Beatsteaks

Keiner von uns zieht irgend ’ne Show ab.

Torsten, Arnim und Bernd von den Beatsteaks über Rocker-Klischees, Körpereinsatz auf der Bühne, ihr Verhältnis zu Punk und Publikum, Band-Freundschaften und die DVD "B-Seite"

Beatsteaks

© Ute Kangkafel / Warner Music

Torsten, Arnim, Bernd, wir befinden uns hier in einem Hotelzimmer – habt ihr euch schon mal dieser Rockstar-Klischees bedient und ein solches auseinandergenommen?
Torsten: Klar, wir zerstören das auch nachher noch. Erst werden noch Koks und Nutten hergeliefert und dann geht’s ab…

Aber mal im Ernst, habt ihr das mit dem Hotelzimmer mal gemacht, um es eben mal gemacht zu haben?
Torsten: Nee, um Gottes Willen! Da würden wir von unserem Reiseleiter Robert…da würden wir uns auch gegenseitig auf die Finger hauen. Ist doch total bescheuert. Das arme Hotel kann doch nichts dafür, dass wir ein paar Platten verkooft haben.
Arnim: Irgendwie waren wir immer zu alt für den Scheiß.

Zu alt?
Arnim: Wir waren natürlich schon mal an dem Punkt, volltrunken in ’nem Hotel so a la "jetzt werden wir mal komplett durchdrehen!" Aber das ginge gar nicht, das würde nicht funktionieren. Einer von uns würde einen Gang zurückschalten und sagen: "Ey, seid ihr total bekloppt? Das soll jetzt Rock’n’roll sein?" Rock’n’roll ist woanders. Diese ganzen Legenden sind eh allet Quatsch! Für mich ist das jedenfalls kein Rock’n’roll, wenn jemand ’nen Fernseher aus dem Fenster schmeißt, sondern dann wenn er auf der Bühne steht und mich komplett flasht. Da entsteht Rock’n’roll.

Sprich, wenn Randale, dann auf der Bühne?
Torsten: Auf jeden.

Aber wie weit geht ihr auf der Bühne? Arnim, ich habe gerade gelesen, dass du dir vor kurzem beim Stage-Diving in Köln die Nase angebrochen hast.
Arnim: Ja, auf der Bühne vergessen wir uns schon ganz gern mal. Torsti und ick sind da Freidreher. Bernd ist eher so der Beobachter und lacht sich dann halt kaputt wenn sich jemand weh tut…
Bernd (lacht): na auf jeden!

Gehört dieser Körpereinsatz für euch einfach dazu oder ist das auch ein Stück weit Show?
Arnim: Also ich glaube, keiner von uns zieht irgend ’ne Show ab. Sondern jeder gibt sich so, wie er sich auf der Bühne gerade ausleben will. Und wenn man sich mal unsere früheren Konzerte anguckt sieht man ooch, wie wir uns alle noch nicht jefunden haben. Dazu braucht man `nen jewissen Weg. Und wir sind eh alle ein bisschen langsam im Kopf. Aber wir werden mehr und mehr die perfekte Liveband.
Torsten (lacht): Geil! Mit der dritten Antwort schon allet klar jemacht!
Arnim: Wir haben auf jeden Fall einen Weg hinter uns. Und inzwischen sind wir gloob ick, alle an dem Punkt, dass wir wissen: Dit kann ick jetzt uff der Bühne machen und dit lass ick lieber sein.

Aber langsam im Kopf und schnelle Musik, geht das denn?
Arnim: Dit jeht sehr jut!
Torsten: Das mit dem ‚langsam im Kopp‘ darf man auch nicht janz wörtlich nehmen. Aber ein bisschen stimmt es auch. Auf unserer DVD "B-Seite" ist ja ein ganzes Konzert drauf. Wir haben uns das tausend Mal angesehen und beim Gucken geht’s mir manchmal so, dass ich denke: "Ach du scheiße, du siehst ja total bekloppt aus!"

