Marta Jandová

Vielleicht bin ich einem Jahr Millionärin – vielleicht sitze ich auch auf der Straße.

Sängerin Marta Jandová von "Die Happy" über ihren Werdegang, Publikum, Texte und den Traumberuf Musikerin

Marta Jandová

© SonyBMG

Marta, macht ihr mit "Die Happy" Popmusik oder Rock? Oder gibt es diese Grenze gar nicht mehr?
Jandová: Ich glaube, diese Grenze gibt’s weiterhin, aber sie verschwimmt immer mehr. Ich habe das Gefühl, dass die Bands, die früher hart gerockt haben, jetzt mit Rockballaden berühmt werden, während die Popsternchen versuchen, rockiger zu werden. Die Happy war eigentlich immer eine Mischung, wir haben einen sehr weit gefassten Begriff von Musik, von Akustikgitarren bis hin zu Heavy Metal-Hardcore-Nummern. Uns geht und ging es immer um die Melodie. Und schöne Melodien lassen sich nicht in einem bestimmten Musikstil einfangen, die gibt es im Jazz genauso wie im Techno. Da sind wir uns in der Band absolut einig. Es kommt auf die Melodie an und auf das Gefühl, das einem vermittelt wird.

Mit welchem Gefühl sollen die Leute denn eure Konzerte verlassen?
Jandová: Das hört sich vielleicht kitschig an, aber ich sage doch: Glücklich. Zufrieden. Nicht aggressiv, das mag ich gar nicht. Am besten so wie nach gutem Sport. Ich rede sehr viel auf der Bühne, und es ist toll, wenn ich das Gefühl habe, ich gebe dem Publikum etwas und vom Publikum kommt etwas zurück, es fängt an zu zirkulieren. Ich bin auch auf der Bühne in einer anderen Welt, ich kriege sehr viel mit von dem, was im Publikum passiert, aber kaum etwas von dem, was auf der Bühne vor sich geht. Wenn die anderen hinterher sagen, das war wieder eine gute Lichtshow – davon habe ich gar nichts mitbekommen.

Wird der Kontakt zum Publikum nicht schwieriger, je größer die Hallen sind?
Jandová: Wir halten uns seit der dritten Platte auf etwa derselben Größe. Wir hatten nie einen klassischen Hit, der den Rahmen gesprengt hätte. So etwa 1400 Leute, wie in die Große Freiheit hier in Hamburg passen, das ist die schönste Größe überhaupt. Natürlich kann man auch in großen Arenen ein Gemeinschaftsgefühl schaffen, aber in kleineren Clubs wird man immer die besseren Konzerte haben.

Ist es ein schönes oder eher ein komisches Gefühl, als Idol da oben auf der Bühne zu stehen, während die Leute deine Texte mitsingen?
Jandová: Es ist merkwürdig, aber es ist wie eine Droge. Man hat da auch eine große Verantwortung, was mir erst im Laufe der Zeit bewusst geworden ist. Aber wir sind keine politisch orientierte Band. Natürlich gibt es Texte, in denen ich Dinge kritisiere, aber die Leute singen unseretwegen keine Parolen.

Ist die Verführung nicht groß, den Leuten in den Ansagen zwischen den Songs Botschaften mitzugeben?
Jandová: Doch, schon, besonders wenn einen gerade etwas bewegt. Aber ich kenne ich mich mit Politik nicht besser aus als jeder andere Mensch, der Nachrichten sieht. Ich kann nur positive oder negative Anstöße geben, zum Beispiel, dass man sich mehr um Umweltschutz oder Kinder kümmern sollte. Aber ich gehe nicht in die Details. Ich bewundere Leute, die sich stärker für etwas einsetzen, die da mehr Überblick haben – wie Bono zum Beispiel. Aber ich möchte auf der Bühne lieber keine Führerrolle übernehmen.

Warum schreibst du englische Texte?
Jandová: Als ich vor 13 Jahren nach Deutschland kam, habe ich etwa fünf Wörter Deutsch gesprochen. Ich wollte meine Texte allein schreiben, und das war auf Deutsch nicht möglich. Mittlerweile kann ich es, aber ich möchte auch gerne das Ausland mitnehmen, möchte, dass meine Tschechen mich verstehen, und die sprechen eher Englisch als Deutsch. Heute ist übrigens ein ganz besonderer Tag, unsere Platte ist gerade in Japan herausgekommen, und wenn wir auf Deutsch singen würden, wäre sie dort wohl nie erschienen. Englisch lässt sich auch viel schöner singen, obwohl ich mittlerweile auch Deutsch sehr schön finde. Hinzu kommt, dass es seit ein paar Jahren Bands gibt, die Deutsch singen und damit viel Erfolg haben. Und ich würde mir doof dabei vorkommen, jetzt einfach auf den Erfolgszug aufzuspringen.

