Thomas Kretschmann

Auf diesen Film hat Polanski sein Leben lang gewartet.

Schauspieler Thomas Kretschmann über seine Rolle in Roman Polanskis "Der Pianist", Genrewechsel und die Lust, selbst auf dem Regietuhl zu sitzen

Thomas Kretschmann

© Tobis StudioCanal

Herr Kretschmann, Sie haben vor "Der Pianist" im Action-Film "Blade 2" mitgespielt. Unterschiedlicher könnten die Filme gar nicht ausfallen.
Kretschmann: Ja, ich versuche in der Regel auch, im nächsten Film immer das Gegenteil von dem zu machen, was ich gerade vorher gedreht habe, denn sonst wird es ja langweilig und sonst fahre ich mich in eine Spur, aus der ich nicht mehr herauskomme. So, wie ich mich versuche lokal in der Weltgeschichte zu bewegen, versuche ich mich auch filmspezifisch in allen Bereichen und Genres zu bewegen.

Wie war es für Sie mit Roman Polanski zu drehen, dessen eigene Biografie der des Komponisten Szpilman sehr ähnelt, dessen Erlebnisse der Film portraitiert?
Kretschmann: Das hat den Film sehr beeinflusst und es ist die große Chance des Films, dass es da einen Weltklasse-Regisseur gibt, der über ein Genre, über ein Thema und über eine Zeit erzählt, die er so gut kennt, wie kein anderer Regisseur. Der Film ist gespickt mit Szenen die Polanski selbst gesehen hat, die ihm selbst passiert sind. Darüber hat er mit mir beim Dreh allerdings nicht geredet. Wenn ich versucht habe, an Hintergrundinformationen zu gelangen hat er sich sehr bedeckt gehalten. Er hat auch immer gesagt "Konzentration ist meine Leidenschaft". Er hat wahnsinnig detailbesessen seinen Film realisiert, der im Kopf schon fertig war und hinterher erst hat er gesagt, die Szene sei ihm so passiert, jenes hätte er so gesehen und erlebt. Für mich wurde auch klar: das ist der Film, auf den Polanski sein Leben lang gewartet hat, weil er – das interpretiere ich jetzt mal so – damit auch seine Kindheit aufarbeiten kann. Für mich war es nur wichtig, dass er zufrieden mit mir und meiner Leistung ist. Ich bin ans Set gegangen mit offenen Augen und Ohren und habe nur versucht zu ergründen, was er von mir möchte und wie genau ich das umsetzen kann. Ich wollte nur, dass er glücklich mit mir ist, gerade auch wenn man als Deutscher an der Seite eines Repräsentanten der Opfer des Nazi-Regimes steht und dieser einen Film darüber macht.

Sie tauchen als Wehrmachtsoffizier Wilm Hosenfeld erst nach gut zwei Dritteln des Films auf, der dadurch eine besondere Wende erhält. War das für Sie ein besonderer Reiz an der Rolle?
Kretschmann: Für Polanski – das sagte er mir bereits, als wir uns das erste Mal getroffen haben – sind das die Kernszenen, das Herzstück des Films. Das fand ich natürlich toll, aber es wird einem ja immer, wenn man besetzt wird, erzählt, wie wichtig die Rolle doch ist. Wie enorm wichtig diese Szenen Polanski dann aber wirklich waren, das habe ich erst gesehen als der Film fertig war. Für einen Schauspieler ist es natürlich auch toll, zu erfahren, wie das wirklich aussieht, wenn man auch mal mit einem großartigen Regisseur zusammenarbeitet und nicht mit Leuten, wo man sich am Ende noch selbst retten muss. Manchmal sitzt man ja monatelang an Filmsets rum und versucht und macht und tut. Aber am Ende sieht man dann den Film und erkennt gar nichts von dem wieder, was man eigentlich zeigen und erzählen wollte. Da ist "Der Pianist" ein Film, wo ich alles, was ich versucht habe zu spielen, auch im Film sehe. Dann kommt noch hinzu: ich bin wirklich wahnsinnig stolz über diese Anerkennung, die ich zurückbekomme von Polanski, so ein Regisseur mit so einem Thema, dass der einen dafür liebt, was man in seinem Film gemacht hat, darauf bin ich richtig stolz.

Nun ist der Offizier, den Sie spielen, nicht der blonde, böse Deutsche, wie es oft in Hollywood-Produktionen der Fall ist. Werden diese alten Klischees inzwischen aufgeweicht, durchbrochen?
Kretschmann: Ich versuche natürlich selbst, da gegenzusteuern. Aber das ist von Projekt zu Projekt verschieden, manche Filme macht man ja auch kalkulierend. Zum Beispiel der U-Boot-Film "U571" war mein erster Hollywood-Film. Was soll ich denn machen, um mich zu empfehlen? Da nehme ich doch die erste, größte, bestmöglichste Rolle, die ich bekommen kann. Und wenn dich bis dahin keiner kennt – da interessiert sich in der Regel niemand dafür, was man früher für Theater oder Filme in Europa gemacht hat – dann ist doch klar, dass die erste Rolle, die man bekommt, die eines typischen Deutschen bekommt. Davon muss man zuerst ausgehen, später sollte man dann versuchen, davon wegzukommen. Aber gerade "Der Pianist" ist ein schönes Gegenbeispiel, der Film zeigt ja, es ist nicht alles schwarz und weiß, es gibt auch ganz viel Grauzone. Es gibt gute und schlechte Polen, gute und schlechte Juden, es gibt deutsche Bestien aber es gibt auch deutsche Menschen. Und Polanski selbst sagt: dies ist ein Film über die Hoffnung.

