Sergej Moya

Ich lebe in meinem Kopf in einer Welt von Märchen und Geschichten.

Sergej Moya über schlechte Schulerfahrungen, seine Arbeit als junger Schauspieler, Selbstverwirklichung und die PISA-Satire „Der beste Lehrer der Welt“

Sergej Moya

© fitz+skoglund

Sergej, du hast Anfang des Jahres die Schule abgebrochen. Warum?
Sergej Moya: Es gab mit der Schule die Absprache, im letzten Schuljahr in der 10. Klasse keinen weiteren Film mehr zu drehen, weil wichtige Prüfungen anstanden. Aber das war so, als würde man einem Rennfahrer sein Benzin wegnehmen. Ich wollte unbedingt nach München und dort den Kurzfilm „Der Engel heute Nacht“ drehen. Ich bin dann einfach da hingefahren und war 14 Tage weg. In dem Moment war das essentiell für mich. Irgendwann kam dann der Anruf von der Schule. Vielleicht hätten die mich auch weitermachen lassen, aber ich wollte das dann alles nicht mehr. Schule ist in dieser Form einfach bescheuert.

In welcher Form genau?
Moya: Ich war auf einer Gesamtschule, an sich mit guten Lehrern und Schülern, die zum Teil in jeglicher Form sehr talentiert waren. Aber das war mir alles zu breit gefächert. Da wird nicht auf die einzelnen Personen eingegangen. Da ist alles gleich. Individualität gibt es nicht. Mir haben sie immer gesagt: Mensch, denk an deine Zukunft, du musst doch was Anständiges lernen. Das mache ich aus meiner Sicht. Ich mache das, was ich bin, was ich weitermachen möchte. Für mich gibt’s da nichts anderes. Das ist immer so eine Behauptungsscheiße. Ich musste mich dann immer vor den Lehrern beweisen, da hatte ich keine Lust mehr zu.

Auch keine Lust mehr auf den Leistungsdruck?
Moya: Ich habe als Schauspieler wahrscheinlich einen viel höheren Leistungsdruck, eine anständige Arbeit zu machen. Aber den spüre ich so nicht.

Der Film „Der beste Lehrer der Welt“ spielt auch im Klassenzimmer. In dieser Satire wird die PISA-Studie und das damit verbundene Leistungsstreben ziemlich auf die Schippe genommen. Was hältst du von der PISA-Studie?
Moya: Sie ist schon wichtig, um zu erkennen, was für Schwächen da sind, um die Gesamtsituation zu verbessern. Ich glaube, diese PISA-Studie – die ja in Deutschland grauenhaft ausgefallen ist – hat einfach gezeigt, dass dieses unmotivierte In-Die-Schule-Gehen-Müssen, Lernen-Müssen, Arbeiten-Schreiben-Müssen so nicht ganz richtig sein kann.

Was muss deiner Meinung nach anders laufen?
Moya: Das Wichtigste überhaupt sind kleinere Klassen, damit die Lehrer individueller mit den Schülern umgehen können und nicht diesen Stress mit 30 Kindern haben. Das geht einfach nicht. Ich war auf einer Rütli-ähnlichen Schule, da gab es so viele zerstörte Schicksale von jungen Menschen. Die sind so gebrochen worden, bis sie am Ende gar kein Ego mehr hatten. Keinerlei Perspektive, ihr Leben in die richtige Bahn zu kriegen. Nicht, weil sie von sich her eine kriminelle Energie haben. Viel schlimmer: Sie werden diskriminiert und erniedrigt. Du Jude, du Hurensohn, du Opfer. Solche Wörter fallen da, die werden extrem runter gemacht. Ich glaube, es ist Schwachsinn, wenn die Politiker erzählen, dass in der Schule soziales Einfühlungsvermögen und soziale Grundwerte beigebracht werden: Denn das kontrollieren nicht die Lehrer, sondern die Schüler auf den Hofpausen. Am Gymnasium ist es anders, aber an Gesamtschulen, Schulen in Problembezirken und Schulen mit hohem Ausländeranteil entstehen durch das Aufeinanderstoßen von verschiedenen Kulturrichtungen Reibungen. Wenn die so mit sich alleine gelassen werden, wissen die nichts mit sich anzufangen.

