Steve Buscemi

Interviews sind ein Teil meines Berufes.

Schauspieler und Regisseur Steve Buscemi über das Independent-Kino, seinen Film „Interview“ und den ermordeten Regisseur des Originals Theo van Gogh

Steve Buscemi

© Kinowelt

Mr. Buscemi, Sie spielen in Ihrem neuen Film „Interview“ einen Journalisten. Die erste Frage, die er stellt, möchte ich auch Ihnen stellen: Welche Bedeutung hat Ihr Name?
Buscemi: Eine Stadt im Süden Siziliens heißt Buscemi. Die Familie meines Vaters stammt von dort.

Haben Sie Eigenschaften, die Sie sich mit diesen italienischen Wurzeln erklären?
Buscemi: Ich habe mich damit nie besonders verbunden gefühlt, zumindest nicht bis zu einem Urlaub, den ich vor wenigen Jahren auf Sizilien gemacht habe. Als ich mit meiner Frau und meinem Sohn in der Gegend meiner Großeltern unterwegs war, hatte ich schon ein seltsames vertrautes Gefühl. Erklären kann ich das aber nicht.

Zwei Mitglieder Ihrer Filmfamilie, mit denen Sie immer wieder gearbeitet haben, sind Joel und Ethan Coen, die dieses Jahr bei der Oscar-Verleihung triumphierten. Sehen Sie darin eine positive Signalwirkung für das unabhängige Kino, jenseits des Hollywood-Mainstreams?
Buscemi: Nein, nicht wirklich. Ich habe mich für sie gefreut, aber es ist, wie mit dem New Hollywood der 70er Jahre. Die Filme dieser Zeit, wie „Midnight Cowboy“, sind für mich nach wie vor sehr wichtig, aber sie waren damals auch nur möglich, weil die Hollywoodstudios in der Krise steckten. Die gehen eben immer dorthin, wo gerade Geld zu machen ist.

Wie kam es zu Ihrem Remake von „Interview“, einem Film des ermordeten niederländischen Filmemachers Theo van Gogh?
Buscemi: Ich bin gefragt worden. Ich war gerade in Brooklyn am Set, wo ich eine Episode der TV-Serie „Die Sporanos“ drehte. Ein Produzent aus der Nachbarschaft brachte mir drei DVDs mit Filmen von Theo van Gogh vorbei. Wie sich herausstellte, hatte Theo die eigentlich selbst in New York noch einmal drehen wollen. Nun suchten die Produzenten drei Regisseure. Ich sah mir noch am selben Abend die Filme an. Ich mochte alle, aber „Interview“ war mir am nächsten.

In dem Film verwickeln sich eine populäre Schauspielerin Katja und der Politik-Journalist Pierre während eines Interviews in ein psychologisches Katz-und-Maus-Spiel. Hat es Sie gereizt, einmal die Seiten zu wechseln?
Buscemi: Ich mochte einfach, wie die Geschichte gebaut ist. Zwei Menschen, ein Raum, gefilmt mir drei Kameras gleichzeitig. Das konnte sehr schnell gedreht werden. Ich liebe diese Art Filme, die so konzentriert sind, dass sie sich einem beim ersten Sehen nicht komplett erschließen.

Aber als der Schauspieler, der Sie sind, werden Sie sich doch nicht nur formal für diesen Stoff interessiert haben?
Buscemi: Was mich interessiert ist Folgendes: Diese beiden Menschen werden von einem Job zusammengebracht, der ein Desaster zu werden droht. Ihnen fällt es wegen ihrer Berufe schwer, den anderen außerhalb ihres Berufes wahrzunehmen. Aber auch sie sind in erster Linie Menschen, die nicht nur durch ihren Beruf definiert werden. Daher passiert etwas Unvermutetes. Sie teilen Lebenserfahrungen, in denen sie eine gemeinsame Ebene entdecken. Sie bekommen die Möglichkeit, einander zu helfen und fallen dann wieder in ihr Misstrauen zurück.

Der Film stellt allerdings Interviews als reinen Austausch kommerzieller Interessen dar, nicht als Instrument einer möglichen Wahrheitsfindung. Das ist doch unzweifelhaft ein medienkritischer Aspekt.
Buscemi: Ich weiß, dass Journalisten das gerne so sehen würden. Aber daran habe ich nicht gedacht.

Lesen Sie selbst gerne Interviews?
Buscemi: Manchmal, im Flugzeug. Aber ich lese lieber Biografien. Wenn ich einen Menschen kennen lernen möchte, lese ich keine Interviews mit ihm.

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Manchmal, im Flugzeug, lese ich gerne Interviews. Aber wenn ich einen Menschen kennen lernen möchte, lese ich keine Interviews mit ihm.

