Charlotte Roche

Es fällt mir total schwer, mich locker zu machen

Charlotte Roche über ihr Leinwand-Debüt in „Eden“, Filmvorlieben ihrer Mutter, tückische Starkoch-Rezepte und die Frage nach dem Glück

Charlotte Roche

© Pandora Film

Charlotte, in „Eden“ gibst du dein Schauspiel-Debüt – kanntest du vorher schon Filme von Regisseur Michael Hofmann?
Charlotte Roche: Einen. Es gab einen Anruf, eine Einladung zum Casting und die Ansage: wir schicken dir ein Drehbuch von Michael Hofmann. Der Name sagte mir nichts. Dann habe ich den – dieses schreckliche moderne Wort – ‚gegoogelt’ und stellte fest, dass ich seinen Film „Der Strand von Trouville“ kannte, der tatsächlich einer meiner Lieblingsfilme ist. Wenn Leute gesagt haben: „Deutsche Filme sind immer scheiße“, dann habe ich gesagt: Neee, „Der Strand von Trouville“ ist gut!

Ein unkonventioneller Regisseur wie Michael Hofmann passt doch sehr gut zu Deinem Image.
Roche: (Lacht) Das ist so ein Wort, das man benutzt, wenn man kein anderes findet. Ich würde nicht sagen: „Ich will unkonventionell sein!“ Aber es ist halt so, dass ich bei vielen Filmen, die im Mainstream als „gut“ gelten, denke: Was ist das denn für ein langweiliger altmodischer, abstoßender Kram? Ich weiß nicht, wo das her kommt.

Welche Filme haben dich am meisten geprägt?
Roche: In meiner schlimmen Jugend? (lacht) „Die Blechtrommel“ wurde uns in einem sehr frühen Alter vorgeführt. Mama hat gesagt: „Ihr seid jetzt alt genug“ – was wir nicht waren. „Brazil“ gehörte dazu. Von „Harald and Maude“ würde ich heute sagen, das ist mein Lieblingsfilm. Trotzdem habe ich den viel zu früh gesehen. Meine Mutter ist ein ganz krasser Fan von Peter Greenaway und Jim Jarmusch. Sie findet, alle Mainstreamfilme sollten verboten werden und weigert sich, mit jemandem über einen Film zu reden, in dem Hugh Grant mitspielt. Von daher komme ich, und ich habe ihr jahrelang gesagt: Komm Mama, hau ab mit deinem Jim Jarmusch-Scheiß!

Auch eine Art der Rebellion.
Roche: Das ist ja das Problem. Wenn die Eltern schon coole Musik hören, was machen dann die Kinder?

Man kann gar keine Musik hören…
Roche: Oder mit den Eltern CDs tauschen.

Gehört das mainstreamige, wenn auch wundervolle „Blumen-Duett“ aus der Oper „Lakmé“ das in „Eden“ erklingt, zum „Anti-Mama-Anteil“ des Films?
Roche: Mama hat den Film noch nicht gesehen. Ich glaube nicht, dass ich zugesagt habe, um Mama zu ärgern. (lacht)

Das wäre auch ein Grund…
Roche: Ja, oder? Aber ich fand schon das Drehbuch gut.

Du moderierst, machst Lesungen, schreibst, mit „Ärzte“-Sänger Bela B. hast du eine Single aufgenommen, jetzt die Kinohauptrolle – wirst du so vielgleisig weitermachen?
Roche: Dass ich Schauspielerin werden will, habe ich in der Schule schon immer gesagt und als ich bei Viva war, habe ich immer Drehbücher gelesen. Zum Glück habe ich immer alles abgesagt. Das war immer alles Scheiße. „Deutsche Komödie über Teenager und Kiffen und schnelle Autos“. Da gab’s dann eine Moderatorin, oder ein Musikstar sollte interviewt werden und das wäre dann meine Rolle gewesen. Aber ich wollte so gerne mal einen Anfang machen. Dann hat man solche Gedanken wie: Ich könnte ja auch mal in so einem Film mitspielen, den ich vielleicht scheiße finde, aber die anderen würden das vielleicht gar nicht merken. Zum Glück habe ich immer abgesagt. Und „Eden“ war so, wie ich es mir nicht besser hätte erträumen können.

In „Eden“ spielt gutes Essen eine wichtige Rolle, du spielst eine Frau, die einem exzentrischen Meisterkoch verfällt. Das hätte ja auch einer dieser relativ furchtbaren „Wir zeigen mal auf der Leinwand, wie toll es ist, zu kochen“-Filme werden können…
Roche: Und du findest, dass er das nicht geworden ist?

Korrekt.
Roche: Gut! Welcher Film ist denn so einer? „Bella Martha“?

Zitiert

Meine Mutter weigert sich, mit jemandem über einen Film zu reden, in dem Hugh Grant mitspielt.

Charlotte Roche

Ich meine in erster Linie diese Talk- und sonstigen Shows, in denen Promis bekennen „Hurra ich koche!“ und einen Hype um etwas machen, was eigentlich doch selbstverständlich ist.
Roche: So a la „Ich gehe auf Toilette! Mit Jamie Oliver und frischen Kräutern“(lacht). Ich hatte auch sofort diese Assoziation beim Drehbuch. Das gab’s eben bei „Bella Martha“ auch schon. Ich finde den ziemlich… tantig. Das ist so ein betulicher Film, den auch meine Oma schön findet. Ist ja nichts schlimmes, klar.