Funktioniert multikulturelle Schule einfach nicht?
Moya: Doch. Ich glaube, es hängt einfach damit zusammen, dass die Lehrer es versäumt haben, sich darum zu kümmern. Vor allem in Großstädten, wo Menschen verschiedener Kulturen aufeinander treffen, hat man verpasst, auf diese verschiedenen Kulturen einzugehen. Das fängt gerade so ein bisschen an, ist aber alles noch sehr oberflächlich. Man muss viel individueller auf die Menschen eingehen, als nur die breite Masse zu sehen.

Du bist im letzten Jahr ein halbes Jahr in den USA zur Schule gegangen. Wie hast du Schule dort erlebt?
Moya: Das war ein komplett anderes Gefühl. Da wollte ich zur Schule gehen und etwas lernen. Das schulische System des Miteinanders der Lehrer und Schüler war dort viel gefestigter als hier. Da gab es keine Messerstechereien, keine riesigen Schlägereien, keine Abzieherei. Da gibt es auch so was wie Schulstolz, d.h. alle gehen zu den Basketballspielen der Schule. Da ist einfach mehr Zusammenhalt. Wenn einer gut in Deutsch ist, ist es ganz normal, dass er zu einem anderen nach Hause geht und es ihm erklärt.

Also fehlt auch der Zusammenhalt zwischen den Schülern…
Moya: Ja, zwischen Schülern und auch zwischen Lehrern und Schülern. Auf meinem Zeugnis konnte man das immer sehr gut ablesen, ich hatte in Deutsch jahrelang ’ne Fünf und dann kam eine andere Lehrerin und dann hatte ich ’ne Eins. In Mathe hatte ich immer ne Sechs, bei einer anderen Lehrerin zumindest eine Drei. Das hing immer vom Pädagogen ab. Alles war von der Attitüde des Lehrers abhängig.

Der „Beste Lehrer der Welt“ Gustav Kilian, im Film gespielt von Uwe Ochsenknecht, ist ein absoluter Kumpeltyp. Er haut die Schüler aus der Patsche, wenn sie Mist gemacht haben und raucht auch schon mal mit einem Schüler eine Zigarette. Gab es solche Lehrer auch an deiner Schule?
Moya: Kumpelhafte Freundschaften zwischen Schülern und Lehrern gibt’s viel zu selten. Ich hatte eine Lehrerin in Kunst, Deutsch und Darstellendem Spiel, die war super. Die hat mir immer Tipps gegeben und mich ein wenig beschützt. Ich glaube, diese Lehrer sind verantwortlich, was aus uns wird. Ich glaube schon, dass sie einen direkten Einfluss auf die Schüler haben. Daher ist es wichtig, dass es gute Lehrer gibt, die mit guten Ansätzen dahin kommen und gut unterrichten. Natürlich gibt’s Lehrer, die haben nicht die Stärke dafür. Man braucht viel Charisma, um sich da durchzusetzen. Es gibt nicht viele Lehrer, die das haben. Wenn ich später selbst Kinder habe, möchte ich aber schon wissen, wer meine Kinder unterrichtet. Wenn da einer ignorant und miesepetrig ist, dann möchte ich nicht, dass mein Kind seine Kindheit mit dem verbringen muss.

Kilian sagt: „Wer viel Theater spielt, wird auch gut in Mathe“…
Moya: Ich glaube das nicht. Mathematik ist im Prinzip auch eine kreative Wissenschaft. Aber dann ist die Rede von Pi und vom Satz von Pythagoras. Das kann ich mir einfach nicht merken, das ist einfach nicht meins.

Macht man es jungen Leuten durch zu viele Regeln und Vorschriften zu schwer?
Moya: Gerade gestern hab ich in einer Talkshow diesen komischen Lehrer gesehen, der ein Buch geschrieben hat. Das hat mich furchtbar wütend gemacht. Der sagt, unsere Kinder bräuchten mehr Zucht und Ordnung, sie müssten an der engen Leine geführt werden. Disziplin sei das A und O. Ich halte das für den größten Humbug der Welt. Meine Mutter hat mir nie irgendwelche Vorschriften gemacht. Ich durfte wirklich früh selbst entscheiden und hatte die Möglichkeit, schon in frühem Alter viel für mich selbst entdecken zu können. Bis ich 17 war hab ich überhaupt keinen Alkohol getrunken. Es gab da ein schreckliches Erlebnis, als ich 13 war. Da hab ich mich so weg geknallt, weil ich einfach nicht wusste, was das war. Im Nachhinein war das so eklig für mich. Es hat fünf Jahre gedauert, bis ich mich da wieder so halbwegs rangetraut habe und jetzt trink ich halt ab und zu ein Bier, aber ich brauche das auch nicht. Irgendwelche Vorschriften bringen gar nichts, das ist alles Schwachsinn. Ich glaube, umso mehr Druck du auf deine Kinder ausübst, desto mehr machen sie das, was sie wollen.

