Volker Klüpfel und Michael Kobr

Amazon-Kritiken sollte man nur lesen, wenn man masochistisch veranlagt ist.

Volker Klüpfel und Michael Kobr über Kommissar Kluftinger, Regionalkrimis, Elternzeit, Leser-Kritiken und Allüren

Volker Klüpfel und Michael Kobr

© Arne Schultz

Herr Klüpfel, Herr Kobr wie viele Interviews haben Sie in den letzten Tagen gegeben?
Klüpfel: Ich habe aufgehört zu zählen. Gefühlt 30 bis 40 Interviews. Es kommen aber täglich neue Anfragen rein. Klar, das rege Interesse freut uns schon sehr. Aber man redet sich langsam leer.
Kobr: Das stimmt nicht. Der Kobr ist noch voll.

Wie wichtig ist diese mediale Vermarktung für den Erfolg von Kommissar Kluftinger?
Klüpfel: Man weiß es nicht, es ist eine reine Spekulation. Wir wissen ja nicht, wie erfolgreich Kluftinger ohne Interviews wäre. Und gerade weil Kluftinger weiter nördlich noch Aufholpotenzial hat, geben wir gerne Interviews.
Kobr: Es ist sicher immer gut, wenn die Leute über den neuen Band informiert sind und auch die Nicht-Klufti-Kenner von ihm Wind bekommen.

Es steht bereits der sechste Band von Kluftinger in den Buchregalen. Die Begeisterung der Leser, das Interesse der Medien ist ungebrochen. Warum wird Kommissar Kluftinger nicht langweilig?
Kobr: Weil er im Privaten sowohl beruflich immer neue Sachen dazu lernen muss und nie Routine einkehrt.
Klüpfel: Wir haben immer neue Ideen. Und solange die uns nicht ausgehen, und das Schreiben Spaß macht, die Leute daran Freude haben wird Kluftinger nicht langweilig.
Kobr: Er ist etwas alltagstauglicher geworden, er kennt sich im Internet besser aus, kann seine E-Mails selber lesen und ist nicht mehr so weltfremd wie ihn sein Sohn Markus vor zehn Jahren noch gesehen hat.

Beim vierten Band „Laienspiel“ waren Terroristen zu Gange, der fünfte Band „Rauhnacht“ war ein an Agatha Christie angelegtes Spiel. Was haben Sie sich für den Neuling „Schutzpatron“ Besonderes einfallen lassen?
Kobr: Bei „Schutzpatron“ treibt der Schutzpatron sein Unwesen und zwar in zweierlei Hinsicht. Es geht erstmals um den Schutzpatron des Allgäus den heiligen Magnus, dessen Reliquienschatz vor 30 Jahren gefunden wurde und auf Ausstellungsreise ging. Diese wertvolle Reliquienmonstranz soll wieder in die Heimat zurückkehren.
So kommt der zweite Schutzpatron ins Spiel, ein Gangster, den alle nur Schutzpatron nennen. Niemand weiß, wer es ist, im Laufe des Buches wird klar, dass dieser Schutzpatron hinter den Reliquien des heiligen Magnus her ist.
Klüpfel: Wir haben versucht das Ganze stilistischer interessant zu machen. Wir betrachten diese Geschichte aus zwei Blickwinkeln. Wie immer aus der Sicht von Kluftinger und zum anderen aus der Sicht der Bande, die den Schatz stehlen will.

Wie hat sich Ihr Sprachstil, Ihre Erzählweise gewandelt?
Kobr: Das ist immer eine Frage des Buches. In diesem Fall arbeiten wir ja mit dem Perspektivenwechsel, dieser muss sich auch sprachlich bemerkbar machen. Deshalb haben wir uns für diesen Schutzpatron einen eigenen Duktus überlegt. Was die Bücher generell angeht, sind diese dialogischer geworden – das ist auch unseren Lesungen geschuldet. Dabei merken wir, dass die Dialoge zwischen Kluftinger und seinem Kollegen Meier oder insbesondere zwischen Kluftinger und Langhammer sehr viel komisches Potenzial haben.
Klüpfel: Das hat der Kollege Kobr gut erklärt.

Bislang bedienen Sie das Krimigenre. Können Sie sich auch was anderes vorstellen?
Klüpfel: Vorstellen können wir uns so Einiges. Bislang fehlte es an der Zeit um andere Projekte anzugehen. Aber jetzt sind wir beide in Elternzeit und haben mehr Zeit was anderes auszuprobieren. Es gibt Genres, die wir aber komplett ausschließen. Wir könnten zusammen wohl keinen Liebesroman verfassen. Der Kobr und ich beim Texten von romantischem Liebesgeflüster – nein danke. Aber es gibt ein paar Ideen, die wir umsetzen möchten. Die sind aber noch nicht so konkret, um darüber zu reden.

