Max Riemelt

Ich glaube, es gibt für jeden Menschen so etwas wie einen Lebensplan.

Schauspieler Max Riemelt über die Faszination der Liebe, Rebellion in der DDR, die Arbeit am Film „Der Rote Kakadu“ und die Wichtigkeit der Musik für sein Leben

Max Riemelt

© X-Verleih

Max, was ist für dich die „wahre Liebe“?
Riemelt: Ich habe da in der letzten Zeit viel drüber nachgedacht, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das schon weiß. Ich glaube die wahre Liebe ist etwas sehr wertvolles, schmerzhaftes, einfach etwas was einen sehr ausfüllt und beschäftigt. Das ist auf jeden Fall sehr schwer in Worte zu fassen.

Glaubst du daran, dass man irgendwann im Leben die große Liebe findet?
Riemelt: Kann man auf jeden Fall, muss man aber nicht! Ich denke, jeder Mensch hat auch seine eigene Vorstellung von der einzig wahre Liebe und deswegen kann man das auch gar nicht generell für alle Menschen definieren.

Hat man das deiner Meinung nach selber in der Hand oder spielt da das Schicksal eine entscheidende Rolle?
Riemelt: Wenn man nach dieser Liebe sucht, ist es sowieso immer ganz schwer, weil man dann bestimmte Zeichen des anderen falsch deutet und oft auch krampfhaft wird. Das muss einfach passieren und einem zufallen. Ich glaube, man selber kann das sehr schwer beeinflussen; das hat oft auch einfach mit Wellenlängen zwischen Menschen zu tun, und entweder es harmoniert oder halt nicht.

Glaubst du denn an so etwas wie Schicksal?
Riemelt: Ich weiß nicht, ob man dass dann Schicksal nennt, aber ich glaube, dass es für jeden Menschen so etwas wie einen Lebensplan gibt, also dass bestimmte Dinge einfach vorgesehen sind. Ich glaube, jeder Mensch hat eine innere Kraft, die ihn in bestimmte Richtungen treibt.

Wie würdest du das Gefühl des Verliebtseins beschreiben, also was muss man da in sich wachrufen um dieses Gefühl als Schauspieler spielen zu können?
Riemelt: Als Schauspieler greift man häufig auf schon Erlebtes zurück und versucht sich dann zu erinnern, wie man sich in bestimmten Lebenssituationen gefühlt hat, zum Beispiel als man verliebt war oder auch sehr unglücklich und traurig. Das versucht man dann in die Szene mit einzubringen und mit den Charakterzügen der Person, die man spielt, zu verbinden. Ich glaube, ein guter Schauspieler muss schon sehr viel erlebt haben, um realistisch spielen zu können.

Du bist jetzt 22 Jahre alt und so viel Zeit zum Erleben war ja noch gar nicht da. Versuchst du möglichst viel in kurzer Zeit zu erleben?
Riemelt: Nee, das versuche ich nicht, aber irgendwie treibt’s einen doch! Man sucht immer neue Abenteuer und das macht mich in bestimmter Weise dann auch so offen für neue Erlebnisse, dabei bin ich eigentlich gar nicht der Mensch, der gerne so wahnsinnig viel in kurzer Zeit erlebt. Ich brauche auch immer viel Zeit, um Erlebnisse zu verarbeiten, aber im ganzen letzten Jahr ist einfach so viel passiert in meinem Leben, dass dazu kaum Zeit war. Ich war in China und New York für meinen Film „Napola“ unterwegs und irgendwie prasselte so viel Aufmerksamkeit auf mich ein – das war schon krass!

Welche Methoden hast du, um Erlebnisse zu verarbeiten?
Riemelt: Das passiert oft ganz unbewusst, im Schlaf oder so. Ich rede auch viel mit Freunden oder der Familie über alles was so passiert und lasse die letzten Ereignisse noch mal Revue passieren. Das ist mir sehr wichtig, dass ich Leute habe, mit denen ich über meine Gedanken und Gefühle sprechen kann.

In deinem neuesten Film „Der Rote Kakadu“ von Dominik Graf spielst du den jungen Siggi, der 1961 nach Dresden kommt, sich Hals über Kopf in die junge Dichterin Luise verliebt und durch sie das berüchtigte Tanzlokal „Roter Kakadu“ kennen lernt. Doch der Mauerbau rückt stetig näher und die Lage verschärft sich. Was hat dich an dieser Geschichte fasziniert?
Riemelt: Die Rolle „Siggi“ hat mir sehr gefallen, weil sie einem viele schauspielerische Möglichkeiten bietet. Am Anfang ist „Siggi“ noch sehr unbeschwert und lebenslustig, aber er gerät dann in diesen Strudel der Problematiken und muss plötzlich um die Liebe zu Luise und auch um seine Zukunft kämpfen. Ich mag diese Situationen. Ich spiele gerne Menschen, die sich in schwierigen Situationen bewähren müssen, das war ja auch schon in „Napola“ so, wo sich der Friedrich Weimer auf der „Napola“-Schule seinen Platz erkämpfen musste und erst im Laufe der Zeit entdeckt in welche Teufelsmaschinerie er da geraten ist. Außerdem hat es mich natürlich auch sehr gereizt, mit Dominik Graf zu arbeiten. Ich habe eine große Achtung vor ihm und ich muss sagen: Ich wurde nicht enttäuscht!