Du bist im letzen Jahr für „Keller“ beim Internationalen Filmfestival in Madrid als Bester Darsteller ausgezeichnet worden, und man hat dich für den Undine Award nominiert, den zuletzt August Diehl und Robert Stadlober bekamen. Was bedeutet dir diese Art von Wertschätzung?
Moya: Als dieser Anruf kam, bin ich im Kreis gesprungen. Es ist schön und bestätigend, wenn diese harte Arbeit anerkannt wird. Ich brauche das aber nicht, die Bestätigung habe ich auch durch die Arbeit. Es ist einfach ein tolles Gefühl, dass Menschen sehen, was du machst, sie bewegt sind und glauben, dir dafür einen Preis geben zu müssen.
Aber dann die ganzen Preisverleihungen, die Partys: Alles Stafette. Die ganze Scheiße interessiert mich nicht: Es geht mir nur um die Arbeit. Am Set zu sein, mit den Menschen zu arbeiten und sich auf sie einzulassen, das ist das Tolle dran. Heute zum Beispiel hatte ich eine sehr schöne Unterhaltung mit einem Beleuchter über Uhren und über Freundschaft. Er hat mir erzählt, dass er jahrelang dachte, ein sehr enger Freund von ihm hätte seine Uhren geklaut. Nach Jahren stellte sich dann heraus, dass er die einfach verbummelt hatte. Man erfährt einfach so viel. Am Set arbeiten so viele verschiedene Menschen, die so viel erlebt haben. Ich bin sehr dankbar, diese Menschen kennen lernen zu können.

Du hast in diesem Jahr zur Förderung deiner weiteren schauspielerischen Entwicklung ein Stipendium der Berenberg Bank Stiftung erhalten. Wie hast du darauf reagiert?
Moya: Das war auch total verrückt. Man muss da gar nicht drüber reden: Das Geld hat mir geholfen und hilft mir nach wie vor. Zum Beispiel für meine Reise nach New York, die ich so oder so plane. Wenn ich den Undine Award bekäme, würde ich die sechs Wochen einschließlich Flug, Unterkunft, Taschengeld und einen Workshop an der Stella Adler Theatre School bezahlt bekommen. Geld bedeutet mir aber nichts. Ich weiß, wie es ist, nichts zu haben. Ich weiß aber auch, wie es ist, Geld zu haben. Dennoch gibt es so viel mehr. In erster Linie ist es vor allem ein Moment, in dem ich mich riesig freue.

In der Begründung der Stipendiumsvergabe heißt es: „Sergej Moya ist durch seine Unmittelbarkeit ein ganz wunderbarer Schauspieler. Wir sind uns sicher, dass ihm eine große Karriere bevorsteht?“ Bist du selber genau so optimistisch oder hast du manchmal auch Angst, dass alles schnell wieder vorbei sein könnte?
Moya: Angst nicht. Mir kann ja niemand was nehmen, auch wenn es mal keine Angebote gibt. Nicht dass ich Schauspieler bin, nicht dass ich Geschichten erzählen möchte. Außerdem schreibe ich ja auch meine eigenen Geschichten und drehe eigene Filme. Mit zwei sehr guten Freunden habe ich eine Produktionsfirma gegründet. Da gibt es einfach den Drang, etwas auszuleben. Ich halte nichts von Leuten, die sich ausruhen und sagen, das ist zu schwierig und das ist alles so hart. Wenn man aus Überzeugung einfach etwas macht, kann einem niemand irgendetwas in den Weg stellen. Ich muss mich zwar als Schauspieler irgendwie darauf verlassen, dass jemand kommt und mir eine Rolle anbietet. Aber in erster Linie arbeite ich an mir selber und an meiner Verwirklichung. Indem ich Bücher lese, mich mit mir selbst auseinandersetze. Ein sehr weiser Mann hat einmal gesagt: „Wer glaubt etwas zu sein, hat aufgehört etwas zu werden“. In dem Moment, in dem du dich auf deinen Lorbeeren ausruhst, hast du verloren. Wenn du dich da gehen lässt, auf Partys gehst, kokst und säufst, biste ganze schnell ganz woanders und verlierst deine Kräfte. Da kannste ganz doll absacken.

