Hans Zimmer

Die armen Rolling Stones, die müssen heute immer noch dasselbe spielen.

Filmkomponist Hans Zimmer über Anti-Action-Musik, seinen Score zu "Black Hawk Down" und seine Enttäuschung über den Nachwuchs

Hans Zimmer

© Thorsten Eichholz

Herr Zimmer, Sie schreiben sehr erfolgreich Filmmusik für unterschiedliche Filme, vom kleinen Thriller bis zum großen Disney-Film. Ihre jüngste Musik ist die zu Ridley Scotts „Black Hawk Down“. Sehr oft arbeiten Sie auch parallel an den Projekten. Wie lassen Sie sich da auf die verschiedenen Genres und Stimmungen ein…
Zimmer: Ganz ehrlich gesagt, ich schreibe Musik vor allem für mich selbst. Und wenn mich etwas bestimmtes interessiert, ein Stil, ein Thema, dann mache ich das. Und ich mache es absichtlich so, dass ich von einem Genre zum anderen gehe. Bei „Black Hawk Down“ hat es allerdings lange gedauert, bis ich zu Ridley Scott Ja gesagt habe. Ich habe ja schon Musik zu Kriegsfilmen gemacht…

… und „Black Hawk Down“ wäre einer zuviel gewesen?
Zimmer: Ich wusste nicht, was ich noch zu sagen hatte, oder wie ich es sagen sollte, was ich da noch neues von mir in den Film bringen konnte. Ein Problem des Films war für mich auch, während wir ihn gemacht haben, haben wir diesen ganzen Stoff wirklich noch mal durchgelebt. Das ist psychisch ziemlich schwierig, weshalb ich auch ab und zu wieder eine Komödie oder etwas ganz Banales mache, einfach damit sich die Arbeit wieder ein bisschen auflockert. Und es ist natürlich auch bei meiner Familie zu Hause recht schwierig. Als ich „Gladiator“ gemacht habe, da war ich für meine Familie wochenlang so ein Ekel, ein Macho-Man halt. Aber dafür haben wir während der Arbeit an „Hannibal“ zu Hause natürlich sehr gut gegessen. Der Film bietet einem die Chance ganz unterschiedliche Sachen zu schreiben. Bei Rock’n’Roll geht das eben nicht. Wenn man da Karriere gemacht hat wie die Rolling Stones… die Armen, die müssen immer noch dasselbe spielen. Ich möchte mich irgendwie weiterentwickeln, schließlich ist das mein Leben. Manchmal geht zwar eine Entwicklung eine Zeit lang in eine verkehrte Richtung, aber dann findet sich wieder etwas. Und man lernt immer dazu.

Interessant an dem Score zu „Black Hawk Down“ ist, dass die Musik oft einen Kontrapunkt zu den harten Bildern schafft.
Zimmer: Ich wollte eine Anti-Filmmusik, eine Anti-Action-Musik schreiben. Aber trotzdem habe ich auch versucht, diese Angst und Panik der damaligen Situation reinzukriegen, weshalb ich mich sehr oft mit den Soldaten der Mission von damals unterhalten habe. Ich wollte auch in zwei Stilen schreiben, das eine war eben Techno, der diese sehr technologische Armee Amerikas charakterisieren sollte, und das andere war eben diese Weltmusik von Nord- und Ostafrika. Aber ich wusste auch, dass es sehr schwierig sein würde in diesem Film, einen afrikanischen Standpunkt zu erklären, deswegen habe ich absichtlich den Sänger Baaba Maal ausgesucht. Er kommt zwar nicht aus Somalia, sondern aus dem Senegal, aber er kommt aus einer Familie mit vielleicht 2000-jähriger Tradition. Und auch wenn man seine Worte nicht versteht, irgendwie merkt man doch die Geschichte Afrikas in seiner Musik. Ich habe also die Musik der beiden Kulturen separat gelassen und sie nicht verschmelzen lassen, wie man das immer so schön bei der Weltmusik sagt.

