Pe Werner

Sie sind eine Romantikerin, Frau Werner?

Pe Werner über Mondphasen, die Rolle der Sehnsucht, jammernde Deutsche, „Trostpflastersteine“ und die Ehre, einen Song von Sting einzudeutschen

Pe Werner

© Warner Media Entertainment

Frau Werner, wissen Sie welche Mondphase wir gerade haben?
Werner: Ich fürchte, dass er gerade abnimmt. Er sieht wunderschön aus, aber er ist so dünn. Er tut mir ein bisschen leid, da oben.

Tatsächlich nimmt er gerade wieder zu, das Schlimmste ist also überstanden.
Werner: Tja, ich bin eben keine Mondkalenderfrau. Ich richte auch meine Friseurtermine nicht nach dem Mond. 

Aber Sie beschäftigen sich auf Ihrem ganzen neuen Album mit dem Mond. Wenn Sie nichts Praktisches mit dem Mond verbindet, könnte es sich dabei um einen Fall von zwanghafter Liebe zu einem Gegenstand, der sogenannten Objektophilie handeln?
Werner: (Lacht) Nein, der Mond fasziniert mich einfach, wie viele andere Menschen auch. Und daher ist er ein super Thema für ein Konzeptalbum. Der Mond steht ja für einen Neuanfang und Vergänglichkeit. Die Symbolkraft des Mondes ist spannender, als er selbst. An sich ist der Mond ja eher grau, hässlich und verkratert. Er bekommt seine Kraft nur dadurch, dass er angestrahlt wird.

Immerhin kann er auch von sich aus Einiges bewegen. Den Meeresspiegel zum Beispiel, wie man an Ebbe und Flut sieht.
Werner: Vom wissenschaftlichen Standpunkt stimmt das natürlich. Aber wenn ich am Meer spazieren gehe und dann auch noch der Mond über dem Meer steht, mache ich mir über die Wissenschaft am wenigsten Gedanken.

Sie sind eine Romantikerin, Frau Werner?
Werner: Ja, aber so was von! Und mit der Romantik verhält es sich wohl so, wie mit dem Glauben im besten Sinne. Man kann sie nicht genießen, wenn man sie ständig hinterfragt.

Interessieren Sie sich denn für die dunkle Seite des Mondes?
Werner: Ich habe zum Geburtstag so ein Mondgrundstück geschenkt bekommen, mit Erdblick. Das reicht mir. Ich warte nur, bis die Flugpreise mal günstiger werden, dann gucke ich mir das mal an.

Ist deshalb das Cover ihrer CD im Stil des Stummfilms von Fritz Lang „Die Frau im Mond“ gemalt worden?
Werner: In diesen Art Deco-Stil der 20er Jahre sind wir so reingeschlittert, der passte irgendwie zum orchestralen Stil der Platte. Aber ein interessanter Gedanke wäre eine Reise zum Mond allemal. Nicht zuletzt, weil alle, die bisher dort waren, weniger über den Mond gestaunt haben. Sie waren vor allem von der Aussicht überwältigt, die man dort oben auf unseren blauen Planeten hat. Ein ähnliches Gefühl hat man wahrscheinlich nur noch, wenn man im Blick auf die unendliche Weite des Meeres wahrnimmt, wie klein man selber ist.

In dem Episodenfilm „Deutschland 09“, der gerade im Kino läuft, wird unter anderem erzählt, wie die Menschen ihre Erde verlassen müssen, und auf der Rückseite des Mondes eine neue Kolonie gründen. Den Bewohnern ist es verboten, auf die andere Seite des Mondes zu gehen, damit der Anblick der Erde sie nicht bewegt, zurückzukehren.
Werner: Das wäre dann so eine Art DDR-Mond. (lacht) Tja, es ist eben nicht so schlecht, von Dingen zu träumen, die man nicht haben kann. Über den Tellerrand hinaus zu blicken, sich etwas anderes zu ersehnen, kann ja auch ein Motor sein, sich in Bewegung zu bringen. Und dazu ist es nicht mal unbedingt notwendig, tatsächlich reisen zu können.

