Michael Konken

Der Appell an die Ethik wird immer weniger gehört.

Der Deutsche Journalistenverband ist mit rund 35.000 Mitgliedern die größte Journalisten-Organisation Europas. Michael Konken war von 2003 bis 2015 ihr Vorsitzender. Im Interview spricht er über Trennungsgebote, den Umgang mit „Lügenpresse“-Vorwürfen, wirkungslose Rügen, Autorisierung und seine Idee einer Haushaltsabgabe für Printmedien.

Michael Konken

Herr Konken, Sie waren von 2003 bis November vergangenen Jahres Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Sind Sie nun wieder wieder als Journalist tätig?
Michael Konken: Derzeit arbeite ich in Wilhelmshaven bei bei einem lokalen Rundfunksender, als Chefredakteursvertretung und Geschäftsführer. Und in Vechta lehre ich an der Universität Journalismus und Politik.

Haben Sie für Ihre berufliche Zukunft konkrete Pläne?
Konken: Die Uni-Tätigkeit wird mein Schwerpunkt sein. Die Mitarbeit beim Radio hatte sich kurzfristig ergeben, war nicht geplant. Ich werde dort zunächst für ein Jahr arbeiten, mal sehen, wie es danach weiterläuft. Dieser Job macht mir allerdings  richtig Spaß.

Nach so langer Zeit als Funktionär, scheint Ihnen der Wiedereinstieg in die journalistische Praxis nicht schwer zu fallen …
Konken: Das ging reibungslos. Ich kann beide Tätigkeiten auch gut miteinander verknüpfen, denn der Sender ist auch ein Ausbildungsbetrieb mit vier Volontären und weiteren Praktikanten.

Sind Sie weiterhin Mitglied des ZDF-Fernsehrats?
Konken: Ja, die Amtsperiode dauert noch bis Ende Juni und bis dahin gehöre ich ihm an. Danach wird der DJV aber darüber entscheiden, wen er künftig als Vertreter in den ZDF-Fernsehrat entsendet. Normalerweise nimmt der oder die DJV-Vorsitzende diese Funktion wahr.

Zitiert

Eigentlich müssten die Journalisten auf die Barrikaden steigen.

Michael Konken

Herr Konken, für Rundfunk und Presse schreiben Gesetze die Trennung zwischen Redaktion und Werbung vor. Doch offenbar wird dagegen immer häufiger verstoßen, werden Werbung oder PR-Beiträge nicht deutlich genug als solche gekennzeichnet. Das sogenannte „Native Advertising“ nimmt auch in deutschen Medien zu, hier bezahlen Unternehmen dafür, dass sie ihre Werbung als redaktionell aufgemachte Beiträge platzieren dürfen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Konken: Ich sage mal einen Satz voraus: Wenn Journalismus glaubwürdig bleiben soll, muss man dieses Trennungsgebot achten. Gerade in einer Zeit, in der der Begriff „Lügenpresse“ immer häufiger benutzt wird, sollte der Journalismus dieses Trennungsgebot wirklich streng einhalten.
Aber wir wissen natürlich, dass die Einnahmen im Werbebereich immer mehr zurück gehen. Ihr Anteil an den Erlösen ist deutlich zurück gegangen, er lag vor zirka15 Jahren noch bei zwei Drittel der Einnahmen, bei den Printmedien sind wir jetzt weit unter 50 Prozent, erste Titel gehen schon in Richtung 40 Prozent. Diese Rückgänge sind nur begrenzt mit gesteigerten Vertriebseinnahmen zu kompensieren.
Insofern öffnen die Medienhäuser immer mehr die Schleusen, um Werbung anders zu platzieren. Diese Tendenz ist seit Jahren zu beobachten. Oft geschieht das auf Druck der Verleger oder der Geschäftsführungen. Ich hoffe, dass man auch dort erkennt, wie sehr die Glaubwürdigkeit der Medien mit einer klaren Trennung von Redaktion und Werbung zusammenhängt. Aber ich befürchte, dass die Grenzüberschreitungen zunehmen.

Was könnte man dagegen tun?
Konken: Eigentlich müssten die Journalisten auf die Barrikaden steigen und sagen, ‚das machen wir nicht mit!‘ Jeder gute, jeder seriöse Journalist sollte sich dagegen wehren, aber das ist in der heutigen Zeit nicht ganz einfach, wenn der Verleger seine Zahlen auf den Tisch legt und die Jobs der Redakteure in Frage stellt. Wir wissen genau, dass die innere Pressefreiheit nicht überall existiert, und dass man sich gegen wirtschaftliche Zwänge oft nicht wehren kann.

Eine wirtschaftliche Abhängigkeit bei Angestellten, wie auch bei freien Mitarbeitern führt dazu, dass sie gegen die Verletzung bedeutender Trennungsgebote nicht aufbegehren?
Konken: Nein, aber wir beobachten, dass Anzeigenkunden Druck ausüben, wenn es zu kritischen Berichten kommt.

Zum Beispiel?
Konken: Nun, ALDI Süd hat schon einmal Anzeigen bei der Süddeutschen Zeitung storniert, weil dort kritisch über den Einzelhandelsriesen berichtet wurde. Die Lufthansa hat Bordexemplare storniert, weil es kritische Berichte über sie gab. Nur zwei Beispiele von vielen. Also, so etwas hat es schon immer gegeben und gibt es immer wieder. Und gerade auf der lokalen Ebene ist die wirtschaftliche Abhängigkeit der Verlage von der Werbewirtschaft noch viel größer.

