Robert Zemeckis

Über Politische Korrektheit mache ich mir keine Gedanken.

Regisseur Robert Zemeckis über seinen Film "Flight", die Anonymen Alkoholiker, kostenloses Product Placement und wie man einen Flugzeugabsturz inszeniert

Robert Zemeckis

© Studiocanal

Herr Zemeckis, Sie sind selbst Pilot, besitzen Sie auch ein Flugzeug?
Zemeckis: Ja, Ich habe drei Flugzeuge, zwei einmotorige Maschinen und einen Jet.

Was war die längste Distanz, die Sie als Pilot je geflogen sind?
Zemeckis: Einmal quer über die USA und zurück. Das macht großen Spaß.

In Ihrem Film „Flight“ fliegt ein Passagierflugzeug vor einer Notlandung zeitweise auf dem Rücken. Echte Piloten halten das für nicht realistisch, da bei einem Rückenflug die Motoren ausfallen würden.
Zemeckis: Das stimmt, aber so haben wir das ja auch im Film. Die Motoren würden ausfallen, aber nicht sofort, erst nach etwa einer Minute Rückenflug würden sie anfangen zu brennen. Es ist ja ein Passagierflugzeug, das unterscheidet sich von Maschinen, die Kunstflüge absolvieren. Die haben dann bestimmte Ölpumpen, die dafür gemacht sind, dass sie in allen möglichen Lagen funktionieren.

Wie schwierig war es, die Special Effects in „Flight“ zu realisieren?
Zemeckis: Die größte Herausforderung war, dass wir nicht viel Zeit hatten, den Film zu drehen. Und meine Erfahrung sagte mir, dass die Szene mit dem Absturz viel Vorbereitung erfordern wird. Also haben wir das minutiös geplant, um sicher zu gehen, dass diese Szene sehr gut produziert wird.
Wir haben am Set für den Innenraum des Flugzeugs eine Aufhängung gehabt, um die Kabine auf den Kopf stellen zu können. Die Schauspieler hingen also tatsächlich Hals über Kopf. Allerdings hatten wir auch Sicherheitsleute am Set, die vorgeschrieben haben, dass die Schauspieler nur eine Minute Kopf über hängen können.

Was muss man als Regisseur beachten für eine gelungene Flugzeugabsturz-Szene?
Zemeckis: Das ist wie ein Stück Musik, es muss ein bestimmtes Tempo, einen bestimmten Aufbau haben, ein Crescendo … So sehe ich das zumindest. Und was diese Szene in „Flight“ so furchteinflößend macht, ist die ständige Innenperspektive im Flugzeug, die Kamera zeigt nur selten die Außenperspektive.

Mögen Sie es, im Flugzeug als Passagier Filme zu gucken?
Zemeckis: Oh ja. Aber nicht die vom Bordprogramm, sondern ich gucke Filme auf meinem Ipad. Die im Bordprogramm sind ja glaube ich immer gekürzte Fassungen.

Was war 2012 Ihr Lieblingsfilm?
Zemeckis: Da habe ich keinen, tut mir Leid. Wobei, „Killer Joe“ mochte ich sehr gerne. William Friedkin ist einer meiner Lieblingsregisseure, er hat da tolle Arbeit geleistet. Der Film hat mir sehr gefallen.

Wie wichtig ist für Ihre Filme Politische Korrektheit?
Zemeckis: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich muss sagen, was ich sagen muss – da ist mir egal, ob es politisch korrekt ist oder nicht.

In „Flight“ zeigen Sie den alkoholabhängigen Piloten Whitaker (Denzel Washington) einerseits gut gelaunt beim Kokainkonsum, andererseits landet er am Ende im Gefängnis…
Zemeckis: Ja, und beide Szenen entsprechen der Realität.

Gab es denn auch die Überlegung, dass der Pilot am Ende des Films ungestraft davonkommt?
Zemeckis: Wenn er sich nicht zu seiner Sucht bekannt hätte, hätte er wahrscheinlich… Also, der Fakt, dass er ins Gefängnis geht, ist im Grunde genommen unwichtig.

Er sagt aber viel aus über die Figur: Der Pilot ist selbst angesichts dieser Konsequenz bereit, seine Krankheit zuzugeben.
Zemeckis: Genau, und das ist das Wichtigste. Er hat diesen Moment gedanklicher Klarheit, dass er aufhören muss, so ein unehrliches Leben zu führen. Und das nicht in erster Linie, um Rücksicht auf andere zu nehmen, sondern seine Entscheidung ist in dem Fall sehr eigennützig. Beim Überleben geht es um Eigennutz. Und er entscheidet sich, dass er überleben wird. Er erkennt: Wenn er weiter lügt, würde er vermutlich nicht mehr lange leben.