Ist es wichtiger, eine Sehnsucht zu haben, als sie sich auch erfüllen zu können?
Werner: Es ist erstmal wichtig, sie zu haben, sie überhaupt zu spüren. Es gibt so viele Menschen, die sich zufrieden geben mit ihrem leidvollen Leben. Der Deutsche neigt ja doch sehr zum Jammern und Klagen. Ich  kann es oft nicht verstehen, dass es vielen so schwer fällt, die Beine in die Hand zu nehmen, den Mut aufzubringen, zu sagen: ich mache jetzt etwas anders. Aber wenn die Sehnsucht nur groß genug ist, verändern die Menschen etwas in ihrem Leben. Das hat auch viel mit Empathiefähigkeit, mit Wahrnehmung und dem Zulassen von Gefühlen zu tun. Wenn man sich abschottet, schafft man es auch, leidvolle Beziehungen einfach weiter zu führen, oder einen Beruf auszuüben, der einen anödet.

Aus welcher Unzufriedenheit haben Sie sich denn zuletzt befreien können?
Werner: Wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückblicke, habe ich mich doch sehr viel in einem kleineren Umfeld bewegt, habe viel Theater und Kleinkunst gemacht, oder bin nur mit einem Pianisten auf Tournee gegangen. Das ist künstlerisch natürlich wertvoll, weil man einen ganzen Abend alleine tragen muss, aber wenn man dann plötzlich so eine Platte, wie „Im Mondrausch“ produziert, mit großem Orchester, hat das schon etwas Befreiendes. Das sind Siebenmeilenstiefel nach draußen; die sagen, ich will zurück zur „großen“ Musik. Und da mein Arrangeur Wieland Reissmann und ich die Platte komplett vorfinanziert haben, kamen hier sowohl eine Vision, die Sehnsucht, die Freude an der Musik, aber auch der Mut zum Risiko zusammen.

Wofür stehen die verschiedenen Genres, in denen Sie sich hier bewegen? Die Platte ist ja nicht nur symphonisch, sondern auch sehr vom Jazz, Blues und Soul geprägt.
Werner: Ich denke, dass dieser Mix meine Live-Arbeit repräsentiert. Ich stecke ja in einer Schublade zwischen Pop, Schlager und Liedermacherin, aber die wenigsten, was auch für die Medienvertreter gilt, hat es bisher ins Theater oder ins Kabarett getrieben, um mich live zu sehen. Dieses Album zeigt auch zum ersten Mal, was ich als Sängerin kann, wo ich mich in den letzten Jahren hinbewegt habe. Viele sind dann erstmal überrascht und fragen sich: „Wie, ist das die Werner?“

Wenn Sie sich auf ein Etikett reduzieren lassen müssten, wäre das also eher das der Wortakrobatin, die in verschiedenen Stilrichtungen zuhause ist?
Werner: Ich denke, dass ich eine Entertainerin bin, die gut textet, komponiert und auch noch singen kann. Ich arbeite gerne mit Worten, aber es ist nicht mein erstes Ziel, neue Wortspiele auf die Welt zu bringen.

Gibt es Worte, die sie gerne mal in einem Songtext unterbringen würden, die sich aber bisher als zu sperrig erwiesen haben?
Werner: Vielleicht ist der „DDR-Mond“ so eine Sache, da müsste ich mal drüber nachdenken. (Lacht) Nein, aber es gab mal auf meiner zweiten Platte ein Stück, das hieß „Trostpflastersteine“. Das war eine Wortkombination, die nicht so leicht aus dem Hals heraus wollte.

Das heißt, im Gegensatz zu der Annahme, dass sich die deutsche Sprache weniger gut zum Liedtexten eignen würde, als das aus vielen einsilbigen Worten bestehende Englisch, ist Ihnen Deutsch nicht kompliziert genug und Sie erfinden daher solche sperrigen Worte?
Werner: Nein, manchmal fehlt mir einfach der Begriff, der das, was ich meine, genau auf den Punkt bringen würde. Den erfinde ich dann. Diese Lust an Wortspielereien kommt wohl daher, dass mich weniger Liedermacher beeinflusst haben, sondern Lyriker wie Ringelnatz oder Erich Kästner. Bei denen hagelt es nur so von Wortspielereien, Metaphern und Bildern. Das sind ja auch Stilmittel des Kabaretts, und Kabarett hatte ich ja schon zehn Jahre lang gemacht, als ich Ende der 80er mit der Musik anfing. Auf meinen Platten habe ich dann diese Stilmittel in den Kontext von Liebes- und Beziehungsliedern gestellt.

