Wigald Boning

Auf die Reaktion des Publikums hat man überhaupt keinen Einfluss.

Komiker und TV-Moderator Wigald Boning über Mohrhühner, Big Brother, Verdoofungsbedarf und seinen Kleidungsstil

Wigald, in letzter Zeit haben es dir die Moorhühner sehr angetan – kommt das daher, dass du im Allgäu wohnst?
Boning: Nein, als ich gerade meine zweite Partie Moorhuhn spielte, klingelte das Telefon und eine Plattenfirma fragte, ob ich das Huhn kennen würde. Da habe ich gleich zugesagt, weil ich weiß, worauf diese Gespräche mit Plattenfirmen immer hinauslaufen. Und während der Promotion zu "Gimme More Huhn" entstand die Idee, mal eine einstündige Version davon herzustellen, weil es meines Wissens noch keine Single gab, die eine Stunde lang ist. Das ist ja auch betriebswirtschaftlicher Unsinn, weil man 60 Minuten auch als Album verkaufen kann. Ich habe die Platte selber produziert und man kann die privat bei mir bestellen unter www.boning.de. 1500 Stück habe ich noch unter meinem Bett gelagert und es wäre schön, wenn die alle vor dem nächsten Umzug wegkämen.

Empfindest du die Arbeit im Musik- und TV-Business als hart?
Boning: Nun, ich halte mich von der Business-Komponente des Ganzen tunlichst fern, weil ich mich immer für Musik interessiert und nicht etwa BWL studiert habe, und ich würde mich immer noch wehren, mich längerfristig damit zu befassen. Da gibt es spannendere Sachen.

Was sagst du zu einer Vermarktung, wie sie beispielsweise mit Zlatko geschieht?
Boning: Das nehme ich halt so hin. Big Brother fand ich vom künstlerischen Kern der Idee her sehr interessant. Dass man eben normale Menschen nimmt, die man filmt während sie leben. Allerdings ist die Idee auch nicht ganz neu, die gab es schon bei Andy Warhol oder Markus Peichel, "Das wahre Leben" 1991. Dass dann ein Sender wie RTL2 so etwas an prominenter Stelle durchführt, nachdem viele andere Sender nichts damit zu tun haben wollten, find ich erst einmal gut. Der ganze Hype, der dann immer entsteht, der hinterlässt bei mir so ein schales Gefühl, wie bei allen Hypes die es gab, inklusive der Comedy-Welle. Denn zum Hype kommt es, weil sich plötzlich auch die BWLer für solch ein Thema interessieren, und der künstlerische Kern immer weiter in den Hintergrund gerät.

Und Zlatko als Popstar?
Boning: Es gab ja auch Lieder der deutschen Nationalmannschaft, die erfolgreich waren, auch wenn das nun mal Torfköppe sind.

Wird Olli Dittrich bald das Moorhuhn ersetzen?
Boning: Das weiß ich nicht. Wir treffen uns immer mal wieder, überlegen, wie das denn so wäre, wenn man jetzt mit den "Doofen" wieder aktiv würde. Konkrete Pläne gibt es aber nicht, zumal ich skeptisch bin, ob in unserer Gesellschaft derzeit Verdoofungsbedarf besteht.

Und diesen Verdoofungsbedarf gab es, als ihr mit "Die Doofen" angefangen habt?
Boning: Ja, "Die Doofen" entstanden ja in einer Zeit, in der die öffentlich rechtlichen Sender besonders starr vorgingen und viele Sendungen am Publikum vorbei zielten. Da war das vielleicht ganz keck, wenn sich ein paar Leute darüber hinwegsetzten.

Trägt das Fernsehen denn generell zur Verdoofung der Leute bei?
Boning: Weiß ich nicht, ich glaube ja, dass der heutige Bildungsstandard im Schnitt höher ist als im Mittelalter. Damals wussten die Leute ja nicht, dass zum Beispiel hinter den Alpen noch mehr ist. Insofern hat das Fernsehen zu einer Normalisierung geführt. Die Aufklärung war so ein kurzer Ausreißer und das Fernsehen begradigt das jetzt wieder. Das betrifft nicht nur die breiten Bevölkerungsschichten, ich habe eher den Eindruck, dass alle immer doofer werden.

