Steven Soderbergh

Ich habe Kunst nie als einen Wettbewerb betrachtet.

Regisseur Steven Soderbergh über seinen Film "Solaris", die Arbeit mit George Clooney und den Oscar

Steven Soderbergh

© 20th Century Fox

Mr. Soderbergh, hin und wieder zeigen Sie in Ihrem Film „Solaris“ den Weltraum. Wie sind Sie denn anfangs an diese Aufgabe herangegangen, Ihr persönliches Bild vom Weltraum auf die Leinwand zu bringen?
Steven Soderbergh: Zuerst war mir klar, dass es keine Geräusche im Weltraum gibt, dass alles sehr ruhig ist. Und der Grund für die ausgedehnte Andock-Szene zu Beginn des Films sollte nicht nur eine Referenz zu Kubricks „2001“ sein, sondern die Leute auch daran erinnern, dass so etwas im Weltraum sehr langsam abläuft. Ich habe aber nie „Solaris“ als einen Weltraumfilm gedacht. Zum Beispiel, als mich am Ende der Dreharbeiten jemand fragte, wie viele Special-Effects wir im Film haben, da dachte ich an etwa 10-15. Aber dann habe ich die Liste einmal durchgeschaut und in Wahrheit waren es über 100.

Nun ist „Solaris“ Ihre erste große Science-Fiction-Arbeit.
Soderbergh: Das war auch einer der Gründe, wieso ich mich entschieden habe, „Solaris“ zu drehen. Ich selbst habe als Zuschauer auch große Probleme, wenn die Gesetze der Physik gebrochen werden, weshalb meine bisherigen Filme sehr realitätsnah sind. Also war „Solaris“ ein großer Schritt für mich, um zu sehen, ob ich überhaupt einen Film mit Fantasy-Elementen drehen kann. Und tatsächlich hat mir die Erfahrung mit „Solaris“ sehr viel gebracht, sie hat mich freier gemacht und mir einen neuen Blick auf meine Arbeit verschafft. Denn dieser Film zeigt ja, dass Logik nicht unbedingt alles beherrschen muss.

Wie kamen Sie denn eigentlich auf die Idee, das Buch von Stanislaw Lem „Solaris“ nach Andrej Tarkowskij noch einmal zu verfilmen?
Soderbergh: Das war eigentlich gar nicht meine Idee. Ich hab mich vor längerer Zeit mal mit einem guten Freund unterhalten, als wir auf „Solaris“ zu sprechen kamen – ich selbst hatte da nie dran gedacht. Zwei Monate später hat mich der gleiche Freund angerufen und mir erzählt, dass James Cameron über die Rechte an „Solaris“ verfügt. Und wenn ich wirklich Interesse daran hätte, müsste ich ihn schnellstens kontaktieren, bevor er seinen eigenen Film draus macht. Das habe ich dann auch getan.

Was faszinierte Sie an diesem Stoff?
Soderbergh: Einer der interessantesten Punkte bei „Solaris“ ist die. Mich fasziniert, wie viel und wie oft wir Dinge auf andere Menschen projizieren um mit der Tatsache umgehen zu können, dass wir unsere Mitmenschen nicht so gut kennen können, wie wie wir es gerne würden. Den Rest müssen wir uns ja immer selbst hinzudichten. Und generell besteht Film ja aus Projektionen. Ein weiteres wichtiges Thema, was das Buch anschneidet, ist der Tod. Mein Vater starb vor ein paar Jahren sehr plötzlich und ich hatte damals gar keine Möglichkeit vor seinem Tod noch einmal mit ihm zu sprechen. Ich wollte mit diesem Film also auch ein wenig darüber berichten, wie die Welt dich in so einem Fall überrollt, dass man manche Dinge so schnell gar nicht realisieren kann. Ich habe versucht, Möglichkeiten zu finden, diese Momente zu erforschen.
Und es war mein Vater, der mir mit 12 Jahren ein Science-Fiction-Buch geschenkt hat, mit vielen Aufsätzen und Bildern. Da war sogar ein Bild aus dem alten „Solaris“-Film drin und eine Beschreibung der Handlung, eben dass der Astronaut auf der Weltraumstation im Schlaf immer seine verstorbene Frau trifft. Diese Geschichte hat mich schon damals sehr fasziniert.

