Wolfgang Rademann

Allmählich geht mir die Welt aus.

TV-Produzent Wolfgang Rademann über 30 Jahre „Das Traumschiff“, Qualität im deutschen Fernsehen, die Schwierigkeit neue Reiseziele zu finden und warum er auch in der Südsee nicht auf seine deutschen Tageszeitungen verzichten will

Wolfgang Rademann

© Dirk Bartling/ZDF

Herr Rademann, in diesem Jahr feiert „Das Traumschiff“ sein 30-jähriges Jubiläum. Mit welchen Gefühlen sind Sie damals, im Jahr 1981, an diese Reihe herangegangen?
Rademann: Die Gefühle sind in so einer Situation äußerst mäßig, weil man ja nicht weiß, was man da gebärt. Wenn Sie eine Story schreiben, wissen Sie ja auch nicht, ob die groß oder klein veröffentlicht wird, und ob sie den Leuten gefällt. Zunächst ist erstmal die Idee da. In den ersten Folgen fuhr das Schiff ja stets vom Hamburger Hafen ab. Es war immer kalt und regnerisch und die Leute hatten einen Mantel an. Dann fuhren wir in die Sonne und die Passagiere haben sich im Laufe des Filmes langsam entblättert. (lacht) Das Ganze war aber eigentlich eine Studioproduktion, hier im Studio Hamburg. Dort waren die Kabinen aufgebaut, der Speisesaal, alles fand im Atelier statt. Die Außenaufnahmen an Deck wurden innerhalb weniger Tage gedreht. Dann hat das Ding wie eine Bombe eingeschlagen, aus 60 Minuten wurden 90 Minuten und nach der sechsten Folge sind wir hinaus in die Welt gefahren. Mittlerweile gab es über die Jahre vier Schiffe, drei Kapitäne, zwei Ärzte, und die einzigen Überlebenden aus der Anfangszeit sind nur noch Heide Keller (Chefstewardess Beatrice; Anm. d. Red.) und ich. Aber wer weiß wie lange noch…(lacht)

Wann haben Sie sich zuletzt die erste Folge dieser Reihe angesehen? Sehen Sie sich überhaupt noch alte Folgen an?
Rademann: Überhaupt nicht. Null. Ich gucke mir nicht mal mehr die Folge im Fernsehen an, die wir gerade gedreht haben. Den fertigen Film habe ich dann vorher schon gesehen. Wenn das Ding im Fernsehen läuft, bin ich mit dem Kopf schon längst bei der nächsten Folge. Ich bin auch sonst ein Mensch, der sehr in der Gegenwart und Zukunft lebt. Auch wenn ich abends im Bett liege, denke ich nur selten an den erlebten Tag, sondern bin in Gedanken schon beim nächsten, denn was weg ist, ist weg. Es muss bei mir immer geradeaus gehen.

Würde ein ZDF-Format wie „Das Traumschiff“ auch im Privatfernsehen, zum Beispiel auf RTL funktionieren?
Rademann: Nein, bei einem privaten Sender würde es die Sendung heute nicht mehr geben. Die wäre inzwischen längst so verwurschtelt und so zerstümmelt worden, dem Zeitgeist angepasst, immer an der Zielgruppe orientiert, das hätte dieses Format nicht überlebt. Ich bin heute sehr stolz darauf, dass sich das Konzept, der dramaturgische Aufbau dieser Reihe über die Jahre nie verändert hat: Das Schiff legt ab, Kapitänsdinner am Ende, in der Mitte kommt das Land, Happy-End, Liebe, Herzschmerz, keine Gewalt, kein Sex- diese Bestandteile waren genauso schon vor dreißig Jahren. Ich habe mich nie an den Zeitgeist gehalten. Das fängt damit an, dass ich der Kostümbildnerin auch immer untersage, modische Klamotten zu verwenden. Ich will keine Mode, die heute aktuell ist. Ich will zeitlose Mode im Film haben.

Liegt in diesem Konzept vielleicht auch das Erfolgsgeheimnis dieser Reihe?
Rademann: In dreißig Jahren hat sich ja alles verändert. Wir aber sind mit dem „Tatort“ die älteste deutsche Fernsehreihe. Man könnte jetzt böse sagen, wir seien stehengeblieben. Ich glaube aber, eben diese Beständigkeit dieser Sendung ist ihr Erfolgsgeheimnis. Die Zuschauer wissen seit dreißig Jahren, was sie erwartet, wenn sie das „Traumschiff“ einschalten. Das ist ähnlich wie bei „Wetten dass…?“, da hat sich die Mode von Gottschalk vielleicht ein bisschen verändert, aber das Konzept der Sendung ist geblieben. Das merkt man ja schon, wenn in einer TV-Zeitschrift der Programmteil verändert wird. Damit bringst du das Heft um, weil der Leser sich an ein bestimmtes Konzept gewöhnt hat. Bei uns ist das ähnlich: Der Zuschauer hat eben die schlechten Nachrichten gesehen, hatte den miesen Wetterbericht und hat jetzt 90 unterhaltsame Minuten mit uns auf dem Schiff. Darauf verlässt er sich.

