Lorenz Günther Köstner

Wenn gewonnen wird ist es die Mannschaft, wenn verloren wird ist es der Trainer.

Fußballtrainer Lorenz Günther Köstner über gewaltbereits Fans, den Trainerjob, Privatsphäre, Spielerdisziplin und die Entwicklung der Spielervereinigung Unterhaching

Lorenz Günther Köstner

© SpVgg Unterhaching

Herr Köstner, vor wenigen Tagen starb im holländischen Den Bosch nach einem Polizeieingriff ein Fußballfan, mehrtägige Krawalle war die Folge – inwieweit könnten und sollten in Zukunft auch Trainer medienwirksam gegen Fangewalt agieren?
Köstner: Ich weiß nicht ob Trainer da etwas bewirken können. Sie sollten auf jeden Fall immer mit gutem Beispiel vorangehen. Trainer können natürlich am besten Einfluss nehmen, wenn sie sich vorbildlich benehmen, sowohl im Fernsehen als auch in der Öffentlichkeit und im Stadion. Da sollte kein Trainer im Stadion auf Schieds- oder Linienrichter losgehen. Als Vorbild wird man vor allem akzeptiert, wenn der Verein gut spielt. Aber wenn es nicht läuft ist ja gerade der Trainer derjenige, der am meisten angreifbar ist.

Im Fall Daum sind nun die Medien sehr weit vorgedrungen in die Privatsphäre des Trainers und auch der Spieler – war das hilfreich? (Marco, Unterhaching)
Köstner: Der Fall Daum ist in seinem Umfang sicherlich etwas bisher einmaliges gewesen. Wenn man solche Verfehlungen hat und offen damit umgeht, dann ist es zwar ein kurzzeitiger Aufschrei, aber wenn das wochenlang durch die Presse gezogen wird und immer widersprüchlichere Aussagen auftauchen, dann ist das mit Sicherheit nicht fruchtbar, sondern eher schädlich. Trainer, Manager, Spieler – das sind doch alles auch nur Menschen und es ist wichtig, im Hinterkopf zu behalten, dass die genauso wie jeder andere auch ihre Schwächen und Stärken haben. Man sollte damit natürlich offen umgehen, aber auch die Privatsphäre der Trainer, Spieler, Manager achten. Wenn solche Probleme wie bei Christoph Daum an die Öffentlichkeit kommen ist das zwar sehr delikat, aber wenn man offen mit der Sache umgeht und bereit ist sich helfen zu lassen, dann hat auch die breite Öffentlichkeit Verständnis dafür und die Sache ist relativ schnell abgehandelt.

Hat sich seit Ihrer Zeit als Spieler viel geändert in punkto Disziplin? (Kevin, Haller/Luxembourg)
Köstner: Heute steht man als Spieler natürlich viel mehr unter Beschuss. Früher konnten sich die jungen Spieler leichter entfalten, da die Medienpräsenz nicht so hoch war wie heute. Die älteren Spieler wissen heute, wie sie damit umzugehen haben aber die meisten jungen, die in den Profibereich hineinkommen, die brauchen Zeit um sich zu entfalten sowohl auf dem Platz als auch außerhalb und im Umgang mit den Medien und den verantwortlichen Personen. Geld macht einen irgendwie satt und Geld kann den Charakter verderben. Aber man darf nicht alle über einen Kamm scheren. Wie früher sind auch heute super Spieler dabei, auch vom Charakter her. Aber es gibt ebenso viele Fehltritte wie früher, nur heute werden die von den Medien viel mehr breit getreten.

Da ich großer Haching-Fan bin, würde ich gerne wissen, wo Unterhaching am Ende der Saison steht und ob Sie sich vorstellen können, in den nächsten Jahren einen UEFA-Cup Platz zu belegen. (Sina Schlechter, Langen)
Köstner: Nach unserem Spiel gegen Dortmund habe ich gesagt, wir sind im Spiel um die Meisterschaft etwas zurückgefallen, damit meinte ich aber, der 15. Tabellenplatz ist für uns so viel wie die deutsche Meisterschaft, bezogen auf den kleinen Etat, auf den kleinen Verein und auf das kleine Stadion. Der zehnte Tabellenplatz vom letzten Jahr wird sicher schwer zu wiederholen sein. Da haben es Vereine wie Köln oder Nürnberg viel leichter, wenn die aufsteigen, denn die werden von der Euphorie getragen. Selbst Vereine wie Cottbus, Freiburg oder Ulm haben es ja viel, viel leichter gehabt als wir, weil da eine ganze Region dahinter steht. Ein UEFA-Pokalplatz in naher Zukunft – das sind sehr schöne Träume. Aber schließlich hat man ohne Träume auch keine Ziele.