Wie lässt sich das, was bei einem Beatsteaks-Konzert passiert, überhaupt auf einer DVD festhalten?
Torsten: Das Ist schwer…
Bernd: …aber immerhin noch ein bisschen besser als auf CD, wegen dem optischen Eindruck. So eine DVD ist halt ein Versuch. Wenn aber jemand wirklich die volle Packung kriegen will, muss er zu uns ins Konzert kommen.
Torsten: Ich denke, die DVD Macht auf alle Fälle Appetit.
Arnim: Ick gloob in aller erster Linie wird es die bestätigen, die sowieso schon Fans von uns sind. Und vor allen Dingen ist das bei der DVD genauso gewesen, wie bei unseren CDs: das muss uns erstmal selbst gefallen. Wir gucken ja selbst Musik-DVDs und wir haben uns schon echt viel angesehen. Wir haben das aber anders gemacht als andere Bands, ick finde, das ist spürbar. Man erkennt einfach den Geschmack der Beatsteaks auf der DVD.

Was habt ihr euch denn für andere DVDs angeguckt?
Torsten: Arnim guckt sich alle DVDs an. Er kauft alle Musik-DVDs und guckt sie sich an, wat ick sehr jut finde, weil ick würde das nie machen. Aber für unsere DVD macht dit jetzt voll Sinn. Ich hab mir bis jetzt bloß Slayer "War at the Warfield" und Brian Setzer anjekiekt. Ansonsten werde ick mir in Zukunft janz oft unsere ankieken, weil se besser ist als alle anderen!

Auf der DVD finden sich zum Teil auch alte Privataufnahmen. War das Absicht, eure Fans so direkt an eurem Privatleben teilhaben zu lassen?
Torsten: Mehr oder weniger. Den Film hat ja Sofia Bavas gemacht, eine gute Freundin von uns, die dann auch so ein bisschen konzeptionell den Hut aufgehabt hat. Si e hat sich am Anfang mit zweien von uns hingesetzt und ganz viel Material gesichtet und sie hatte auch schon ihre Idee vom Film im Kopf. Sie war diejenige, die gesagt hat: "Das passt gut rein, das passt auch gut rein…" Wir haben dann manchmal bloß gesagt: "Oh, nee, das bloß nicht" wenn uns etwas zu unangenehm war."
Arnim: Obwohl das kaum vorgekommen ist, wirklich fast gar nicht. Und wenn man sich andere anguckt: zum Beispiel auf der "Fettes Brot"-DVD, da gibt es eine Szene, bei der wir uns komplett weggeschmissen haben. Und das war wahrscheinlich die peinlichste für sie, das war nämlich einer ihrer ersten Auftritte. Für uns war das dann gleich wieder ein Vorbild, weil wir sind ja auch die letzten, die die coolen Arschlöcher spielen wollen. Wir wollen eigentlich nur jedem klarmachen: So ’ne Band ist viel Spaß auch, aber vor allem auch harte Arbeit.

Wenn ihr heute Aufzeichnungen von eurer Bühnenauftritten seht, gibt es da auch Momente, die euch richtig peinlich sind?
Bernd: Auf jeden Fall. Logisch, ist ja ganz klar, dass so etwas passiert. Wer sieht sich schon gern irgendwie selbst im Fernsehen oder wer hört gern seine eigene Stimme? Das ist ja immer so eine Gratwanderung. Aber ich finde, das gehört genau da drauf. Weil, das sehen andere Menschen erstmal anders als wir selber und zweitens ist das ein Teil von uns und da muss man auch die Hosen runter lassen, egal wie bekloppt das in dem Moment auch ist.

Im Abspann der DVD sind neben euren Namen auch die früheren Band-Mitglieder Ali und Steffi erwähnt. Lässt sich demnach sagen: Einmal Beatsteak immer Beatsteak?
Arnim: Ja, kann man schon sagen. Nachwuchs-Beatsteaks gibt’s ja ooch schon!
Torsten: Es werden immer mehr und irgendwann werden wir die ganze Welt beherrschen! Aber schön, dass euch das aufgefallen ist.