Umso konfuser und übersichtlicher die Welt ist, desto mehr bietet „Das Traumschiff“ also einen Hort der Verlässlichkeit?
Rademann: Ja, genau so ist es. Ich werde einen Teufel tun irgendwelchen Moden nachzulaufen. Das ist mir auch egal, wenn sich da einer aufregt. Ich habe sowieso schon alle Kritiker überlebt. (lacht) Ich bleibe dieser Linie treu.

Was sehen Sie sich privat gerne im Fernsehen an?
Rademann: Ich gucke jedes, aber auch wirklich jedes Fernsehspiel. Ich habe gerade vor kurzem mal durchgezählt: Alleine in den letzten Jahren habe ich mir 2470 Fernsehspiele angesehen. Ich führe über jedes Fernsehspiel Buch, schneide mir aus der „Hörzu“ die kleine Inhaltsangabe aus und gebe jedem Film eine Note. Ich sehe im fiktionalen Bereich praktisch alles.

Haben Sie denn im Bezug auf die Qualität über die Jahre eine Veränderung festgestellt?
Rademann: Wenn du so viel durch die Welt reist wie ich, und das internationale Fernsehen siehst, dann merkst du erstmal, wie gut wir Deutschen sind. Wir sind nach meiner Ansicht die beste Fernsehnation der Welt! Die Amerikaner sind so schlecht geworden, die Italiener zählen schon gar nicht mehr, die Engländer haben schwer abgebaut, aber wir sind zumindest im fiktionalen Bereich Weltspitze. So eine Qualität, wie ARD und ZDF, und manchmal auch die Privaten, in ihren Fernsehspielen haben, gibt es nirgendwo sonst auf der Welt.

Zitiert

Der Zuschauer hat die schlechten Nachrichten gesehen, hatte den miesen Wetterbericht und hat jetzt 90 unterhaltsame Minuten mit uns auf dem Schiff. Darauf verlässt er sich.

Wolfgang Rademann

In der Jubiläumsfolge geht es nun nach New York, Savannah und Salvador de Bahia in Brasilien. An Bord sind neben der Stammbesetzung auch in dieser Folge wieder prominente Gaststars wie Hape Kerkeling, Otto Waalkes und Til Schweiger dabei. Wie locken Sie die vielen Gaststars seit Jahren an Bord?
Rademann: In den ersten 15 Jahren konnte ich die Schauspieler noch mit einer Kreuzfahrt locken. Da hieß es: „Ohh, Traumschiff, Kreuzfahrt, schöne Reise: Wunderbar!“ Das ist vorbei. Heute haben die alles schon gesehen, und können sich das bei den Preisen mittlerweile auch selber leisten. Heute kriege ich die Schauspieler nicht mehr, wenn ich sage: „Wir fahren nach Samoa. Du darfst mitfahren und mal über die Rehling spucken!“ Die jungen Schauspieler sind da sowieso nicht so scharf drauf: „Ja schön, auf dem Schiff, aber wat- drei Wochen?“ Es gibt einen Kollegen, einen ganz berühmten Schauspieler, der meinte: „Ick muss Geld verdienen, ick habe zwee Frauen zu ernähren, und da stehe icke auf der Rehling und kiecke aufs Meer? Nee, da mach ick doch lieber Synchron!“

In 30 Jahren „Traumschiff“ kamen viele Reiseziele zusammen. Welche stehen noch auf Ihrer Wunschliste?
Rademann: Ich muss ehrlich sagen: Allmählich geht mir die Welt aus. Ich habe jetzt 65 Folgen und 65 Länder gemacht. Und da ich beschlossen habe nicht nach Bornholm oder Mallorca zu fahren, weil da waren die Zuschauer selbst schon alle, brauche ich immer exotische Ziele. Auf der Warteliste stehen nur noch Kuba, Alaska und Korea.