Fühlt ihr euch als deutsche Band?
Jandová: Wir fühlen uns als europäische Band, wobei ich mich aber in Deutschland sehr wohl fühle, auch zu einem Teil Deutsche geworden bin.

Dein Vater ist in Tschechien ein berühmter Popmusiker, deine Mutter war Tänzerin. Wie hat dich das geprägt?
Jandová: Meine Mama wollte, dass ich auch tanze, deshalb habe ich sechs Jahre lang Ballettunterricht gehabt. Aber ich bin einfach nicht die geborene Balletttänzerin. Außerdem hatte ich Französisch- und Klavierunterricht und habe im Chor gesungen – richtig aristokratisch. Mein Bruder hat Geige gelernt und ist auch wirklich Musiker geworden. Aber ich bin sehr ungeduldig und hatte ich nie Lust, Etüden zu üben. Durch meinen Vater bin ich mit den musikalischen Berühmtheiten Tschechiens aufgewachsen, die waren oft bei uns zu Hause. Dadurch bekam ich mit, wie unehrlich die Szene ist, und ich hasse Unehrlichkeit. Außerdem fand ich es als Kind ganz schrecklich, dass mein Vater ständig auf der Straße erkannt wurde. Deshalb wollte ich nie Musikerin werden. Ich habe mich um einen Studienplatz als Simultandolmetscherin beworben, aber das hat beim ersten Mal nicht geklappt, und so hatte ich ein Jahr zu überbrücken. Da ich mich gerade in einen Gitarristen aus Ulm verliebt hatte, bin ich zu ihm gezogen. Zwei Wochen später fragte er mich, ob ich nicht in seiner Band singen wolle, und ich dachte, warum nicht. So hat es mit Die Happy angefangen. Unsere erste Platte „Supersonic Speed“ ist 2001 auch in Tschechien erschienen, und eines Tages rief mich mein Vater ganz aufgeregt an und sagte: „Der und der Journalist hat über eure Platte eine Kritik geschrieben.“ Ich habe gezittert, weil ich wusste, der hasst meinen Vater. Aber die Kritik war die absolute Lobeshymne. Und dann liefen wir plötzlich in Deutschland auf VIVA und MTV hoch und runter, und ich bekam E-Mails von tschechischen Fans. Das war toll, weil keiner wusste, dass ich die Tochter von Peter Janda bin. Ich bin echt stolz, dass mich in Tschechien und hier in Deutschland keiner nur wegen meines Vaters kennt.

Beruflich hast du nie etwas anderes gemacht als Musik?
Jandová: Ich habe fast alles gemacht – vom Putzen bis zum Cateringservice, also Kartoffeln schälen, Abspülen, Kaffee kochen. Sekretärin war ich auch mal für fünf Monate.

Aber nur zum Geldverdienen – du wolltest Musik machen?
Jandová: Ja! 1998 habe ich noch einmal überlegt, ob es das wirklich ist. Da hatten wir schon ein Angebot einer großen Plattenfirma, aber das wurde kurz vor der Unterzeichnung wieder zurückgezogen. Damals dachten wir, wenn es sich rumspricht, dass uns eine Plattenfirma wollte und dann wieder abgelehnt hat, dann ist alles vorbei. Ich war zu dem Zeitpunkt superpleite, ich wusste nicht mal, wie ich die nächste WG-Miete zahlen sollte, und habe wirklich überlegt, ob ich nach Tschechien zurückgehen sollte. Aber ich hatte fünf Jahre lang teilweise echt erniedrigende Nebenjobs gemacht und wollte nicht alles hinschmeißen. Ein Jahr später hatten wir dann tatsächlich einen Plattenvertrag, zwei Jahre später konnten wir von der Musik leben.

Was ist denn das Tolle daran, Musik zu machen?
Jandová: Die Freiheit! Natürlich ist es einer der unsichersten Jobs der Erde. Vielleicht bin ich einem Jahr Millionärin, vielleicht sitze ich auch auf der Straße. Aber es ist toll, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann. Man kann seine Arbeit selbst einteilen, es gibt keinen, der dir sagt: „Warum schreibst du gerade keine Musik?“ Man kann alles, was man im Leben erlebt, und alles, was man an Einsichten sammelt, in der Musik ausdrücken. Wenn ich im Büro mit Kunden telefoniere oder Rechnungen schreibe, kann ich nicht jedem erzählen: Stell dir vor, ich bin verliebt! In der Musik kann man sich komplett ausleben. Außerdem gibt es für mich nichts Schöneres als Singen. Stimmt nicht: Liebe. Aber Liebe und Musik sind eine Ebene – ohne sie könnte ich nicht leben.