Wo finden Journalisten und Redakteure heutzutage Verbündete, wenn Sie dennoch auf die Barrikaden gingen. Wer würde sie dabei unterstützen?
Konken: Nun, wir als DJV sind in solchen Fällen immer auf die Barrikaden gegangen. Als Gewerkschaft können wir allerdings auch nur Öffentlichkeit erzeugen und es direkt ansprechen. Man kann nur immer wieder die Qualitätsdebatte führen und mit den Verlegern ins Gespräch kommen. So ein Austausch mit Verlegerverbänden findet beispielsweise im Rahmen von Arbeitskreisen der „Initiative Qualität im Journalismus“ (IQ) statt. Aber die Verleger hören ja mitunter nicht mal mehr auf ihre eigenen Verbände. Insofern muss jeder Verleger selbst darüber nachdenken, wie wichtig ihm dieses Qualitätsmerkmal für seinen Journalismus ist, eine klare Trennung von Werbung und Redaktion vorzunehmen.

Das klingt sehr appellhaft – richtig Wirkung erzielen derlei Aufrufe nicht wirklich, oder?
Konken: Das stimmt. Man kann Verstöße dem Presserat melden, der dann darüber entscheidet und im schlimmsten Fall Rügen ausspricht – aber das war’s auch schon mit den Möglichkeiten für Sanktionen oder Maßregelungen. Daher bleibt der Appell an die Ethik, aber ich bin mir durchaus bewusst, dass dieser Appell immer weniger gehört wird.

Stichwort Presserat, eine vom Staat unterstützte, aber autonom agierende Einrichtung, getragen durch Gewerkschaften und Verlegerverbände, mit der sich die Presse selbst kontrolliert. 2015 gingen dort mehr Beschwerden ein als je zuvor. Bei den vom Presserat ausgesprochenen Rügen geht es nicht allein um die Verletzung des Trennungsgebotes, sondern auch um Verletzung von Persönlichkeitsrechten und weitere Fragen der journalistischen Ethik. Allerdings wird die Wirkung der Rügen immer wieder angezweifelt.
Konken: Der Presserat kann nur mit den Instrumenten Rüge, Missbilligung und Hinweis arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass in der Vergangenheit Rügen, oder auch die Missbilligungen und Hinweise, wesentlich ernster genommen. Die Selbstkontrolle darf aber nicht zum Merkposten werden. Man denkt vielleicht kurz mal darüber nach und geht dann wieder zur Tagesordnung über. Aber wir haben es leider schon erlebt, dass selbst Rügen manchmal nicht mehr veröffentlicht werden, obwohl man sich als Verlag dazu verpflichtet hat.

Geschäfts- und Pressestelle des Presserats sagen, er würde dann wirkungsmächtiger, wenn seine Arbeit mehr medialen Raum bekäme, wenn Rügen, Missbilligungen und Hinweise insgesamt mehr Platz in den Medien bekämen. Würden mehr Debatten über die Fehler von Journalisten gegen deren Glaubwürdigkeitsverlust helfen?
Konken: Zumindest bei wichtigen Themen, zu denen es Beschwerden und Rügen gibt, haben wir in jüngster häufig breit angelegte Diskussionen darüber, was in den Medien falsch gelaufen ist.
Gewiss kann man auch fragen, wen die Rügen überhaupt interessieren. Das ist vielleicht eine überschaubare Gruppe von Journalisten, aber nimmt die Öffentlichkeit diese Rügen überhaupt zur Kenntnis? Ich stelle immer wieder im Gespräch fest, dass die meisten gar nicht wissen, dass sie sich überhaupt an den Presserat wenden können; und dass man sich ebenso an den Rundfunk- oder den Fernsehrat sowie an die Landesmedienanstalten wenden kann, auch das ist gar nicht bekannt.

Wer könnte oder sollte denn diese Mechanismen bekannter machen?
Konken: Wir Journalisten. Doch natürlich muss das Thema in der Öffentlichkeit mehr Relevanz erhalten. Meist registrieren sie erst, wenn es zu einem Problemfall gekommen ist.

Andererseits wird der Presserat ja nicht gerade gestärkt, wenn sich ein Blatt wie die Bild-Zeitung seit Jahren immer wieder zahlreiche Rügen wegen Verletzung des Pressekodex einhandelt – aber an ihren Vorgehensweisen gar nichts ändert. Sehen Sie eine Lösung, wie der Presserat oder andere Einrichtungen die Verantwortlichen zur Räson zu bringen?
Konken: Also, die Bild-Zeitung immer wieder die Grenzen der Ethik und des Pressekodex austesten, das wird man nicht ändern können. Auf der anderen Seite hat die Bild-Zeitung natürlich eine Riesen-Auflage und insofern ist da die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass Menschen über solche Berichte Beschwerden einreichen.
Aber, fast jeder weiß, wie er die Berichterstattung der Bild-Zeitung bewerten muss. Womit ich nicht sagen will, dass die Bild-Zeitung nicht journalistisch arbeitet. Aber Boulevardjournalismus muss eben anders eingeordnet werden.

Doch für Bild-Journalisten gilt der Pressekodex doch genauso.
Konken: Ich würde mir manchmal auch wünschen, dass die Bild nicht immer wieder an die Grenzen des Pressekodex geht. Gerade deswegen ist es wichtig, der Bild-Zeitung immer wieder den Spiegel des Pressekodexes vorzuhalten Macht man es nicht, werden andere nachziehen und versuchen, in diese Freiräume hineinzugehen.

Also, mehr als den gestrengen Zeigefinger des Presserats wird es nicht geben?
Konken: Nein, eine andere Möglichkeit von außen lässt zum Glück unser Grundgesetz und unser Verständnis von Pressefreiheit nicht zu. Aber, ich finde schon, dass der Presserat eine vernünftige Einrichtung ist, und es ohne ihn wahrscheinlich noch schlimmer aussehen würde.