Besteht denn noch Kontakt zu den beiden?
Torsten: Ja, das sind immer noch gute Freunde. Die haben natürlich beede Familie und sind in ihren Job eingebunden und man sieht sich leider nicht so oft wie man sollte. Ick war mit Ali letztens bei Grandmaster Flash und das war ein Hammer-Abend! Wir haben so viel Spaß gehabt.
Bernd: Ick treff mich mit Steffi mittlerweile uff´m Spielplatz (lacht).

Ist die Band zur Zeit eigentlich euer einziger Job? Oder geht jeder von euch noch einer geregelten Arbeit nach?
Arnim: Seit der letzten Platte nicht mehr.
Bernd: Nur Thomas, der hat noch so ein kleines Hobby und macht nebenher so einen Trommelkurs für Schüler, aber nicht für Geld.
Arnim: Das ist aber auch für uns noch Neuland, weil wir noch bei den ersten drei Platten sechs Jahre lang zum Teil nichts anderes gemacht haben als nachts in der Kneipe zu stehen und am nächsten Tag auf einen Gig zu fahren. Oder wenn wir von einem Gig zurückgekommen sind hat Peter die Nacht nicht gepennt und ist dann gleich zu seinem Job bei der Berliner Stadtreinigung gefahren. Von daher ist das jetzt für uns gerade so…Wow! Das war immer so ein Traum, davon mal leben zu können. Aber es war nicht das angestrebte Ziel. Das angestrebte Ziel war immer viel kleiner: Nächste Platte, nächstes Konzert. Heute genießen wir das natürlich, dass man mal sagt: Wir können uns jetzt nur auf die Musik konzentrieren und können es noch besser machen.

Und wie habt ihr euch die Sache ganz am Anfang vorgestellt: wolltet ihr einfach nur eine Band sein, oder saht ihr darin auch die Option, berühmt zu werden?
Alle durcheinander: Ach berühmt, na ja so war das nie.
Torsten: Keener von uns ist berühmt.
Bernd: Was ist denn das für ein Begriff: "Berühmt"?

Sagen wir: Erfolgreich mit dem was man macht.
Arnim: Dit sind wa!
Torsten: Aber auch das war jetzt nicht die Intention der Band. Man geht nicht in den Proberaum, um Erfolg zu haben. Dit darf man ooch um Gottes Willen nicht machen. Das war immer Freude, so blöd das auch klingt. Und dass es Spaß macht, was man da macht und dass es hoffentlich auch ein paar Leute jut finden.
Arnim: Und wenn es in den frühen Jahren so etwas wie wenn Business gab, dann waren das nur die T- Shirts, die wir verkauft haben. Sonst ging’s eigentlich darum: "Ey, lasst uns mal so ’nen geilen Rocksong wie Motörhead machen!"

Glaubt ihr, dass es euch noch einmal zusätzlich so einen Aufschwung gegeben hat, als Die Ärzte in ihrem Song "Unrockbar" gesungen haben: "Wie kannst du bei den Beatsteaks ruhig sitzen bleiben…?"
Torsten: Auf jeden, 100%.
Bernd: Wie sich das in Zahlen ausdrückt, keine Ahnung. Auf jeden Fall hat das einen Rieseneffekt gehabt.
Torsten: In unserem Gästebuch haben uns schon viele so was reingeschrieben wie: "Ich kenn euch eigentlich erst seit dem Ärzte- Song, dann hab ich mir ne Platte geholt, dann hab ich euch auf ’nem Konzert gesehen und dachte Wow."