Keine Kriegsmusik zu einem Kriegsfilm?
Zimmer: Wenn ich jetzt an „Thin Red Line“ („Der Schmale Grat“, Anm. d. Red.) denke, das war für mich kein Kriegsfilm, sondern irgendwie ein Gedicht, ein existentialistischer, philosophischer Trakt über den Krieg, und meine Musik ist ja auch keine Kriegmusik da drin. Bei „Black Hawk Down“ ist das anders, Ridley hat versucht, dass der Film irgendwie „echt“ ist – das Wort passt vielleicht nicht dazu – dass er irgendwie „wahr“ ist. Ich wusste, ich wollte keine Hollywood-, also Action-Musik dazu schreiben, und ich wollte nicht, dass meine Musik die Action im Film betont, verglänzt – kein Entertainment. Als wir die Premiere in Los Angeles hatten und Ridley eine kleine Ansprache vorher machen musste hat er sich ein wenig gebremst und nicht wie sonst etwa gesagt „Ich hoffe, der Film macht Euch Spaß!“, denn so etwas kann man bei diesem Film nicht sagen. Und so wollte ich auch nicht, dass die Musik einfach nur dahinfließt, sondern dass der Zuhörer auch mitarbeiten muss.

Setzen Sie sich als Komponist das Ziel, dass der Zuhörer später zu Hause beim Hören des Soundtracks die Bilder des Films aufrufen können soll?
Zimmer: Nicht unbedingt die Bilder, aber es soll irgendwie die Gefahr in der Musik spürbar sein, es soll keine einfach Musik sein. Ich habe ja mit den Soldaten gesprochen, und das war damals auch nicht einfach für die. Da gibt es noch viele Fragen und Alpträume, die diese Soldaten haben, und da wollte ich das Publikum mit reinverwickeln.

Sie erwähnten bereits die US-Premiere von „Black Hawk Down“. Anwesend war unter anderen auch der US-amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Wie stehen Sie zu „Black Hawk Down“ im aktuellen politischen Kontext?
Zimmer: Ja, das ist nun unser großes Problem. Ich möchte zuerst einmal sagen, wenn man genau hinschaut, ist der Film ja auch von Europäern gemacht, Ridley ist Engländer, Pietro Scalia, unser Editor, ist Italiener, und ich habe – glaube ich – immer noch einen deutschen Pass. Einer der Gründe, warum ich mich vor gut einem Jahr entschieden habe mitzumachen, war, dass wir uns immer darüber unterhalten haben, wie Amerika es immer noch nicht versteht, wie klein die Welt ist. Es gibt Amerika und dann gibt es für Amerika noch die Welt. Ich meine, wir in Europa, wir wissen, was Terrorismus bedeutet, wir wissen wie nah Jugoslawien an uns dran ist. Ein Grund, diesen Film zu machen war, um Amerika zu zeigen, dass die Welt doch furchtbar klein ist und man auch Respekt vor dem Rest der Welt haben muss. Leider Gottes wird der Film natürlich jetzt im Licht des 11.Septembers gesehen und das hat uns natürlich auch in Schwierigkeiten gebracht. Wir wollten nämlich den Film nicht nachträglich ändern und wir sind ganz stur dabei geblieben. Es gibt in Hollywood ja immer dieses System der Testvorführungen – ein neuer Film wird vor einem Publikum aufgeführt und wird dann nach Publikumsbefragung geändert, um ihn mehr publikumsgängig zu machen. „Black Hawk Down“ haben wir stur fertig gemacht, ohne auch nur eine Testvorführung, und sehr hart drauf geachtet, dass uns da niemand reinredet. Und jetzt ist uns nur noch wichtig, dass der Film nicht politisch ausgenutzt wird.

Und wenn aber doch eine politische Bindung kommen sollte…
Zimmer: Wir haben alle gedacht, dass so etwas irgendwann kommt, aber wir haben nicht gedacht, dass das jetzt und auf so eine Art kommt. Ich habe ja längere Zeit in England gelebt und bin es gewohnt gewesen, dass alle drei Wochen irgendwo eine Bombe hochfliegt. Aber in Amerika gab so etwas einfach noch nicht.

Ein anderes Thema: Schaut man rüber zu Ihren Kollegen, zum Beispiel John Williams, der hat gerade die offizielle Musik für die olympischen Winterspiele in Salt Lake City komponiert, John Barry hat eine CD herausgebracht, „Eternal Echoes“, auf den ’normale‘ Musikstücke zu hören sind, keine Filmmusik also. Hätten Sie nicht auch Lust, Musik zu komponieren, die nicht an Bilder gebunden ist, vielleicht einmal den puren Hans Zimmer?
Zimmer: Also, ja, ich habe der DECCA das bereits versprochen. Aber ich weiß nicht… ich muss das dieses Jahr mal anfangen.

Und zwischendurch macht man mal ein Live-Konzert, wie beim Film Festival Flandern im Oktober 2000…
Zimmer: Ja, ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte.

