Antworten der Redaktionen „Maischberger“, „Anne Will“, „Hart aber Fair“, „Markus Lanz“ und „Maybrit Illner“ zur Talkshow-Analyse

Nachdem meine Analyse der großen Talkshows zum Thema Corona u.a. ergab, dass Menschen aus den ’neuen‘ Bundesländern (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) deutlich unterrepräsentiert sind oder die Oppositionsparteien im Bundestag bei „Hart aber Fair“ komplett fehlten, habe ich mich schriftlich mit verschiedenen Fragen an die Redaktionen gewandt. Hier kommen jetzt die Antworten von der ARD; Update 15.05.: Inzwischen sind auch die Antworten des ZDF eingegangen, siehe unten.

– Anmerkung zu den Antworten der „Anne Will“-Redaktion, die etwas widersprüchlich erscheinen: So heißt es zum Sendungskonzept in Antwort 2 „der Schwerpunkt aber liegt auf einer breiten, politischen Debatte“. In Antwort 3 wiederum verteidigt die Redaktion das Nichtvorkommen von Die Linke und AfD mit den Worten „Während der Corona-Krise lag unser Fokus größtenteils weniger auf klassischen parteipolitischen Debatten.“

– Anmerkung zu den Antworten von „Markus Lanz“ und „Maybrit Illner“: Da die Antworten zum Teil im identischen Wortlaut verfasst sind, kann ich die Eigenständigkeit der Redaktionen bei der Beantwortung meiner Fragen nicht beurteilen.


Redaktion Hart aber Fair

1. Die Corona-Krise betrifft durch Lockdown, Schulschließungen und Insolvenzen Rundfunkbeitragszahler im gesamten Land. Interview-Partner können per Videokonferenz aus allen Landesteilen zugeschaltet werden. Warum kamen in acht Sendungen zum Thema Corona von 45 Talkgästen nur 2 Gäste vor, die in den ’neuen‘ Bundesländern (BB, MV, SN, ST, TH) arbeiten?

Antwort: Wir dürfen Ihnen versichern, dass es uns wichtig ist, Stimmen aus unterschiedlichen Regionen des Landes zu Wort kommen zu lassen. Allerdings senden wir zur Zeit ausschließlich aus Köln und nicht wie sonst auch aus Berlin. Viele potentielle Gäste, auch aus den östlichen Bundesländern, haben uns vor dem Hintergrund, dass sie wegen Corona weite Anreisen vermeiden wollen, in den vergangenen Wochen abgesagt. Gäste lediglich zuzuschalten, ist technisch natürlich möglich, dennoch versuchen wir es so weit es geht zu vermeiden. Der Grund: Ein zugeschalteter Gast ist immer erst einmal gehandicapt, wenn er in eine laufende Diskussion eingreifen will. Das liegt zum einen an der technischen Zeitverzögerung, die fast jede Form der Schalte mit sich bringt. Das liegt aber auch daran, dass die anderen Gäste den Zugeschalteten in dessen Mimik und Gestik oft nicht im gleichen Maße wahrnehmen können wie die übrigen Gesprächsteilnehmer. Nichtsdestotrotz haben wir mehrfach auch etwa Ministerpräsident*innen der „neuen“ Bundesländer eingeladen, per Schalte an unseren Corona-Sendungen teilzunehmen – leider haben sie abgesagt.

2. Warum kommt in acht Sendungen kein Politiker der Oppositionsparteien im Bundestag zu Wort?

Antwort: Das lag daran, dass wir in dieser ersten Phase der Corona-Krise unser Format umgestellt haben. Nicht die parteipolitische Auseinandersetzung stand dabei im Vordergrund unserer bisherigen Corona-Sendungen, sondern die Fragen unserer Zuschauerinnen und Zuschauer, und damit ganz klar der Service-Aspekt und das Dokumentieren des subjektiven Erlebens dieser Krise.
Klassische Politiker-Runden gab es vor diesem Hintergrund in unseren Corona-Sendungen keine. In einer dieser Sendungen saß überhaupt kein Politiker am Panel. In den übrigen Sendungen mussten Vertreter der Regierungsparteien ihr Handeln gegenüber Experten, Unternehmern und betroffenen Bürgern erklären und rechtfertigen.
Uns ist klar, dass über den weiteren Umgang mit der Corona-Krise parteipolitisch kontrovers diskutiert werden wird und muss. Dies werden wir bei den Planungen unserer künftigen Corona-Sendungen selbstverständlich berücksichtigen.

3. Die Afd-Pressestelle schreibt zu ihrem Nicht-Vorkommen: „Wir wurden nicht eingeladen, weil die Redaktionen uns bzw. unsere Positionen gezielt nicht vorkommen lassen wollten.“ Was entgegnet Ihre Redaktion diesem Vorwurf?

Antwort: Das trifft schlicht nicht zu. Wen wir wann von welcher Partei einladen, entscheiden wir vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen Fragestellungen. Dabei gelten für alle Parteien selbstverständlich dieselben journalistischen Standards.


