Madcon

Wir haben nicht die übliche Hit-Formel benutzt.

Die Pop-Band Madcon über "Beggin'", Coverversionen, Globalisierung und Musik als Therapie

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© Sony BMG

Yosef, Tshawe, „Beggin’“ ist euer bislang größter Hit. Habt ihr schon eine Reaktion von Bob Gaudio bekommen?
Yosef: Den Komponisten von „Beggin’“ meinst du? Ja, wir mussten uns ja um die Freigabe kümmern, deswegen haben die Four Seasons persönlich unseren Song angehört. Sie meinten: „Wir mögen das, was ihr gemacht habt.“ Ich hatte da ja so meine Befürchtungen, immerhin sind das Musiker der alten Schule und wir haben dem Song mit unser Version einen sehr modernen 2008er Touch gegeben, mit Rap, harten Uptempo-Beats… Ich hatte gedacht, dass sie vielleicht unsere Raps nicht mögen. Aber es hat ihnen offenbar gefallen.

Wie seid ihr denn auf den Song gestoßen?
Tshawe: Das war auf einem Konzert, das ich besucht habe. Als die Band fertig war hat der DJ ein paar Tracks gespielt, so auch „Beggin’“ von Frankie Valli und den Four Seasons. Und der Song hat mich in dem Moment sehr berührt. Ich hatte mich gerade von meiner Freundin getrennt und alles, was er da singt, war perfekt für mich. Dann habe ich Yosef gefragt, was er davon hält, diesen Song neu aufzunehmen…
Yosef: Wir haben ja ein paar Live-Musiker an der Hand und drei Tage später hatten die den Beat neu gemacht. Und als wir fertig waren wussten wir: Wir haben hier einen verdammt guten Track vor uns.
Ja, und ein paar Monate später, ich bin gerade im Fitness-Studio und trainiere, da sehe ich auf einmal auf einem Fernsehbildschirm ein „Beggin’“-Video laufen. Genau der gleiche Song. Ich dachte, das kann doch nicht wahr sein, der Song ist doch aus den 60ern – und dann stand da „Pilooski Re-Edit“.
Also, wir haben unser Remake gemacht lange bevor wir wussten, dass da noch eine andere Version existiert.

Im Refrain von „Beggin’“ fleht ein Mann seine Geliebte regelrecht an – gab es in eurem Leben schon eine Situation, wo ihr eine Frau mit Gesang erobern wolltet?
Yosef: Du meinst, vor dem Fenster stehen mit Gitarre und so…

Naja, das wäre jetzt die mittelalterliche Variante.
Tshawe: Also, wenn du mich fragst, für mich ist das wie eine Therapie: Etwas zu singen, was du fühlst, das ist gut für deinen Geist und deine Seele. Und für mich war es nicht schwierig, den „Beggin’“ Text zu singen, weil ich es so gut nachempfinden konnte. Und inzwischen bin ich mit der Freundin wieder zusammen – es hat geholfen!

Und bei dir Yosef?
Yosef: Nein, ich habe manchmal versucht, für Frauen zu rappen. Zum Beispiel als eine Freundin mit mir Schluss gemacht hat, habe ich einen Rap von Ol’ Dirty Bastard wom Wu-Tang Clan genommen, mich vor die Freundin gestellt und angefangen zu rappen – sie hat mir daraufhin eine Ohrfeige gegeben. Es hat also nicht wirklich funktioniert. Deswegen ziehe ich es jetzt vor, mit den Frauen ganz normal zu reden.

Frankie Valli hat „Beggin’“ damals mit seiner Band The Four Seasons gespielt, also mit Gitarristen, Schlagzeuger und Bassist. Wie viel Leute sind bei euren Shows auf der Bühne?
Yosef: Unterschiedlich. Mal sind es nur wir beide plus DJ, manchmal sind Tänzer dabei, und manchmal haben wir auch eine komplette Band mit Gitarristen usw.

Und dann braucht ihr kein Playback?
Tshawe: Nein.