Wie nimmst du positive Zeitungskritiken war?
Moya: Das liest du so und freust dich einfach drüber. Meine Mama sammelt da auch ganz viel, schneidet Sachen aus der Zeitung aus. Das ist auch ganz wichtig, wenn man sich so sehr mit der Arbeit identifiziert und das so deins ist. Schön, wenn man nachher noch was davon hat.

Hat dich deine Mutter von vornherein unterstützt?
Moya: Ich glaube, sie hat einfach gemerkt, dass es das ist, was ich möchte. In der Grundschule habe ich immer viele Geschichten erzählt, gelogen, die Lehrer beschissen und geschummelt und mich einfach so durchgemogelt. Ich hatte nie richtig Lust. Ich glaube, es ist das Schlimmste überhaupt, dass in jungem Alter Talente und Begabungen verschiedener Kinder und Individuen nicht gefördert werden. Bei mir war das jedenfalls so.

Wie gehst du mit negativer Kritik um?
Moya: Die Menschen können sagen, was sie wollen. Das hat keinen direkten Einfluss auf mich. Ich hatte in jedem Fall die Erfahrungen der Arbeit, das hat mich geprägt. Im Nachhinein interessiert nicht, ob Angela Merkel oder sonst wem ein Film gefallen hat.

Was haben deine Klassenkameraden zu deinen Filmen gesagt?
Moya: Ich hab das nicht so an die große Glocke gehangen, denen gar nichts erzählt. Es ist scheiße, wenn du der Typ in der Klasse bist, der Filme dreht. Ich war dann halt einfach mal weg. Wenn die mich gefragt haben, wo ich war, hab ich zum Beispiel gesagt, ich sei bei meiner Mutter im Krankenhaus.

Du hast nicht erzählt, wenn du einen Film gedreht hast?
Moya: Nee, das kannste nicht machen. Auf der Gesamtschule musst du dich behaupten. Und wenn du dann mal eine sensible Figur spielst, die sich in die Hose pisst, dann machen sich alle über dich lustig und du kannst nicht mehr zur Schule gehen.

Zitiert

Es ist scheiße, wenn du der Typ in der Klasse bist, der Filme dreht.

Sergej Moya

Irgendwann muss es dann aber raus gekommen sein…
Moya: Ja, irgendwann kamen welche und sagten: Hey Sergej, ich hab dich im Fernsehen gesehen. Ich dann so: Ach ja, psst! Ich wurde so als die Person respektiert, die ich war und nicht als die Person aus dem Fernsehen. Es ist schön, wenn die Menschen einen nicht über das definieren, was du machst, sondern einfach gucken, wer du bist.

2003 warst du in dem preisgekrönten und von Kritikern hoch gelobten WDR-Fernsehfilm „Mein Vater“ neben Götz George und Klaus J. Behrendt zu sehen. War dieser Film dein Durchbruch als Schauspieler?
Moya: Kann man schon so sagen. Es ist schön, wenn du einen Film machst, der Erfolg hat auf einer Ebene wie „Mein Vater“, einen Emmy und einen Grimme-Preis bekommt. Deswegen sollte man sich ganz genau aussuchen, was man macht und warum.

