und können sie nicht mehr einordnen. Wir wissen alles – und interessieren uns für nichts.

Zum Schluss: Was ist dein Hauptziel als Comedian?
Shapira: Natürlich will man etwas mit Substanz machen, aber ich will die Leute auch zum Lachen bringen. Das muss auch nicht beides parallel passieren. Ich finde es anstrengend, dass aktuell gefühlt alles die die Welt verändern muss. Dann verändert nichts die Welt! Können nicht manche Sketche auch einfach mal dumm und trotzdem lustig sein, weil sie gut gemacht sind? Muss alles eine politische Botschaft haben, damit wir es wertschätzen? Das ist meiner Ansicht nach genauso wertlos, meistens sogar wertloser.

[Das Interview entstand im März 2019.]

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