Und doch hat live gespielte Musik heute nicht mehr die Bedeutung wie früher, oder?
Tshawe: Also, ich finde, die Bedeutung nimmt gerade wieder zu. Besonders im HipHop sehen wir mehr und mehr Live-Elemente. Früher hat sich das niemand getraut, weil „The Roots“ das gemacht haben und es so schien, als wären dass die Einzigen HipHopper, denen es erlaubt ist, eine Live-Band zu haben. Aber jetzt ist das sehr im Kommen, ich glaube, davon wird man in Zukunft viel mehr sehen.
Yosef: Die Musikgenres mischen sich, du kannst im HipHop heute viel mehr verschiedene Elemente unterbringen, und natürlich auch Live-Musiker.

Die „Beggin’“-Historie ist ja schon einigermaßen verrückt: Eine weiße Funk-Band spielt den Song in den 60ern, 40 Jahre später wird er von zwei in Norwegen lebenden Afrikanern gecovert und landet weltweit in den Charts.
Tshawe: Das nenne ich Globalisierung. Wir leben heute in anderen Zeiten, da kann alles mögliche passieren. Auch dass zwei schwarze Typen – einer mit Dreadlocks, der andere ein Zwerg – auf einmal Norwegen repräsentieren, das weißeste Land auf diesem Planeten.
Yosef (zu Tshawe): Aber das mit Zwerg nimmst du sofort zurück! (lacht)

Wo seid ihr eigentlich geboren?
Yosef: Ich in Norwegen, Tshawe in Deutschland. Unsere Eltern kommen aus Äthiopien und Eritrea.

Zitiert

Heute kann alles mögliche passieren. Auch dass zwei schwarze Typen auf einmal Norwegen repräsentieren, das weißeste Land auf diesem Planeten.

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Gibt es in Norwegen so etwas wie eine afrikanische Community?
Tshawe: Nein, es ist eher so eine zusammengeschlossene Community, die ganz verschiedene Kulturen vereint, wir leben jetzt nicht alle getrennt voneinander, wie es in einigen größeren Ländern der Fall ist. Wir sind auch zwischen verschiedenen Kulturen groß geworden, Yosef kann zum Beispiel sehr gut Türkisch, weil er Freunde von dort hat… Es ist also mehr so a la Benetton, eine Art United Colors-Szene.
Yosef: Das Land ist einfach nicht groß genug dafür, dass die verschiedenen Leute ihre eigene Community haben. Deswegen hast du alle zusammen: Schwarze, Latinos, Türken, Muslime, Christen…

Wie offen ist eigentlich die norwegische Bevölkerung gegenüber Ausländern und Einwanderern, gibt es da Probleme?
Tshawe: Das ist in Norwegen definitiv ein Thema, auch weil das ja noch eine relativ junge Entwicklung ist. Und es ist für die norwegische Öffentlichkeit auch etwas Neues, ausländische Prominente zu haben wie uns jetzt… Aber sie gewöhnen sich dran. Wir sind dafür auch Botschafter, weil es eben nicht so viele Ausländer in Norwegen gibt, viel weniger als in Deutschland oder Schweden. Aber ich denke, die Akzeptanz ist heute schon um einiges besser als noch vor 10 Jahren. Da hatte man es als Schwarzer in Norwegen noch viel schwerer.
Yosef: Wobei ich immer noch komische E-Mails bekomme, in denen steht „Ausländer geht nach Hause“ usw. Solche Haltungen gibt es leider immer noch.

Ihr macht schon seit Teenagerzeiten zusammen Musik – hattet ihr Schwierigkeiten, ins Musikgeschäft einzusteigen?
Tshawe: Wir hatten großes Glück, dass wir von Stargate (norwegisches Produzenten-Duo, Anm. d. Red) entdeckt wurden, die auch für große Leute in den USA produzieren. Sie wollten mit uns arbeiten, wir mussten uns also nicht durch so viele Etappen durchkämpfen.

