Wang Huaicheng

Die chinesische Presse wird nie die gleiche sein wie in Europa.

Der chinesische Journalist Wang Huaicheng über seine Arbeit als Berliner Korrespondent der „Guangming Daily“, einen möglichen Olympia-Boykott, die Berichterstattung in westlichen Medien über den Tibet-Konflikt und die Situation der Pressefreiheit in China

Wang Huaicheng

© privat

Herr Wang, welche Chance bieten die Olympischen Spiele in diesem Jahr für die Entwicklung von Pressefreiheit, Menschrechten und Demokratie in China?
Wang: Die Olympischen Spiele sind ein wichtiger Schritt, wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Allerdings finde ich es nicht ganz korrekt, Menschenrechte und Demokratie in Verbindung mit Olympia zu bringen. Das ist unfair. Das ignoriert die Fortschritte in China, auch was Menschenrechte angeht. Durch die Olympiade wird in China sicherlich keine Demokratie wie in Deutschland entstehen, das wissen wir alle.

Die ganze Welt wird auf China blicken.
Wang: Ja, und von vielen Seiten heißt es zurzeit, China will Olympia zur Propaganda benutzen. Das ist falsch. Natürlich will man die schönen Seiten zeigen, aber ohne, dass es darum geht, mit Olympia zu zeigen, dass wir alles korrekt gemacht haben. Olympia ist für die einfachen Chinesen die Chance, etwas von der Welt mehr zu sehen. Ich finde das großartig.

Nun mehren sich aktuell die Befürworter eines Olympia-Boykotts. Wie sollte die Weltgemeinschaft Ihrer Meinung nach auf die Gewalt in Tibet antworten?
Wang: Sportpolitisch darauf zu reagieren und China die Olympischen Spiele zu entziehen, schadet uns allen, nicht nur diesmal, sondern langfristig. Gerade in dieser Zeit brauchen wir Vernunft. Es hat etwas mit Zivilcourage zu tun, dass wir die Chinesen unterstützen, die sich mit gutem Grund auf die Olympiade in Peking freuen.

Von chinesischer Seite würde die Berichterstattung westlicher Medien über die Gewalt in Tibet als“ unfair“ und „falsch“ kritisiert, es werde bewusst nicht über die ausgehende Gewalt der Tibeter berichtet. Wie beurteilen Sie die Berichterstattung über den Tibet-Konflikt in westlichen Medien?
Wang: Eine seriöse Presse muss die grausame Gewalt an der Zivilbevölkerung ganz klar und sofort verurteilen, egal ob die Täter Demonstranten oder Mönche sind, egal was für politische oder religiöse Motive sie haben. Wenn die Mönche mit Mönchskutte sich wie Einbrecher benehmen, kann ich überhaupt nicht verstehen, warum die Presse hier mit Kritik spart. Das Bild passt in keinster Weise zu meinem Verständnis vom Buddhismus. Es muss verurteilt werden. Die Presse hier hat das nicht getan.

Sie arbeiten als Berlin-Korrespondent für die „Guangming Daily“, eine der größten landesweiten Tageszeitungen in China. Haben Sie eigentlich ein Büro in Berlin?
Wang: Ich arbeite von meiner Wohnung aus, die ist hier ganz in der Nähe. Sie ist auch mein Büro. Wir Journalisten haben schließlich alle einen Laptop, da brauchen wir gar nicht unbedingt ein richtiges Büro. Außerdem ist es schon teuer genug, einen Auslandskorrespondenten zu finanzieren. Deshalb werden in vielen Ländern die Korrespondentenbüros geschlossen. Ich bin daher auch froh darüber, dass ich nebenbei noch für andere Zeitungen wie die „Global Times“ und die „Beijing News“ schreiben kann. Die „Beijing News“ gehört der Guangming Daily Group. Sie ist eine Tochterzeitung von uns. Die „Beijing News“ lese ich selbst sehr gerne, besonders die kritischen Kommentare. Sie ist kritisch und wird von den Intellektuellen geliebt.

Und die „Guangming Daily“?
Wang: Sie wird sehr viel gelesen, auch im Internet. Aber sie ist eine amtliche Zeitung. Es werden dort viele Informationen von Hochschulen und der Kulturpolitik veröffentlicht. Für die normalen Leser ist sie daher manchmal nicht unbedingt interessant. Aber die Informationen sind zuverlässiger. In unserer Zeitung wird zudem der offizielle Standpunkt der chinesischen Regierung deutlich.