"Samstag Nacht" löste seinerzeit einen regelrechten Comedy-Boom im deutschen Fernsehen aus und Kritiker warnten vor einer drohenden Verflachung – ist das Niveau deiner Meinung nach bis heute immer weiter gesunken?
Boning: Teils, teils. Auf einem bestimmten Gebiet geht die Entwicklung immer weiter runter – damit meine ich weniger die Inhalte, sondern die Methode wie vorgegangen wird, nämlich Trittbrettfahrerei. Zum Beispiel hat eine Quiz-Show mit Günter Jauch – eine faszinierende Sendung – Erfolg, aber zwei Monate später gibt es schon zwölf solcher Shows. Das ist äußerst unkreativ, da wünschte ich mir, dass man sich eigene Gedanken machte und sich selber etwas ausdenken würde. Mit der Verflachung – das stimmt wohl, aber schließlich geht es um Fernsehen. Ziel im Privatfernsehen ist es ja, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen und den Umsatz zu erhöhen. Der Inhalt ist generell zweitrangig. Wenn sich Millionen von Leuten angucken würden, wie ein Turnschuh einen Tag lang in einem unbewegten Bild liegt, das würde man genauso ausstrahlen – aber da gucken eben zu wenig zu.

Welche Chancen haben deutsche Komödien heutzutage im Kino?
Boning: Ich tu mal so, als wäre ich BWLer: Aufgrund der Summen, die für einen guten Actionfilm notwendig sind, kann Deutschland mit Hollywood auf diesem Gebiet nie konkurrieren. Da sieht es bei Komödien schon anders aus. Man kann ja Komödien machen, die sich speziell mit deutschen Eigenarten auseinandersetzen, zum Beispiel mit "Hakle Feucht". Nehmen wir an, "Hakle Feucht" würde in einer deutschen Komödie eine besondere Rolle spielen, solch ein Film könnte in Hollywood nie so gemacht werden, da haben wir hier sozusagen Standortvorteil und darum wird es deutsche Komödien auch im Kino immer geben.

Was hat dir die Zeit bei "Samstag Nacht" gebracht?
Boning: Die Sache hat sehr viel Spaß gemacht, weil man erstmals vor einem großen Publikum das durchsetzen konnte, was man immer schon machen wollte. Und dazu gab’s einen riesigen Sack Geld. Und starke Elektrosmog-Anzeichen, ich glaube, man hat da in den Studios ziemlich schlecht isoliert. Aber ich will die Zeit nicht missen, sie war sehr schön.

Hat der Erfolg dein Leben verändert?
Boning: Ja, ich bekomme im Restaurant immer einen Tisch, auch wenn der Laden völlig überfüllt ist. Und wenn ich meine Ruhe haben will, gehe ich im Wald spazieren.

Dein Einstieg beim TV war eine an sich ernste DDR-Bürger-Befragung zum Tag der deutsch-deutschen Währungsunion am 1. Juli 1990, die aber ungewollt ins Skurrile abglitt.
Boning: Ja, das hatte so einen anthropologisch-journalistischen Ansatz, wurde aber missverstanden. Aber ich glaube, alle großen Erfolge beruhen auf Missverständnissen, das hat Peter Gabriel einmal gesagt und ich finde, da ist etwas dran.

Hast du dich gar nicht geärgert, dass man dich nicht ernst genommen hat?
Boning: Ich habe mich anfangs schon ein bisschen missverstanden gefühlt, aber schließlich gehören zu diesem Beruf zwei Seiten: die eigenen Handlungen und Absichten und die Reaktion und Größe des Publikums. Auf Letzteres hat man aber de facto überhaupt keinen Einfluss. Man kann sich nur darum kümmern, dass man Filme oder Schallplatten macht, die einem selber gefallen.

Zitiert

Ich bin skeptisch, ob in unserer Gesellschaft derzeit Verdoofungsbedarf besteht.