Wie kriegen Sie dann Ideen für neue Folgen, wenn die Ziele allein als Idee nicht mehr ausreichen?
Rademann: Die Ziele waren ja nie die Idee, sondern immer nur eine Beigabe. Zunächst steht erstmal die Geschichte im Vordergrund. Ich brauche in jeder Folge drei Geschichten, lasse aber sechs bis acht für jede Folge schreiben, um dann drei auswählen zu können. Die Mischung muss stimmen. Es muss eine komische Geschichte sein, eine Herzschmerz-Geschichte und eine dramatische Episode. Diese Mischung ist das Geheimnis für das Drehbuch. Und das ist immer das schwierigste. In 30 Jahren haben wir nun rund 200 Geschichten verfilmt. Da sind viele Ideen natürlich schon verarbeitet. Die Redaktion sagt zwar zu mir: „Mach dir nicht so’n Stress, die Leute haben vieles schon wieder vergessen.“, aber die Angst vor Dubletten sitzt mir immer im Nacken.

In einem Interview haben Sie vor einigen Jahren erzählt, dass sie nie Urlaub machen. Ist die Arbeit am „Traumschiff“ für Sie auch ein bisschen Urlaub, oder vor allem Stress?
Rademann: Ich bin während der gesamten Dreharbeiten mit an Bord. Ich fahre immer mit. Das ist meine Erfindung, an der hänge ich, und das macht mir Spaß. Das ist so ein schöner und gesunder Stress, der gefällt mir. Ein bisschen stressig wird es höchstens in der Vorbereitung. Ich habe immer so ein halbes Jahr Vorlauf. Wenn aber der Dreh beginnt, hat der Regisseur den Stress. Ich bin aber vor Ort, weil wir ständig irgendwelche Änderungen haben, die man besprechen muss. Denn die Dreharbeiten sind ja vor allem wetterabhängig.

Auf der Welt geht es nicht selten sehr turbulent zu. Inwiefern gab es Folgen oder Drehtage, die aufgrund der politischen Lage oder ausgelöst durch Naturkatastrophen nicht wie geplant stattfinden konnten?
Rademann: Ich bin gerade mit Japan ganz schön auf die Nase gefallen. Wir wollten für die diesjährige Weihnachtsfolge in Japan drehen. Flüge, Hotels, Motive, alles war vorbereitet, und dann kommt drei Wochen vorher diese dusselige Welle und haut das Land kaputt. Also musste alles umgeschmissen werden, und wir sind nach Bali gefahren. Das war ein verdammt harter Brocken. Da hat die ganze Produktion aber wunderbar mitgespurt und wir haben es hingekriegt.

Sie sind viele Wochen im Jahr in der Welt unterwegs. Was ist Heimat für Sie?
Rademann: Berlin. Gott, ick bin Berliner, wie man sicher hört. (lacht) Wenn ich sechs Wochen auf dem Schiff war, bin ich froh mal wieder in Berlin zu sein. Ich freue mich aber auch immer wieder, wenn es los geht und wir ablegen. Ich muss nur immer aufpassen, dass ich meine Zeitungen kriege. Das ist an Bord mein größtes Bestreben. Ich lese jeden Tag meine fünf bis sieben Zeitungen und viele Illustrierte. Ich will die dann auch einige Tage nach Erscheinen haben, egal wo ich auf der Welt bin. Ich engagiere ständig Leute, die mir das Zeug irgendwo hinfliegen. Das ist eine logistische Herausforderung, wenn du in der Südsee oder in Australien bist. Einmal habe ich für einen ganzen Packen Zeitungen 500 Euro bezahlt, da hat die Bild-Zeitung dann 20 Euro pro Exemplar gekostet. (lacht) Das ist aber mein persönliches Vergnügen. Ich will alles lesen, alles sehen, und dafür bezahle ich dann auch. Ich gehe ja nicht ins Internet. Ich kann im Internet nicht lesen. Ich muss eine Zeitung fühlen, ich muss das Papier haben und umblättern können. Das ist meine größte Leidenschaft. (lacht)

Haben sie Ihren Namen denn schon mal gegoogelt?
Rademann: Nee, ich weiß gar nicht, was das ist. Kann man das essen?

Wolfgang Rademann, 1934 in Neuenhagen bei Berlin geboren, arbeitete nach der Ausbildung zum Schriftsetzer als freier Lokalreporter in Ost-Berlin, später schrieb er von West-Berlin aus u.a. für das Magazin „Stern“ und die Boulevard-Zeitung „B.Z.“. mehr

Ein Kommentar zu “Allmählich geht mir die Welt aus.”

  1. Dieter Kehrenberg |

    Hallo Herr Rademann,
    da ihnen die Geschichten ausgehen, kann ich Ihnen vielleicht helfen. Im Dezember 1975 bin ich mit der Maxim Gorki und Neckermann Reisen auf die erste Weltreise gegangen. Dabei habe ich einige Erlebnisse gehabt, welche vielleicht interessieren könnten. Im Jahre 1976 habe ich alles schriftlich festgehalten. Sollte ein Interesse bestehen, erwarte ich Ihre Antwort.

    In aller Freundschaft
    Dieter Kehrenberg

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