Hast du das Gefühl, dass man sich den Erfolg tatsächlich erarbeiten kann, oder ist es immer auch eine Frage des Glücks?
Jandová: Man muss nicht mal mehr Talent haben, leider. Mittlerweile gibt es genug Geräte im Studio, mit denen man eine Stimme sauber klingen lassen kann. Nichts gegen Jennifer Lopez zum Beispiel, aber singen kann sie nicht. Und sie hat, glaube ich, sogar einen Grammy als beste Sängerin bekommen!

Und diejenigen, die Talent haben, die singen können, setzen die sich früher oder später durch?
Jandová: Leider nicht. Ich bin vielen Leuten begegnet, die kreativ und talentiert sind. Aber viele sind auch so sensible Seelen, dass sie sich sofort am Business verbrennen. Man muss zum Beispiel lernen, beleidigende E-Mails einfach zu ignorieren. Manche können damit nicht umgehen, das ist traurig. Wenn jemand wirklich Hits schreiben kann, wird er nicht unentdeckt bleiben. Aber Musik ist unberechenbar. Und das ist nicht nur eine Frage der richtigen Vermarktung. Manchmal hört man im Radio immer wieder zwei Songs, die gleich gut sind. Der eine wird der große Hit, den anderen wollen die Leute partout nicht kaufen. Und niemand weiß warum.

Ist Musikerin trotzdem ein Traumberuf?
Jandová: Auf jeden Fall. Auch wenn er, wie jeder andere Beruf auch, Nachteile hat. Man ist nie zu Hause, man arbeitet auch dann, wenn die Leute dich nicht sehen. Die Leute denken, super, du spielst zwei Stunden, kriegst Applaus und Geld und gehst nach Hause. Aber wenn wir fünf Wochen auf Tour sind, bin ich zwischendurch einen Tag zu Hause, ansonsten lebe aus dem Koffer.

Was frisst denn so viel Zeit?
Jandová: Songwriting, Studioarbeit, dann muss die Platte gemischt werden, dann muss man zum Videodreh, dann kommt die Interviewreise, dann eine Radioreise quer durch Deutschland. Und wenn man dann eine Woche zu Hause war, gehen schon die Tourproben los. Die drei Jungs wohnen in Berlin, wir proben in Berlin, also muss ich immer hin. Und wir haben sehr viele Konzerte übers Jahr. Es dreht sich permanent. Ich habe jetzt gerade einen Monat so halb frei und merke, es gibt nichts Schöneres, als zu Hause zu sein. Aber nach ein paar Tagen Nichtstun kommt schon wieder das schlechte Gewissen.

Du schreibst die Texte, die Musik macht ihr zu viert?
Jandová: Genau. Bei der letzten Platte haben wir wirklich jeden Tag im Probenraum gesessen und an den Stücken gearbeitet. Wir kamen alle mit Ideen an, Gitarrenriffs, Themen, Klaviermelodien. Aber wir hatten es uns verboten, Songs ohne die anderen fertig zu machen. Wir haben im Probenraum an den Ideen weitergearbeitet. Und ich habe diesmal auch versucht, direkt den Text auf die Melodie zu dichten. Denn wenn man mit Worten singt, entwickelt sich auch die Melodie ganz anders. Ich habe einfach irgendeinen Text gesungen, und wenn ich eine gute Idee hatte, habe ich gesagt: Stopp, Jungs! und den Text beim Singen in den Computer getippt. Wenn eine Platte fertig ist, höre ich einen Monat lang keine Musik mehr, dann bin ich total leer, dann brauche ich komplette Ruhe. Und dann fange ich wieder an, über die nächste Platte nachzudenken.

Ihr macht nun schon 13 Jahre zusammen Musik. Hast du nicht manchmal Angst, dass euch nichts Neues mehr einfällt?
Jandová: Bei der letzten Platte hatte ich zum ersten Mal diese Sorge, weil wir wirklich schon so viel Zeit miteinander verbracht haben, auf den Touren, bei den Konzerten, im Studio. Aber dadurch, dass wir nach Berlin bzw. Hamburg umgezogen sind und uns grundsätzlich verändert haben, hört sich die Platte ganz anders an als die vier davor. Meine Jungs hören 24 Stunden am Tag Musik und bekommen dadurch so vieles mit. Und ich bin wie ein Schwamm, ich sauge alles auf, was ich erlebe und beobachte. Da kommt viel Stoff für die Texte zusammen. Und die Melodien gehen einem nie aus. Wir sind alle vier in unterschiedlichen Musikstilen zu Hause – vom Jazz bis zum HipHop. Aber wir stehen alle auf Popmusik, auf schöne und zerbrechliche Melodien – und auch darauf, mal richtig die Sau rauszulassen.

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