Zitiert

Ich richte meine Friseurtermine nicht nach dem Mond.

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Warum hat es mit der musikalischen Karriere so lange gedauert? Sie waren 29, als Ihre erste Platte herauskam.
Werner: Ich hatte es mir vorher im wahrsten Sinne des Wortes nicht zugetraut. Bis dahin kam mir meine Musik immer eher amateurhaft vor und ich hatte mir nie erlaubt, ernsthaft darüber nachzudenken, ins Profilager zu gehen. Trotzdem hatte ich die ganze Zeit über das Textniveau in der deutschen Popmusik gemeckert und leichtfertig gesagt, das könnte ich besser. Na, dann mach doch einfach, sagte damals mein Freund, der Musiker war und gab mir so den Anstoß, ein paar Demos aufzunehmen.

Mittlerweile sind viele Bands mit deutschen Texten erfolgreich. Fühlen Sie sich wie eine Wegbereiterin dieser Entwicklung?
Werner: Nein, wenn man von Vorbildern in der deutschsprachigen Popmusik spricht, muss man eher Udo Lindenberg nennen. Der war für uns alle der Türöffner, weil er als erster Rock- und Popmusik mit deutschen Texten machte, die gut und auch noch witzig war.

Udo Lindenberg hat damals oft erfolgreiche Nummern von den Rolling Stones oder Glenn Miller mit seinen eigenen Texten versetzt. Ähnliches machen Sie nun auch, mit „Sister Moon“ von Sting, zum Beispiel.
Werner: Ich finde es gut, wenn wir da nicht mehr fremdeln. Leute, wie Stefan Gwildis übertragen Soulklassiker ins Deutsche, ohne dass das irgendwie peinlich wirken würde. Wenn er aus „Papa Was A Rolling Stone“ „Papa will da nicht mehr wohn’“ macht, finde ich das großartig. Wenn das gut gemacht und auch phonetisch auf dem Punkt ist, merkt man, es kann auch in deutscher Sprache unterhaltend und leicht sein.

In den Presseinformationen Ihrer Plattenfirma heißt es, Ihre Version von „Sister Moon“ sei „vom Weltstar persönlich freigegeben worden.“ Was heißt das?
Werner: Das heißt, sein Management teilte mir tatsächlich innerhalb von zwei Wochen mit, dass er einverstanden sei, wenn ich seinen Text so eingedeutscht veröffentliche. Meine Version musste ich dafür noch mal ins Englische zurückübersetzen und ihm schicken, mit einem Demo der geplanten Vertonung. Und für die ganze Arbeit verdient der deutsche Subtexter dann aber nichts, nur die Ehre, denn den Rest bekommt Herr Sting auf sein Schloss. (Lacht)

Wann haben Sie Ihren ersten eigenen Song geschrieben?
Werner: Mit 15 habe ich mir meine erste eigene Gitarre erbettelt und als ich die ersten drei Akkorde quetschen konnte, habe ich schon Songs geschrieben. Es gab da eine Lust, etwas selbst zu schaffe, die ich mir gar nicht so recht erklären kann.

Vielleicht haben Sie auch die Wortlosigkeit der James Last-Platten Ihres Vaters nicht mehr ertragen?
Werner: (Lacht) Wortlosigkeit stimmt, aber dafür hat es James Last geschafft, alles rhythmisch ungeheuer auf den Punkt zu bringen. Das reißt auch heute noch Menschen von den Sitzen. Er ist eben ein sehr guter Arrangeur. Er hat einen ganz eigenen Sound erfunden.

Aber ist es wirklich wünschenswert, dass nach so einer Bearbeitung ein Beatles-Song oder ein Stück von Vivaldi nicht mehr nach sich selbst, sondern nur noch nach James Last klingt?
Werner: Das müsste man dann ja über jeden sagen, der eine eigene Handschrift hat. Ich habe nicht das Gefühl, dass James Last da etwas verwässert, sondern er interpretiert die Songs in seinem eigenen Stil. Ich muss mir das auch nicht dauernd anhören, aber ich habe großen Respekt davor.