Beide in Elternzeit?
Kobr: Ja, wir haben die Geburt unserer Kinder synchronisiert, aber nicht willentlich. Das war nicht abgesprochen, reiner Zufall. Wir sind bis Ende des Jahres in Elternzeit. Dann werden wir schauen, ob das ein zukunftsfähiges Modell ist.
Klüpfel: Ja, wir lassen es auf uns zukommen. Bis jetzt genießen wir die Ruhe, probieren aus wie es ohne einen geregelten Alltag, ohne Kollegen ist und schauen, ob es uns taugt.

Ihre Lesungen gelten als legendär und sind zum Teil vergleichbar mit Comedy-Shows. Warum haben Sie sich entschieden nicht wie andere Autoren lediglich ein Kapitel abzulesen?
Klüpfel: Wir können einfach nichts anderes. Wir könnten uns nicht ernst hinsetzen und Kluftinger vorlesen als wäre es Lyrik. Das Genre und die Art wie wir es vorlesen ist schon mit sehr viel Humor versehen – das muss man entsprechend präsentieren. Dazu kommt, dass wir zu zweit sind. Das Idiotischste wäre gewesen, wenn wir die Lesung aufgeteilt hätten – du liest vor der Pause, ich danach. Also haben wir uns auf die periodische Art geeinigt, was unseren Schauspiel oder Bühnenambitionen entgegen kommt. Das Lustige hat sich immer mehr entwickelt, weil wir gemerkt haben, wie sehr die Leute darauf anspringen.
Kobr: Vom Naturell sind wir aber auch so, dass wir uns auf der Bühne nicht unbedingt zurücknehmen möchten.

War die komödiantische Begabung schon vor Kluftinger vorhanden?
Klüpfel: Das kann ich auf den Bezug von Herrn Kobr beantworten, er hatte schon immer eine unfreiwillige Komik – und das haben wir jetzt ausgebaut.
Kobr: Auch ich mache natürlich gerne Witze auf Kosten von Herrn Klüpfel.
Bei mir gab es vor Kluftinger nie Ambitionen, etwas auf der Bühne vorzutragen. Ich bin ja auch Lehrer und da muss man berufsbedingt eine Neigung zur kabarettistischen Show haben, sonst kann man keine sechs Stunden am Tag Unterricht halten.

Sie sind erfolgsverwöhnt – wie groß ist da noch die Spannung vor der Veröffentlichung eines neuen Buches?
Klüpfel: Es ist immer eine freudige Erwartung da, gleichzeitig sind wir auch nervös. Aber wir gehen ja auch nicht ganz blauäugig an das Ganze ran, denn wir schmuggeln in Lesungen des alten Buches neue Texte hinein. Wir testen, wie die Dialoge beim Publikum ankommen, ob die Witze zünden.

Schauen Sie sich auch an, was Ihre Leser im Internet, z.b. bei Amazon über Ihre Bücher schreiben?
Klüpfel: Das sollte aus meiner Sicht nur machen, wer masochistisch veranlagt ist. Ich habe es nach unserem letzten Buch aufgegeben. Eine Ausnahme sind die persönlichen Zuschriften, diese lesen und beantworten wir natürlich. Die Leserkritiken bei Amazon gehen von hymnischem Lob bis hin zu vernichtender Kritik. Das sollte man sich als Autor nicht antun.
Kobr: Der Kobr macht es trotzdem. Wenn ich eine Wartezeit überbrücke, dann lese ich mir die Kommentare schon mal durch. Es zieht mich zwar runter, aber es ist interessant.

Zitiert

Wir sind uns furchtbar einig.

Volker Klüpfel und Michael Kobr

Wie gehen Sie denn mit einem Verriss um?
Kobr: Ich kann damit nicht umgehen. Ich muss mir immer ein Ventil suchen, um den Frust wieder loszuwerden. Meistens erzähle ich es Volker Klüpfel.
Klüpfel: Es gibt wirklich bösartige Zerrisse, deshalb lese ich nur Kritiken in Zeitungen. Diese sind, sofern der Journalist seinen Beruf halbwegs richtig macht, nicht bösartig. Die Bücher können natürlich auch zerrissen werden, aber dann wird dies zumindest begründet. Bei professionellen Kritiken hat man auch nicht das Gefühl, dass eine persönliche Antipathie dahinter steckt.
Kobr: Mit richtig bösartigen Zerrissen, pauschalen oder teilweise auch vulgären Beurteilungen kann ich auch gut umgehen. Diese lassen mich kalt.