Seit geraumer Zeit wird über die Glaubwürdigkeit von Journalisten diskutiert, welche immer häufiger als „Lügenpresse“ beschimpft werden. Das Publikum scheint sensibilisiert für die Arbeit der Medien. Das wäre doch ein guter Zeitpunkt, um mehr auf die selbstreinigenden Prozesse innerhalb der Branche hinzuweisen und einzugehen …
Konken: Durchaus, denn hier gibt es einen guten Ansatzpunkt, eine Art „Kampagne“ zu starten, um der Öffentlichkeit klarzumachen, welche Möglichkeiten jedermann hat, sich gegen Verfehlungen der Medien zu wehren, aber auch, um die Seriosität des Journalismus zu verdeutlichen. Der Begriff der Lügenpresse ist eine Propagandaschlacht derjenigen, die keine Medienkompetenz besitzen und eher Verschwörungstheorien und Internetlügen hinterherlaufen und sie verbreiten.
Für eine solche Kampagne müssten alle zusammen an einem Strang ziehen, Verleger, Journalisten, Rundfunkanstalten, private Medien. Doch es wäre gut für die Glaubwürdigkeit des Journalismus. Denn ich stelle immer wieder fest, dass auch vernünftige Menschen auf unseriöse Nachrichten und Pseudo-Nachrichtenportale leicht hereinfallen, sie positiv bewerten und weiterempfehlen. Da scheint mir ein gewisses Maß an Medienkompetenz verloren gegangen zu sein. Daher bedarf es wirklich einer solchen Öffentlichkeitsarbeit und ein mehr an Vermittlung von Medienkompetenz durch Schulen und Hochschulen.

Dazu müsste die Medienbranche kollektiv Geld in die Hand nehmen …
Konken: … und das fehlt dann meistens.

Es gibt ja auch das Trennungsgebot zwischen Tatsachen-Bericht und Meinung, und Sie haben einmal gesagt, dass auch diese Grenze zunehmend verwischt werde und wieder klarer gezogen werden müsse. Haben Sie das Gefühl, Ihr Aufruf wurde erhört?
Konken: Das Gefühl habe ich leider nicht. Wenn ein Journalist sein Handwerkszeug lernt, dann lernt er, dass die Nachricht eine Wiedergabe von Fakten ist. Und der Kommentar ist seine Meinung. Ich beobachte schon länger, dass zunehmend die Nachricht mit Wertung oder Kommentierung vermischt wird, und das ist schlicht der Versuch der Beeinflussung.

Sie sagen also, den ausgebildeten Journalisten werden die Trennungsgebote gelehrt, doch in der Praxis werden die Grenzen kontinuierlich überschritten. Die Akteure wissen, wie es richtig ist, doch im journalistischen Betrieb missachten sie die Regeln. Wie kann das sein?
Konken: Ich kann das auch nicht nachvollziehen. Gerade noch vor wenigen Tagen habe ich in der Redaktionskonferenz darauf aufmerksam gemacht, dass bei meinem Lokalsender in Nachrichtensendungen nur die Nachricht ohne eigene Wertung gesendet wird. Es ist eine Sache der inneren Kontrolle in einer Redaktion, dass man diese klare Trennung lebt. Hier sind die Redaktionen und Chefredakteure gefordert, genauer hinzuschauen.

Offenbart sich hier womöglich ein Widerspruch zwischen den Ausbildungsinhalten für journalistische Berufe einerseits und der Realität in Verlagen und Sendern andererseits? 
Konken: Ich weiss nicht, woran es liegt. Vielleicht verliert man in der Hetze des Alltags ein bisschen den Überblick, wo die Grenzen sind, oder es schleicht sich mit der Zeit ein, dass man sich als Journalist eine Meinung bilden und die auch gleich in einer Nachricht wiedergeben soll. Womöglich müssten Journalisten mehr an Fortbildungen teilnehmen, um Wissen aufzufrischen oder Praktiken zu trainieren. Dafür müssten ihnen die Verleger dann auch Bildungsurlaub geben. Letzteres ist leider nicht der Fall. In anderen Berufen funktioniert das.

Das hört sich an, als beschwörten Sie gute, alte Tugenden – und dennoch scheinen die Entwicklungen oft in eine andere Richtung zu gehen … 
Konken: Es gibt solche Nachlässigkeiten wie in allen andren Berufen auch und ich rate einfach dazu, sich auf das Handwerkszeug zu besinnen. Dazu gehört, dass wir Journalisten unvoreingenommen sein und den Menschen Informationen geben sollen, die sie als Fakten wahrnehmen. Der Journalist muss es primär der Öffentlichkeit überlassen, die Fakten zu bewerten. Und anders funktioniert die öffentliche Meinungsbildung nicht. Wenn die Grenzen zwischen Tatsachen und Meinung verletzt werden, kommt es zum Vorwurf, dass die Presse hier versucht, die Öffentlichkeit zu beeinflussen. Wir müssen wachsamer sein als vorher – gerade weil die seriöse Presse heute immer mehr unter Beobachtung steht.

Sind handwerkliche Nachlässigkeiten womöglich dem veränderten Nachrichtenumfeld geschuldet? Wenn die Menschen mit ihren Online-Geräten vor Ort sind und in Windeseile was in die sozialen Medien melden, ob nun Augenzeugen, irgendwie Beteiligte oder Schaulustige – dann stehen die hinzu eilenden Journalisten mitunter in der zweiten, dritten Reihe. Doch sie müssen Berichte liefern – oder verkaufen – und um mit der vorausgeeilten Nachrichtenlage mitzuhalten, muss das Überprüfen der Quellen womöglich warten …
Konken: Gut, aber Schnelligkeit muss nicht heissen, dass wir Fakten mit Meinungen vermischen. Schnelligkeit kann auch heissen, etwas als noch nicht gesicherte Information deutlich zu machen.

Ist die Glaubwürdigkeit der etablierten Medien in die Diskussion geraten, weil sie zu schnell etwas übernehmen, was die Runde macht, um am Thema „dran“ zu sein?
Konken: Ja, klar, und da müssen wir aufpassen, dass nicht irgendwelche Informationen übernommen und weiter verbreitet werden, ohne sie selbst zu prüfen. Gewiss ist das ein Problem, das auch auf die gesunkenen Zahlen an Journalisten in den Redaktionen zurückzuführen ist. Aber das kann dennoch nicht bedeuten, dass wir ungeprüfte Nachrichten weiter verbreiten. So kommen Falschmeldungen zustande, und die befeuern den Vorwurf der Lügenpresse.
Nehmen wir die Vorfälle zu Silvester in Köln. Den Journalisten wurde vorgeworfen, dass sie zu lange gewartet haben. Doch es ging hier ja gerade darum, haltbare, verlässliche Informationen zu haben. Dafür ist man häufig, so auch in diesem Fall, auf andere angewiesen, hier auf die Kölner Polizei. Doch wenn diese den Informationskanal schließt beziehungsweise falsche Informationen herausgibt, dann ist es schon schwierig, die Abläufe zu klären.