Also hält sich deine Leidenschaft fürs Kochen in Grenzen?
Roche: (Kopfschütteln) Leider muss ich auch sagen: Oh Gott! Ich koche! Ist ja ’ne Modeerscheinung im Moment. Wie oft muss man jetzt über Jamie Oliver reden? In Deutschland gilt er ja noch als cool, aber meine englischen Verwandten hassen den alle. Die denken: „Dieser abgewichste Millionär – der soll uns endlich mal in Ruhe lassen!“ Ständig kommt ein neues Buch, er ist auf allen Kanälen. Ich habe trotzdem alle Bücher von ihm gekauft, weil ich nur nach Kochbuch koche und seine Rezepte funktionieren immer.

Wie „Malen nach Zahlen“?
Roche: Genau. Und bei anderen klappen die Rezepte nicht immer. Tim Mälzer habe ich zum Beispiel mal gefragt, warum bei seinem Spaghettiauflauf steht: „In 20 Minuten fertig“ und bei mir stockt das Ei auch nach 30 oder 40 Minuten noch nicht. Ich bin doch nicht blöd, ich habe mich an alles gehalten. Und dann meinte er, die Bücher werden von Vox schnell auf den Markt gebraucht, da ist dann sein Name drauf und dann steht da ein Rezept drin, was in Profiküchen funktioniert, aber eben nicht mit einem normalen Herd. Und das passiert bei Jamie Oliver nie! Deswegen ist Kochen auch keine Kunst. Es kann auch jeder Vollidiot ein Auto reparieren, wenn er ein Buch hat, in dem das vernünftig Schritt für Schritt beschrieben wird. Aber Kochen wie in „Eden“ kann natürlich nicht jeder.

Was kannst Du denn nicht?
Roche: Alles was man lernen kann, könnte ich ja lernen. Auch ein Flugzeug fliegen. Was kann ich denn nicht? (Überlegt) Das sind dann so Persönlichkeitsmankos (lacht). Es fällt mir schwer, dass mir etwas egal ist, es fällt mir total schwer, mich locker zu machen. Das kann ich nicht so gut. Das kann man auch nicht anlesen und lernen.

Man erwartet ja eigentlich eher das Gegenteil von dir, schließlich hast du einen sehr lockeren Interviewstil gepflegt, selbst mit Robbie Williams.
Roche: Bei so was nicht aufgeregt zu scheinen, das kann ich. Aber bei so was, wie dem Film jetzt, das nehme ich dann vorher so ernst und denke: Das ist so toll! Ich will das so gut machen! Da bin ich so unlocker und wahnsinnig und lerne wie bekloppt für das Casting, dass alle um mich rum denken: „Charlotte, reg dich mal ab! Das ist nur ein Film und wenn das nicht klappt ist das nicht schlimm.“ Und ich dann: Doch! Das ist total schlimm! Da kann ich mich kein bisschen zurücknehmen.

„Sophiiie!“, der letzte Film von Michael Hofmann war für mich ein radikaler Film über Panik. „Eden“ ist jetzt ein Film über verschiedene Facetten des Glücks. Was ist Glück für dich?
Roche: Für mich ist Glück das, was Eden nicht hat. Deswegen passiert ja das ganze Chaos überhaupt. Der Michael Hofmann hat uns immer gesagt: Ihr seid die Traumfamilie. Die Zuschauer sollen Euch als Vater, Mutter und Kind sehen. Und zwar mit dem dicken Koch als Vater, nicht mit dem leiblichen Vater. Glück wäre für mich, was Eden in dieser Familie finden könnte, wofür sie aber ihren Mann verlassen müsste. Und wenn die Eden aktiver wäre, hätte sie irgendwas unternommen. Das ist ja das Schlimme an ihr. Die rafft das gar nicht.

Wenn man wie Eden über das permanente geile Essen ständig Glückshormone produziert, wird man auf Dauer halt blöd im Kopf. Ist eine Beziehung zwischen Eden und dem dicken Koch trotzdem möglich?
Roche: Mmh ja. Ich habe den Film jetzt schon ein paar Mal gesehen. Für mich hat er, so platt und doof das ist, ganz klar ein Happy End. Für mich ist ganz kitschig und romantisch klar dass die beiden dann die Kinder großziehen.

Stellt sich die Frage nach dem Sex.
Roche: Nein. Die machen gar keinen Sex. Die ziehen die Kinder groß, die schon da sind. Ich glaube nicht, dass die sich anfassen.

Das wäre aber für den Koch doch ein großes Opfer. Er ist schließlich unglücklich verliebt.
Roche: Ich glaube nicht, dass der Sex wollte. Ich glaube, dass das gar nicht geht… wenn man so dick ist.

Da gibt es sicher einige die…
Roche: …das Gegenteil beweisen können? Bei ihm ist das kein Thema. Natürlich war der unglücklich verliebt. Aber ich glaube nicht, dass er da eine sexuelle Beziehung anstrebt. Hast du das gedacht?

Ja klar. Das ganze große Glück halt.
Roche: Ich glaube, dass er das nicht konnte und nicht wollte…

Und so stehen nun die Meinungen im Raum…
Roche: Aber so ist das doch. „Nein!“ „Doch!“ „Nein.“ „Ja!“ Das geht bestimmt allen so, die aus dem Film kommen.

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