Ihr Hauptdarsteller George Clooney hat mittlerweile auch schon einen Film gedreht. Wie war es, Regie zu führen, bei einem Schauspieler, der gleichzeitig ein Regie-Kollege ist?
Soderbergh: Es war interessant mit George darüber zu reden, welchen Effekt seine Regiearbeit auf seine Arbeit als Schauspieler hat. Denn für mich war er immer ein sehr unkomplizierter Schauspieler. Durch seine Regie-Arbeit hat er jetzt eine bessere Vorstellung davon bekommen, welche Verantwortung der Regisseur bei einem Film trägt und tragen muss. Manchmal, hat er erzählt, erwischt er sich sogar bei dem Gedanken, dass er als Regisseur gerne die volle Kontrolle über die Schauspieler haben würde – ich muss zugeben, dass würde ich manchmal auch am liebsten (lacht). Nein, ganz im Gegenteil, ich habe gelernt, wenn ein Schauspieler während der Dreharbeiten ärgerlich oder ängstlich wird – dann nehme ich die Geschwindigkeit sofort ganz raus. Ich will nicht, dass ein Schauspieler von mir denkt, ich würde ihn hetzen wollen.

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Als Zuschauer habe ich große Probleme, wenn die Gesetze der Physik gebrochen werden.

Steven Soderbergh

Haben Sie Stanislaw Lem, den Autor von „Solaris“ einmal getroffen?
Soderbergh: Nein, ich habe mitbekommen, dass er gar nicht so an Film interessiert ist. Das gilt übrigens auch für den Tarkowskij-Film. Seine Haltung ist in etwa die: „Ich habe das Buch geschrieben, Tarkowskij hat einen Film gemacht, der hat aber mit dem Buch nichts zu tun.“ Und dann hat mir auch jemand erzählt, dass Lem wohl seit 30 Jahren nicht mehr im Kino war, er hat wohl generell wenig Interesse an Film.

Und Sie, mögen Sie die Filme Tarkowskijs?
Soderbergh: Ja, auf jeden Fall, ich habe auch alle gesehen als ich mich auf meinen „Solaris“ vorbereitet habe. Und ich muss sagen, es ist natürlich ein großer Unterschied, wenn man sagt, wir verfilmen „Solaris“, basierend auf dem Buch, als wenn wir sagen, wir machen jetzt ein Remake von „Iwans Kindheit“. Dass wir jetzt „Solaris“ ein zweites Mal verfilmt haben, rechtfertigt sich dadurch, dass Menschen schon immer Stücke von verschiedenen Autoren an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten aufführen.

Wenn Sie einen Film drehen, haben Sie dann immer schon ein spezielles Publikum im Auge? Denn einerseits werden sicher viele Leute für „Solaris“ ins Kino gehen, weil sie das Thema oder der Roman interessiert, andererseits gibt es wahrscheinlich genauso viele Leute, die vor allem daran interessiert sind, George Clooney einmal nackt zu sehen.
Soderbergh: Ich denke an das Publikum in etwa, wie ich an meine Tochter denke. Ich sorge mich um sie, ich respektiere sie, aber ich gebe ihr nicht alles, was sie will. Ich setze nicht alles Mögliche daran, nur um vom Publikum eine Antwort zu bekommen. Das Publikum hat für mich schon einen hohen Wert. Aber ich mache einen Film, wie ich ihn gerne sehen würde und nehme dann einfach an, dass das Publikum dem folgen kann.

Die Nominierungen für den Oscar rücken näher. Sie haben für Ihren Film „Traffic“ 2001 den Oscar als bester Regisseur bekommen. Wie haben Sie das erlebt?
Soderbergh: Ich war froh, dass ich während dieser ganzen Zeit gedreht habe — „Ocean’s Eleven“. Ich habe von dem ganzen Rummel drum herum nichts mitbekommen. Ich habe aber Kunst auch nie als einen Wettbewerb gesehen, ich habe mir nie gesagt: „hoffentlich gewinne ich“. So denke ich nicht. Klar ist ein Oscar eine schöne Sache, aber ich dachte nur: dass einzige was ich mir wünschen würde, wäre, dass mein Vater mich in den Moment hätte sehen können. Denn er war es, der mich an das Medium Film herangeführt hat.
Der Oscar ist ja auch etwas ganz anderes als zum Beispiel Cannes. Für Cannes gibt es keine groß angelegten Kampagnen. Da gibt es eine Jury und deren Entscheidung wird durch nichts beeinflusst und überrascht dich. Ich habe da noch nie etwas gewonnen, aber deswegen fühle ich mich nicht gleich wie ein Loser.

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