Es war doch insgesamt eine schwierige Gemengelage, die schwer aufzuklären war – schon gar nicht auf die Schnelle …
Konken: Wenn die Polizei zunächst mitteilt, es war eine ruhige Nacht, und wenn man dann von anderer Seite hört, dass doch etwas vorgefallen sein soll, dann muss man als Journalist erstmal selbst recherchieren, bevor man etwas verbreitet. In so einem Fall genügt auch nicht eine Quelle, da muss man schon eine Kausalquelle haben, die das bestätigt.
Generell vertraut man Quellen wie der Polizei, und man geht im ersten Moment davon aus, dass andere Informationen eher Gerüchte sind. Erst als sich in diesem Fall vermeintliche Gerüchte mehr und mehr als Vorwürfe erhärteten und der Druck stärker wurde, misstrauten alle den Informationen der Polizei. Und dann musste ja auch die Polizei klein beigeben.
Also, das war schon eine schwierige Situation. Obwohl ich in diesem Fall auch denke, es waren in der Nacht sehr viele Menschen vor Ort, es müssten eigentlich genügend Informationen an Journalisten herangetragen worden sein. Insofern kann ich nicht so ganz verstehen, warum das Ganze erst am Montag richtig zum Thema wurde.

Steigen also eher die Erwartungen des Publikums an den Journalismus – oder ist es seitens der Medien eine neue Stufe des Strebens nach Reichweiten und Quoten, um zu überleben beziehungsweise das Dasein zu rechtfertigen?
Konken: Als seriöser Journalist darf ich nicht dem Druck des Publikums nachgeben. Das Publikum will sofort alle möglichen Informationen haben, aber das kann nicht heißen, dass wir ungeprüfte Nachrichten herausgeben oder spekulieren. Wir sprechen hier über die Ethik der Journalisten. Aber auch die Ethik des Publikumshat sich in den vergangenen Jahren verändert und ist teilweise sehr diffus. Früher hat es nicht einen derartigen Druck auf den Journalismus ausgeübt. Journalisten dürfen sich aber nicht von der Öffentlichkeit und auch nicht von Facebook-Wellen provozieren lassen sondern sollten weiter in Ruhe recherchieren, bevor sie etwas veröffentlichen. Allerdings wollen Verlage und Sender Auflage und Einschaltquoten. Und dieser Druck wird auf die Redaktionen ausgeübt. Insofern bleibt Journalisten oft keine andere Wahl als schnell zu berichten.

Aber dann verlieren sie vermutlich an Reichweite – und in der Folge auch an Bedeutung.
Konken: Ja, genau, und das ist das große Problem, da befindet sich der Journalismus wirklich im Zwiespalt. Die Abläufe bezüglich der Kölner Vorfälle macht mich schon sehr nachdenklich, weil sie sich in der Silvesternacht ereigneten, und erst am Montag die Massenmedien darüber berichtet haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Kollegen in den Redaktionen eingehend diskutiert haben, wie sie mit diesen Informationen umgehen, ohne dass sie in der Öffentlichkeit Ausländerfeindlichkeit schüren. Ich meine allerdings, dass Köln auch hinsichtlich des Umgangs mit dem Flüchtlingsthema einen Paradigmenwechsel verursachte. Künftig werden Journalisten häufiger die Nationalität der Straftäter beim Namen nennen, weil Köln wieder die falschen Prediger der „Lügenpresse“ beflügelte.
Aber man darf sich auch in diesem Fall nicht einer Tendenz verpflichten, sondern vor allem zu Wahrheit und Vollständigkeit. Und wir haben ja gesehen, wie dann die Öffentlichkeit reagiert.
Nachdenklich macht mich allerdings, dass die Kölner Ereignisse sehr lange medial verbreitet wurden, während die Ereignisse in Leipzig – massive Ausschreitungen von Rechtsextremen gegen Flüchtlingsunterkünfte – eher nebenher liefen.

Sollten Journalisten die Herkunft von Straftätern generell nennen oder nicht?
Konken: Straftäter ist für mich Straftäter, und insofern, ob es ein deutscher Straftäter ist oder ein ausländischer Straftäter, das hat für mich keine Bedeutung. Es stellt sich immer die Frage der Abwägung, wann die Nationalität genannt werden muss. Wenn allerdings eine große Gruppe ausländischer Straftäter auftritt, dann kommt man nicht daran vorbei, auch die Herkunft zu nennen. Das ist auch kein Verstoß gegen den entsprechenden Artikel des Pressekodex.

Sie sprachen bereits das Finanzierungsproblem des Journalismus an, weil die Werbeerlöse weiter sinken, diese jedoch noch nicht durch Vertriebserlöse ausgeglichen werden können – etwa durch den Verkauf von Abonnements und Heften sowie mittels Online-Bezahlschranken. Muss es also neue Finanzierungswege geben?
Konken: Ich war immer ein Streiter dafür, den Journalismus anders zu finanzieren. Wohlgemerkt: Den Journalismus, nicht die Verlage. Das Geld muss bei den Journalisten landen. Wir werden in den nächsten Jahre über eine Finanzierung nachdenken müssen, die außerhalb der Verlage läuft. Ich habe die „Haushaltsabgabe“ für Print- und Online-Medien gefordert, die staatsfern sein muss.  Das ist gewiss schwierig, es bedarf dafür auch Gesetzesänderungen. Aber ich meine, es ist hinzubekommen, von der jetzigen Haushaltsabgabe einen Teil für Print- und Online-Journalismus vorzusehen. Ich befürchte, dass es sonst langsam zu einem weiteren Sterben der Printmedien kommt. Und da Online-Medien sich nicht selbst finanzieren – sie werden immer noch durch die Printprodukte finanziert – laufen wir Gefahr, dass auch Onlinemedien davon betroffen sind.
Wenn Printmedien und damit auch Onlinemedien, auch im lokalen Bereich, erst einmal verschwunden sind, bekommen wir sie nicht wieder. Und dann haben wir eine Medienlandschaft, die vielfach aus unseriösen Quellen besteht, die nichts mit Journalismus zu tun haben.
Hier muss also gehandelt werden. Versuche, seriösen Journalismus beispielsweise über Crowdfunding zu ermöglichen, sind ganz nett und gehören dazu. Es sind aber nur Nischen, die genutzt werden müssen, aber nicht den großen Durchbruch bringen werden.

