Katharina Saalfrank

Ich bin keine „Super Nanny“ – die Sendung heißt einfach so.

Diplom-Pädagogin Katharina Saalfrank über vier Jahre „Super Nanny“, Kindererziehung, Tabuthemen in der Familie und Kritik an ihrer Sendung

Katharina Saalfrank

© RTL

Frau Saalfrank, Sie sind seit 2004 als „Super Nanny“ im Fernsehen zu sehen…
Saalfrank: Moment! Ich bin nicht als „Super Nanny“ im Fernsehen zu sehen, sondern als Diplom-Pädagogin Katia Saalfrank und Familienberaterin in der RTL-Sendung „Die Super Nanny“. Das ist ein Unterschied.

Darauf legen Sie Wert?
Saalfrank: Ich bin keine „Super Nanny“ – die Sendung heißt einfach so.

Setzen Sie Eltern unter Druck, indem die sich an der pädagogischen Omnipotenz einer „Super Nanny“ messen lassen müssen?
Saalfrank: Ich finde diesen Titel in der Tat unglücklich gewählt, und er steht mir nicht selten im Weg zwischen den Menschen und dem, was ich erreichen möchte. Ich bin nicht „super“ und auch keine „Nanny“. Ich bin einfach eine Diplom-Pädagogin und durch die Öffentlichkeit eine Ansprechpartnerin für viele Menschen geworden. Durch diese Sendung habe ich häufig einen Vertrauensvorschuss bei vielen Menschen. Dieses Vertrauen müssen sich Kollegen ohne Öffentlichkeit bei ihren Klienten erst erarbeiten.

Ihre Sendung läuft seit vier Jahren. Wo sehen Sie Ihre Erfolge?
Saalfrank: Jedes Gespräch bewegt etwas und kann etwas verändern. Scheinbar kleine Schritte bedeuten für die Familie große Schritte, die wir gemeinsam wertschätzen und die sich auch nicht nach Jahren, sondern innerhalb kurzer Zeit einstellen.

Besteht nicht die Gefahr, dass die pädagogischen Impulse, die Sie in der Sendung angestoßen haben, recht schnell wieder verpuffen?
Saalfrank: Es sind häufig nicht die Dinge, die sich verändern, sondern die Sicht der Eltern auf die Dinge verändert sich – und das ist der entscheidende Schritt, der zu Veränderung führen kann. Ich begleite die Familien in Form einer intensiven und außergewöhnlichen Nachsorge, die sich in den vier Jahren etabliert hat, und die ich früher allein gemacht habe. Heute übernimmt ein professionelles Team von Psychologen unter meiner Leitung die Begleitung der Familien, wenn ich dort meine Arbeit beendet habe. Die Psychologen sind weiterhin Ansprechpartner für die Familien. Sie besuchen und unterstützen sie vor allem auch dann, wenn die Sendung ausgestrahlt wird.

Was offensichtlich auch nötig ist. Es ist nicht lange her, dass ein 15-jähriges Mädchen nach der Ausstrahlung einer Folge der „Super Nanny“ zusammengebrochen ist. Es heißt, sie sei nach Ansicht des fertigen Films total geschockt gewesen…
Saalfrank: Wir konnten die Situation durch Gespräche gut klären. Viele haben erst Angst vor der Ausstrahlung, können dann die Nachbetreuung und Begleitung bei der Ausstrahlung des Films aber gut annehmen.

Inwiefern sehen Sie Ihre eigene Arbeit selbst auch kritisch?
Saalfrank: Ich habe schon oft gesagt, dass ich meine Arbeit nicht unkritisch sehe. Es ist immer wieder eine Gratwanderung. Es gibt eben keine simplen Lösungen – im Gegenteil. Alles ist individuell zu sehen und ein sehr komplexes Beziehungsgeflecht. Es ist nicht einfach, das der Öffentlichkeit in einem so kurzen Film zu zeigen.

Wie begegnen Sie dem Vorwurf, die Würde der Familien werde verletzt, indem sie zum Objekt voyeuristischer Interessen der Fernsehzuschauer gemacht werden?
Saalfrank: Ich kann den Vorwurf in dieser medialen Diskussion nicht ganz nachvollziehen. Kinder leben häufig in ganz extremen Situationen, die für die Umwelt gar nicht sichtbar sind. Durch meine Arbeit in den Familien bin ich sehr dicht an solchen Situationen dran. Mein Anliegen ist es, das ein Stück weit zu zeigen und damit aufzurütteln. Es gibt mittlerweile zudem auch Studien, die belegen, dass Menschen aus anderen Gründen die Sendung sehen, nicht aus voyeuristischem Interesse. Auch die persönlichen Rückmeldungen, die ich tagtäglich bekomme sind anderer Art. Viele sehen sich und ihre Geschichte in dem, was die Kinder erleben. Ich finde, dass die Filme zunehmend sehr sensibel und differenziert die individuellen Geschichten der Familien zeigen – und zwar im Sinne der Kinder. Vor allem das ist mir wichtig.