Wie hast du denn die Zusammenarbeit mit Dominik Graf empfunden? Er soll ja gelegentlich auch sehr cholerisch werden können…
Riemelt: Ja, Dominik Graf hat halt so seine ganz eigene Arbeitsatmosphäre und Arbeitsweise und das kann in Momenten, wo die Zeit knapp wird schon ziemlich kritisch werden und auch zu Streit führen. Die Schauspieler kriegen das häufig gar nicht so mit, aber das Team muss da schon viel ertragen und wird sehr beansprucht.

Eine zentrale Rolle spielt in „Der Rote Kakadu“ der Rock’n’roll. Nun hat Dominik Graf kürzlich in einem Interview über diese Musikrichtung gesagt: „Rock war doch immer nur eine Illusion, eine Jugend-Droge, die bis in die Neunziger Jahre hinein doch halbwegs funktioniert hat. Sicher auch gegen Lebensangst.“ Hat er Recht?
Riemelt: Das definiert glaube ich jeder ganz anders für sich. Für ihn mag das zutreffen, aber andere Menschen verbinden vielleicht ganz andere Sachen mit dieser Musik, haben ganz andere Erinnerungen an diese Zeit. Dominik Graf sieht das wahrscheinlich mehr so aus der Filmperspektive. Man sollte das nicht so zur knallharten These machen!

Zitiert

Ich glaube die wahre Liebe ist etwas sehr wertvolles, schmerzhaftes, einfach etwas was einen sehr ausfüllt und beschäftigt.

Max Riemelt

Was verbindest du mit dieser Musikrichtung?
Riemelt: Ich habe mich ja in Vorbereitung auf den Film sehr intensiv mit dieser Musik auseinandergesetzt und viel über diese Zeit gelernt und kann diese Begeisterung der Menschen schon nachvollziehen. Das war ja auch so ’ne Art Rebellion, die von dieser Musik ausging, eben weil sie auch verboten war unter dem DDR-Regime. So etwas wäre ja heute gar nicht mehr denkbar, weil die heutige Jugendgeneration viel freier ist und sich nicht mehr ständig vor einem Regime verstecken muss. Heute sind es halt HipHop oder Techno, die für eine bestimmte Lebenshaltung stehen.

Welchen Stellenwert hat denn Musik in deinem Leben?
Riemelt: Musik ist sehr wichtig für mein Leben! Musik löst auch viele Emotionen in mir aus und eben weil ich so ein visueller Mensch bin, kommen dann auch oft ganz viele Bilder hoch, wenn ich bestimmte Songs höre. Für jeden Lebensabschnitt gibt es halt bestimmte Gefühle und Musik ist oft ein Mittel, um diese Gefühle wieder wachzurufen. Ich habe da viele Favoriten aber HipHop nimmt auf jeden Fall einen ganz großen Platz in meinem Leben ein. Zur Zeit höre ich zum Beispiel sehr gerne Musik von Gil Scott-Heron. Der war mal ein Dichter und aus dieser Dichtkunst hat er dann mit sehr guten Musikern Songs gemacht, die in den 70er Jahren und bis heute sehr populär sind. Ich weiß nicht genau, warum mir gerade diese Musik so nahe geht, aber oft ist das auch nur ein Gefühl und hat eben auch wieder viel mit Wellenlängen zu tun.

In „Der Rote Kakadu“ zeigen die Charaktere eine unbändige Lebensfreude und stürzen sich in die Welt des Rock’n’roll, genießen die Freiheit, doch schon sehr früh werden sie mit den Widrigkeiten des aufblühenden sozialistischen Regimes konfrontiert. Woher nehmen sie trotz allem diese große Lebensfreude?
Riemelt: Ja, das ist schon dieser „Tanz auf dem Vulkan“, dieses provozieren und ausreizen, wie weit man gehen kann. Ich denke, dass extreme Momente die Menschen aber auch untereinander verbinden und letztendlich auch zu diesem exzessiven Verhalten führen, weil man halt alles auskosten will, so lange es noch geht. Die Menschen wollten in der „Kakadu“- Bar dem Alltag entfliehen und ihre Sehnsüchte und Wünsche ausleben. Es gab ja auch damals kaum andere Möglichkeiten sich individuell darzustellen und Identität zu schaffen, in dieser Bar aber herrschte ein Hauch von Freiheit.

Hast du dich manchmal gefragt, wie es gewesen wäre, wenn du in dieser Zeit gelebt hättest?
Riemelt: Ja, man fragt sich das ja immer so ’n bisschen. Ich weiß aber nicht, wie ich damals auf diese Umstände reagiert hätte. Dafür kenne ich mich jetzt noch zu wenig!