Sollte für solche, dann ja wohl öffentlich-rechtliche Print- und Online-Journalisten die Haushaltsabgabe erhöht werden – und wer verteilt die Gelder dann an wen?
Konken: Im Moment bräuchten wir die Haushaltsabgabe nicht erhöhen, denn es gibt ja Überschüsse, die quasi eingefroren sind und nicht genutzt werden. Politik, Medienvertreter und die Wissenschaft müssen schnell an einen Tisch, um staatsferne Lösungen für die Verteilung zu finden.

Die Idee klingt charmant, kommt aber womöglich zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Gerade die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind extrem in die Kritik geraten, ihnen werden quotenhöriges Programm, beeinflussbare Redaktionen, aufgeblähte Verwaltungsstrukturen vorgeworfen, manche fordern deswegen die Reduzierung oder gar Abschaffung der Haushaltsabgabe …
Konken: Die Kritik an den öffentlich-rechtlichen Sendern ist im Moment wirklich übertrieben. Und ich weiß auch nicht, von welcher Stelle sie hochgeheizt wird. Es gibt auch einige wenige Kollegen großer Zeitungen, für die das öffentlich-rechtliche System ein Dorn im Auge zu sein scheint und die es mit Schaum vor dem Mund niederstrecken wollen.
Ich jedenfalls bekomme im ZDF mit, dass die Journalisten da eine hervorragende Arbeit machen, das gilt auch für die ARD-Anstalten. Keiner lässt sich dort von außen beeinflussen, schon gar nicht durch die Politik. Sie gehen ihren Weg und berichten umfänglich, und das beweist die die tägliche Berichterstattung.
Die Öffentlich-Rechtlichen sind nicht dafür da, schöne Unterhaltungssendungen zu machen, sondern sie sind primär dafür da, Informationen zu geben, Kritik zu äußern, Kontrolle auszuüben – und an letzter Stelle kommt die Unterhaltung. Diesen Auftrag realisieren sie. Auch wenn das Publikum oft lieber die Unterhaltung im Vordergrund sieht.

Dieser Programmauftrag schreibt den Anstalten „Bildung, Information, Unterhaltung und Beiträge insbesondere zur Kultur“ vor. Inwieweit erfüllen ZDF und ARD diesen Auftrag, könnten Sie das in einer Prozentzahl ausdrücken?
Konken: Leider ist die Information in den vergangenen Jahren zurückgegangen, weil die Öffentlich-Rechtlichem sich auch ab und zu dem Druck der Einschaltquoten gebeugt haben. Doch gerade bei aktuellen Ereignissen kann man sehr gut feststellen, wie intensiv die Sender daran arbeiten, Menschen zu informieren und das auch glaubwürdig und seriös zu tun. Das beweisen dann Einschaltquoten beispielsweise zu den Anschlägen in Paris.
Ich bedaure, dass den politischen Magazinen die Sendezeiten gekürzt werden, denn sie sind wichtig für die Meinungsbildung. Zudem haben die Journalisten kaum noch Zeit, sich investigativen Themen zu widmen. Weiter ist bedauerlich, dass die Sender mit Verlagen Rechercheverbünde gründen müssen, um überhaupt noch intensiver Themen zu recherchieren – früher gab es genügend Kolleginnen und Kollegen, die dafür ausreichend Zeit hatten. Das beschneidet auch die Vielfalt der Recherche.
Auch haben die Anstalten nicht mehr ausreichend Journalisten, die sie aktuell sofort vor Ort schicken können, um dort gründlich zu recherchieren. Das ZDF hat mittlerweile über 500 Stellen abgebaut, und auch in der ARD wird sich der Stellenabbau bemerkbar machen.
Gleichwohl hat sich bei solchen Ereignissen in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, wie stark sich die öffentlich-rechtlichen ihrer Aufgabe bewusst sind und ihren Auftrag auch erfüllen. Ohne sie ist unsere Medienlandschaft nicht denkbar.

Ich hatte ja nach einer Prozentzahl gefragt …
Konken: Also, ich meine, dass das ZDF und auch die ARD ihren Programmauftrag noch immer zu 100 Prozent erfüllen.

In der Vergangenheit wurde den öffentlich-rechtlichen eine zu geringe Staatsferne vorgehalten. Sie selbst gehören seit zwölf Jahren dem ZDF-Fernsehrat an, kritisierten aber zugleich, dass da zu viele Politiker vertreten waren, nämlich 80 Prozent. Jetzt sind es von 70 Mitgliedern 31 Politiker, also etwas mehr als ein Drittel. Ist dieses Aufsichtsgremium jetzt staatsfern genug?
Konken: Dieses Drittel hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vorgegeben, und das ist schon ein Riesenschritt. Allerdings gehören den zwei anderen Dritteln gesellschaftliche Gruppen an, die durch Vorsitzende vertreten werden. Und diese Vorsitzenden sind meistens ehemalige, namhafte Politiker, die im Fernsehrat ihre politische Einstellung gewiss nicht wegwerfen.
In der Vergangenheit konnten wir im Fernsehrat immer wieder politischen Einfluss verhindern. Das politisch motivierte Herausdrängen des ehemaligen ZDF-Chefredakteurs, Nikolaus Brender, zwar nicht, aber dieser Fall war Auslöser dafür, dass sich das Verfassungsgericht damit beschäftigt hat. Und ich bin immer wieder froh, wenn aus den ZDF-Redaktionen Hinweise zu versuchter Einflussnahme kommen, damit beschäftigt sich dann der Fernsehrat. Und bisher ist es immer wieder gelungen, solche Versuche im Keim zu ersticken . Es wird allerdings nie gelingen, sie zu verhindern, einen Fernsehrat oder einen Rundfunkrat völlig unpolitisch zu besetzen.