Keine gute Erfahrung?
Zimmer: Doch, schon, das war eine gute Erfahrung. Ich habe früher immer furchtbares Lampenfieber gehabt, 15 Minuten vor dem Konzert habe ich mir gedacht, das macht ja keinen Unterschied, entweder ich gehe auf die Bühne und hasse es oder ich gehe auf die Bühne und nehme es als Spaß hin und werde mich daran freuen, der Unterschied ist nur in mir selber. Und dann bin ich einfach auf die Bühne und habe gedacht, das ist ein schöner Jux. In Flandern hatte ich dann meine Kollegen dabei, meine Freunde, die Musiker, die ich sonst so bewundere, und ich habe das Konzert absichtlich gemacht als Dank an die Musiker, mit denen ich gearbeitet habe und arbeite. Ja, es hat sehr viel Spaß gemacht. Ich habe jetzt auch Anfang Februar mit dem Baaba Maal ein Konzert in Los Angeles gemacht, das hat auch furchtbar viel Spaß gemacht. Ich habe nämlich auf einmal gemerkt, dass ich wirklich afrikanisch spielen kann.

Sie leiten in den USA die Musikabteilung der Produktionsfirma Dreamworks SKG, wie viel Bewerbungen bekommen Sie da im Monat von jungen Filmkomponisten, wie viele werden ausgesucht…?
Zimmer: Ich sage Ihnen ehrlich, ich bin da hin gegangen eben deshalb, weil ich fest daran geglaubt habe, dass es Hunderte, Tausende von talentierten jungen Komponisten gibt, die einfach nur nie die Chance haben, gehört zu werden. Und ich habe sehr fleißig über die letzten fünf, sechs Jahre Bänder angehört, und ehrlich gesagt – das meiste ist scheiße! Ich bekomme so viele Bänder, wo das erste Stück so wie ein blasser John Williams und das letzte wie ein magerer Hans Zimmer klingt. Was ich suche ist natürlich jemand, der wirklich eine eigene Identität hat und der wirklich was zu sagen hat. Ich weiß nicht, woran es liegt. Kann sein, dass es auch an den Musikhochschulen liegt. Diese jungen Komponisten können alle sehr gut Mozart oder Beethoven nachmachen oder John Williams, aber die eigene Stimme fehlt bei den meisten. Aber es gibt auch Leute wie Harry Gregson-Williams oder jetzt auch der Klaus Badelt. Dessen Karriere sieht so aus, vor einem Jahr war er bei uns intern und jetzt macht er gerade Harrison Fords neuen Film fertig. Dazu kommt dann noch „Time-Machine“, er hat vier Filme – aber eben weil er etwas zu sagen hat, auch in gewisser Weise als Filmemacher. Es ist ja nicht genug, dass er ein guter Musiker ist.

Zum Schluss eine Frage in Sachen Internet: Schon jetzt kann man Ihren Score zu „Black Hawk Down“ auf diversen Websites und von diversen Tauschbörsen kostenlos auf seinen Rechner laden. Machen Sie sich über so etwas Gedanken?
Zimmer: Ja, aber ich habe immer so das Gefühl, wenn man versucht das zu verbieten und Gesetze macht, dass nützt nichts. Ich denke, jeder muss sich für sich selber entscheiden, ob er moralisch etwas klauen möchte von einer anderen Person oder nicht. Bei meiner Musik geht es allerdings weniger um mich, als um meine Kinder, die dann später die Tantiemen bekommen, wofür ich gearbeitet habe. Es geht um das Erbe meiner Kinder, und jeder muss sich entscheiden ob er denen das wegnehmen möchte.

2 Kommentare zu “Die armen Rolling Stones, die müssen heute immer noch dasselbe spielen.”

  1. Der Schreiberling |

    Nada

    Meine worte sind eig nichtig, da hans alles was er sagen wil und fühlt über seine musik ausdrückt. Daher sind worte an das können und die fähigkeiten an hans überflüssig, vor allem da hans wie gute musiker halt musik für sich schreibt. Ein Tor eröffnet durch das er entschwinden kann und seine gedanken und gefühle auf eine ganz spiezielle Weise den Menschen nahezubringen vermag. Alos einfach ein Grund für seine Berümtheit und seine spezielle Verbindung zu den Hörern. Kritiker werden diese Seite also wohl nicht besuchen, da es wohl nur zu wenige gibt, und wenn sind das diejenigen die an statische formen von mainstreamlastigen pop songs oder anderen formellen stücken anhängt.

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