Redaktion „Anne Will“

1. Die Corona-Krise betrifft durch Lockdown, Schulschließungen und Insolvenzen Rundfunkbeitragszahler im gesamten Land. Warum kommen Menschen mit Wirkungsstätte in den ’neuen‘ Bundesländern (BB, MV, SN, ST, TH) nur in der Hälfte Ihrer Sendungen vor?

Antwort: Unsere Sendungen in Zeiten der Corona-Krise brachten einige Neuerungen und Herausforderungen mit sich. So ist es zum Beispiel für viele Menschen, die wir als Gäste für „Anne Will“ anfragen, nicht möglich oder wünschenswert, die Reise nach Berlin anzutreten. Manche unserer Einladungen wurden aus diesem Grund abgelehnt – auch von PolitikerInnen und ExpertInnen aus den ostdeutschen Bundesländern. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass am 19. April der Ministerpräsident von Sachsen, Michael Kretschmer, bei uns zu Gast war. Am 5. April haben wir den Bürgermeister von Jena, Christian Gerlitz, eingeladen. Er wurde allerdings per Skype zugeschaltet. Solche Schalten, ob aus dem Studio oder per Skype, bringen häufig technische Probleme mit sich. Zudem ist es herausfordernd für zugeschaltete Gäste, sich aktiv an der Debatte im Studio zu beteiligen. Daher versuchen wir die Zahl dieser Schalten möglichst gering zu halten.

2. Abgesehen von Politikern und Medizinern kommt in acht Sendungen zum Thema Corona kein einziger Bürger zu Wort (wie zB. Unternehmer, Pflegekräfte, Ökonomen), der in den ’neuen‘ Bundesländern (BB, MV, SN, ST, TH) lebt. Warum?

Antwort: Bei „Anne Will“ ist es eher eine Ausnahme, dass betroffene Einzelpersonen über ihre Perspektive berichten. In der Corona-Krise war es uns auch nicht möglich, wie sonst solche Personen aus dem Publikum heraus sprechen zu lassen. Wir haben zwar einige solcher Impulse in unsere Einspielfilme eingebaut, der Schwerpunkt aber liegt auf einer breiten, politischen Debatte. Die Sorgen und Wünsche von UnternehmerInnen, PflegerInnen und ÖkonomInnen waren so natürlich zentraler Bestandteil mehrerer Sendungen.

3. Warum kommen in acht Sendungen keine Vertreter von Die Linke und AfD zu Wort?

Antwort: Während der Corona-Krise lag unser Fokus größtenteils weniger auf klassischen parteipolitischen Debatten. Wir haben, um sachliche Fragen fachgerecht zu besprechen, viele VertreterInnen der Virologie oder Epidemiologie eingeladen. Zudem war es wichtig, die Sinnhaftigkeit und Angemessenheit der verordneten Maßnahmen mit politischen VerantwortungsträgerInnen in Bund und Ländern zu thematisieren. Daher lag der Schwerpunkt einige Wochen lang naturgemäß auf VertreterInnen der Parteien, die in der Bundesregierung oder Landesregierungen Verantwortung tragen.

4. Die Afd schreibt zu ihrem Nicht-Vorkommen: „Wir wurden nicht eingeladen, weil die Redaktionen uns bzw. unsere Positionen gezielt nicht vorkommen lassen wollten.“ Was entgegnet die Redaktion von Anne Will diesem Vorwurf?

Antwort: Das trifft nicht zu. Die Auswahl unserer Gäste erfolgt ausschließlich nach journalistischen Kriterien, die für alle Parteien gelten.


Antworten der Redaktion „Maischberger. Die Woche“

1. Die Corona-Krise betrifft durch Lockdown, Schulschließungen und Insolvenzen Rundfunkbeitragszahler im gesamten Land. Warum kommen in sechs Sendungen (inkl. 06.05.) zum Thema Corona nur Journalisten zu Wort, die in den ‚alten‘ Bundesländern + Berlin arbeiten?

Antwort: siehe 2.

2. Warum kommen nur in 2 von 6 Sendungen Gesprächspartner vor, die in den ’neuen‘ Bundesländern leben?

Antwort: In der aktuellen Situation haben wir vor allem sachkundige Journalisten bei uns zu Gast gehabt, die in der Nähe des Produktionsortes leben. Wir tragen so dazu bei, keine Reisetätigkeiten zu verursachen, die die Sicherheit unserer Gäste und auch unseres Teams gefährden könnten. In einer unserer Corona-Sendungen hatten wir eine Journalistin zu Gast, die aus den neuen Bundesländern stammt. Zudem haben wir regelmäßig Politiker*innen aus den neuen Bundesländern eingeladen: Manuela Schwesig, Michael Kretschmer oder Reiner Haseloff, die uns leider absagen mussten. Einer unserer Gäste war der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, der ebenfalls aus den neuen Bundesländern kommt bzw. aus Berlin-Ost.