Im Fernsehrat sitzen Vertreter der katholischen, evangelischen und jüdischen Kirche. Sollten auch Vertreter der islamischen Kirchenvertreten sein?
Konken: Sie gehören dazu. (Laut einem Bericht des Tagesspiegel wird der ZDF-Fernsehrat „bis Mitte 2016 neu zusammengesetzt“, wobei das Land Niedersachsen einen Vertreter aus dem Bereich Muslime bestimmt, Anm. d. Red.)

Zurück zur Haushaltsabgabe, von der zukünftig auch Print- und Online-Journalisten etwas abbekommen sollen …
Konken: … aber wohlgemerkt nicht zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Wie gesagt, es gibt momentan Überschüsse, über deren Verwendung man offen diskutieren sollte. Eine weitere Kürzung der Haushaltsabgabe wäre suboptimal und würde beweisen, dass die Politik den Ernst der Situation noch immer nicht begriffen hat und ihre Hausaufgaben nicht macht. Die skandinavischen Länder, selbst die Österreicher, praktizieren übrigens schon so etwas, mal im kleinen, mal im etwas größeren Rahmen. Beispielsweise fließen dort ähnliche Einnahmen teilweise in Stiftungen, die sie auch dann an Print- und Online-Medien geben.

Sie halten es also für zeitgemäß, journalistische Aktivitäten und den Journalismus durch ein Zwangsabgabe aller Haushalte unterstützen zu lassen …
Konken: … ja, vor allem, weil der Journalismus eine wichtige Kontrollfunktion hat, die der Artikel 5 im Grundgesetz auch deutlich macht. Und diese Kontrolle darf nicht verloren gehen, die muss weiter gestärkt werden. Hier hat der Gesetzgeber einen Auftrag für die Zukunft, dies mit einer Haushaltsabgabe zu sichern, die keine Zwangsabgabe ist.

Muss das System der Haushaltsabgabe und öffentlich-rechtlicher Medien bald vehement verteidigt werden?
Konken: Das kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Ist es die Masse der Öffentlichkeit, die das System kritisiert? Die meisten Menschen wissen schon, was sie an den öffentlich-rechtlichen Medien haben und auch an deren Sparten-Kanälen, die ja mittlerweile auch viele junge Zielgruppen erreichen.
Die da Kritik üben, die sollten nach Ungarn oder Polen schauen, dann wüssten die, was da gerade vorgeht. Und  dann muss die Kritik bei uns schnell verstummen.
Wir wissen heute sehr genau, wo und wann die Menschen sich informieren, besonders, wenn es wichtige politische Ereignisse, Katastrophen oder Anschläge gibt. Das passiert überwiegend bei den öffentlich-rechtlichen. Ein Beleg für die Glaubwürdigkeit. Insofern glaube ich, ihr Stellenwert in der Bevölkerung ist hoch und zudem fest verankert. Sollte sich das ändern, dann können wir auch unsere Demokratie abhaken. Wir brauchen die öffentlich-rechtlichen genauso wie Privatsender und die seriösen Print- und die Online-Medien. Das ist demokratisch praktizierte Medienvielfalt.

Zum Schluss eine Frage zur Praxis der Autorisierung von Interviews. Es kommt immer wieder vor, dass Interviewpartner – ob Musiker, TV-Prominente oder Unternehmer – im Zuge der Autorisierung eines Interviews ganze Antworten herauszustreichen oder dass sie verlangen, kritische Fragenumzuschreiben – anderenfalls würden sie das ganze Interview zurückziehen. Was lehren Sie diesbezüglich Ihren Studierenden?
Konken: Hierbei geht es nicht nur um das Persönlichkeitsrecht des Interviewten, sondern auch um dessen Urheberrecht. Es sind seine/ihre Aussagen, die auch zu verantworten sind. In einem Interview wird oft viel erzählt – und später merkt man beim beim Lesen, dass etwas aus dem Zusammenhang gerissen wurde oder falsch in der Auslegung verstanden wurde.
Was ich als Interviewter erzähle und was ich schriftlich vorgelegt bekomme … ich denke, der Interviewer fasst es vielleicht etwas anders auf, als ich es gesagt habe, und erst beim Lesen merke ich, das hätte ich anders formulieren müssen. Wenn es Formulierungen gibt, die in der Sache zu missverständlichen Aussagen führen könnten, dann muss das Ändern möglich sein, das ist auch unzweifelhaft. Das gesprochene Wort ist in der Deutung eben oft anders wie das geschriebene.
Es darf aber nicht sein, dass Interviewte komplette Interviews umschreiben. Ich habe auch etwas dagegen, wenn Interviews völlig zurückgezogen werden.

Wenn nun ein Interviewpartner die Freigabe einer Antwort verweigert, weil er sie gestrichen haben will, fänden Sie es dann legitim, dass man bei der Veröffentlichung zumindest die Frage veröffentlicht und dann dazu schreibt, die Antwort sei vom Interviewpartner gestrichen worden, weil er sie im Nachhinein nicht veröffentlicht sehen wollte?
Konken: Da hätte ich nichts dagegen.