Du hast schon mit vielen namhaften Schauspielern wie Götz George, Henry Hübchen oder Maria Furtwängler zusammen gedreht. Wie gehen die am Set mit dir um und wie kannst du von ihnen lernen?
Moya: Das ist schon sehr unterschiedlich. Götz George ist einfach mein Held. Er ist der großartigste Mensch von allen. Schauspielerisch mag ich ihn sehr. Ich kann ihm unheimlich gerne zusehen und zuhören. Er hat einen sehr guten Charakter, eine sehr gute Seele, ein sehr gutes Zentrum an sich. Ich lieb den richtig. Von ihm hab ich alles gelernt, zum Beispiel meine Motivation.
Seit ich aus der Schule raus bin, habe ich noch mehr Interesse an dem Beruf und noch mehr Kraft und Leidenschaft dafür. Der Druck von der Schule ist weg, da ist man für die Dinge anders offen. Ich suche noch viel mehr das Gespräch mit Menschen, die mich interessieren. Ich erinnere mich an so tolle Begegnungen mit Götz George oder Christian Redl. Ulrike Krumbiegel hab ich gerade wieder getroffen und es war, als hätte man sich vor einem Tag das letzte Mal gesehen, auch wenn es vier Jahre her ist. Das ist ganz verrückt. Obwohl ich noch so jung bin und in den letzten Jahren so viel passiert ist, scheint es, als wäre die Zeit stehen geblieben.

Hast du an eine Rolle, die man dir anbietet, einen bestimmten Anspruch?
Moya: Die Figur muss im Film einfach ein bestimmtes Spektrum haben. Die Rolle muss zunächst einmal überhaupt eine Rolle sein. Es gibt ja auch Drehbücher, da ist einfach irgendeiner, der irgendetwas macht, wo die Rolle nicht richtig erarbeitet wird. Es ist das Tollste überhaupt, wenn der Regisseur das Vertrauen in dich hat und dir die Möglichkeit gibt, deine Rolle zu erarbeiten. Meistens sind das junge Regisseure.

Macht es im Vergleich zur Arbeit mit einem erfahrenen Regisseur einen Unterschied, wie bei „Keller“ mit einer so jungen Regisseurin wie Eva Urthaler zusammenzuarbeiten?
Moya: Ich glaube, es ist viel mehr ein Unterschied zwischen Mann und Frau. Ich kann nicht so richtig einschätzen, ob es einen Unterschied macht, ob die erfahren oder jung sind. Meistens hängt es einfach davon ab, wie enthusiastisch jemand Filme machen will. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es junge Leute gibt, die total gelangweilt sind, da sie nicht das machen, was sie eigentlich wollen. Ein anderer ist so motiviert, weil er seinen ersten Film dreht und einen solchen Bock drauf hat und sich so darauf einlässt, wie sich der Schauspieler auf seine Rolle einlässt. Der Dreh mit dem jungen Regisseur Tim Möck für den Kurzfilm „Engel heute Nacht“ war sehr intensiv, das war eine total verrückte Zeit. Stefan Konarske, mit dem ich dort zusammengespielt habe, ist mittlerweile ein sehr enger Freund von mir. Es gibt da wenige aus dem Metier, die ich so richtig mag, aber Eva Urthaler und Stefan Konarske sind mir sehr ans Herz gewachsen. Es gibt aber genauso erfahrene Regisseure, die den Job schon seit 30 Jahren machen und immer wieder neu motiviert sind. Michael Gutmann zum Beispiel, mit dem ich jetzt gerade beim „Tatort“ drehe, geht mit so einem Feingefühl, so einem Charme an die Sache ran. Der sieht die Menschen. Für mich als Schauspieler ist es eine unheimlich tolle Unterstützung am Set zu sein und zu wissen: Da ist einer, der mit dir arbeiten möchte und an dir interessiert ist.

Im Making-Of-Interview zu „Keller“ hast du geschildert, wie du dich während einer Probe in deine Rolle hinein versetzt hast. Du hast gesagt, du hättest völlig die Kontrolle über alles verloren und dich nachher an nichts mehr erinnern können. Du seist richtig in Trance gewesen, als du über dich als Sebastian gesprochen hast.
Moya: Diese Erlebnisse gibt es – Gott sei dank – oft. Komplett die Beherrschung verlieren zu können, ist etwas, was ich sehr liebe. Wir hatten bei „Keller“ einen langen Probenzeitraum, haben viel erarbeitet. Ich sollte mir vorstellen, ich wäre Sebastian, allein zu sein und Eltern zu haben, die mich nicht lieben. Dann sollte ich in der Rolle des Sebastian an den Moment denken, in dem ich geboren wurde. Und es hat funktioniert! Ich hatte sofort ein Bild im Kopf, wie ich da in einem großen, dunklen Raum mit riesengroßen Fenstern in so einer Krippe lag. Das ist das Geniale dran, dass du einfach in fremde Welten schlüpfen kannst.