Können Sie diesen Standpunkt denn auch einmal in Frage stellen?
Wang: Man kann direkte Kritik am chinesischen Staat ausüben. Die Frage ist auf welche Weise. Das Verständnis über die Funktion und die Rolle der Medien ist bei uns nicht ganz identisch wie in Deutschland. Und die Erwartung an die Medien, nicht nur von der Regierungsseite, sondern auch von der Gesellschaft insgesamt, ist anders als im Westen. Die „frechen“ Medien, die nicht zur Stabilität der Gesellschaft beitragen, obwohl sie eventuell die Wahrheit in der Hand haben, werden meistens nicht geschätzt. Sie werden geächtet. Man muss verstehen, dass wir Chinesen viel unter der Unstabilität gelitten haben. Deshalb wird versucht, die Stabilität auf jeden Fall zu erhalten, auch wenn es Nebenwirkungen hat. Natürlich gibt es Tabuthemen. Wenn man jedoch deshalb das ganze politische System in Frage stellt, geht man zu weit. Aber gut, wenn man in Deutschland von Zensur oder Selbstzensur spricht, kann ich das verstehen.

Wie genau sieht diese Art von Selbstzensur aus?
Wang: Die Medien in China respektieren, dass die kommunistische Partei an der Macht ist.

Heißt das, Sie können nicht über alle Themen schreiben, über die Sie eigentlich gerne schreiben würden?
Wang: Doch, eigentlich schon.

Es gibt niemanden, der sagt: „Das drucken wir jetzt nicht, das ist zu kritisch“?
Wang: Nicht in dieser Form, aber natürlich werden Artikel von den Redakteuren entsprechend korrigiert. Das ist überall so. Die Zeitung ist schließlich nicht mein privates Feld. Auch in Deutschland nicht, denke ich.

Haben Sie auch schon erlebt, dass Artikel von Ihnen auch einmal gar nicht gedruckt wurden?
Wang: Oft, aber wegen verschiedenen Gründen. Ich kann auch nicht immer gute Artikel schreiben. Ich habe einmal zu kritisch über die deutsche Politik geschrieben, auch dieser Artikel wurde weggeworfen.

Ihre Redaktion fand, dass Sie zu kritisch über die deutsche Politik schrieben?
Wang: Das kommt auch vor. Ich schreibe ja generell eher über Deutschland und Europa als über China. In der „Guangming Daily“ gibt es jeden Tag eine internationale Seite mit Wirtschafts-, Kultur- und Politikthemen. Außerdem haben wir in der Wochenendbeilage zwei Seiten mit internationalen Themen.

Auf dem aktuellen "World Wide Press Freedom Index" von "Reporter ohne Grenzen" belegt China Platz 163 von 168. Inwiefern gibt Ihnen das zu denken?
Wang: Was Pressefreiheit anbelangt, ist es so, dass wir einfach noch Zeit brauchen. Aber allgemein gesehen wurden Forschritte gemacht. Wenn man zum Beispiel die zweite und die dritte Seite der „Beijing News“ einen Monat lang lesen würde, könnte man sich selbst ein Bild davon machen. Das ist nur ein Beispiel. Es gibt noch einige weitere kritische Zeitungen in China, insbesondere in Südchina. Wenn man die chinesische Pressesituation beurteilen will, muss man die chinesischen Zeitungen selbst einmal lesen. Es gibt in China natürlich Probleme in Bezug auf die Pressefreiheit. Aber sie kann nicht vom Ausland erzwungen werden. Die chinesische Gesellschaft muss die Pressefreiheit selbst einklagen.

Sie meinen, aus der Gesellschaft heraus muss der Wunsch zur Veränderung entstehen?
Wang: Zurzeit ist es so: Man kann zwar schreiben, was man will. Aber wenn man etwas Falsches schreibt, hat man mehr Probleme als es in Deutschland der Fall ist, man wird sogar zur Verantwortung gezogen. Wie soll man da frei schreiben können? Gerade heute bei der verschärften Konkurrenzsituation muss man immer schneller arbeiten. Da kann man nicht vermeiden, auch einmal etwas Falsches zu schreiben. Ich nehme an, in Deutschland hat schon sich schon daran gewöhnt, dass die Medien auch mal übertreiben. Man sieht es gelassen. Aber in China ist man allgemein nicht so tolerant.

Zitiert

Die Medien in China respektieren, dass die kommunistische Partei an der Macht ist.