Ihre Krimis spielen in der Provinz. Trotzdem möchten Sie nicht, dass Kluftinger als Regionalkrimi abgetan wird. Warum?
Kobr: Weil es keine Regionalkrimis sind. Jedes Buch ist regional oder geografisch irgendwo verortet. Aber bei einem Regionalkrimi mit Alpen, Provinz, Bayern, Heimat, da gibt es immer die klassischen Zutaten den Bürgermeister und Pfarrer – gerade das bedienen wir bei Kommissar Kluftinger nicht.
Klüpfel: In der Regel gibt es bei Regionalkrimis einen bizarren Mord mit Insignien der jeweiligen Provinz, in welcher der Krimi spielt. In Bayern hätte das Opfer eine Mistgabel im Bauch oder wäre mit einer Lederhose erhängt worden. Es gibt einen zwielichtigen Bauspekulanten und so weiter. Das versuchen wir natürlich ganz anders zu machen.

Auch andere Autoren lassen ihre Kommissare im dörflichen Milieu ermitteln, wie die Kleinöd-Reihe, Oberbayern-Krimis oder Alpenkrimis zeigen. Was halten Sie von diesen Ablegern?
Klüpfel: Wir registrieren dies, lesen diese Bücher aber nicht. Das wäre ja Quatsch. Es gibt inzwischen zehn oder zwölf Autoren die Allgäukrimis schreiben. Ich habe nicht das Interesse mir diese durchzulesen, dann wüsste ich ja, dass dieser Schauplatz schon von einem anderen Autoren abgegrast wurde und kann nicht mehr selbst darüber schreiben. Davon möchte ich frei bleiben. Letztlich sollen es die Leser entscheiden, ob sie das Original lesen möchten oder die anderen Bücher.
Kobr: Im Buchmarkt liegen solche Ableger momentan im Trend. Das Original heißt „Maria ihm schmeckt’s nicht“ von Jan Weiler und die dann von mir aus „Insalata mit Renata“, sehen alle gleich aus und spielen dann mit der spanischen, türkischen und portugiesischen Verwandtschaft. Es muss jeder selbst entscheiden, was er davon hält. Wir lesen diese Bücher nicht, schauen dem Treiben aber zu.
Klüpfel: Mich ärgert sehr, wenn aber noch extra auf uns Bezug genommen wird. Kürzlich stand bei einem Ableger drauf: Kemptens neuer Kultkommissar heißt so und so. Was wohl explizit heißen soll: So Kluftinger, das war es, wir haben einen Neuen. Das ärgert mich allerdings nur so lange, bis ich die Verkaufszahlen dieses Buches sehe und dann unsere.

Ein Sprichwort lautet: Bei Geld hört die Freundschaft auf. Sie verdienen gemeinsam Ihren Lebensunterhalt. Wie funktioniert das?
Kobr: Das funktioniert nur mit einem Prinzip 50:50. Alles andere wird nicht funktionieren. Wir haben es so geregelt, so können auch gar keine Diskussionen aufkommen. Wir haben beide dasselbe finanzielle Ziel. Besser könnte es also für unsere Freundschaft nicht sein.

Sind Sie beide abhängig voneinander?
Kobr: Das muss man wohl mit einem klaren Ja beantworten.
Klüpfel: Wenn das so wäre, würde ich sofort versuchen den Gedanken zu verdrängen. Wahrscheinlich ist es so, aber man kann Realitäten ja auch ausblenden.

Was macht Freundschaft aus?
Klüpfel: Verlässlichkeit, auch in Extremsituationen. Das ist beim Michi absolut gegeben. Ich weiß immer, woran ich bei ihm bin. Ich weiß, wenn ich krank bin, springt er ein. Das ist ein sehr beruhigendes Gefühl.
Kobr: Dem kann ich mich nur anschließen. Dass man auf den anderen bauen kann, ist die Basis einer Freundschaft.

Sie geben sehr viele Lesungen: ….
Kobr: Zum Glück sind wir nicht immer von zuhause weg. Oft können wir zu Lesungen hinfahren und anschließend wieder zurückfahren. Lesereisen sind für uns insofern unschön, weil wir von der Familie weg sind, anderseits erleben wir schöne und interessante Momente. Zudem haben wir die Möglichkeit so vieles wegzuarbeiten. So können wir zuhause die Beine hochlegen und haben Zeit für die Familie und Kinder.
Klüpfel: Ich kann dazu nichts ergänzen.
Kobr: Wir sind in vielen Dingen fruchtbar einig. Aber anders würde es wahrscheinlich auch nicht funktionieren.
Klüpfel: Schlimm.