Wie schaffst du es, dich in eine Rolle hineinzuversetzen? Passiert das ganz automatisch?
Moya: Nee, das entsteht oft auf verschiedene Weise. Oft durch das Zusammenarbeiten mit den Kollegen. Es ist enorm wichtig, dass die Zusammenarbeit mit dem Regisseur und den Kollegen gut ist. Wenn ich da jemanden hab, den ich nicht leiden kann, dann interessiert der mich nicht und ich mach das nicht. Prinzipiell handele ich da auch irgendwie nach meinem Instinkt – auch wenn ich deswegen schon ein paar Jobs abgesagt habe und auch in Zukunft absagen werde. Wenn die Chemie nicht stimmt, dann lass ich es lieber.

Dir ist schon wichtig, mit welchen Kollegen du zusammenarbeitest?
Moya: Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, vorher immer zu fragen. Es gibt bei mir jetzt schon so eine kleine Liste von Menschen, mit denen ich nicht so gerne zusammenarbeiten möchte, weil die sich entweder mir gegenüber arrogant verhalten haben oder einfach dämlich sind. Es ist halt sehr wichtig, dass man sich mit den Leuten am Set gut versteht. Mit Arroganz und falschen Etiketten kann ich überhaupt nichts anfangen. Wenn da so ein Arschloch-Beleuchter ist, der einen blöden Spruch reißt, dann verletzt mich das einfach. Da bin ich sehr sensibel. Aber auf der anderen Seite fließt auch alles Positive mit ein.

Auf Grund von Dreharbeiten bist du viel unterwegs. Wie ist es für dich, oft nicht zu Hause zu sein, getrennt von der Familie und deinen Freunden?
Moya: Beim Film habe ich eine zweite Heimat. Man kann sich sein ganzes Leben erzählen, aber auch einfach nur Smalltalk machen. Es ist sehr wichtig, dass man diese sozialen Kontakte pflegt. Wenn ich einen Film drehe, denke ich immer weniger über meine Sachen zu Hause nach. Heute rief mich meine Mutter an, weil ich eine Überweisung für bestellte Möbel, vergessen hatte. Umso mehr man arbeitet, desto mehr vergisst du das Zuhause.

Du hast schon in vielen Städten gedreht, für die „Commissario Laurenti“-Reihe stehst du in Triest vor der Kamera, für den „Fuchs“ regelmäßig in Frankfurt. Wo gefällt es dir am besten?
Moya: Manchmal kriegt man von den Städten gar nichts mit. Entweder bin ich so müde oder hab keinen Bock mehr raus zu gehen und bleib dann einfach in meinem Hotelzimmer liegen und schlaf ein. Hier in Osnabrück bin ich gestern aber mal die Straße runter gelaufen, war einkaufen, hab mir ein paar Sachen angeguckt. Es kommt jetzt immer häufiger vor, dass ich mich mit meiner Umgebung auseinandersetze. Es ist ja auch eine tolle Art und Weise, eine Stadt kennen zu lernen, wenn du dort hinfährst und du mit den Menschen, die auch von da kommen, in der Stadt drehst.

Was bedeutet dir deine Heimatstadt Berlin?
Moya: Alles. Berlin ist meine Identifikation, die tollste Stadt der Welt. Seit meiner Geburt wohne ich mit meiner Mutter in der gleichen Wohnung, wir sind nie umgezogen. Da bleiben wir auch, für immer. Das ist einfach Heimat, da hab ich alles erlebt. Diesen Ort will ich nicht missen. Ich habe diesen Rückzugsort auch immer gebraucht, weil ich ja viel unterwegs war.

Gerade waren in Berlin Senatswahlen. Hast du gewählt?
Moya: Ja, SPD und Grüne.

Eine klare Aussage.
Moya: Das war das einzige, was da in Frage kam. Ich halte nichts von der CDU, die ist mir überhaupt nicht geheuer. Christlich? Nee, muss nicht sein. Ich glaube, Religion und Regierung sollten prinzipiell getrennt werden. Ich finde, eine Christlich Demokratische Union ist nicht korrekt.

