Renate Künast

Ich habe kein eigenes Auto.

Renate Künast über private Klimaschutzmaßnahmen, die Macht der Industrie und der Verbraucher

Renate Künast

© Bündnis 90/Die Grünen

Frau Künast, was tun Sie privat gegen den Klimawandel?
Künast: Ich esse ökologische Lebensmittel, also, die nicht energieintensiv erzeugt wurden, die möglichst wenige Transportkilometer hinter sich haben und die mit möglichst wenigen Chemikalien hergestellt wurden. Ich beziehe Ökostrom, ich habe kein eigenes Auto, ich versuche bei Kleidung zunehmend auf ökologische Herstellung zu achten. Und ich achte auf die klassischen Sachen des Alltags: bei niedriger Temperatur waschen, die Standby-Funktion ausschalten und Elektrogeräte ganz ausschalten, wenn man sie nicht braucht.

Haben Sie im Kopf, wie viel CO2 Sie heute schon eingespart haben?
Künast: Ich rechne das nicht aus, das wäre mir zu kompliziert. Wichtig ist, dass man selber im Kopf hat, wo man sparen kann. Das ist fast wie in der Nachkriegszeit, als Strom noch etwas Kostbares war, als  die Großeltern sagten: „Macht mal das Licht aus.“ Genauso sollte man heute im Kopf haben: Wo in meiner Wohnung verschwende ich eigentlich gerade Energie? Ist das nötig? Gibt es eine Alternative? Es fängt ja bei der Waschmaschine an, bei der man heutzutage weiß, dass es Sinn macht, wirklich die allermodernste zu kaufen, mit dem niedrigsten Verbrauch. Auch die Frage, ob ich bei 60 oder 90 Grad waschen muss? –Was man übrigens überhaupt nicht muss, um die Wäsche sauber zu bekommen.
Diese Umstellung versuche ich zu praktizieren.

Wie sieht das an Ihrem Arbeitsplatz aus?
Künast: Wir als Grüne haben im letzten Jahr den Deutschen Bundestag gezwungen, dass er tatsächlich nur ökologischen Strom zukauft. Beim Catering unserer Veranstaltungen achten wir auf ökologisch erzeugte Lebensmittel. Das gilt auch für den Kaffee, den wir in den Sitzungen trinken.

Was bringt dieses individuelle Verhalten?
Künast: Die Addition vieler Einzelpersonen bringt am Ende die Menge und die Masse. Und die Unternehmen gucken sich natürlich regelmäßig an, wie die Entwicklung auf dem Markt ist. Bei der Kleidung, bei Lebensmitteln, bei Autos – da stellen sie sofort fest, wenn zehn oder hundert Menschen mehr ihr Kaufverhalten geändert haben. Unterschätzen wir also nicht unser individuelles Verhalten. Es führt dazu, dass weniger CO2 emmitiert wird und dass andere Produkte auf den Markt kommen. Es ist auch ein  Signal an die Politik, dass etwas Anderes gewünscht wird.

Registrieren Politiker solche Zeichen?
Künast: Neben dem Individualverhalten muss sich die kritische Masse eben auch politisch äußern, damit sicher gestellt wird, dass die Politik ihre Aufgabe auch macht und klare ordnungspolitische Rahmen erstellt. Unökologische Produkte, Produkte mit hohem CO2-Ausstoß sollen in Zukunft gar nicht mehr auf den Markt kommen dürfen. Aber das erzwingen nicht wir Grüne allein, das erzwingt nur das grüne Verhalten aller.

Zitiert

Man sollte heute im Kopf haben: Wo in meiner Wohnung verschwende ich eigentlich gerade Energie? Ist das nötig? Gibt es eine Alternative?