Wang Huaicheng

Man läuft als Journalist in China also jederzeit Gefahr, verklagt zu werden, wenn man einmal einen Fehler macht?
Wang: Die Konsequenzen gehen gar nicht unbedingt vom Staat aus, vielmehr von den Betroffenen. Deshalb denke ich: Als Voraussetzung für die Pressefreiheit brauchen wir Toleranz in der Gesellschaft gegenüber dem, was Journalisten schreiben. Die ist heute noch nicht ausreichend vorhanden. Das ist das eigentliche Problem in Bezug auf die Pressefreiheit.

Es liegt vor allem an der Bevölkerung selbst?
Wang: Ein Problem ist auch, dass von Regierungsseite wenige Informationen bereitgestellt werden. Das macht die Berichterstattung für die chinesischen Medien schwer. In Deutschland sind sofort die Pressesprecher zur Stelle, wenn etwas passiert. In China ist das nicht der Fall, zumindest nicht rechtzeitig, da wird viel spekuliert. Aber es gibt auch hier eine Entwicklung. Die Pressearbeit nimmt zu. Die Pressesprecher müssen lernen, die Medien richtig zu verstehen. Momentan lesen sie von ihren Blättern ab und beantworten nicht gerne kritische Fragen.

Aus dem, was Sie sagen, lässt sich ableiten, dass es in China generell schwer ist, als Journalist zu arbeiten.
Wang: Wer absichtlich versucht, zu provozieren, bekommt auch das, was er verursacht hat, zu spüren. Aber für den, der ordentlich arbeitet, ist die Gefahr, in Schwierigkeiten zu geraten, gar nicht allzu groß.

Was bedeutet „ordentlich arbeiten“? Sie meinen, „auf Kritik verzichten“?
Wang: Über Demonstrationen und Unfälle zum Beispiel kann man eigentlich berichten. Man muss nur vorsichtig sein, mit dem, was man schreibt. Man muss alles ganz korrekt aufschreiben und sich jedes Mal die Frage stellen: Was ist wirklich gesagt worden, und was nicht, was ist wirklich passiert, und was nicht.

Kann eine Berichterstattung, die sich an Fakten hält, auch Kritik beinhalten?
Wang: Ja, man darf halt z.B. nur nicht provokatorisch sagen: „Das ist die Schuld der kommunistischen Partei“. Und, es stimmt auch: Viele Dinge haben mit dieser hohen Politik überhaupt nichts zu tun.

Für die zum Beispiel von Amnesty International angeprangerten Menschenrechtsverletzungen trägt die kommunistische Regierung durchaus eine Verantwortung. Kann man als Journalist in China solche Themen ansprechen, ohne Angst vor Verfolgung haben zu müssen?
Wang: Die Zeitungen sind in China kein geeigneter Platz, um über alle diese Fragen zu diskutieren. In den Fachzeitschriften wird hingegen etwas lebhafter darüber diskutiert. In China wird über bestimmte Themen, zum Beispiel über die Todesstrafe, seit langem lebhaft diskutiert.

Hat die ARD-Korrespondentin Kerstin Lohse-Friederich Recht, wenn sie sagt, dass es mehr Tabuthemen in China gäbe, als Themen über die man berichten darf?
Wang: Das Entscheidende ist das Prinzip, dass man die Herrschaft der kommunistischen Partei nicht in Frage stellen darf. Das ist die chinesische Realität. Aber China verbessert sich Stück für Stück. Die Presse wird bereits immer freier, und die Tabuthemen werden dank dem Internet immer weniger. Wenn man pauschal sagt, die Presse in China sei nicht frei, ist das nicht ganz korrekt. Ich würde zustimmen, wenn man sagt, dass die Presse in China nicht frei genug ist. Wenn man allerdings alles nach deutschen Kriterien beurteilt, gibt es vieles bei uns, was wir verbessern müssen, nicht nur in Bezug auf die Presse.

„Reporter ohne Grenzen“ sagt nicht, dass die Presse freier wird, sondern genau das Gegenteil. Demnach sitzen 33 Journalisten im Gefängnis, darüber hinaus befinden sich 50 Internetdissidenten hinter Gittern. Rund um den 17. Kongress der Kommunistischen Partei im Oktober 2007 wurden rund 2.500 Internetseiten, Blogs und Foren gesperrt. Das spricht eher nicht für eine freier werdende Presse.
Wang: Die chinesische Presse wird nie die gleiche sein wie in Europa. Das ist kein Vorbild für uns. Wir sind seit tausend Jahren eine autoritäre Gesellschaft. Wenn hier eine politische Führungskraft kritisiert wird, ist das eine Sensation. Das ist ein gesellschaftliches Phänomen, nicht unbedingt ein politisches. Das ist nicht so wie in Europa, wo man Frau Merkel problemlos kritisieren kann. Bei uns ist das einfach etwas anders. Die Gesellschaft braucht so etwas eine Figur wie einen Kaiser. Und noch vor 20 Jahren und mehr hat es überhaupt keine kritischen Meinungen gegeben, es wurde überhaupt nicht diskutiert. Aber im Vergleich dazu gibt es diese Kritik inzwischen. Es ändert sich langsam.