Um einmal auf eurer Verhältnis zum Punk zu sprechen zu kommen: ihr seid alle in Ostdeutschland aufgewachsen. Was habt ihr zu Jugendzeiten vom Punk eigentlich mitbekommen?
Bernd: Jede Menge. Das war auf jeden Fall witzig, zu der Zeit auf die Idee zu kommen, so eine Band zu machen. Denn damals musste dir einfach klar sein, dass das niemals eine Band sein wird, die öffentlich spielt. Weil dazu musste man eine Einstufung machen und auf die hatten die Leute, die da mitgemacht haben, auch keenen Bock. Es gab aber eine Gegenkultur, wo es auch im Osten halt schon Punks gab, die auf dem Hinterhof gespielt haben. Heimlich, still und leise.
Torsten: Die Skeptiker, zum Beispiel.
Bernd: Und da fühlten wir uns irgendwie auch mehr zu Hause. Da dachte ich schon, dass man irgendwie, irgendwann mal was damit machen kann. Und als die Mauer fiel, wurde es dann auch richtig konkret.

War Punk für euch damals auch eine Lebenseinstellung oder ging es nur um die Musik?
Arnim: Für mich war’s immer nur Musik und schon immer zu viel Fashion. Ich fand immer nur die Musik jut.
Torsten: Wenn man sich entscheidet, in einer Band zu spielen, muss man nicht zwangsläufig in ’nem besetzten Haus wohnen, einen Iro haben und eine Lederjacke tragen wo druffsteht "Bulle, schieß doch". Aber man hat irgendwat in sich drin, wat halt schon ein bisschen anders ist. Und selbst wenn Arnim sagt: "Nee, ick hatte nicht richtig was mit Punk sondern nur was mit der Musik zu tun", dann gloobe ick dit jar nicht richtig. Denn er hätte ja auch weiter arbeiten gehen können. Aber irgendwann war für ihn halt klar: "Ich will Musik machen". Und irgendwo steckt da auch Punk drin. Wenn sich einer gesagt hat: Ich koof mir jetzt ’ne Gitarre und will unbedingt so klingen wie die Sex Pistols oder die Ramones, dann war das halt schon irgendwie Punk, da war dann schon irgendwas im Kopf. Man hat ja auch Musik gehört, die einem etwas bedeutet hat und die halt nicht jeder jehört hat. So ’ne Musik hört man eben nicht, wenn man CSU-Wähler ist und den Herrn Stoiber total geil findet.
Bernd: Punk hat auf jeden Fall eine Seite gehabt, die keine andere Musikrichtung geboten hat. Die hat’s irgendwie ermöglicht, dass du dich halt hinstellst und aus Spaß ein Instrument in die Hand nimmst. Ohne Ambitionen, einfach so. Und ich kann mich daran erinnern, dass es damals schon so eine Aufbruchsstimmung gab, wo alle plötzlich Bock hatten, irgendwas mit Musik zu machen. Da gab es auch nicht diesen Gratmesser: Wie gut oder wie schlecht ist die Musik. Sondern es ging darum, findet sie statt oder nicht?

Welchen Stellenwert hat Punk heute in euren Augen und darüber hinaus: habt ihr heute Verbindungen zur Berliner Punkszene?
Arnim: Ich finde, wir waren nie so richtig Teil einer Szene. Die Berliner Punk- und Hardcore-Szene – auch wenn sie jetzt sagen, unser erstes Album "48/49" sei das Beste und Kult – die fanden das alle nicht so cool, weil es viel zu melodisch war und außerdem sahen die Bandmitglieder nicht cool genug gedressed aus… Was weiß ich. Ich fand immer, dass es in der Stadt super Bands gab, Scatter Gun zum Beispiel waren damals ne geile Band, dit war Punk. Oder CPS, die fand ich auch super. Aber wir selbst waren nie Teil einer Szene, irgendwie haben wir immer unser eigenes Ding gemacht.

Und die Fans, kamen die aus der Szene?
Torsten: Also, da kamen ooch so Glatzen und Punks aber auch so ganz "Normale". Also, was heißt "Normale"? – es sind ja alle normal. Aber der eene hatte halt kurze Haare, der andere ’nen bunten Iro und der dritte sah halt janz normal aus.