Nur aus Prinzip oder geht es dir da auch um Inhalte?
Moya: Ja natürlich, auch wenn ich mir das Parteiprogramm nicht angeguckt habe. Ich konnte die einfach nicht ernst nehmen, so wie die sich da bewegt haben. Das hat mir nicht gefallen, das entsprach nicht meinem Naturell. Da fand ich gerade auf der kommunalen Ebene die Grünen sehr ansprechend und sehr interessant, weil die wirklich für das urbane Zusammenleben in Berlin – in Kreuzberg, Prenzlauer Berg, Friedrichshain – sehr viel getan haben. Da soll es keine anderen geben. Auch dass Wowereit in Berlin wieder gewonnen hat, find ich gut. Der ist einfach klasse, da will ich nicht so einen CDU-Futzi haben. Der Bürgermeister repräsentiert eine Stadt, der ist so was wie ein Maskottchen…

Du drehst gerade hier in Osnabrück einen „Tatort“, in wie weit unterscheiden sich die Dreharbeiten für einen Krimi von denen für eine Komödie?
Moya: Beim Krimi sitzt du nicht da und erzählst Witze, springt auch nicht groß rum. Ich bin da eher ruhig und konzentriere mich. Ich höre dann einfach Musik, je nachdem in was für einer Stimmung ich sein möchte. Beim „Fuchs“ zum Beispiel unterhalten wir uns immer, erzählen einen Witz. Wenn du deprimiert bist, dann spielst du nur die gute Laune, den Humor. Um witzig zu sein, um das Publikum zum Lachen zu bringen, musste halt einfach gut drauf sein.

Wann bist du zum ersten Mal mit der Schauspielerei in Berührung gekommen?
Moya: Ich war bei einem Freund und da haben wir einen Boxkampf im Fernsehen gesehen. Wir haben das einfach aus Spaß nachgemacht. Eine Freundin von der Mutter meines Freundes saß daneben, die machte gerade ein Casting für „Frau2 sucht Happyend“. Ich bin dann zum Casting eingeladen und auch gleich genommen worden.

Was hast du für Erinnerungen an deinen ersten Film?
Moya: Es gibt da eine Szene mit Ben Becker, wo ich im Wohnzimmer sitze und seine Plattensammlung durchstöbere. Er kommt rein und schreit mich an. In den Proben hat der Regisseur Edward Berger die Rolle von Ben Becker gespielt: Einfach, um zu sehen, ob ich in der Lage bin, mich darauf einzulassen. Der hat mich dann so angeschrieen und so angepackt, dass ich angefangen habe zu weinen. Ich war so unter Strom, hab nicht verstanden, dass das nur gespielt ist. Mir kam das so echt vor. Ich war 12 Jahre alt und zudem ein ziemlicher Spätzünder. Mehr Kind, als es andere wahrscheinlich waren. Gerade jetzt seit „Keller“ gibt es immer wieder Projekte, wo man vergisst, dass man nur „spielt“.

Hast du dich in der Filmwelt damals sofort zu Hause gefühlt?
Moya: Ich fand das damals sehr, sehr gut und habe in dem Moment, als ich das erste Mal am Set war, gemerkt, dass es das ist, was ich machen möchte und es da keine Alternative gibt. Es hat mir sehr geholfen, dass ich mit 12 Jahren schon wusste, was ich will. Ich glaube, man wird nicht zum Schauspieler. Man ist entweder als einer geboren oder nicht. Meine Mutter hat mir immer gesagt: Es gibt Köche und Menschen die kochen und Schauspieler und Menschen, die machen Filme.

Eine Art Schicksal?
Moya: Es muss dein Ding sein und aus dir rauskommen. Das ist das bisschen Schicksal, an das ich glaube. Man wird als Anzugträger oder als Börsenmakler geboren. Ich hatte nie ein mathematisches Talent und es kann mir kein Mensch erzählen, dass sich das anders geprägt hätte, wenn ich anders aufgewachsen wäre.

Tust du etwas, um deine schauspielerischen Fähigkeiten weiter zu verbessern?
Moya: Ja, klar. Das Wichtigste ist immer, dass du dich gut vorbereitest und dir über deine Rolle klar wirst. Den Text musst du sofort lernen, das muss ganz automatisch passieren, da darfste nicht lange drüber nachdenken. Das wurde mir erst durch die Arbeit mit Götz George so richtig bewusst. Ich glaube, den Prozess des Arbeitens an dir als Schauspieler gibt es immer. Das hängt nicht davon ab, ob du an einer Schaupielschule bist.