Glauben Sie, dass die Spielvereinigung Unterhaching sich trotz ihrer eingeschränkten Möglichkeiten langfristig in der Bundesliga als Spitzenverein etablieren kann? (Kay, Potsdam)
Köstner: Spitzenverein? Nein, dafür fehlen doch einfach die finanziellen Möglichkeiten. Wir haben zum Beispiel im letzten Jahr einen sehr wichtigen Mann verloren, Jochen Seitz. Nach dem Aufstieg in die 2.Bundesliga haben wir unseren wichtigsten Mann Oberleitner verloren. Das Jahr drauf einen Dennis Grassow, und schließlich auch Matthias Lust. Und so geht das Jahr für Jahr weiter: wenn sich ein Spieler entwickelt, können wir irgendwann finanziell nicht mehr mithalten. So erging es früher schon Gladbach so ist es Freiburg gegangen und so geht es den kleinen Vereinen generell. Große Spieler können wir kaum hinzukaufen, da zu schnell ein Fehlgriff geschehen kann und sich ein Spieler doch nicht so schnell entwickelt wie zuvor angenommen. Was Spielerkäufe anbelangt haben wir die Ruhe behalten, was uns natürlich auch nach vorne gebracht hat.

Als Trainer eines Klubs, der sich gar nicht zu einem ‚großen‘ entwickeln kann, wo setzen Sie da bei Ihrer Arbeit an?
Köstner: Wir wollen uns immer wieder verbessern, da ist jede Saison eine neue Herausforderung, natürlich auch für mich. Jeder Trainer hätte natürlich gerne bessere Vorraussetzungen. Für mich gilt aber, die Herausforderung mit unseren Vorraussetzungen und unseren Mitteln in jeder Saison neu zu bestehen. Jede Saison möchte man wieder junge Spieler voranbringen und auch die älteren motivieren, sich für den Verein und für die Mannschaft einzusetzen. Mich freut es, wenn das gelingt und sich der ganze Verein weiterentwickelt. Und wenn man überlegt, wo Unterhaching heute steht – ich muss ehrlich sagen, das hätte ich vor zwei Jahren gar nicht für möglich gehalten.

Bis vor gut einem Jahr hatte der Unterhaching-Fanshop nur vier Stunden in der Woche geöffnet – hat sich daran schon etwas geändert?
Köstner: Sicher, rufen Sie doch mal an. Aber natürlich haben wir nicht das große Fanpotential. Wenn ich das zum Beispiel vergleiche mit Cottbus vor kurzem am 3.Advent, bei Regen 12.000 Zuschauer gegen 1860. Cottbus hat zwar verloren, aber die Fans standen hinter ihrer Mannschaft. Das sind einfach ganz andere Vorraussetzungen.

Wann gibt es endlich mehr Eckenvariationen? Die mit der Verlängerung am ersten Pfosten kennt doch jetzt schon jeder und vor allem klappt die fast nie. (Farin, Putzbrunn)
Köstner: Das sehen wir etwas anders, letztes Jahr hatte diese Variation auch lange nicht geklappt und dann sind aber ein paar hintereinander geglückt. Das muss sich alles einschleifen, neue Schützen müssen da hineinwachsen, wie letztes Jahr Jochen Seitz, der auch lange dafür gebraucht hat. So eine Variation muss halt richtig kommen und manchmal auch mit Anlauf von nur einen halben Meter geschlagen werden. Wir sind immer dabei sowohl unser Spiel als auch unsere Standardsituationen zu verbessern.

Was ist an dem Gerücht dran, dass Abdelaziz Ahanfouf von Hansa Rostock zu Haching zurückkehrt? (Daniel, Ottobrunn)
Köstner: Das ist schon kein Gerücht mehr. Er wird ab Januar 2001 zu Haching zurückkehren.

Zitiert

Als Vorbild wird man vor allem akzeptiert, wenn der Verein gut spielt. Aber wenn es nicht läuft ist der Trainer derjenige, der am meisten angreifbar ist.

Lorenz Günther Köstner

Man hört, aus Unterhaching könnte zukünftig nur noch ‚Haching‘ werden, stimmt das? (Steffi, Trier)
Köstner: Unterhaching ist nun mal die Gemeinde, ‚Haching‘ ist aber aufgrund der Kürze der übliche Schlachtruf. Im Grunde ist es da egal, wenn man den Club mal in FC Haching umbenennt. Letztlich ist aber ‚Unterhaching‘ aufgestiegen und ‚Unterhaching‘ hat sich mit den geringen Möglichkeiten einen Namen gemacht – von mir aus muss der Name nicht geändert werden.