Habt ihr im Laufe der Jahre eine Veränderung der Stimmung eures Publikums bemerkt?
Torsten: Die sind lauter geworden. Aber es sind auch einfach mehr geworden. Und das Gute ist, dass das Publikum sich in der gesamten Breite vergrößert hat. Das ist nicht so, wie viele sagen, dass unser Publikum jetzt viel jünger geworden wäre, nur noch Teenager und junge Mädchen. Na klar sind vorne ein paar mehr Mädchen, aber die gleiche Menge steht hinten und ist halt älter. Deswegen ist die Grundstimmung des Publikums immer noch gleich. Das sind immer noch die größten, die schönsten, die schlausten unser Publikum. Die sind jetzt nicht jünger geworden oder anders.

Aber wo du schon die jungen weiblichen Fans erwähnst – was glaubt ihr, woran das liegen könnte, dass Mädchen scheinbar stärker zu solcher Musik neigen?
Torsten: Die Mädchen stehen halt stumpf auf unseren Sänger! Da muss man sich nix vormachen, die Puppen stehen halt auf Arnim und dit kann ick sogar nachvollziehen. Wär ick ein Mädel, würde ich komplett durchdrehen. Also, ich hab keene Ahnung. Dass die alle sehr jung sind, hab ick auch mal bei einem Konzert von Mando Diao, oder auch bei Fettes Brot. Sobald eine Band vielleicht ein bisschen populärer ist, die Videos im Fernsehen laufen, sind da halt auch Mädchen. Und die wollen die Band vorne sehen. So ein Bengel ist sich vielleicht zu blöd, vorne zu stehen. Aber die Mädels denken halt: Der Sänger ist cool, die Band ist super also stell ich mich da hin und kreisch den ganzen Abend. Punkt. Super Motivation wie ick finde! Ick würd’s genauso machen.

Ist euch das Publikum auch mal zu aggressiv geworden?
Arnim: Na klar haste manchmal auch ein Arschloch dabei. Da mussten wir auch schon mal Songs unterbrechen.
Bernd: Aber, man muss sagen, dass unser Publikum generell nie so wirklich aggressiv war. Und wenn’s dann mal jemanden gab, dann hat das Publikum auch gleich eine Front gegen den gebildet.
Arnim: Ich habe in den letzten anderthalb Jahren zwei, drei Mal bei Konzerten versucht, die Leute ein bisschen zu beruhigen. Ick hab neun Jahre lang nix anderes gemacht, als zu versuchen, die Leute anzustacheln und zum Ausflippen zu kriegen. In Hamburg zum Beispiel haben wir draußen ein Konzert gespielt, da mussten wir laufend unsere Songs unterbrechen, weil es einfach zuviel Tumult gab. Oder beim Highfield-Festival, da sind ein paar Leute halt umgekippt und beim letzten Hurricane war’s auch manchmal brenzlig. Da müssen wir dann erst mal wieder einen Gang runterschalten, wir können dann nicht noch ’ne schnelle Nummer spielen. Du hast da auch ’ne Verantwortung.

Habt ihr das Gefühl, dass das Publikum aufdringlicher geworden ist, und zieht ihr euch inzwischen mehr zurück?
Bernd: Passiert beides. Einmal ist klar, die Leute wollen irgendwie mehr von einem und manchmal wird’s auch schwierig. Klar gehen wir öfter nach ’nem Konzert mal raus zum Publikum. Aber da merkt man dann schon den Unterschied: früher waren’s vielleicht zwei Leute die einem ’ne Frage gestellt haben, jetzt sind es vielleicht 10 oder 20.
Torsten: Wir machen das aber immer noch, auf der letzten Tour sind wir nach dem Konzert zum Merchandising-Stand, viele wollen ja die Sachen unterschrieben haben. Nur merkt man da auch, dass es für Arnim stumpf anstrengender ist.
Arnim: Ick muss vorher richtig die Entscheidung treffen. Weil ick will nicht jenervt vor den Leuten stehen, die einfach nur ’ne Unterschrift haben wollen oder mir sagen wollen, dass dit geil ist, was wir machen. Aber das passiert schnell, wenn’s dich laufend verfolgt. Ick jeh also nicht immer raus, aber wenn, dann geh ick auch richtig raus, dann bin ick ooch da. Aber ansonsten ist das ja jetzt auch nicht so, dass ick jetzt nicht mehr Einkoofen gehn kann. Wir spielen in einer erfolgreichen Rockband, aber dit ist allet noch total im Rahmen.

