Ruth Westheimer

Guter Sex braucht eine gute Beziehung.

Sexualtherapeutin Ruth Westheimer über ihr Buch „Mythen der Liebe“, Testosteron, Viagra, Sex im Alter und was ihr peinlich ist

Ruth Westheimer

© Collection Rolf Heyne

Dr. Westheimer, in Ihrem neuen Buch „Mythen der Liebe“  beschreiben Sie, wie der griechische Seher Teiresias die Frage klären soll, wer mehr Spaß am Sex hat: der Mann oder die Frau…
Ruth Westheimer: Seine Antwort ist eindeutig: Frauen haben am Sex mehr Spaß als Männer!

Waren die Frauen in der Antike alle sexuell so erfüllt, dass diese Antwort selbstverständlich ist?
Ruth Westheimer: Das bezweifle ich. Aber wenn doch: Gut für sie!

Warum erzürnt Teiresias die Göttin Hera mit dieser Aussage so sehr, dass sie ihn erblinden lässt?
Ruth Westheimer: Dieser Mythos bringt eine tiefe Scham über die weibliche Sexualität zum Ausdruck, und Frauen versuchen seit Jahrtausenden, diese Scham zu überwinden.

Also sind viele Themen der Antike heute noch aktuell?
Ruth Westheimer: Ja, natürlich. Zum Beispiel Phädra, die ältere Frau, die sich in den viel jüngeren Hippolytos verliebt und Selbstmord begeht, als er ihre Liebe zurück weist. Wir runzeln auch oft die Stirn, wenn wir eine ältere Frau mit einem jungen Mann sehen.

Welche Rolle spielen Tiere in der griechischen und römischen Mythologie?
Ruth Westheimer: Es existieren zahlreiche Geschichten, in denen Zeus als Tier Sex mit Frauen hat. Als Stier entführt er Europa, als Schwan, dessen langer Hals eine deutliche erotische Anspielung ist, schwängert er Leda. Das heißt aber nicht, dass die Menschen in der Antike ein Faible dafür hatten.

Sie gelten weltweit als bekannteste Expertin für Sex. Warum nun ein Buch über die Liebe?
Ruth Westheimer: Sex ist doch ein wichtiger Bestandteil der Liebe, er kann in jeder Form vorkommen: hemmungslos, selbstzerstörerisch, homosexuell, inzestuös, leidenschaftlich, körperlich und geistig. Ich wollte diesen alten Mythen ihre heutige Bedeutung entlocken.

Welche Mythen über Sex halten sich immer noch?
Ruth Westheimer: Einige glauben immer noch, dass Siegmund Freud Recht gehabt hat, als er sagte, nur ein Orgasmus, der durch Geschlechtsverkehr kommt, ist der Richtige.

Bitte vervollständigen Sie folgenden Satz: „Guter Sex braucht…“?
Ruth Westheimer: …eine gute Beziehung.

Klingt irgendwie altmodisch.
Ruth Westheimer: Ich bin altmodisch!

Playboy-Gründer Hugh Heffner sagt „Sex ohne Liebe ist besser als gar kein Sex.“
Ruth Westheimer: Für kurze Zeit ja, aber nicht auf lange Sicht. Die meisten Menschen wollen einen Lebenspartner, eine Familie.

Sie haben weit über dreißig Bücher geschrieben, aber keines über Schwule und Lesben, warum nicht?
Ruth Westheimer: Das müsste geschrieben werden, aber nicht von mir, sondern von jemandem der homosexuell ist.

Haben Homosexuelle die gleichen Probleme?
Ruth Westheimer: Im Großen und Ganzen ja: Erektionsstörungen, Langeweile, Enttäuschung, Eifersucht. Aber den Grund für Homosexualität wissen wir immer noch nicht.

Haben homosexuelle Menschen besseren Sex, weil die Unterschiede zwischen den Geschlechtern wegfallen?
Ruth Westheimer: Das glaube ich nicht. Allerdings haben Lesben meiner Erfahrung nach weniger Orgasmus-Schwierigkeiten. Vielleicht verstehen sich Frauen untereinander besser?

Kommt guter Sex automatisch mit dem richtigen Partner?
Ruth Westheimer: Nein.

Sondern?
Ruth Westheimer: Man muss sagen, was man braucht. Eine Schildkröte, die sich immer unter ihrem schützenden Häuschen versteckt, kommt nicht vorwärts. Sie muss ihren Kopf rausstrecken und auch das Risiko auf sich nehmen, verletzt zu werden.

Dabei heißt es, Sex sei die natürlichste Sache der Welt…
Ruth Westheimer: Ich habe das nie gesagt. Bei vielen kommt Lust nicht von alleine. Sie muss aufrecht erhalten werden, auch im Alter.

