Uwe Hück

Die Erfolgreichen müssen wieder mehr Gutes tun

Uwe Hück war Autolackierer, Profi-Thaiboxer und ist heute Konzernbetriebsratsvorsitzender der Porsche AG. Im Interview spricht er über seinen Lebensweg, den Benefiz-Kampf gegen Luan Krasniqi, Erinnerungen an Ferry Porsche und die soziale Schieflage in der Gesellschaft.

Uwe Hück

© Porsche AG

Herr Hück, Sie haben dieses Jahr am 22. Mai Ihren 51. Geburtstag gefeiert. Und das, obwohl Sie noch nicht einmal sicher wissen, ob das wirklich der Tag ist, an dem Sie geboren wurden?
Uwe Hück: Das stimmt. Es gibt keine Geburtsurkunde von mir. Keine Fotos, keine Briefe und auch keine Erinnerungen. Irgendwann im Heim wurde mir gesagt, dass ich keine Eltern mehr habe und dass dieser Tag wohl mein Geburtstag sei.

Was erinnern Sie aus Ihrer Zeit im Heim?
Uwe Hück: Zum Beispiel wie wir beim Abendessen saßen und ich einen Erzieher fragte, warum dieser denn Wurst und Käse auf dem Teller hätte, wir Kinder aber nur Butter, Zucker, Salz und Marmelade bekämen. Eine Antwort bekam ich nicht, stattdessen warf der Erzieher seinen Käse nach mir. Ich hob die Brocken auf und aß sie. Ich hatte Hunger! Was hätte ich anderes tun sollen? Ich bekam Arrest und als mich der Erzieher am nächsten Morgen fragte, ob ich etwas durch die Strafe gelernt hätte, antwortete ich ihm, dass ich wirklich etwas gelernt habe: nämlich, dass ich es jederzeit wieder tun würde. Denn ich bin satt geworden!

Ihr Lebensweg ist ziemlich ungewöhnlich: Sie begannen als Autolackierer, waren Thaibox-Europameister, wurden Konzernbetriebsrat und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG…
Uwe Hück: Ich habe gelernt, zu kämpfen und laut zu sein. Ich glaube fest daran, dass der Wille der Weg zum Erfolg ist. Alles, was ich mache, ist nicht geplant, sondern kommt aus dem Bauch, dem Herzen und durch meinen starken Glauben an Gott. Ich bin mit dem evangelischen Glauben aufgewachsen, bin aber mittlerweile Buddhist.

Ist das kein Widerspruch?
Uwe Hück: Nein, ganz im Gegenteil: Ein Buddhist ist liberal und ich vertrete dazu noch viele Thesen von Martin Luther! Ich bin gegen Ungerechtigkeit, aber immer sehr liberal dabei. Gott hat mir immer Kraft gegeben und mir geholfen, schon damals im Heim. Ich habe als Achtjähriger mit Gott eine Vereinbarung getroffen. Ich habe zu ihm gesagt: Mach mich bitte groß und stark, dann kümmere ich mich um den ganzen Mist, der da draußen passiert! Gott hat mich groß und stark gemacht – jetzt muss ich mein Versprechen halten!

Zitiert

Als Konzernbetriebsrat muss man wie ein Fels in der Brandung vor seinen Leuten stehen.

Uwe Hück

Wie kommt man als Thai-Boxprofi zu einem Posten bei Porsche?
Uwe Hück: Ich habe damals in jeder freien Minute asiatische Kampfsportarten trainiert und wurde Berufsboxer. Doch dann betrog mich mein damaliger Box-Manager und ich landete schließlich als Lackierer bei Porsche. Eines Tages bekam ich mit, wie ein Gruppenmeister einen meiner Kollegen ungerecht behandelt hat. Ich nahm mir diesen Gruppenmeister zur Brust und wurde Vertrauensmann, später dann Betriebsrat, ich habe mich im zweiten Bildungsweg im Arbeits-, Sozial- und Tarifrecht weitergebildet. 1998 wurde ich dann in den Aufsichtsrat von Porsche gewählt und schließlich dessen stellvertretender Vorsitzender.