Lässt sich das schnell einschätzen was für eine Art Fan da auf einen zukommt?
Torsten: Ja, eigentlich schon ab dem ersten Wort. Man kann das auch so ein bisschen leiten. Wenn man selber auf die Leute zugeht sind die selber ooch sehr zurück haltend. Wenn man dann merkt, dass einer kommt mit "Na Bernde Alter"(klopft Bernd auf die Schulter), dann weeß man: Dit ist ein Freund, oder macht sich halt überhaupt keenen Hals, oder wird dann nur noch anstrengend. Dann muss man nur noch kurz sagen: "Ey, lass mal, ick bin privat hier.", oder: "Is jut jetzt, tschüss, schönen Abend noch." Und wenn er dann immer noch nervt, dann sagt man’s ihm halt doch mal.

Und die Leute reagieren dann auch?
Bernd: Ja, die respektieren das schon.
Arnim: Wobei, ick erwisch immer die Freaks! "Ey, du arrogantes Arschloch! Hey, Popstar, was’n los?!"
Torsten: Dieses Rockstar-, Popstar- Jelaber, so wie ihr vorhin mit dem Hotelzimmer, hängt mir jetzt nicht zu den Ohren raus… Aber dit ist dann halt mal wieder der nächste Strich, den wir auf unser Strichliste machen können. Weil das sagen die Leute irgendwie alle. Aber das ist eben Bullshit! Die Leute haben natürlich ein verschobenes Bild, weil wenn die ein Video auf MTV sehen, denken die: Goldene Schallplatte, wir schwimmen im Geld, sind die Größten und blablabla. Dass das alles totaler Quatsch ist, wissen die ja nicht, weil sie von dem ganzen Geschäft keene Ahnung haben. Aber denen erklärst du das kurz, und dann ist auch alles wieder gut.

Ihr habt dieses Jahr auch in Roskilde gespielt. Der Name ist ein wenig behaftet mit der Tragödie von 2000, als bei einem Konzert 9 Personen starben. Habt ihr auch eine gewisse Angst, wenn ihr auf der Bühne steht, dass etwas passieren könnte?
Torsten: Beim Roskilde-Festival hatten wir das nicht, weil wir dort nicht auf der großen Bühne gespielt haben. Aber es gab schon Konzerte, wie im Palladium in Köln, wo wir dann sehen, wie sich 4000 Leute drängeln, wie dann zwei Menschen umfallen und man kriegt mit, dass die nicht gleich wieder aufstehen, weil es zu eng ist. Dann guckt man halt schon.
Aber wir waren ja selber oft auf Konzerten und haben dit halt allet so ein bisschen selbst mitgemacht. Da weeß man dann auch, wenn’s irgendwie ein bisschen brenzlig ist. Arnim sagt dann manchmal: "Ey, steht erstmal alle wieder uff, atmet kurz durch, keener tanzt, keener springt, jetzt wird mitjesungen." Zack! Wenn die sich dran halten, weil se ja alle ’nen schönen Abend haben wollen… Also, man muss da schon ein offenes Auge für haben.

Was solche Ansprachen ans Publikum anbelangt, kommentiert ihr da hin und wieder auch das politische Geschehen in Deutschland?
Arnim: Das beste politische Statement hat unser Schlagzeuger damals mal zur Kanzlerwahl abgegeben, wo er auf seiner Bass-Drum ein durchgestrichenes Foto von Edmund Stoiber hatte. Das musste keiner mehr groß erklären. Als wir das auf die Bühne geschoben haben gab es sofort Beifall, das war sogar im Fernsehen, bei der Rockpalast-Sendung. Wir tun uns da aber immer ein wenig schwer, weil wir uns nicht so als politische Band begreifen.
Torsten: Man muss keene flammenden Reden halten…
Arnim: …genau, aber man kann schon gelegentlich so Statements setzen.