Wigald Boning

Würdest du denn gerne öfter ernst genommen werden?
Boning: Ernst genommen zu werden halte ich für eine Durchschnittsphantasie von billigen Fernsehschauspielern. Besonders im Comedy-Fach ist es sehr beliebt, dass man sagt, ich möchte auch mal in einem ernsthaften Film mitspielen. Das geht aber gar nicht. Ich könnte natürlich mal den Hamlet spielen, aber das würde entweder lustig werden oder aber überhaupt nicht gut. Ich sehe mich als einen missverstandenen jungen Mann, dem es aber keine Probleme bereitet, ausgelacht zu werden. Im Gegenteil – das macht sogar Spaß. Bei dem Missverständnis wird es auch immer bleiben, denn ich glaube, wenn man mich richtig versteht, will mich keiner mehr sehen.

Privat bist du also ein ernster Mensch?
Boning: Ja und das ist auch gut so. Humor ist ja nicht wirklich eine Tugend, wir sind ja Deutsche. Das wäre doch schade, wenn wir Deutschen jetzt alle versuchen würden, unglaublich espritgeladen und humorvoll zu sein. Dann würde ja der Kern unseres Deutschseins verloren gehen. Das wäre genauso, wenn die Engländer – berühmt für ihren Humor – plötzlich alle versuchen würden, humorlos zu sein, wär‘ doch schade, oder? Man muss immer – auch im zusammenwachsenden Europa – gewisse Eigenarten beibehalten und deshalb versuche ich privat schon ein bisschen humorlos zu sein, gelingt mir allerdings nicht immer.

Was würdest du machen, wenn du Programmdirektor eines Fernsehsenders wärst?
Boning: Ich glaube, für den Posten wäre ich ungeeignet, weil ein Sender immer noch so teuer ist. Ein Prozent Marktanteil entspricht in etwa einer Milliarde DM Investition. Das könnte ich geschmacklich nicht leisten, weil ich meinen Geschmack für nicht breitenwirksam genug halte.

Und wenn du Kanzler wärst, was wäre deine erste Amtshandlung?
Boning: Ja, da gäbe es sicher einiges zu tun. Der Kanzler ist nun mal immer auch gefangen in dem Rahmen, den die Gesellschaft vorgibt. Ein Beispiel dafür ist die Ehe von Homosexuellen: Das größte Unterscheidungsmerkmal zwischen den vorliegenden Gesetzesentwürfen und der im Grundgesetz verankerten Ehe ist, dass Homosexuellen keine Volladoption von Kindern erlaubt wird. Denn wenn das der Fall wäre, würde man die Homo-Ehe als ganz normale Ehe akzeptieren. Aber die Tatsache, dass dies keine Partei – inklusive der Grünen – fordert, zeigt, dass die Vorstellung, homosexuellen Paaren eine Adoption zu ermöglichen, enorm tabuisiert ist und man das Problem so gar nicht lösen kann. Solche Dinge machen es schon schwierig, als Politiker tätig zu werden. Was die erste Amtshandlung betrifft: Ich würde wahrscheinlich den Wehrdienst für Frauen einführen, aus Gründen der Gleichberechtigung der Männer, allerdings bei freier Wahl ob nun Zivil- oder Wehrdienst. Oder wir schaffen den Wehrdienst ganz ab, denn wie die da derzeit rumeiern… Aber ich bin mir sicher, dass ich nie in eine Position kommen werde, in der ich so eine Amtshandlung durchführen könnte.

Wigald, mit welchem Wort würdest du deinen Kleidungsstil beschreiben?
Boning: C&A auf LSD!

Wo bekommst du eigentlich deine Klamotten her?
Boning: Ich hatte jahrelang eine Freundin, die war Kostümbildnerin. Bei der hatte ich zu "Samstag Nacht"-Zeiten so eine Art Abonnement, sie hat mir jede Woche einen neuen Anzug geschneidert. Momentan kaufe ich gerne auf Flohmärkten, Second Hand und bei Aldi, da gibt es ganz tolle Sommer-Shirts, -Schals und -Shorts.