Also wäre dies ein legitimes Mittel, um im Nachhinein den Konflikt deutlich zu machen?
Konken: Ja. Wir beide haben uns eine Stunde unterhalten und da achtet man nicht mehr auf jedes Wort. Erst beim Lesen wird deutlich, wie es treffender und deutlicher wäre. Insofern finde ich, dass die Autorisierung ein wichtiges Instrument ist, nicht nur für den Interviewten sondern auch für den Interviewenden, weil man sich damit auch selbst als Journalist absichert. Das habe ich ja in diesem Interview auch gemacht.
Allerdings ist es merkwürdig, wenn ich ein Interview gegeben habe und es dann komplett wieder zurückziehe. Das muss dann auch redaktionell deutlich gemacht werden.

[Das Interview entstand im Januar 2016.]

Michael Konken, geb. 1953, war von 2003 bis 2015 Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes. Davor arbeitete er als freier Journalist für verschiedene Tageszeitungen sowie für den Deutschlandfunk und Radio Bremen und war als Pressesprecher mehr

8 Kommentare zu “Der Appell an die Ethik wird immer weniger gehört.”

  1. Alreech |

    Ein weiterer Pluspunkt eine Journalismusbeitrags und seiner Kontrolle durch den Rundfunkrat:
    Islamkritiker welche die Islamophobie schüren können momentan in Blättern wie der Welt oder der FAZ ungeniert ihre Thesen zum Besten geben.

    In einem Beitragsfinanzierten System in dem auch Muslime ihren Sitz in den Kontrollgremien haben wäre dies nicht mehr möglich.
    Der Rundfunkrat könnte Zeitungen die solchen Menschen einen Plattform bietet von den Beitragsmitteln ausschließen – die Beitragsmittel könnten so ein wichtiges Druckmittel sein um die privaten Medien zu einer fortschrittlichen Berichterstattung zu erziehen.

    Antworten
  2. Robert |

    Ich verstehe das wirklich nicht. Das kann doch nicht ernst gemeint sein. Ich soll mit einer Abgabe gezwungen werden, zB BILD mit zu finanzieren?
    Über die Beurteilung der vorhandenen Medien mag ich nicht diskutiert. Ich teile seine Meinung so überhaupt nicht. Sei es drum. Aber warum zum Teufel, und dazu sagt er nichts, darf ich als mündiger Bürger, als autonomes Subjekt, nicht selbst darüber darüber entscheiden, was ich für richtig erachte. Und dazu gehört zwingend, dass ich darüber entscheide, was ich bezahle. Das Geld, das ich besitze, ist geronnene Lebenszeit. Ich habe es dafür bekommen, dass man meine Arbeit, die ich leistete, für zumindest ausreichend erachtete. Und soweit wäre erst mal altes in Ordnung. Das sind die Regeln. Warum für Journalismus dies nicht gelten soll, bleibt ein Geheimnis. Nein, ich will nicht bezahlen, was ich für unzureichende Arbeit halte. Es ist vollkommen unzumutbar und nicht diskutabel, das ich eine ruhige Stunde meiner begrenzten Lebenszeit, dafür arbeiten muss, die Arbeit anderer zu bezahlen, die ich ich nicht für gut erachte, deren Resultate ich nicht haben will. Vollkommen in Ordnung, dass andere es anders sehen. Die sollen es zahlen. Ich habe nicht mal einen Fernseher.

    Man muss schon sehr viel Text machen, um diese vollkommen unwiderlegbare Wahrheit weg zuschwatzen.

    Antworten
  3. Alreech |

    Spielen wir Michael Konkens Haushaltsabgabe für Journalismus doch mal durch:
    Am einfachsten wäre es die Gelder aus dieser Haushaltsabgabe über die jeweiligen Rundfunkanstalten der Länder zu verwalten.
    Da gibt es ja alles schon was Herr Konken fordert: einen staatsfernen Verwaltungsapparat – warum also das Rad neu erfinden ?
    Momentan wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk vom Gesetzgeber und den Gerichten daran gehindert der Presse Konkurrenz zu machen, – das müsste man ändern.
    Bleibt die Frage ob es einen Zusammenhang zwischen Medienkonsum und den Haushalt gibt. In der Mehrzahl der Haushalte werden Zeitungen und Magazine konsumiert, zudem hat die Mehrzahl der Haushalte eine Empfangsgerät (Briefkasten).
    Den Haushalt als Bezugspunkt für die Beitragspflicht zu wählen macht also Sinn, zumal die rasante technische Entwicklung der letzten Jahre es unmöglich macht den Zugang zu öffentlich-rechtlichen Medien nur dem Beitragszahler zu erlauben.
    Das Angebot müsste natürlich als Webseite und als App für Smartphones und Tablet-PCs verbreitet werden, zusätzlich könnte man eine gedruckte Ausgabe jeden Tag dem Beitragszahler in’s Empfangsgerät schicken (Briefkasten). Immerhin haben auch Menschen die weder Internet noch Smartphone & Tablet-PC benutzen für den Journalismusbeitrag gezahlt und sollten deswegen einen Ausdruck bekommen. Die dazu nötigen Daten liegen dem ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice vor, und die Portokosten sollten im Beitrag enthalten sein.
    Zusätzlich bietet es sich an im begrenzten Umfang in dieser öffentlich-rechtlichen Tageszeitung auch Werbung zu erlauben. Zum einen bietet man damit der deutschen Werbewirtschaft ein seriöses Umfeld in der sie für ihre Produkte werben kann, zum anderen können die Einnahmen aus der Werbung ohne Kontrolle durch den Rundfunkrat verwendet werden. Damit können dann z.B. junge kreative Kräfte wie Thomas Gottschalk und sein Bruder finanziert werden die neue und innovative Formate entwickeln.