Und wenn euch eine – sagen wir mal linke – Partei einmal um Unterstützung bitten würde, für eine Wahlkampveranstaltung zum Beispiel?
Torsten: Auf gar keinen Fall.
Bernd: Wir würden uns nicht vor einen Karren spannen lassen. Wir haben schon eine politische Meinung. Aber wir würden jetzt nicht auf einer Veranstaltung von irgendeiner Partei spielen.
Torsten: Ich find das immer richtig schlimm, wenn Bands das machen.
Arnim: Das ist immer so konzernmäßig.
Torsten: Aber, man weeß dann auch immer gleich: Da ist viel Kohle mit im Spiel, die Bands lassen sich so was auch immer fett bezahlen. Und dit find ick halt ekelhaft. Genauso wie ick nie auf ’ner Konzernfeier von Thyssen oder Siemens spielen würde. Das ist für mich nichts anderes, diese ganzen Lobbyisten, das ist überhaupt nicht unsere Welt.

Sprechen wir mal von Argentinien, woher ihr ja gerade wieder zurückgekommen seid: Wie groß ist da inzwischen eure Fangemeinschaft?
Torsten: Mittlerweile kann man die auf 300-400 Leute beziffern. So viele waren zumindest bei unserem zweiten Auftritt in Argentinien. Wir haben dort zuerst auf einem Festival als dritte Band gespielt, später Nachmittag, so 18 Uhr und abends spielten dort die Toten Hosen. Aber dann haben wir vier Tage später unser eigenes Konzert gespielt und da sind dann etwa 400 Leute gekommen. Wobei die Toten Hosen ein bisschen daran schuld waren, weil die haben bei ihrem eigenen Konzert keine Möglichkeit ausgelassen, auf uns hinzuweisen. Wir haben mit denen zusammen einen Song gespielt und meinten die: "Ja, die Beatsteaks, das sind auch Deutsche, Berliner, die spielen morgen…" Und dann kamen ganz viele Argentinier und auch Deutsche mit Tote-Hosen-Shirts. Aber die waren dann am Ende des Abends auch von uns sehr angetan.

Arnim: Unsere Platte wurde dort außerdem veröffentlicht und wir haben eine Menge Fernseh-Interviews gegeben, alle waren sehr interessiert. Die sind dort sowieso interessiert weil von den Amis fährt dort halt kaum einer runter, weil es kein Geld zu verdienen gibt. Der erste Satz, den Campino zu uns im Flugzeug gesagt hat, war: "Vergesst es da unten irgend ein Business aufzuziehen. Wir fahren da seit Jahren runter, weil wir einfach die Leute sehen wollen und weil die für die Musik sterben." Die Leute in Argentinien sind extrem fanatisch.

Fanatischer als hier?
Bernd: Mehr als hier, auf jeden Fall.
Arnim: Also wenn die dort etwas abfeiern, dann richtig. Es ist anders. Sagen wir, anders, als zum Beispiel in… Holland. Warum hab ich jetzt eigentlich Holland gesagt (alle lachen)? Vielleicht, um um Deutschland rumzukommen?

Die Beziehung zu anderen Bands, wie den Toten Hosen, ist die immer freundschaftlich?
Torsten: Freundschaft wurde es erst später. Am Anfang war’s so ein bisschen dienstlich, weil man ist ja Vorband, die hatten uns halt mitgenommen auf ihre Tour im Jahr 2000. Das war für uns wie so eine Art Ritterschlag und wir haben großen Respekt vor denen, weil die so unglaublich cool sind und so unglaublich korrekt zu ihren Vorbands. Irgendwann haben wir dann mitbekommen, dass die Toten Hosen auch in gewisser Weise die Band Beatsteaks jut finden und Fans davon sind. Wenn wir eigene Konzerte hatten in Köln, kamen zwei, drei von denen immer vorbei. Oder in Berlin waren der Andi oder der Breiti mal da, da hat man sich halt unterhalten und wir haben mitbekommen: Die ticken so wie eine Band zu ticken hat, so wie das bei uns auch fast ist. Das ist dann so ’ne Gang mit ihrer Crew, die sind fair zu allen, sind fair zu ihren Fans mit coolen Eintrittspreisen. Die machen halt alles richtig. Das ist dann immer sehr wichtig für eine relativ junge Band wie uns, dass man auch daraus lernt, wie man seine Vorbands zu behandeln hat, dass man alle Sachen richtig macht. Dass man zur Vorband geht und sagt: "Hallo, ick bin der und der, cool dass ihr da seid."