Käme das für dich denn in Frage?
Moya: New York wäre der Schritt dahin. Dieses Stipendium wäre eine tolle Chance. Aber ich geh jetzt nicht für zwei oder vier Jahre an die Ernst-Busch-Schauspielschule und mache dort meinen Abschluss als Diplomschauspieler. Das wäre nicht das richtige für mich. Ich möchte so viel wie möglich lernen. Ich möchte ganz, ganz viel lernen, aber nicht nur von einer Person, sondern von so vielen wie möglich. Auch in Paris, London, New York. An anderen Orten, wo Menschen anders denken.

Auf welche Art und Weise beschäftigst du dich mit den Themen, die in deinen Filmen eine Rolle spielen?
Moya: Im nächsten Jahr, spiele ich in einem Kinofilm einen Jungen, der zum Nazi wird. Ich hab selbst überhaupt keine Ambitionen zu irgendwelcher Form von Faschismus oder Rechtsextremismus. Von daher muss ich mich schon sehr damit befassen und mich im Vorfeld darüber informieren und auch in einer gewissen Form darin abtauchen. Jetzt nicht für die NPD ein Kreuzchen machen, um Gottes Willen. Aber sich mit diesen Leuten auseinandersetzen, sich mit denen unterhalten.

Was steht sonst noch an?
Moya: Jetzt direkt im Anschluss an den Tatort drehe ich drei Wochen „Vögel ohne Beine“. Der Film handelt von einer türkischen Immigrationsfamilie, die in Berlin wohnt und sich mit ihren Problemen auseinandersetzen muss. Eine sehr starke und harte Geschichte mit starken Charakteren. Ich spiele da den mittel alten Sohn der Familie. Dafür muss ich die Haare abschneiden, ins Solarium gehen, andere Kleidung tragen, kurz: Ein ganz anderer Typ werden. Das ist spannend. Dann kommt noch ein Episodenfilm, bei denen es um drei Schicksale geht. Diese drei Figuren stoßen jeweils aufeinander und müssen mit sich selbst und ihrem Leben klarkommen. Eine unglaublich starke Geschichte, das beste Drehbuch das ich bis jetzt gelesen habe. Der Film heißt „(gem)einsam“. Außerdem drehen wir die Folgen 6 und 7 vom „Fuchs“. Es gibt immer was zu tun.

Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Moya: Batman! Der Leitsatz in meinem Leben ist: Immer allein, aber nie einsam. Ich bin eher so die Beobachterfigur, was nicht heißen soll, dass ich mich auf den Hochhäusern sehe und alle kontrolliere. Abends liege ich zum Beispiel auch gern allein in meinem dunklen Zimmer und gucke an die Decke, da bin ich auch sehr gerne sehr melancholisch. Ich lebe in meinem Kopf in einer Welt von Märchen und Geschichten. Ich bin extrem glücklich und ausgefüllt. Es gibt keine negativen Gedanken in meinem Leben.

6 Kommentare zu “Ich lebe in meinem Kopf in einer Welt von Märchen und Geschichten.”

  1. Sarah |

    hey na du^^

    ich bin echt stolz auf dich was aus dir geworden ist (trotz unserer difference/hatten wir überhaupt welche) mach weiter so

    Antworten
  2. julia |

    hey du!!!

    bist echt a guter schauspieler!!!
    find dích klasse!!!

    Antworten
  3. ikognito |

    Jo sergej

    Jo hätt nie gedacht das du dich mit der schule so krass auseindandergesetzt hast! Glückwunsche von einem alten klassenkameraden der 10/22 :P

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  4. Anonymous |

    !!!!!!!!!

    meinen herzlichsten glückwunsch zum undine award!!!

    Antworten
  5. anonym |

    sehr gutes interview

    ein cooles interview! du setzt dich mit so vielen verschiedenen sachen auseinander und hast einen guten standpunkt zur schule. wie wäre es mit bildungsminister statt schauspieler?
    – berlin hat gut gewählt, aber warum „muss christlich nicht sein“?

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  6. klaus |

    klaus

    fand ick dufte

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