Steve Buscemi

Haben Sie Theo van Gogh gekannt?
Buscemi: Leider nicht. Ich hatte zuvor auch noch keinen Film von ihm gesehen. An „Interview“ habe ich allerdings mit seinem Produzenten Gijs van de Westelaken und auch mit seinem Kameramann Thomas Kist gearbeitet.

War es auch reizvoll, ein Original, das in Amsterdam gedreht worden war, nach New York zu verpflanzen, das zur Zeit seiner Gründung ja „Neu Amsterdam“ hieß?
Buscemi: (lacht) Wir wollten in der Tat eine Produktionsfirma „Nieuw Amsterdam“ gründen, in der holländischen Schreibweise, aber das hätte niemand aussprechen können. Theo hat New York geliebt und das war sicher einer der Gründe für ihn, hier seine Filme noch einmal drehen zu wollen. Wir wollten aus dem Film einen richtigen New York-Film machen, ihn etwas öffnen. Das Original findet ja fast nur in der Wohnung der Schauspielerin statt. Wir haben Szenen im Restaurant und auf der Straße, die Charaktere sind New Yorker. Für mich als Filmemache war es wichtig, mich von Theo inspirieren zu lassen, dem Geist des Originals treu zu bleiben, aber trotzdem einen eigenen Film zu machen.

Obwohl Sie dem Original überwiegend treu geblieben sind, haben Sie zum Beispiel das Ende verändert. Theo van Gogh ließ den Journalisten verhaften, bei Ihnen verschwindet er in der Nacht. War Ihnen die Verhaftung zu moralisch?
Buscemi: Ich fand sie immer etwas unglaubwürdig. So schnell kommt die Polizei nicht, wenn man sie ruft, erst recht nicht in New York (lacht).

Bemerkenswerter Weise widerspricht Ihr offeneres Ende dem Vorurteil, dass das amerikanische Remake eines europäischen Films zwangsläufig kommerzieller werden würde.
Buscemi: Ach, Katja und Pierre hatten während ihres Interviews Momente, in denen sie ehrlich miteinander waren. Sie konnten eine Verbindung herstellen. Am Ende geht Katja zwar als Siegerin aus diesem Duell hervor, aber auch sie bleibt einsam zurück. Das finde ich sehr traurig und ich wünsche beiden, dass die Erfahrung dieses Interviews nicht spurlos an ihnen vorübergehen wird.

Der Filmemacher Theo van Gogh wurde 2004 von einem islamischen Fundamentalisten ermordet. Ist ein Remake einer seiner Filme nicht automatisch auch ein politisches Statement?
Buscemi: Nein. Ich schätze ihn als Regisseur. Man merkt seinen Filmen an, dass er eine echte Liebe für seine Schauspieler hatte. Er hat sie gecastet und dann erst das Drehbuch auf sie zugeschnitten. Er hat die Schauspieler sehr unterstützt und ich wünschte, ich hätte auch mit ihm arbeiten können. Sein inhaltliches Interesse galt allem Anschein zum Trotz vor allem den Beziehungen zwischen den Menschen, weniger der Politik.

Allerdings hat ihm der politische Kurzfilm „Submission“, den er mit der islamkritischen Frauenrechtlerin Ayaan Hirsi Ali gedreht hat, das Leben gekostet.
Buscemi: Ich wollte überhaupt kein politisches Statement abgeben. Ich kenne mich auch nicht besonders gut mit der politischen Situation in den Niederlanden aus. Ich denke, die Person, die Theo getötet hat, war eine einzelne Person. Es wird da draußen immer solche verwirrten Geister geben, von denen man sich allerdings auch als Künstler nicht einschüchtern lassen sollte. Man sollte das tun, womit man sich wohl fühlt. Und ich wollte einfach den Film so gut machen, wie ich es kann und auf diesem Weg Theo als Filmemacher Tribut zollen. Nichts weiter.

Geben Sie eigentlich gerne Interviews?
Buscemi: Ich akzeptiere, dass es ein Teil meines Berufes ist. Wenn es nach mir ginge, würde ich über meine Filme lieber nicht reden. Die stehen für sich selbst. Aber wenn man einen Film mag, verstehe ich auch, dass man sich für seinen Macher interessiert. Das geht mir ja teilweise selbst so.

Haben Sie jemals selbst in einem Interview Neues über sich erfahren?
Buscemi: Dazu bin ich wohl zu kontrolliert. Ich müsste schon ganz tief in mich gehen, um mich selbst zu überraschen.

Ist diese Kontrolle leichter aufrecht zu halten, wenn man ein Schauspieler ist?
Buscemi: (Lacht) Ich weiß nicht. In einem professionellen Rahmen sind die Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre schon sehr klar. Wenn in „Interview“ die Schauspielerin ihren Interviewer zum Beispiel zu einem Kuss provoziert, ist das ja auch eher eine Fantasie und geht weit über die Realität hinaus. Zumindest in den USA haben wir PR-Mitarbeiter, deren Job es ist, diese Grenzen zu sichern.

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