Zitiert

Eine Szene mit einem Flugzeugabsturz ist für mich wie ein Stück Musik, es muss ein bestimmtes Tempo und Aufbau haben, ein Crescendo...

Robert Zemeckis

Ist „Flight“ ein religiöser Film? Schließlich rammt das Flugzeug beim Absturz einen Kirchturm, und die Passagiere fragen sich, ob sie selbst Herr ihres Schicksals sind.
Zemeckis: Es kommen in „Flight“ Fragen der Religion vor, doch ich würde es nicht einen religiösen Film nennen. Wenn ein Flugzeug vom Himmel fällt, fragen sich die Menschen ja immer, woher dieses Schicksal kommt, ob es eine Strafe Gottes war – darauf läuft der Diskurs dann hinaus.

Nach der Notlandung im ersten Teil des Films geht es vor allem um die Alkoholsucht des Piloten Whitaker. Hatten Sie auch zu diesem zweiten Filmteil einen persönlichen Bezug?
Zemeckis: Nur insofern, dass in der heutigen Gesellschaft die meisten Leute eine Person in ihrem Umfeld haben, die unter dieser Krankheit leidet.

Haben Sie Treffen der Anonymen Alkoholiker besucht?
Zemeckis: Ich habe das recherchiert, und ich war bei ein paar Treffen. Der Umgang dort ist sehr persönlich, es gibt kein Dogma, keinen Kursleiter, keine Regeln, alles ist sehr inspiriert, niemand sagt jemand anderem, was er tun soll. Der Psychologe Carl Jung hat einmal geschrieben, dass er die Anonymen Alkoholiker für die wichtigste Idee des 20. Jahrhunderts hielt.

Vor dem Kinostart von „Flight“ war zu hören, dass eine Bierbrauerei den Filmverleih aufgefordert hat, ihre Marke aus dem Film herauszunehmen. Stimmt das?
Zemeckis: Ja, die Leute von Budweiser waren sauer, dass ihr Produkt in meinem Film vorkommt. Aber sie können dagegen nichts tun.

Wie viel muss eine Firma normalerweise zahlen, um IN einen Film zu kommen?
Zemeckis: Also, wissen Sie – sehr viel. Insofern weiß ich auch nicht, warum sich Budweiser beschwert, schließlich haben sie diese Werbung kostenlos bekommen. (lacht)

Würden Sie bei einem Film über Alkoholsucht einem Schauspieler erlauben, während der Dreharbeiten betrunken zu sein?
Zemeckis: Ich glaube nicht, dass das funktionieren würde, ich würde auch niemanden dazu raten. Schließlich habe ich es schon erlebt, dass Schauspieler am Set betrunken waren – und das ist kein schöner Anblick.

Was macht Sie wütend am Set?
Zemeckis: Wenn die Leute nicht das tun, worum ich sie bitte. Wenn ich etwas fordere – und dann kommt es nicht.

Haben Sie eine Sucht?
Zemeckis: Früher war ich besessen von Filmen, das bin ich heute in dem Maße nicht mehr. Ich versuche mit zunehmendem Alter weniger obsessiv zu sein.

Ihre Droge?
Zemeckis: Ich mag Kaffee, aber ob ich danach süchtig bin? Ja, vielleicht. Fett, Zucker und Salz, wie Pommes Fritt, die ungesundeste Mischung, die es gibt – so etwas macht auch sehr süchtig.

Wenn Sie vor der Wahl stünden, gutes Entertainment zu produzieren, oder mit einem Film eine Botschaft zu transportieren, wofür würden Sie sich entscheiden?
Zemeckis: Also, ich denke, was man nie machen will, ist eine Botschaft senden. Da glaube ich an das alte Sprichwort: „Wenn Du eine Botschaft hast, verschicke sie mit der Post.“

Aber ist es schon vorgekommen, dass Sie dennoch mit einem Film eine Botschaft vermittelt haben?
Zemeckis: Vielleicht, das weiß ich nicht.

Eine Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Zemeckis: Ich wäre der Wolf in „Red Hot Riding Hood“.

Robert Zemeckis (*1951 in Chicago) drehte schon als Schüler Amateurfilme mit einer 8-mm-Kamera. Auf seinen Abschlussfilm an der Southern California School of Cinema wurde 1972 Steven Spielberg aufmerksam, der ihn fortan unterstützte. Sein Debütfilm mehr

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.