In Ihrem Buch „Silver Sex“ geben Sie älteren Menschen Tipps für ein erfülltes Sexualleben. Wer heute im Rentenalter ist, hat die sexuelle Revolution in den 60ern und 70ern hautnah miterlebt. Warum haben gerade diese Menschen plötzlich Schwierigkeiten?
Ruth Westheimer: Weil sich hartnäckig das Vorurteil hält, dass Sex nur etwas für junge Leute ist. Wenn ältere Leute oder Großeltern sexuell aktiv sind, scheint das falsch.

Wer mag schon den Gedanken, dass seine Eltern Sex haben…
Ruth Westheimer: Erwachsene Kinder haben oft ein Problem damit. Die Eltern sollten ein Schild ans Schlafzimmer hängen: „Bitte nicht stören“. Was dahinter passiert geht nur sie etwas an.

In der Fernsehserie „Golden Girls“, sagt die 82-jährige Sophia über ihren 89-jährigen Freund: “Es muss was Ernstes sein! Ich stelle ihn mir nackt vor und muss nicht lachen…“
Ruth Westheimer: Genau das ist es: Sie lacht nicht über seinen Bauch, er nicht über ihren Busen. Übrigens, wenn man seinen Bauch loswerden will kann man schwimmen oder spazieren gehen.

Selbst viele junge Menschen sind mit ihrem Aussehen unzufrieden, fällt es Älteren nicht noch viel schwerer?
Ruth Westheimer: Man darf nicht ständig an sich herum mäkeln, das führt zu nichts. Diese Einstellung „Jetzt ist alles vorbei“, ist schlimm. Daran sind die Medien schuld. Überall werden nur junge, perfekte Körper gezeigt.

Gingen Generationen vor uns ohne den Mediendruck leichter mit dem Thema Sex im Alter um?
Ruth Westheimer: Nein, damals hatten viele das Gefühl, das gehört sich im Alter nicht.

Sagen wir, ein gesunder 70-jähriger Mann sagt sich „Es wird sexuell sowieso nicht mehr lange gehen.“ Was könnte seine Ehefrau tun?
Ruth Westheimer: Bei einer solchen Aussage steckt meistens etwas anderes dahinter, das hat mehr mit Lebensmut und Freude am Leben zu tun, als mit sexuellen Fähigkeiten. Ich würde mit ihm eine kurze Therapie machen, um herauszufinden, was diesen Mann bewegt.

Zitiert

Ältere Leute haben viel mehr Zeit für Sex - es wäre ein Jammer, wenn sie das nicht nutzen würden.

Ruth Westheimer

Wie reagiere ich als Frau richtig, wenn der Mann keine Erektion bekommt?
Ruth Westheimer: Einige Frauen haben Angst, ihn zu blamieren, wollen ihm nicht weh tun und hören dann ganz auf. Aber man kann das ankurbeln. Man sollte morgens Sex haben und der Mann muss aktiv stimuliert werden. Viele wissen nicht, dass der Testosteronspiegel morgens am Höchsten ist. Die versuchen weiter wie gewohnt, am Abend Sex zu haben, und das funktioniert dann nicht.

Aber ist es nicht ganz natürlich, dass beim Mann im Alter die Potenz nachlässt?
Ruth Westheimer: Dafür haben wir nicht genügend wissenschaftliche Untersuchungen.

Wie viel Einfluss hat beruflicher Erfolg auf die Potenz eines Mannes?
Ruth Westheimer: Wenn ein Mann im Leben steht, sich nicht langweilt und nicht deprimiert ist, hat das natürlich Einfluss auf seine sexuellen Wünsche. Wer denkt „Jetzt bin ich pensioniert und sitze nur noch zu Hause rum…“ dem dürfte es auch im Bett schwerer fallen erregt zu werden.

Also hat der erfolgreiche Vorstandsvorsitzende mehr Spaß im Bett, als der deprimierte Arbeitslose…
Ruth Westheimer: Wenn der Arbeitslose sich aufgegeben hat und deprimiert ist, vermutlich. Ich würde sagen, geh und tu was mit deinem Leben, dann kommt auch die Lust zurück.

Und Viagra?
Ruth Westheimer: Nur wenn es der Arzt erlaubt. Aber bitte nicht von einem Freund ausleihen!

Können Sie auf der Straße erkennen, ob jemand sexuell zufrieden ist?
Ruth Westheimer: Ich sag immer: „Ja, kann ich“, aber das ist Quatsch. Man kann natürlich sehen, ob einer mit Freude und Energie durchs Leben geht, oder an der Wand lang schleicht. Aber ob das direkt mit Sex zu tun hat? Ich sag‘ das immer so, damit die Leute sexuell aktiv bleiben.