Sie sind einer der dienstältesten Trainer in der Bundsliga, haben Sie damit manchmal Schwierigkeiten? (Bodo, Mainz)
Köstner: Nein überhaupt nicht. Ich freue mich auf jedes Spiel, freue mich, dass ich dabei sein kann, in der 2.Liga genauso wie in der 1.Liga . Ich bin stolz darauf, dass ich einer der 36 Profitrainer in der 1. und 2. Liga sein darf.

Was wird denn auf Ihre Trainerkarriere folgen? (Johannes, Unterhaching)
Köstner: Pläne gibt es noch nicht, außer, dass ich natürlich gesund bleiben möchte. Für die nahe Zukunft wünsche ich mir, dass mein Verein Freude hat, mit mir zusammenzuarbeiten, dass wir zusammen Erfolg haben und dass ich immer leistungsbereite und entwicklungsfähige Spieler habe.

Wie muss man sich Ihren Job als Trainer vorstellen hinsichtlich Terminen, Training etc.? (Kevin, Haller/Luxembourg)
Köstner: Anfangen tut alles zu Saisonbeginn mit dem Trainingslager, da müssen neue Spieler gesichtet werden, es gibt Probetrainings. Wenn wir samstags spielen ist Sonntag Regeneration, Pflege, aber für den Trainer noch lange nicht Schluss: Pressetermine, Telefonate müssen geführt werden, Termine bei Fernsehsendern und dergleichen. Am Montag haben die Spieler dann einen freien Tag, ab Dienstag geht das Training los, damit bin ich den ganzen Tag beschäftigt. Und mittlerweile hat man als Trainer nicht nur das Training zu leiten, sondern man muss ja auch für Sponsoren da sein, man muss für die Öffentlichkeit da sein…

…und das ganze Drumherum geht jede Woche wieder von vorne los. Geht man da immer mit der gleichen Motivation zur Arbeit?
Köstner: Natürlich ist es für mich und die Spieler nach gewonnen Spielen etwas leichter. Aber man darf sich auch bei verlorenen Spielen nicht vom Konzept abbringen lassen. Der Trainer muss das Gesamtkonzept des Vereins vor Augen haben, das ist sehr wichtig.

Ihre Bilanz zum Jahresende 2000, wie würde die lauten?
Köstner: Nach großen Anfangsschwierigkeiten würde ich eine erfreuliche Bilanz ziehen, wir sind bei 21 Punkten, wie auch letzten Jahr, ein Punkt mehr als im Vorjahr vor der Rückrunde. Damals waren alle sehr zufrieden und in Jubelstimmung, nur dieses Jahr haben wir schon mehrmals auf einem Abstiegsplatz gestanden und hatten Schwierigkeiten. Aber mit dem Resultat müssen wir sehr zufrieden sein.

Das Bundesligageschäft ist für Trainer in letzter Zeit immer härter geworden und Niederlagen des Clubs fordern nicht selten die Stelle des Trainers. Wie beobachtet ein Trainer diese Tendenzen?
Köstner: Der Trainer ist nun mal der, der am meisten in der Kritik steht und dadurch am meisten angreifbar ist. Weil er für alles verantwortlich ist kann er auch am schnellsten verschleißen. Wenn gewonnen wird, ist es die Mannschaft, wenn verloren wird, ist es der Trainer. Damit muss sich ein Trainer auseinandersetzen und damit muss er auch in Zukunft leben können. Nur sollte man nicht zu lange drüber nachdenken, sondern jeden Tag das beste geben für die Mannschaft und den Verein. Man sollte sich vor allem selbst treu bleiben.

WM 2006 in Deutschland – was würden Sie sich bis dahin vom deutschen Fußball wünschen?
Köstner: Wir sollten weiterhin glaubwürdig bleiben. Mein Wunsch wären vor allem Fan-freundliche Anstoßzeiten. Wir müssen darauf achten, dass wir eine neue Generation mit heran holen, die ins Stadion geht. Die ältere Generation sieht man überall, die ist schon in der Jugend ins Stadion gegangen, die bleibt treu und lässt sich später nicht vom Fernsehen wegziehen, weil sie das Flair im Stadion miterlebt hat. Wir müssen jetzt auch an die jüngere Generation denken, da auch die Übertragung auf die Bildschirme von der Atmosphäre im Stadion lebt.

Das Leben ist ein Comic – welche Figur wären Sie?
Köstner: Das ist sehr schwer zu beantworten. In Verbindung mit dem Verein würde ich sagen: Asterix und Obelix.

Wer ist dann Asterix, wer Obelix?
Köstner: Das suchen Sie sich am besten selbst aus.

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