Was sagen Sie zu den Zahlen von „Reporter ohne Grenzen“?
Wang: Die konkreten Zahlen von „Reporter ohne Grenzen“ kann ich nicht beurteilen. Es ist schwer über bestimmte Dinge zu berichten, das ist wahr. Aber was die Zahl der eingesperrten Journalisten angeht, stellt sich doch die Frage, wie viele von ihnen wegen kritischen Meinungen verhaftet wurden. Vielleicht sind sie auch aus anderen Gründen im Gefängnis. Das wird aus den Zahlen nicht deutlich. Außerdem würde ich den Leuten von „Reporter ohne Grenzen“ raten, die chinesischen Zeitungen wirklich einmal zu lesen. Die ganzen Beispiele in deutschen Medien, wo Missstände aufgezeigt werden, stammen aus chinesischen Zeitungen. Das ist ein Beweis für die durchaus vorhandene Kritik in China. Auch wenn ich gar nicht bestreiten will, dass die Machthaber in Einzelfällen versuchen, Kritiker zu schikanieren.

Die von dem ehemaligen Chefredakteur der „Chinesischen Jugendzeitung“ Li Datong geleitete Wochenendbeilage „Bingdian“ (dt. „Der Gefrierpunkt“) wurde eingestellt, weil er zu kritisch war.
Wang: Es gilt überall das grausame Prinzip, dass man als Arbeitnehmer wissen muss, welchen Geschmack sein Arbeitgeber hat. Er hätte selbst wissen müssen, welchen Geschmack die Zeitung hat. Aber er wurde nicht eingesperrt. Er ist ein freier Mensch. Er kritisiert weiter, bloß nicht bei der Chinesischen Jugendzeitung.

„Reporter ohne Grenzen“ kritisiert weiterhin die massiven Internet-Sperren und die selektive Zugänglichkeit von Information über das Internet in China. Betroffen seien insbesondere Informationsangebote der Firmen Yahoo, MSN, Ebay und Google, deren Management sich aus wirtschaftlichen Interessen der Regierungszensur anpasse.
Wang: Es gibt sehr viele Internetnutzer in China, das Internet ist für die Chinesen die Hauptinformationsquelle. Und die chinesische Regierung ist der Ansicht, dass im Internet viele Verleumdungen verbreitet werden, das will sie vermeiden. Aber ich glaube, wer wirklich an Informationen herankommen will, der schafft das auch.

Welche Fortschritte sehen Sie in Hinblick auf die Pressefreiheit in den letzten Jahren in China?
Wang: Früher waren wir lange Zeit in der Planungswirtschaft, alles Gleichmacherei. Wir haben erkannt, dass das nicht gut ist und haben die Planungswirtschaft deshalb abgeschafft. In einem Land wie China ist es wie in einer Familie. In dieser Familie gibt es Leute, die können sich nicht selbst ernähren. Es gibt eben auch Behinderte, schwache Leute. Für diese Menschen müssen wir Chinesen Solidarität zeigen. Und das geschieht, ich finde, das ist eine gute Tendenz. China ist zuletzt etwas reicher geworden, aber in den letzten Jahrzehnten haben wir versäumt, viele Dinge rechtzeitig anzupacken. Die soziale Versicherung zum Beispiel ist eine Katastrophe, aber im Prinzip gibt es in fast allen Bereichen Probleme. Man darf jedoch nicht alles auf die Regierung schieben, das ist nicht fair. Man ist schließlich nicht in der Lage, alles auf einmal zu packen. Überall gibt es etwas zu tun, vor allem, natürlich auch in Fragen wie Menschenrechte und Demokratie.