Sie gelten bei Tarifverhandlungen als harter Brocken, der auch mal mit ungewöhnlichen Methoden für die Belegschaft kämpft. So ließen Sie sich zum Beispiel während der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW an das Pfortentor des Zuffenhausener Werkes binden.
Uwe Hück: Ich wollte damit ein Zeichen setzen! Ein Zeichen, das mich keiner dort wegkriegt, solange ich nicht das Optimale für die Belegschaft erreicht habe! Als Konzernbetriebsrat muss man wie ein Fels in der Brandung vor seinen Leuten stehen.

Über Sie hat mal jemand gesagt: Uwe Hück und ein Porsche haben viele Gemeinsamkeiten – beide sind laut, schnell und man kriegt sie nur schwer kaputt.
Uwe Hück: Ja, das würde ich zu hundert Prozent unterschreiben.

Aber wer kommt schneller von null auf 100: Sie oder ein Porsche 911?
Uwe Hück: Beim Thema Ungerechtigkeit bin ich schneller auf 100. Wenn bei mir am Hals die Schlagader anschwillt, dann wissen meine Verhandlungspartner, dass es besser ist, eine Pause einzulegen.
Wenn dich niemand wahrnimmt, weiß auch keiner, dass du da bist. Es gibt so viel Ungerechtigkeit in der Welt, und um darauf aufmerksam zu machen, muss man laut sein. Alles andere empfinde ich als Gleichgültigkeit. Wenn ich mich aufrege, dann wird es laut, weil ich möchte, dass es jeder hört!

Wann sind Sie Ferry Porsche das erste Mal begegnet?
Uwe Hück: Das war 1993. Damals wollte Porsche-Vorstand Wiedeking der Belegschaft das Weihnachtsgeld kürzen. Ich habe zu dieser Zeit mit meinen Kollegen im Werk 1 gegen dieses Vorhaben demonstriert. Da kam plötzlich ein schmächtiger Mann mit Hut auf mich zu und fragte mich, warum ich hier so herumschreien würde. Das war Ferry Porsche. Er sagte damals nicht Uwe oder Herr Hück zu mir, sondern hat mich Bub genannt. Ich habe ihm dann das Motiv des Aufstandes erklärt und wir haben uns verständigt: meine Kollegen und ich arbeiten weiter und Wiedeking zahlt das Weihnachtsgeld.

Was war besonders an Ferry Porsche?
Uwe Hück: Er war immer ein Chef, der sich um die Menschen in der Firma gekümmert hat und nicht nur um die Autos. Diese Eigenschaft sollten sich einige Firmenchefs heutzutage angewöhnen: wenn man die Menschen in einem Unternehmen gut behandelt, dann kann man auch mit guten Leistungen rechnen. Das wusste Ferry Porsche. Was er allerdings nicht mochte, war Faulheit, da konnte er schnell böse werden – genauso wie ich. Man muss fleißig sein, um heutzutage etwas zu erreichen, oder anders gesagt: das Trikot schwitzt nicht von alleine.

Am 16. November steigen Sie nun nocheinmal in den Ring und boxen gegen Luan Krasniqi. Was steckt hinter dem Kampf?
Uwe Hück: Die Idee dazu hatte ich im Dezember letzten Jahres, weil ich Geld für meine Lernstiftung brauche. Deren Ziel ist es, jungen Menschen durch Bildung und Sport Chancen im Berufsleben zu ermöglichen, die ihnen sonst verschlossen blieben. Integration erreicht man ja nicht durch Spätzle und Soße. Wenn ich sehe, dass jemand Hilfe benötigt, egal wer, wo oder wie, werde ich immer versuchen, denjenigen zu unterstützen. Deshalb mache ich diesen Boxkampf und riskiere im November auch, auf die Bretter geschickt zu werden, mindestens aber ein paar blaue Flecken abzubekommen.