…bis an ihr Lebensende?
Ruth Westheimer: Ältere Leute haben doch viel mehr Zeit für Sex, es wäre ein Jammer, wenn sie das nicht nutzen würden.

Was halten Sie von sexuellen Fantasien?
Ruth Westheimer: Man sollte lieber den Mund halten. Es sei denn, der Partner hört gerne Fantasien.
Aber bloß keine Vergleiche mit dem Ex-Freund! Der so viel besser war als er. Kommt ganz schlecht an.

Oder den falschen Namen rufen…
Ruth Westheimer: Auch ganz schlimm, schlimm! (lacht)

Welche Fehler sollte man noch vermeiden?
Ruth Westheimer: Langeweile und Routine. Und die Vorstellung, dass es so sein muss, wie früher als man verliebt war.

Der deutsche Entertainer und Moderator Harald Schmidt hat mal gesagt: „Für viele Männer ist Auto fahren wie Sex: Die Frau sitzt teilnahmslos daneben und ruft immer: Nicht so schnell, nicht so schnell.“
Ruth Westheimer: Das gefällt mir sehr (lacht).

Ein guter Liebhaber nimmt sich also Zeit!
Ruth Westheimer: Eine Frau braucht auch danach viel länger, um wieder „runterzukommen“. Sie will im Arm gehalten werden, ein bisschen reden. Der Mann, der gähnt, sich umdreht und einschläft, hat noch viel zu lernen.

Sind wir nicht viel aufgeklärter als die Generation vor uns?
Ruth Westheimer: Nein! Ich bekomme heute die gleichen Fragen gestellt, wie vor 20-30 Jahren. Mein Buch „Sex für Dummies“, verkauft sich deshalb so gut, weil die Leute eben doch nicht alles wissen.

…obwohl in Serien wie “Sex and the City” fast alle Themen behandelt werden…
Ruth Westheimer: „Sex and the City“ ist amüsant und mutig. So offen hätte vor ein paar Jahren niemand im Fernsehen über Sex gesprochen. Aber das ist nicht die Realität. Keine Frau in New York kriegt einen Pelzmantel und wird von Baryshnikov nach Paris geflogen. In der Wirklichkeit muss sie Geld verdienen und Kinder erziehen. Niemand geht den ganzen Tag shoppen.

Die Serie suggeriert die absolute sexuelle Gleichberechtigung von Mann und Frau. Wird es mittlerweile akzeptiert, dass Frauen genauso viele Sexual-Partner haben, wie Männer?
Ruth Westheimer: Nein, das Denken hat sich nicht wirklich geändert.

Haben Sie Themen vermisst?
Ruth Westheimer: Es wurde zu wenig über sexuelle Krankheiten und Verhütung gesprochen. Und für die meisten Abenteuer zahlt man nachher den Preis der Enttäuschung. Das passt nur nicht zu Hollywood.

Die großen Themen der letzten Jahrzehnte waren die Pille, AIDS, Homosexualität. Welches Thema wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen?
Ruth Westheimer: Mir macht diese grenzenlose Freiheit Angst. Es gibt immer mehr Sex-Clubs in New York. Diese jungen Menschen dort haben noch nie einen AIDS-Kranken gesehen oder jemanden durch diese Krankheit verloren  und denken, weil die medizinischen Möglichkeiten sich verbessert haben, müssen sie keine Angst haben.

Ist Ihnen eigentlich noch etwas peinlich?
Ruth Westheimer: Wenn ein Ehepaar in meine Praxis kommt und er ein Sadist ist. Auch wenn sie Masochistin ist und alles mitmacht. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was die beiden auf dem Küchentisch oder im Bett machen. Dafür bin ich die falsche Therapeutin.

Gibt es Fälle, die Sie ablehnen?
Ruth Westheimer: Wenn ich höre, dass ein Mann nur eine Erektion haben kann, wenn er an einem Schulhof vorbei geht und Kinder sieht, kriegt er bei mir keinen zweiten Termin. Neulich hab ich einen Rechtsanwalt gehabt, der während der Arbeit drei Mal beim Porno schauen im Internet ertappt wurde. Diese Fälle kann ich in der kurzen Zeit nicht therapieren, die schicke ich zum Psychater.

Wie lange dauert eine Sex-Therapie?
Ruth Westheimer: Einige Monate.

Ist das der Grund, weshalb Sie nie im Bereich „Sexuelle Gewalt“ oder mit Triebtätern  gearbeitet haben?
Ruth Westheimer: Ja, dafür braucht man viel mehr Tiefenpsychologie. Man muss als Therapeut seine eigenen Grenzen kennen.