Ich habe hier noch eine Presseinformation von eurer Plattenfirma, die darin euren Musikstil als „retro-futuristisch“ bezeichnet.
Yosef: Oh, das klingt gut, das ist so wie „Zurück in die Zukunft“.
Tshawe: Ja, wir kommen aus einer neuen Zeit, aber unsere Musik ist von den 60ern inspiriert. Und gleichzeitig haben wir Rap drin, das repräsentiert die heutige Zeit.

Habt ihr noch andere Retro-Interessen?
Tshawe: Ich bin ein Jazz-Fan.
Yosef: Wir sind mit vielen verschiedenen Musikgenres aufgewachsen, unsere Eltern haben uns mit der Musik von damals quasi gestillt, Motown, Jazz, Funk… Und das beeinflusst natürlich, wie wir heute Musik machen.

In der Presseinformation steht außerdem, dass ihr mit eurer Version den Song "Beggin’" „Chart- und Airplay-tauglich“ gemacht habt. Wie macht man denn einen Song Chart-tauglich?
Tshawe: Also, uns ist es egal wie jemand diesen Song im Nachhinein analysiert, das ist jedem selbst überlassen. Wenn wir Musik machen, dann versuchen wir sie gut klingen zu lassen, das ist alles. Wir machen das jetzt nicht nach der Devise: Das passt gut ins Radio, ins Internet oder in die Charts.
Yosef: Wie schon gesagt: Tshawa hat mich angerufen, und gesagt: „Hey, ich habe diesen Track gehört und es war so, als hätte der Typ zu mir gesungen.“ Und als ich dann das erste Mal „Beggin’“ hörte dachte ich auch: Das ist der Wahnsinn. Und als wir das Remake gemacht haben, da haben wir das für uns gemacht. Es ist ja nicht so, dass wir jetzt die übliche Hit-Formel benutzt haben, wie man in 2008 einen Hit produziert.

Es gibt ja auch keine Hit-Formel.
Yosef: Doch. Nimm den Beat von dem einen Produzenten, die Hookline von dem anderen, nimm noch die und die Leute dazu – und du wirst einen Hit haben. Aber so arbeiten wir nicht. Wenn wir im Studio sind beeinflusst uns niemand.

Gut, aber immerhin seit ihr jetzt mit „Beggin’“ in den Charts erfolgreicher als seinerzeit Frankie Valli. Habt ihr eine Idee, woran das liegen könnte, warum euer „Beggin’“ die Massen anspricht?
Yosef: Nein. Für mich bestätigt das nur, dass die Art und Weise, wie wir Musik machen, der richtige Weg ist. Wir sind ja auch unsere eigenen Hörer, wir sind die Leute, an die wir unsere Musik verkaufen wollen. Und das, was jetzt passiert ist, zeigt, dass wir mit unserem Bauchgefühl richtig lagen.

Mich würde noch interessieren, was eure persönlichen Lieblings-Coverversionen sind?
Tshawe: Ich mag Lauren Hills Version von „Killing me softly“ sehr gerne.
Yosef: Es gibt eine französische Band die heißt „Les Nubians“ und die haben mal eine Version von Sades „Sweetest Taboo“ aufgenommen – sehr schön.

Und welchen Song würdet ihr selbst nie covern?
Yosef: „Sweets for my Sweet“ von den Searchers.
Tshawe: “Bailando” von Paradisio, oder “Barbie Girl” von Aqua.

Klingt vernünftig.
Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren seid ihr?

Yosef: Ich wäre Roger Rabbit. Weil er die schönste Freundin hat.
Tshawe: Und ich bin Bugs Bunny. Auch so ein cooler Hase.

Madcon ist eine norwegische Hip-Hop- und Reggae-Band. Sie besteht aus Tshawe Baqwa (alias Kapricon) und Yosef Wolde-Mariam (alias Critical). Tshawe hat südafrikanische Eltern, wurde in Deutschland geboren, Yosefs Eltern stammen aus Äthiopien und mehr

Ein Kommentar zu “Wir haben nicht die übliche Hit-Formel benutzt.”

  1. geht dich nichts an |

    Hallo

    Hi Leute ich wollte nur mal sagen ich bin ein riesen Fan von euch.

    Antworten

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