Sie haben nun auch einige Klassiker in neue Songs verwandelt, unter anderem Air von Johann Sebastian Bach. Warum hat gerade diese Melodie alle Moden überdauert?
Werner: Es gibt anscheinend Melodiebögen, die so stimmig und so groß sind, dass sie uns auch nach Jahrhunderten noch berühren. Bei Bach schwingt sich die Melodie zu immer neuen Welten auf und geht dann immer wieder zurück. Man hat das Gefühl, man wäre in einem riesigen Werk drin, aber nicht in einem Irrgarten. Man wird von dieser Liedmelodie getragen, auch als Sängerin. Das ist wie Achterbahnfahren, aber man weiß genau, man landet wieder sicher unten.

Im Gegensatz zu Kompositionen Karlheinz Stockhausens, die ja oft Achterbahnfahrten mit ungewisser Landung ähneln?
Werner:  Da könnte ich wohl nicht folgen. Neue Musik ist nicht so meins.

Bei Aufführungen seiner Raummusik ließ Stockhausen gerne das Saallicht löschen und nur einen kleinen weißen Mond an die Wand projizieren, damit die Hörer wenigstens einen visuellen Fixpunkt haben.
Werner: Da haben wir ihn wieder, den Mond als Ruhepol, als Symbol der Beständigkeit, auch im Wandel. Aber ansonsten ist mir Stockhausens Sohn Markus schon näher…

Er spielt in Ihrem Song „Übern Berg“ das Trompetensolo…
Werner: Genau. Er kam ins Studio und fragte mich erstmal, ob ich einen Lieblingston habe. Diese Frage hatte ich noch nie gehört. Auf seinen Konzerten sagt er ja auch dem Publikum: „Stimmen Sie mal einen Ton an“. Das Publikum fängt dann an zu summen, bis sich irgendwann ein Akkord herauskristallisiert und über den improvisiert er dann den ganzen Abend. Das ist noch mal einen ganz andere Art, an Musik heranzugehen.

Und, haben Sie einen Lieblingston?
Werner: Wahrscheinlich hat man den unbewusst, in einer Lage, in der man sich sehr sicher ist. Ist bei mir wahrscheinlich das C.

Es soll ja auch den braunen Ton geben.
Werner: Ehrlich?

Der ist wahrscheinlich eher ein Mythos. Aber es soll Rockbands geben, die auf Konzerten versuchen, eine Tonlage zu erreichen, die erwiesenermaßen die Darmtätigkeit anregt.
Werner: (Lacht schallend) Ja, wenn’s genügend Dixie-Klos draußen gibt, dürfte das ja kein Problem sein.

Sie haben mal gesagt, Sie wären Ihrer wahren Persönlichkeit nirgendwo so nahe, wie auf der Bühne. Was macht denn Ihre Persönlichkeit, wenn Sie mal keinen Auftritt haben?
Werner: Das Schöne ist, ich kann mit der auch gut privat zurechtkommen. Auf der Bühne kann ich mich in verschiedenen Rollen austoben, aber ich bin dort trotzdem nicht verstellt. So, wie wir jetzt miteinander sprachen, bin ich auf der Bühne, und im Privaten auch. Nur singe ich zuhause weniger.

Letzte Frage: Können Sie sich noch an die erste Mondlandung erinnern? Im Sommer 1969 waren sie immerhin fast neun Jahre alt.
Werner: Ich wüsste nicht, dass wir das damals im Fernsehen gesehen hätten. In meiner Erinnerung gibt es da nur meinen Vater, der Hitparade im Fernsehen guckt, ich im Schlafanzug daneben, frisch gebadet.

Es gibt ja auch die Verschwörungstheorie, dass die Filmaufnahmen des ersten Menschen auf dem Mond eine Fälschung sein sollen, dass die Landung vielleicht gar nicht stattgefunden habe.
Werner: Da bin ich mir auch nicht so sicher (lacht). Auf einem der Fotos soll zum Beispiel eine Fahne im Wind wehen, obwohl es auf dem Mond gar keinen Wind gibt. Aber man sollte den Menschen doch ihre Fantasien lassen. Sollen sie doch glauben, sie seien dort gewesen.

Das klingt wieder sehr romantisch.
Werner. Ja, schlimme Sache mit mir, nicht? (Lacht) Aber was wären wir Menschen, ohne unsere Träume?

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