Die Familie des Offiziers Hosenfeld lebt noch, der Sohn von Wladyslaw Szpilman ebenso – haben Sie sich um die Herstellung eines Kontakts bemüht?
Kretschmann: Nein, es ist ja immer so eine zweischneidige Sache, eine Figur zu portraitieren, die es wirklich gegeben hat. Das bringt eine große Verantwortung mit sich gegenüber dieser Figur und auf der anderen Seite steht man da vor einem Regisseur, dem gegenüber man gleich zwei Verantwortungen spürt, einmal als Deutscher und zum zweiten als Schauspieler. Es kann ganz hinderlich sein, zu viel zu wissen. Mir ist aufgefallen, dass Polanski gar nicht wollte, dass ich zu viel weiß. Ich habe aber gemerkt, da ist jemand, der ganz genau weiß, was er will und wo es am besten ist, wenn ich Schauspieler als leeres Blatt ans Set komme, dass er dann vollschreiben kann. Das war ja auch gut so, denn ich kann eigentlich nicht zu Polanski gehen, der einen Film auch über seine Vergangenheit macht und sagen, dass müsste so oder so gemacht werden. Ich habe das hier und da mal probiert, man versucht ja auch als Schauspieler seine Rolle klarer und besser deutlich zu machen. Aber die Antwort von Polanski war immer ein deutliches Nein. Und im Nachhinein muss ich sagen, hat Polanski in jeder Frage 100-prozentig Recht gehabt. "Der Pianist" ist ein Polanski-Film von vorne bis hinten, da hat ihm niemand etwas reingeredet, das wollte auch keiner. Nach der ersten Vorführung kam er dann grinsend zu mir und sagte: "This is not Hollywood, isn’t it?" Und da muss ich sagen, hat er vollkommen Recht, das ist wirklich nicht Hollywood.

Zitiert

Manchmal sitzt man monatelang an Filmsets rum, versucht und macht und tut - aber am Ende erkennt man im Film nichts von dem wieder, was man eigentlich zeigen und erzählen wollte.

Thomas Kretschmann

Erinnern Sie sich noch, was Sie früher in der Schule über die Zeit, in der der Film spielt, gelernt haben?
Kretschmann: Gerade, wenn man wie ich in der DDR aufgewachsen ist, hat man ja praktisch seit der Muttermilch die Zeitgeschichte quasi eingeimpft bekommen. Man wächst damit auf und glaubt, man wüsste alles über diese Zeit. Wenn ich mir dann aber den Film angucke, von jemandem gemacht, der dabei war, dann sitze ich plötzlich drin und habe das Gefühl, ich weiß gar nichts. Das hat meines Achtens mit der Qualität des Films zu tun, man vergisst irgendwann, dass man in einem Film sitzt, es wird dokumentarisch und noch viel mehr. Man ist plötzlich mittendrin und dabei. Es ist eben ein großer Unterschied, ob man in Geschichtsbüchern irgendwelche Zahlen liest oder ob man wirklich sieht, was da passiert ist und das auch spürt und fühlt.

Sie haben vor ein paar Jahren selbst ein Drehbuch geschrieben und damit ihr Glück in Deutschland versucht. Der Markt war damals nicht bereit, aber er könnte es heute um so mehr sein, denken Sie nicht?
Kretschmann: Ich denke nicht, dass der deutsche Markt inzwischen für mich bereit ist. Ganz im Gegenteil, die ZDF-Reihe "Der Solist" wo ich die Titelrolle hatte, wurde gerade abgesetzt. Ich hätte das gerne weitergemacht, aber das ZDF sah das anders. Da kann ich aber auch nur sagen: ich arbeite und zwar ununterbrochen, wenn die Leute das hier nicht wollen, dann arbeite ich eben woanders. Mir wäre es natürlich lieb mal wieder etwas in Deutschland zu drehen, aber wenn es nicht sein soll, dann eben nicht – ich kann mich ja nicht selbst besetzen. Ich bin damals, vor zehn Jahren, mit dem Drehbuch lange rumgelaufen, ohne Erfolg. Ich würde diesen Film auch nicht mehr machen wollen, denn man verliert dann natürlich auch viel Energie und die Lust am Projekt, da ist irgendwann die Luft raus. Inzwischen habe ich auch mit großartigen Regisseuren gearbeitet. Aber ganz oft sitzt man, wie gesagt, bei Dreharbeiten, schaut sich den Regisseur an und denkt sich: na ja, vielleicht sollte ich jetzt mal lieber übernehmen.

Das Leben ist ein Comic, welche Comic-Figur sind Sie?
Kretschmann: Ich bin kein großer Comic-Fan, muss ich sagen. Deshalb sag ich, ich bin der Fuchs in "Der kleine Prinz".

Warum der?
Kretschmann: Das kann ich jetzt nicht erklären, manche spontanen Antworten sind einfach ziemlich genau und treffend, das bedarf dann keiner Erklärung mehr.

2 Kommentare zu “Auf diesen Film hat Polanski sein Leben lang gewartet.”

  1. Ute Dillard |

    lieber thomas ,
    deine rolle in dem neuen film,, stalingrad ,, in 3d hast du perfekt gespielt.man könnte meinen du hast es erlebt und gelebt. du gibst dem film damit eine besondere note. du bist einer der besten schauspieler die das filmgeschäft hat und das ist ein grosses glück für alle die die filme, das kino mögen.

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  2. jessy |

    super kretschmann ;-)

    Thomas du sollstest deine lust an deinen Drehbuch nicht verlieren und noch was du bist ein super schauspielrr ich habe vor kurzem king kong geguckt und muss sagen ich war begeistert vor allen von dir so begeistert dws ich ihn mir gleich 3 mal angesehn hab mach weiter so

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