Wie ein altes Ehepaar?
Klüpfel: Ja.
Kobr: Noch Schlimmer. So ein altes Ehepaar ist sich doch gar nicht mehr so einig.
Mehr wie zwei so alte Veteranen, die sich im Altersheim am Tisch gegenübersitzen.

Im Herbst veröffentlichen Sie das Buch „Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland.“ Darin klären Sie unter andrem die Frage Wie man sich auf einem roten Teppich verhält, wenn einen kein Fotograf knipsen will. Wie sollte ich mich dann verhalten?
Klüpfel: Das erkläre ich als Volker Klüpfel für all diejenigen mal, die diese Anleitung irgendwann mal gebrauchen können: Sie müssen so aussehen, als ob Sie gar nicht fotografiert werden wollen und sie deshalb nicht fotografiert werden, weil Sie von der andauernden Knipserei genervt sind. Aber dies ist schon etwas für Fortgeschrittene.
Kobr: Ja,wir haben aber sehr viel Übung darin. Dies passiert uns bei allen wichtigen Events, an denen richtige Prominenz aufläuft. Da gehen wir wahnsinnig schnell unter. Man kennt maximal unsere Namen, aber nicht unsere Gesichter. Einmal mussten wir bei einer Veranstaltung, wir waren sogar Preisträger, die Fotografen darauf hinweisen auch mal bei uns abzudrücken. Von selbst haben sie es nicht gemacht. Aber das passt zu unserem Allgäuer-Underdog-Image, welches der Kluftinger ja auch transportiert.

Und noch eine Frage aus dem Buch: Welche Allüren sollte man sich zulegen, um in der literarischen Welt ernst genommen zu werden?
Klüpfel: Wir haben „die“ Allüre noch nicht gefunden, sonst wären wir ja schon viel weiter. Wir behaupten, dass wir zu wenig davon haben. Es ist sehr schwierig seine Allürennische im großen Pool der Allüren zu finden. Wir haben zum Beispiel von einem Schriftsteller – dessen Namen wir hier jetzt nicht nennen – erfahren, dass er bei jeder Lesung eine weiße Tischdecke verlangt und immer seine eigene Schreibtischlampe mitführt. Das könnten wir uns auch mal überlegen, ob wir in Zukunft stets eine Taschenlampe oder eine eigene Klobrille mit auf Reisen nehmen.

Beobachten Sie dies in Ihrer literarischen Szene – je mehr Spleens und Eigenheiten, desto berühmter sind die Leute?
Klüpfel: Das ist wohl so. Wir erfahren es von den Veranstaltern und lesen es in der Presse.
Kobr: Die Gefahr besteht natürlich auch, weil man die Wünsche ja plötzlich erfüllt bekommt. Früher waren wir ja schon froh, wenn wir überhaupt eine Garderobe hatten, wenn man dann plötzlich Riesengarderoben hat, kommt wahrscheinlich der Wunsch auf, diese auch noch einrichten zu lassen. Und stellt sich womöglich noch eine eigene Tänzerin rein. Je erfolgreicher man ist, desto mehr kann man in diesem Bereich machen. Das korrumpiert einen dann irgendwie.
Kobr: Die Leute sind ja auch immer alleine unterwegs, diese Einsamkeit müssen sie kompensieren. So entsteht wahrscheinlich der Gedanke, ich brauche eine Konstante in meinem Leben und deshalb habe ich immer die gleiche Lampe. Wir haben einen Vorteil, wir sind zu zweit und werden deshalb höchstwahrscheinlich keine Freundschaft mit einer Lampe schließen.

Herr Klüpfel, Sie sind selber Journalist. Welche Frage hätten Sie dem Autorenduo als Interviewer unbedingt gestellt?
Klüpfel: Herr Klüpfel, Sie sehen gut aus, Sie lesen gut vor, Sie schreiben toll, Sie brauchen den Kobr doch gar nicht. Warum schleppen Sie ihn überhaupt überall mit hin?

Michael Kobr

Volker Klüpfel, 1971 in Kempten geboren, studierte Politologie und Geschichte und ist heute Kulturredakteur bei der Augsburger Allgemeinen. Michael Kobr, 1973 in Kempten geboren, studierte Romanistik und Germanistik und ist heute Lehrer für Deutsch mehr

Volker Klüpfel

Volker Klüpfel, 1971 in Kempten geboren, studierte Politologie und Geschichte und ist heute Kulturredakteur bei der Augsburger Allgemeinen. Michael Kobr, 1973 in Kempten geboren, studierte Romanistik und Germanistik und ist heute Lehrer für Deutsch mehr

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