Die Eltern sind diejenigen, die sich für die Sendung bewerben. Aber wie reagieren die Kinder, wenn Sie in die Familie kommen?
Saalfrank: Sie verstehen sehr schnell, worum es mir geht und merken, dass sich etwas zum Positiven für sie verändert. Oft sind die Kinder dankbar, dass jemand kommt, der ihre Bedürfnisse versteht, zu den Eltern vermittelt und so eine positive Veränderung herbeiführt.

Ist es im Sinne der Kinder, dass einzelne Beiträge der „Super Nanny“ Renner bei Videoplattformen wie Youtube sind und sie dort auf unbegrenzte Zeit in Situationen zu sehen sind, in denen sie zum Beispiel Gewalt gegenüber ihren Eltern anwenden?
Saalfrank: Ich kann das nicht begrüßen, aber auch nicht kontrollieren. Die Internetseiten von RTL und auch meine eigenen werden von allen Beteiligten gut und wertschätzend gestaltet. Leider ist das nicht überall im Internet so. Wenn ich könnte, würde ich das gerne im Sinne und zum Schutz der Familien verhindern.

Zitiert

Kinder sind in den meisten Familien eine 'Planungsangelegenheit' und keine Selbstverständlichkeit mehr.

Katharina Saalfrank

Es heißt immer, dass sich die Familien, die sich für eine solche Sendung bewerben, bewusst sind, worauf sie sich einlassen. Aber muss man manche Menschen nicht auch vor sich selbst bewahren, weil sie eben doch nicht genau abschätzen können, was für Folgen die mediale Aufmerksamkeit haben kann?
Saalfrank: Ich bin jemand, der sein Gegenüber ernst nimmt, das setzt auch Eigenverantwortung voraus. Ich bevormunde niemanden und traue den Menschen auch eigene Entscheidungen zu. Die mediale Aufmerksamkeit ist sogar häufig von den Betreffenden mit- und ganz bewusst einkalkuliert.

Weshalb?
Saalfrank: Eine Mutter sagte mal zu mir: „Ich habe 20 Jahre hinter verschlossenen Türen Gewalt erfahren. Das hat mich geprägt und Spuren bei meinen Kindern hinterlassen. Ich konnte mich trennen und möchte, dass alle Menschen sehen, wie ich das geschafft habe und was mir und meinen Kindern widerfahren ist.“ Das kann ich gut respektieren.

Gibt es für Sie und den Sender Grenzen, was nicht gezeigt werden darf?
Saalfrank: Grundsätzlich finde ich, dass es viel zu viele Tabuthemen in der Familie gibt. Missbrauch und extreme Gewalt sind nur einige Beispiele. Meiner Meinung nach ist nicht die Frage was, sondern wie etwas gezeigt wird. Aber da sollten Sie beim Sender selber nachfragen.

Migrantenfamilien werden in Ihrer Sendung nicht gezeigt. Aus welchen Gründen?
Saalfrank: In meiner Zeit in der Familienberatung hatte ich viele Eltern und Kinder mit einem solchen Hintergrund. Im Rahmen der Sendung bisher noch nicht. Woran das liegt, kann ich nicht sagen. Auch hier sollten Sie beim Sender nachfragen.

Glauben Sie, dass Sie Eltern, die die Sendung sehen, mit Ihrer Sendung ganz praktisch im Alltag helfen können? Funktioniert Lebenshilfe per TV?
Saalfrank: Mein Ansatz in der Sendung ist nicht, Eltern im Alltag praktisch zu helfen! Mir geht es eher darum, Themen aufzugreifen, die im Verborgenen stattfinden und oft tabuisiert sind. Wie zum Beispiel Gewalt in der Familie. Ich will vor allem die Folgen für Kinder aufzeigen. Die Gesellschaft spricht von „verhaltensauffälligen“ Kindern und vergisst dabei, dass sie Kinder somit eine schwere Bürde auferlegt! Denn wenn wir genauer hinschauen, wird deutlich, dass diese Kinder in einem oft krankmachenden Umfeld relativ gesund reagieren, bzw. sie gleichsam ein Gradmesser dafür sind, in welchem Zustand die Familie oder ihre Umwelt ist, die sie ja prägt. Diese Kinder zu stigmatisieren ist meiner Meinung nach nicht sinnvoll. Ich möchte mit der Arbeit in der Sendung dazu beitragen, dass wir die Ursachen für das Verhalten von Menschen suchen und verstehen lernen, um etwas zu verändern.