Das Lokal „Der Rote Kakadu“ ist eine real existierende Bar im Dresdner Stadtteil „Weißer Hirsch“. In den 1930er Jahren feierten hier Stars wie Heinz Rühmann oder Zarah Leander rauschende Partynächte. Wie realistisch ist die Darstellung dieser Bar im Film?
Riemelt: Ich bin jetzt kein Historikprofessor, aber ich denke mal, die ist schon sehr realistisch, weil die Grundversion des Drehbuchs ja auch von Michael Klier stammt, der darin seine persönlich erlebte Geschichte erzählt. Er hat sich den fertigen Film dann auch angesehen und fühlte sich sehr angesprochen und empfand die Darstellung auch als sehr realitätsnah. Das hat uns alle natürlich sehr gefreut!

„Der Rote Kakadu“ ist nach der Ostalgie-Welle, ausgelöst durch Filme wie „Sonnenallee“, „NVA“ und „Good bye Lenin“, nun ein weiterer Film, der sich mit der DDR- Thematik auseinandersetzt. Könnte es passieren, dass die Zuschauer bald übersättigt sind?
Riemelt: Das kann natürlich passieren, aber letztendlich haben die meisten nur das Bild der DDR aus den 70er und 80er Jahren im Kopf und davor gibt es denke ich noch eine Lücke zu schließen. Die ganze Nachkriegszeit wurde in den letzten Filmen noch gar nicht so richtig behandelt und da setzt „Der Rote Kakadu“ an. Wir behandeln ja auch eine ganz andere Thematik als zum Beispiel „Sonnenallee“ und durch Dominik Grafs Regie kommen sehr viel filmkünstlerische Aspekte zum tragen. Ich denke, den Film kann man unter verschiedenen Gesichtspunkten sehen, und wer eine Liebesgeschichte erwartet, kommt genauso auf seine Kosten wie einer, der über das Leben der Jugend in der Nachkriegszeit informiert werden will.

„Der Rote Kakadu“ ist nach deiner Hauptrolle als „Friedrich Weimer“ in dem Kinoerfolg über die NS-Eliteschulen „Napola“ ein weiterer Film, der sich mit einem historisch bedeutenden Thema befasst. Was fasziniert dich an historischen Stoffen?
Riemelt: Das ist jetzt keine bewusste Wahl, aber ich bin schon sehr dankbar dass man mir heute zutraut, in solchen Produktionen mitzuspielen. Ich habe jetzt keine großartige Liebe für die Historie, aber ich finde diese Stoffe auf jeden Fall sehr interessant und filmenswert!

Sind historische Stoffe für dich als Schauspieler eine größere Herausforderung als andere Produktionen?
Riemelt: Nein, das würde ich nicht sagen! Man hat einfach eine viel größere Verantwortung, der Zeit und ihren Menschen gerecht zu werden. Geschichten aus der heutigen Zeit können aber schauspielerisch genauso herausfordernd sein wie historische Stoffe.

Welche Reaktionen gab es denn bereits von Historikern auf euren Film?
Riemelt: Ich habe bei der Premiere in Dresden mit einigen Menschen reden können, und da waren die Meinungen sehr geteilt. Einigen hat die Interpretation dieses Themas von Dominik Graf nicht gefallen, weil sie es zu unrealistisch fanden, aber schauspielerisch gab es dafür durchweg nur positive Reaktionen. Ich persönlich sehe in diesem Film aber gar nichts unrealistisches, denn der Osten hatte ja auch so seine ganz eigene skurrile und ungewollte Komik und deswegen finde ich es ziemlich gut, was wir da mit „Der Rote Kakadu“ gemacht haben.

Was sind deine nächsten Projekte?
Riemelt: Ich habe ziemlich viele Projekte, die mir sehr am Herzen liegen und die ich gerne machen würde, aber das ist alles noch nicht spruchreif. Ende des Jahres kommt jetzt aber erstmal der Zweiteiler „Der Untergang der Pamir“ in dem ich mitspiele und da bin ich schon sehr gespannt wie der geworden ist. Ansonsten werde ich irgendwann auch mal eine Pause einlegen und endlich mein Abitur absolvieren, was gar nicht mal so falsch wäre. (lacht)

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – Welche Figur bist du?
Riemelt: Ich glaube ich wäre die Figur„TwoFace“ aus den Batman-Comics! Man lacht gerne, man ist gern wütend; damit könnte ich mich am besten identifizieren!

Ein Kommentar zu “Ich glaube, es gibt für jeden Menschen so etwas wie einen Lebensplan.”

  1. Alex |

    Max Riemelt

    Ich finde Max Riemelt einfach toll! Ich habe den Film NAPOLA vor ein paar Wochen gesehen und seitdem schon zwei weitere Male, da ich diesen Film so beeindruckend fand. Er geht mir nicht mehr aus dem Kopf!
    Max Riemelt & Tom Schilling haben wirklich beachtliche Arbeit geleistet!
    Ich würde so gerne einmal Max treffen, doch dies scheint wohl nicht realistisch.

    Naja, also ich wünsche Max weiterhin noch ganz viel Erfolg!

    Liebe Grüße,
    Alexandra aus Essen

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