3. Warum kommen in sechs Sendungen (inkl 06.05.) keine Vertreter von Die Linke und AfD zu Wort?

Antwort: Grundsätzlich: Im neuen „maischberger. die woche“-Format gibt es keine klassischen Politikerrunden. In der aktuellen Situation hat die Redaktion vor allem drei Diskussionselemente betont:
1. Erfolgte und anstehende Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Lebenswelt aller Bürger haben, wurden journalistisch hinterfragt und in Solo-Interviews mit den verantwortlichen Politikern kritisch diskutiert. Virologen und Epidemiologen wurden ebenfalls in Solo-Interviews zum Stand der Entwicklungen und Erkenntnisse befragt.
2. Kommentatoren unterschiedlicher politischer Ausrichtungen diskutierten die Folgen für Gesellschaft, Politik, Kultur und Wirtschaft.
3. Betroffene, etwa Infizierte und Ärzte, schilderten ihre Erfahrungen.

4. Die AfD schreibt zu ihrem Nicht-Vorkommen: „Wir wurden nicht eingeladen, weil die Redaktionen uns bzw. unsere Positionen gezielt nicht vorkommen lassen wollten.“ Was entgegnet Ihre Redaktion diesem Vorwurf?

Antwort: Das trifft nicht zu. Die Auswahl unserer Gäste treffen wir vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen Fragestellungen. Dabei entscheiden wir ausschließlich nach journalistischen Kriterien, die für alle Parteien die gleichen sind.


Redaktion Markus Lanz

1. Die Corona-Krise betrifft durch Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen und Insolvenzen alle Rundfunkbeitragszahler im gesamten Land. Interview-Partner können per Videokonferenz aus allen Landesteilen zugeschaltet werden. Warum kamen in 30 Sendungen mit Thema Corona und 134 Talkgästen nur 11 Gäste vor, die in den ’neuen‘ Bundesländern (BB, MV, SN, ST, TH) arbeiten?

Antwort: siehe 2.

2. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise treffen ganz Deutschland. Weshalb kam in 30 Sendungen mit dem Thema Corona kein(e) UnternehmerIn/ManagerIn zu Wort, der/die in den ’neuen‘ Bundesländern (BB, MV, SN, ST, TH) wirkt?

Antwort: Die Redaktion von „Markus Lanz“ lädt Gäste nach inhaltlich redaktionellen Gesichtspunkten ein. Da die Coronakrise weit überdurchschnittlich Länder im Süden und Westen der Bundesrepublik betraf und immer noch betrifft, ist es naheliegend, dass nicht nur politische Gäste aus diesen Ländern überrepräsentiert sind. Was die ebenfalls zahlreich vertretenen Wissenschaftler und Experten angeht, so wurden diese nicht nach dem Sitz ihrer Institute ausgewählt, sondern aufgrund ihrer Expertise. Die zehn privaten Unternehmer, die im genannten Zeitraum zu Gast waren, haben unabhängig von ihrer Wirkungsstätte für betroffene Branchen gesprochen.


Redaktion Maybrit Illner

1. Die Corona-Krise betrifft durch Kontaktbeschränkungen, Schulschließungen und Insolvenzen alle Rundfunkbeitragszahler im gesamten Land. Interview-Partner können per Videokonferenz aus allen Landesteilen zugeschaltet werden. Warum gab es in 13 Sendungen zum Thema Corona lediglich drei Talk-Gäste (von 69), die in den ’neuen‘ Bundesländern (BB, MV, SN, ST, TH) wirken?

Antwort: Bei der Auswahl der Gäste zum Thema der jeweiligen „maybrit illner“-Sendung geht es darum, möglichst unterschiedliche Positionen und Perspektiven vertreten zu haben. Aus welchem Bundesland die Gäste kommen, ist nur eines von vielen Kriterien. Es gibt inhaltliche Gründe, warum bei bestimmten Themen die Perspektive aus bestimmten Bundesländern gefragt ist. Da die Coronakrise weit überdurchschnittlich Länder im Süden und Westen der Bundesrepublik betraf und immer noch betrifft, ist es naheliegend, dass nicht nur politische Gäste aus diesen Ländern überrepräsentiert sind. Was die ebenfalls zahlreich vertretenen Wissenschaftler und Experten angeht, so wurden diese nicht nach dem Sitz ihrer Institute ausgewählt, sondern aufgrund ihrer Expertise.

2. Die Pressestelle der AfD schreibt mir zu ihrem Nicht-Vorkommen in den 5 großen (Polit-)Talkshows in ARD und ZDF: „Wir wurden nicht eingeladen, weil die Redaktionen uns bzw. unsere Positionen gezielt nicht vorkommen lassen wollten.“ Was entgegnet Ihre Redaktion diesem Vorwurf? Und wie begründet Ihre Redaktion den Umstand, dass bei einer solch tiefgreifenden Krise wie der aktuellen, die größte Oppositionspartei im Bundestag nicht in Ihrer Sendung zu Wort kommt?

Antwort: Bei „maybrit illner“ kommen Gäste aus Politik, Wissenschaft und Medien sowie engagierte und betroffene Bürger zu Wort. Es geht nicht darum, die Zusammensetzung des Bundestags in der Gesprächsrunde abzubilden. Bei der Planung unserer Sendungen wird die AfD auch weiterhin eine Rolle spielen.

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