Es gibt auch Vorwürfe, einzelne Situationen seien gestellt, Protagonisten würden dazu aufgefordert sich für eine bessere Einstellung einen – oftmals negativen – Auftritt nochmals hinlegen. Welche Mittel sind zugunsten einer guten Quote erlaubt?
Saalfrank: Keine einzige Szene ist gestellt! Ich arbeite dokumentarisch, die Kamera begleitet mich. Keine so genannten „Mittel“ sind zugunsten einer „guten Quote“ erlaubt. Ich mache meine pädagogische Arbeit und werde dokumentarisch von der Kamera dabei begleitet.

Ist vor laufender Kamera überhaupt eine authentische Erziehungssituation möglich? Verhalten sich nicht sowohl Kinder und Jugendliche als auch deren Eltern anders, wenn permanent die Kamera mit dabei ist?
Saalfrank: Die Situationen sind in meiner pädagogischen Arbeit mit den Familien entstanden. Insofern gibt es keine Situation, die unrealistisch ist. In der Sendung wird meine authentische, pädagogische Arbeit mit den Familien gezeigt und aus vielen Stunden Familienbegleitung zusammengestellt.

Trotzdem unterliegt der Zusammenschnitt einzelner authentischer Szenen doch einer subjektiven Auswahl, oder nicht?
Saalfrank: Ich empfinde die Sendung als eine Art Zusammenfassung meiner Arbeit, die ganz authentisch ist. Ich habe allerdings nur bedingt Einfluss auf die Zusammenfassung.

Wie repräsentativ sind die in Ihrer Sendung gezeigten Fälle?
Saalfrank: Repräsentativ in Bezug auf was?

In Bezug auf Erziehungskonflikte und Probleme, die in Familien auftauchen. Oder sieht man in der Sendung nur die Spitzen?
Saalfrank: Also, erstmal sehe ich die Familien nicht als „Fälle“, die ich „bearbeite“, sondern arbeite mit Beziehungen, mit Menschen. In den Familien zeigen sich Beziehungsschwierigkeiten zum jeweiligen Partner und auch zu den Kindern, die überall und immer vorkommen. Konflikte und Krisen gehören zum Leben und zum Miteinander, insofern finde ich die gezeigten Schwierigkeiten repräsentativ.

Warum sind so viele Eltern mit Ihren Kindern überfordert?
Saalfrank: Es geht weniger um die Überforderung der Eltern, als darum, dass viele existentielle Ängste in Familien herrschen. Außerdem haben sich die Lebensumstände von Familien und unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Auch die Kindheit an sich gibt es ja eigentlich noch nicht so lange. Der Lebensabschnitt Kindheit entstand erst, nachdem Kinder nicht mehr als Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Mit dem so genannten „Pillenknick“ sind die Geburtenraten erst einmal zurückgegangen. Kinder konnten geplant werden. Seitdem sind Kinder in den meisten Familien eine „Planungsangelegenheit“ und keine Selbstverständlichkeit mehr.

Das bedeutet?
Saalfrank: Es hat zur Folge, dass Eltern sich Kinder in ihre gesamten Lebensumstände hineinplanen müssen. Eigene Pläne müssen häufig nach hinten gestellt werden. Oft ist es schwer den richtigen Zeitpunkt – den es ja nicht gibt – für ein Kind zu finden. Wer Kinder bekommt, ist ein Stück weit auf sich selbst zurückgeworfen und muss sich mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzen. Wie bin ich erzogen worden? Wie bin ich zu dem gewachsen, was ich heute bin? Heute gibt es kaum noch drei Generationen, die in einem Haus zusammenleben. Es gibt niemand in der unmittelbaren Nähe, mit dem Erziehungsfragen besprochen werden könnten. Eltern haben häufig kaum Orientierung und wissen wenig darüber, was sie ihren Kindern weitergeben wollen. Sie sind hilflos und verharren darin.

Ein Kommentar zu “Ich bin keine „Super Nanny“ – die Sendung heißt einfach so.”

  1. nicole |

    3.12.08

    Bin so giftig und endteuscht,habe mit dem Juastin geweint. seine Mutter hat so ein tollen sohn ganicht verdient. ich hoffe das er es jetzt besser hat,das sie da ein Auge drauf haben. ich kann so was nicht verstehen. bin auch mama von zwei kleine süßen und würde nie im leben so was übers herz bringen. und nicht die mutter ist das Opfer sondern Juastin….

    Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.