© Porsche AG

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Sehen Sie durch Ihre Rolle im öffentlichen Leben auch eine gewisse Verpflichtung zu helfen?
Uwe Hück: Ich finde, dass diejenigen, die Erfolg haben, wieder mehr Gutes tun müssen. Wir können in unserer Gesellschaft nicht immer nur nehmen, wir müssen auch geben. Unser beider Talent ist das Kämpfen: Luan als Schwergewichtsboxer, ich als Thaiboxer und Betriebsrat. Wir werden einen intergalaktischen Kampf bestreiten und die Einnahmen gehen je zur Hälfte an die SOS Kinderdörfer und an meine Lernstiftung in Pforzheim.

Warum fiel die Wahl des Gegners auf Luan Krasniqi?
Uwe Hück: Luan ist wie ich ein Typ, der sich sehr für soziale Zwecke einsetzt. Ich habe seine Profiboxkarriere stets verfolgt, Luan boxt sauber und immer fair. Ich habe größten Respekt vor ihm, seiner Leistung und seinem sozialen Engagement.

Wie beurteilen Sie momentan die soziale Situation in Stuttgart?
Uwe Hück: Wir haben eine allgemeine, soziale Schieflage, egal, ob in den Schulen oder in der Gesellschaft. Es wohnen großartige Menschen in Stuttgart. Sie sind fleißig und strebsam. Wenn wir alle in Stuttgart und in Baden-Württemberg zusammenrücken und uns mehr um andere kümmern, können wir ein Vorbild sein für viele andere Städte in Deutschland. Ich glaube, hier ist Stuttgart auf einem guten Weg.

Sie sind seit 31 Jahren Mitglied in der SPD. Warum gerade bei den Sozialdemokraten?
Uwe Hück: Ganz einfach: Menschen, wie Willy Brandt oder Gerhard Schröder sind für mich Persönlichkeiten, die den Mut hatten, Dinge zu tun und Entscheidungen zu treffen, die andere so nicht getan oder getroffen hätten. Aber natürlich hatten auch sie Fehler und waren nicht vollkommen, genau wie ich. Darum passen wir sehr gut zusammen.

Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann ganz in die Politik zu wechseln?
Uwe Hück: Man kann bekanntlich nicht auf zwei Hochzeiten tanzen. Im Moment ist das noch keine Option für mich. Vielleicht irgendwann einmal, aber zur Zeit werde ich bei Porsche dringender gebraucht, als in der Politik.

Würden Sie sagen, dass die SPD unser Land besser regieren könnte, als die CDU?
Uwe Hück: Mit Sicherheit. Die SPD verkauft sich meiner Meinung nach momentan unter Wert. Ich will es mal so formulieren: die Menschen in der SPD sind eigentlich Diamanten, die sich als Kieselsteine verkaufen. Und das darf nicht sein! Wir brauchen wieder unbequeme SPDler, wir brauchen wieder Politiker, die sich trauen, Dinge auszusprechen, ohne Angst vor den Umfrageergebnissen zu haben. Wir brauchen Menschen, die dieses Land führen können. Im Moment werden wir nicht geführt, sondern lassen uns gleiten.

Sie sind bei Porsche Vertreter der Arbeitnehmer – und die SPD fand früher bei den Arbeitern den Großteil ihrer Wähler. Das letzte Wahlergebnis jedoch spricht eine andere Sprache, viele Arbeitnehmer fühlen sich offenbar nicht mehr durch die SPD repräsentiert.
Uwe Hück: Da hat die Demokratie hat gnadenlos zugeschlagen. Die Menschen wollen die große Koalition, darin sehe ich auch eine Chance für die SPD, wieder das Vertrauen der Menschen zurück zu bekommen und aus der Regierungsverantwortung heraus nach der nächsten Bundestagswahl endlich wieder einen Sozialdemokraten ins Kanzleramt zu schicken. „Opposition ist Mist“, hat der frühere SPD-Chef Franz Müntefering mal gesagt. Das kann ich nur unterstreichen. Die soziale Gerechtigkeit darf nicht zum Verlierer werden. Dafür zu sorgen ist die Aufgabe der SPD. Wenn sie das in Regierungsverantwortung tut, schärft sich das Profil automatisch und die Akzeptanz in der Bevölkerung wird wachsen, da bin ich mir sicher.

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