Aus dem, was Sie sagen, ließe sich schließen, dass die Umstellung von Planwirtschaft zum Kapitalismus viel zu schnell ging.
Wang: Anfang der 80er haben wir damit angefangen. Die Wirtschaft boomte. Wir hatten keine Zeit für so soziale Reformen und hatten darin auch keine Erfahrungen. China wird auch wegen der vielen Wanderarbeiter kritisiert. Die Regierung hat das Problem erkannt, aber sie braucht Zeit, um eine Lösung dafür zu finden. Es ist richtig, von China zu verlangen, dass diese Probleme gelöst werden. Auch was das Thema Umweltverschmutzung betrifft. Da hat China viel falsch gemacht. Aber zu sagen, dass das mit Absicht geschehen ist oder systematisch gemacht wird, ist Quatsch. Die Chinesen sind auch nicht klüger als die Europäer. Man kann Probleme erst dann zu lösen versuchen, wenn die Probleme aufgetaucht sind. Und es wird schließlich versucht, sich in Umweltfragen zu verbessern.

Sie sind seit zwei Jahren in Deutschland. Hat sich Ihr Blick auf China seitdem verändert?
Wang: In gewisser Weise schon. Ich kann verstehen, wieso in Deutschland viele Seiten von China kritisiert werden. Gerade was Menschenrechte und Demokratie angeht, weil ich die Kultur von beiden Seiten verstehe. Und aus meiner Sicht wird die Situation in China in den deutschen Medien auch nicht ganz korrekt dargestellt.

Inwiefern?
Wang: Auch in Deutschland sind Demokratie und Menschenrechte nicht über Nacht erreicht worden. Das kann man auch von China nicht verlangen. Seit vielen hundert Jahren haben die Chinesen in Armut gelebt, es gab Zivilkriege und das Land wurde vom Ausland angegriffen. Die Europäer haben sich auch lange Zeit nicht für die Menschenrechte der Chinesen interessiert. Zuletzt hat China selbst durch die wirtschaftliche Entwicklung ganz praktisch eine Menge für die Menschenrechte getan. Das ist auch der Grund, weshalb die kommunistische Partei von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird. Die Kommunisten haben es geschafft, dass man in China ein menschenwürdiges Leben führen kann. Die anderen politischen Kräfte haben das nicht geschafft, sondern nur versucht, ausländische Mächte einzubeziehen. Natürlich haben die Kommunisten auch Fehler gemacht, aber sie haben etwas geschafft, was die anderen politischen Kräfte nie schaffen könnten.

Sie sagten, Sie schreiben viel über die deutsche Kultur. Ist es einfach, den Chinesen deutsche Kultur zu vermitteln?
Wang: Nein, gar nicht. Kulturaustausch ist sehr wichtig, um das Verständnis zwischen Deutschland und China zu verstärken. Ich versuche zu betonen, dass man die Denkweisen gegenseitig verstehen soll. Daher schreibe ich vor allem über den Kulturaustausch zwischen Deutschland und China, aber auch über die Kultur hier in Deutschland. Doch es ist gar nicht einfach. Es gibt die Chinesen, die zum Beispiel gerne Thomas Mann und Günter Grass lesen. Aber es reicht nicht. Die moderne deutsche Kultur, insbesondere die moderne politische Kultur zu vermitteln, scheint mir wichtiger.

Worüber zum Beispiel schreiben Sie in Bezug auf die deutsche Kultur?
Wang: Ein Beispiel ist die Musikausbildung in Deutschland. Ich habe zuletzt darüber berichtet, dass in Deutschland mit Hilfe von Sponsoren auch Kindern aus ärmeren, sozial schwachen Familien die Gelegenheit gegeben werden soll, ein Musikinstrument zu erlernen.

Inwiefern ist das ein relevantes Thema für Ihre Leserschaft in China?
Wang: Bei uns in China gibt es zwar auch Familien, in denen die Kinder ein Musikinstrument erlernen können. Aber es ist ein Luxus. Arme Familien haben Schwierigkeiten, den Kindern eine ordentliche Schulbildung zu ermöglichen. Auch wenn es eine Schulpflicht gibt, kostet es trotzdem Geld. Wenn ich darüber schreibe, wie es in Deutschland ist, kann man in China davon lernen. Nach dem Motto: Schaut her, sogar in einem marktorientierten Land wie Deutschland wird versucht, die Kinder aus armen Familien zu helfen! Es ist schließlich eine gute Idee, Sponsoren zu suchen, damit alle Kinder gleich behandelt werden können. Denn nicht nur die Kinder reicher Familien haben Lust auf Musik, sondern auch die Kinder aus ärmeren Familien. Aber sie bekommen ohne gesellschaftliche Unterstützung keine Chance.

Der chinesische Journalist Wang Huaicheng arbeitet seit 2005 als Auslandskorrespondet der „Guangming Daily“ in Berlin. Nebenbei schreibt er für andere Zeitungen wie die „Global Times“ und die „Beijing News“. Das folgende Interview entstand im mehr

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.