Wie beurteilst du die Modeindustrie, welche den Kids ihre Trends aufdrückt, so dass sämtliche Individualität verloren geht?
Boning: Ich glaube, die Modeindustrie muss das so machen, im Zeitalter der Shareholder-Values ist so etwas nicht umgänglich. Aber manchmal stehe ich schon etwas stutzig vor der jungen Generation und denke, ich bin ein alter Sack und sage: Früher war alles besser. Zu meinen Zeiten hat man sich ja nicht marken- sondern stilbewusst gekleidet. Oder man hat gar nicht drüber nachgedacht, was ja wesentlich sinnvoller ist, als wenn man sein gesammeltes Taschengeld Tommy Hilfiger schenkt. Aber so etwas gehört zu den merkwürdigen Merkmalen unserer Gesellschaft. Vor kurzem bekam ja eine Frau vor Gericht Recht, die das Sozialamt verklagte, weil sie für ihr Schulkind lediglich eine Beihilfe für einen "Woolworth"-Ranzen erhielt und es gegen die Menschenwürde ihres Kindes verstieße, wenn dies mit einem "Woolworth"-Ranzen herumlaufen müsste. Man bräuchte heute mindestens einen "Scout"-Ranzen meinte sie und hat den Prozess gewonnen. Vor dem Hintergrund dieser Justizentscheidung kann man den Modehäusern eigentlich keine Vorwürfe machen. Sondern da stimmt dann gar nichts mehr, weder beim Träger, noch bei den Kleidungsherstellern, noch bei den Richtern und vor allem nicht bei den Eltern.

Und was ziehen deine Kinder an?
Boning: Meine Kinder bekommen Kartoffelsäcke an und alles weitere sollen sie sich selber verdienen, da müssen sie halt sehen, wo sie das Geld herkriegen.

Wer ist deine Lieblingscomicfigur?
Boning: Donald Duck.

Und welche Figur würdest du in einem Comic abgeben?
Boning: Batman!

Du wolltest ja eigentlich mal Sportler werden. Hast du bereut, dass das nichts geworden ist?
Boning: Ein bisschen schon, zum Beispiel rauche ich zu viel. Und so wie Lars Riedel wäre ich auch ganz gerne geworden. Vor allem kann man als Sportler viel mehr rumreisen, wobei ich doch sehr auf den deutschsprachigen Raum festgelegt bin.

Und weshalb rauchst du, zuviel Stress?
Boning: Na, ich habe jetzt gelesen, dass da hormonelle Prozesse im Gehirn ausgelöst werden und dass Nikotin ein Stoff ist, der ein Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Da habe ich scheinbar ein sehr großes Belohnungszentrum.

Singst du unter der Dusche?
Boning: Nein. Ich kann mir auch schlecht Texte merken, da ergibt sich sonst höchstens so ein Lala Lala Lala und eben kein Text.

Haben dir deine Fans seit "Samstag Nacht" die Treue gehalten?
Boning: Keine Ahnung, da gibt es einige von denen weiß ich es, das sind aber wenige, mit denen ich sowieso in Kontakt stehe. Andere haben vielleicht meine neue Moorhuhnplatte gekauft, die wussten gar nicht, dass es "Samstag Nacht" gab. Das ist nun schon vier Jahre her und wenn jetzt ein Vierjähriger eine Platte das erste Mal in seinem Leben kauft, dann kann der ja gar nichts von "Samstag Nacht" wissen.

Und du triffst dich ab und zu mit deinen Fans?
Boning: Ich wohne ja im Allgäu im Wald und habe da ein paar Nachbarn, die sind aber Landwirte und gucken aus Zeitmangel überhaupt kein Fernsehen. Andererseits gibt es in dem Dorf auch junge Leute, mit denen ich mich sowieso treffen würde, auch wenn sie nicht meine Fans wären. Aber es gibt keinen organisierten Austausch, dass man sich beispielsweise zum Kegeln trifft – da haben meine Fans keine Zeit für.

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