Renate Künast

Welches sind auf politischer Ebene die wichtigsten Stellschrauben, wo man am meisten für den Klimaschutz erreichen kann?
Künast: Faktisch am meisten kann man erreichen, wenn man die Wirtschaft auf bestimmte Fragen hin reguliert. Was wird wie produziert? Man muss klare Vorgaben für die Automobilindustrie machen, Autos mit niedrigem CO2-Ausstoß zu produzieren oder jetzt wirklich auf Hybrid- und Elektroautos zu setzen.
Dann die Frage: Gibt es Wettbewerb, zum Beispiel auch auf dem Energiemarkt? Gibt es immer noch Ausnahmen bei den CO2-Emissionen und beim Emissionshandel? Wenn man da reingeht, kann man die größten Erfolge erzielen. Aber auch dieses kann ich gar nicht getrennt vom Verbraucher sehen.

Doch bei wem liegt die größere Macht zur Veränderung – bei der Industrie oder beim Verbraucher?
Künast: Das gehört zusammen, wie Ying und Yang. Man kann am Ende gar nicht sagen, wer mehr bewirkt. Ich sage immer jedem Verbraucher: „Wenn du anfängst und noch zwei andere überzeugst, dann setzen wir eine Lawine in Gang.“ Warum? Weil die mehrheitliche Politik getrieben wird von den Lobbyisten derer, die heute kostenlos Umwelt verschmutzen dürfen. Dieser Lobbydruck, teilweise einhergehend mit der Behauptung „sonst verlieren wir hier Arbeitsplätze“, führt ja dazu, dass Politik in der Mehrheit viel zu langsam ist, immer wieder für alte Dinge kämpft.

Sie meinen die Politik der derzeitigen Regierung?
Künast: Sehen sie sich mal an, was Frau Merkel macht. Die gebiert sich als Klimakanzlerin, um dann gegen Wettbewerb im Strommarkt einzutreten, sich für Laufzeitverlängerungen der AKWs und damit gegen eine Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien ausspricht. Sie ist für neue Kohlekraftwerke, die tatsächlich CO2-Schleudern sind, wie soll man dem beikommen? Alle vier Jahre bei den Wahlen und jeden Tag wieder durch individuelles Verhalten.

Die Glühbirnenverordnung war ein deutliche staatliche Regulierung – was wäre in dem Sinne der nächste Schritt, den die Politik den Bürgern sozusagen aufzwingen sollte?
Künast: Da nehme ich mal als Beispiel das Auto: Ein Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland von 120 spart sehr viel CO2. Hinzukommen müsste eine andere KFZ-Steuer, die die Spritfresser höher belastet und energiesparende Autos vier Jahre von der KFZ-Steuer befreit und der massive Abbau des Dienstwagenprivilegs. Wenn Sie dazu noch eine tolle Bahnpolitik machen, mit einer Halbierung des Mehrwertsteuersatzes für den Fernverkehr und einem breiteren Angebot an Mobilität, dann hätte man in diesem Claim so viele Fähnchen reingesteckt, dass man das Verhalten kanalisiert.

Wenn Sie es am Ende noch mal zusammen fassen würden: Wer blockiert im Moment den Klimaschutz?
Künast: Diejenigen, die sagen: „Das ‚Weiter so’ erhält uns die Profite.“ Das sind die größten Verhinderer. Vorne an die vier Energiekonzerne, die ihren Profit machen wollen, auf Kohle setzen, auf Verlängerung der Laufzeiten beim Atomstrom und somit eine Riesenmauer gegen Einsparungen und gegen Effizienz errichten. Umso mehr frage ich mich: Wie baut man die Lobbygegenmacht auf? Und dafür müssen wir Verbraucher unseren Alltag systematisch ändern. Man muss ja nicht gleich hundertprozentig sein. Aber wenn Sie allein anfangen, einen Tag in der Woche weniger Fleisch zu essen, zu einem Ökostromanbieter wechseln und  immer mal wieder ökologische Lebensmittel kaufen – dann haben Sie, wenn das Hunderttausende tun, Marktmacht. Und auch Lobbymacht. Das ist das was ich mir wünsche. 

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