    Allerdings irrt sich Michael Konken wenn er behauptet das die Hauptaufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien die Informationsvermittlung ist.
    Die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Medien ist die Grundversorgung, und zur Grundversorgung gehört auch Sport, Unterhaltung und Wissensvermittlung über Personen der Zeitgeschichte (Promis & Adlige). Also das was die BILD und Das Goldene Blatt schon sehr gut hinbekommen.
    Ich sehe auch keine großen Kosten in diesem Zusammenhang.
    Natürlich müsste jede Rundfunkanstalt eine neue Abteilung aufbauen mit entsprechenden fest angestellten Mitarbeitern in der Verwaltung, das müssen jetzt nicht unbedingt Journalisten sein, solide Verwaltungsangestellte tun es auch.
    Den Content kann man aus dem Webangebot der öffentlich-rechtlichen Sender übernehmen oder von freien Mitarbeitern einkaufen.
    Das Produktionssystem der öffentlich-rechtlichen bei denen die Stars ihre eigenen Produktionsfirmen haben ist da ein gutes Vorbild.
    Ein journalistisches Schwergewicht wie z.B. Jakob Augstein könnte für einen festen Betrag von X Millionen für z.B. den WDR mit journalistischen Material beliefern das seine Produktionsfirma herstellt.
    Das gute an diesem System ist das steigende Kosten in der Verwaltung der öffentlich-rechtlichen Medien durch Einsparungen bei Produktionsfirmen ausgeglichen werden können.
    Ich bin mir sicher das mit einer Umsetzung dieser Ideen die Misere der deutschen Presse ein schnelles Ende hat – worauf warten wir also noch ?

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  4. Patrick S |

    Der Herr Konken ist seit 2008 Mitglied im ZDF Fernsehrat und ist trotzdem der Meinung es gibt keine Beeinflussung von den Parteien. Bei der Abwahl von Nikolaus Brender hat er wohl geschlafen oder er findet sowas eben nicht als Beeinflussung.
    Das er bedauert das Politikmagazine und Informationssendungen gekürzt wurden ist auch etwas heuchlerisch… er als Fernsehratsmitglied trägt ja mit die Verantwortung dafür.

    Das der Großteil der Bevölkerung hinter dem ÖR System steht ist auch nur eine (gewagte) These. Wir haben mittlerweile über 4 Millionen Mahnverfahren weil viele Bürger schon soweit sind gegen das Gesetz zu verstoßen nur um dieses System nicht mehr zu unterstützen.

    Das Programmbeschwerden zu 99% abgelehnt werden zeigt auch den Nutzen und die Kompetenz des Fernsehrates für die Bürger. Grundsätzlich gehören die Rundfunkräte und der Fernsehrat eben abgeschafft und durch eine professionelle Aufsicht wie den BBC Trust ersetzt.

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  5. Maren Müller |

    Sehr viele unbelege Behauptungen, Fehldeutungen und vor allem der unvermeidliche, für die Berufsgruppe typsche, Hang zur Selbstüberschätzung. Es ist gerade die gestiegene Medienkompetenz der Rezipienten, die sie dazu veranlasst, sich alternativen Medien zuzuwenden, Beschwerden zu verfassen und Abos von tendenziösen, propagandistischen Kriegstreiberblättern zu kündigen. Wenn die Damen und Herren der Zunft sich wieder an ihr Berufsethos erinnern würden und wahrhaftige, interessante, relevante, objektive und moralisch einwandfreie Informationen böten, brauchten sie nicht über Zwangsfinanzierungsmodelle zu fabulieren, sondern hätten reißenden Absatz. Die Fähigkeit eigenes Handeln zu reflektieren, sollte dringend mal auf den Prüfstand bevor man das eigene Versagen auf „die anderen“ schiebt.

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    1. Marcel Langguth |

      So viel Müll liest man nur selten, es sei denn man schaut eben in die ach so oft verschriene „Main-Stream-Presse“. Speziell der öffentlich rechtlichen. Ihr wollt stetig nur Geld ohne anständige und gescheite Arbeit dafür zu leisten und das noch unter Zwang. Völlige Realitätsverweigerung und -verdrehung sind die Standpunkte und Aussagen im Interview. Längst wächst die Zahl derer, die dieses korrupte und selbstsüchtige System verstanden haben. Da hilft auch keine Verleumdung mehr. Euer Problem ist, was euch auch das Genick brechen wird, das ihr so gierig seit, dass ihr die Gutgläubigkeit, auch der bis jetzt noch „gehorsamen“ und brav zahlenden Menschen, überreizt. Für Menschen wie euch kann ich nur Hass und Ekel empfinden.

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  6. Alreech |

    Schön das Herr Konken die Programmbeschwerde nennt, er hätte auch erwähnen sollen das sie selten einen Effekt hat.
    Am meisten Erfolg haben dabei noch die Programmbeschwerden die von religiösen Kreisen initiiert werden, die können sich darauf verlassen das die entsprechenden Kirchenvertreter im Rundfunkrat dafür sorgen das unchristliches aus den Medien bleibt.

    Und genau dieses Modell möchte Michael Konken auch für die Zeitungen übernehmen ?
    Statt dem Leser der mit dem Kündigen seines Abonnements seine Unmut zeigen kann darf der Beitragspflichtige in Zukunft eine untertänigste Beschwerde einreichen, die mit einem Formbrief abgebügelt wird und in Ablage P, rund, landet ?
    Und die Verwendung der Beiträge kontrolliert dann ein Rat, der mit Vertretern verschiedener Gesellschaftlicher Gruppen besetzt ist, die aber nicht von den Beitragszahlern gewählt werden weil… ja warum eigentlich nicht ?

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  7. Gast |

    Haushaltsabgabe? Damit man sich feist und zufrieden zurücklehnen kann und das Zeitungsangebot dem Programm von ARD und ZDF entspricht? Eigentlich eine Frechheit, aber in letzter Zeit lassen ja immer mehr Journalisten raushängen, dass sie die klugen Aufklärer sind, die dem dummen Rest der Gesellschaft das Weltgeschehen erklären müssen. Genau das ist der große Denkfehler. Die Menschen sind mündig und können ihrerseits durchaus das Geschreibsel (teilweise muss man es so nennen) einordnen. I.Ü.: Wer die BILD verteidigt, macht sich mit ihr gemein. Hetze, Diebstahl von Bildern, Menschenverachtung etc. sind nicht das Ausloten von Grenzen, sondern bewusste Überschreitungen.

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