Was war die originellste Frage, die Ihnen mal gestellt wurde?
Ruth Westheimer: Ich hatte mal einen jungen Mann, der sich gerne von seiner Freundin Zwiebelringe über sein Glied werfen ließ. Da hab ich schon gelacht, ich muss mir das ja vorstellen um therapieren zu können. Aber wenn es beiden Spaß macht, ist es in Ordnung!

Einer Ihrer Freunde sprach mal vom „Kama Ruthra“, was ist darunter zu verstehen?
Ruth Westheimer: Das Beste aus seinem Leben zu machen. Und mal neue Positionen auszuprobieren.

…wie im „Kama Sutra“?
Ruth Westheimer: Ja, nur weniger kompliziert!

Haben Sie sich mit Erotik in anderen Religionen beschäftigt?
Ruth Westheimer: Eines meiner Bücher heißt „Heavenly Sex: Sexuality in the Jewish Tradtion“. Sex ist ein wichtiger Teil der jüdischen Tradition, vor allem in Form des Sabbats.
Im Islam darf der Mann vier Frauen haben, wenn er allen vier gerecht sein kann. Das ist nicht nur auf Sex und Geld bezogen, sondern auch auf Kameradschaft. Ich habe einmal einen Film über die Religionsgemeinschaft der Drusen gemacht, da war ein Mann, der hatte zwei Frauen. Er sagt, es ist ein großes Problem, wenn beide ihn lieben, denn wenn er zu einer nur eine Minute zu spät kommt, ist sie schon böse. Jede Nacht muss er abwechselnd bei den beiden sein. Anstrengend.

Wie ist Ihre Beziehung zu Israel?
Ruth Westheimer: Ich drehe jedes Jahr in Israel einen Dokumentarfilm. Die haben nichts mit Sex zu tun, sondern mit der Kultur des Landes. Und ich sammle Geld für Wohltätigkeitsorganisationen. Ich gehe zu wichtigen Geschäftsmännern und sage: „Wenn sie einen Scheck ausschreiben, haben Sie großartigen Sex bis ans Ende ihres Lebens.“ Funktioniert immer!

Sie sind 82 Jahre alt, unterrichten in Princeton und Yale, haben Ihr Büro in New York und bereisen die halbe Welt. Wenn man ständig über Sex spricht, kann man überhaupt noch selbst genießen?
Ruth Westheimer: Ja! Drei Ausrufezeichen. Nächste Frage.

Ihre Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Trotzdem haben Sie die deutsche Staatsbürgerschaft wieder angenommen, warum?
Ruth Westheimer: Ich bin jetzt 82 Jahre alt und Deutschen, die älter sind als ich gehe ich ein bisschen aus dem Weg. Ich will nicht hören, dass sie nichts gewusst haben.  Ich werde nicht vergessen, was mir angetan wurde, aber ich habe kein Problem mit jüngeren Menschen.

Mit 17 Jahren sind Sie nach Palästina gegangen und haben als Scharfschützin im Israelischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft…
Ruth Westheimer: Ich habe kürzlich auf einem Jahrmarkt für meine vier Enkel 14 Stofftiere und einen Goldfisch geschossen. Der hat sogar noch eine ganze Zeit gelebt!

Ruth K. Westheimer wurde am 4. Juni 1928 in Wiesenfeld (Karlstadt) geboren. Sie verließ Deutschland während des NS-Regimes, ihre Eltern wurden in Auschwitz ermordet. 1945 emigrierte sie nach Palästina, wo sie später im israelischen mehr

2 Kommentare zu “Guter Sex braucht eine gute Beziehung.”

  1. Lazar |

    Sint un barbat care imi place sexul foarte mult sint casatorit de 42 de ani.
    Si sotia e mai tinara ca mine dar nu mai are placere de sex.Cind e vorba sa am bani mai multi parca se stimulesza.Dar daca nu am avut noroc de bani nu am ce sa fac.Dar caut totusi sa ma mentin psihologic.Dar cind am contact cu diferite femei mai tinere intre 20 si 30 de ani ma simt in al noulea cer la virsta mea de 65 de ani.Eu gindesc ca trebue sa ma mentin la fel cu alimentatia si programul meu pe care lam avut pina acuma si cred ca o sa mearga pina la o virsta inaintata.Parere sau recomandarea dvs care ar fi.Aveti alte soluti mai bune sau relati ca eu le primesc cu placere.
    Si va multumesc frumos pentru recomandari daca mi se transmit.

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    1. Arie Falkoff |

      Sehr amuesant Frau Dr.Ruth, auch fuer mich als ruestiger 91 jaehriger Witwer.

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