Ihr guckt euch also manchmal auch ein bisschen was ab von den Toten Hosen?
Torsten: So richtig abgucken, das nicht. Aber so was das Menschliche anbelangt: es ist einfach total interessant, zu sehen, dass man halt nicht total durchdrehen muss, nur weil man ’ne Million Platten verkauft oder weil man vor 50.000 Leuten ein Konzert spielt. Man kann danach total normal sein und bis früh um fünf noch tanzen und Spaß haben und der netteste Typ sein, der sagt: "Ey, Alter, wie läuft’s, war alles cool für euch?"

… was euch selbst ja auch gut zu gelingen scheint. Farin Urlaub von den Ärtzen hat euch ja mal als "die charmanteste Band die es gibt" bezeichnet.
Arnim: Charmanteste Band?

Würdet ihr nicht so sehen?
Torsten: Doch, doch. Der Farin hat natürlich immer Recht. Findest du nicht dass wir charmant sind?

Ihr kommt zumindest nicht so rüber, a la "wir sind jetzt die harten Rockstars und zerlegen ein Hotelzimmer!
Torsten: Mist! Hat wieder nicht jeklappt mit der Arroganz! Arnim: Stimmt, wir sollten arroganter sein.

Und ihr macht den Eindruck als hättet ihr nie schlechte Laune.
Arnim: Uh!
Torsten: Das ist Professionalität. Klar haben wir auch schlechte Laune, wie jeder andere auch.
Arnim: Du wirst aber von uns nie hören, dass bei einem Konzert das Publikum oder die Stimmung komisch war. Die schlechten Gigs sind wirklich die, wo zwischen uns irgendwas passiert ist, was nicht uff ’ne Bühne jehört.

Ist auch manchmal die Technik Schuld an schlechten Gigs?
Arnim: Auch, aber Technik ist auch nur ein Ventil. Ick hab auch schon nen Monitor kaputt jehaun, aber eigentlich hat mich jestört, dass Peter mir nicht jesagt hat, wat ick am Tag davor für ’nen Scheiß gebaut habe. Wenn du aber ’nen juten Tach hast, dann ist die Technik so was von egal, wenn allet läuft, dann renn ick da vorne rum und reg mich nie über ’nen Monitor uff.

Unsere Schlussfrage lautet: Das Leben ist ein Comic, welche Figuren seid ihr?
Torsten: Auf jeden Fall nicht Kater Sylvester.
Bernd: Panzerknacker oder so?
Arnim: Ick bin Tom von Tom&Jerry.
Torsten: Dit ist aber auch ’ne fiese Frage, darüber hab ick mir noch keene Gedanken gemacht.
Arnim: Dann bist du Jerry!
Torsten: Nee, ick gloobe, ick bin eher so ein Donald-Duck-Typ. Oder wir sind alle die Daltons aus Lucky Luke, von der Größe her, meine ich.
Arnim: Ist zwar keen Comic, aber wen ick echt immer jeliebt habe und immer noch super finde ist Kermit der Frosch.
Bernd: Oder wir sind auch sehr, sehr gern die Quietschbeus aus Hallo Spencer. Wobei Peter eigentlich Duffy ist aus Bugs Bunny!
Arnim: Man kann uns eigentlich juut bei der Muppet Show finden. Da sind alle vertreten!

10 Kommentare zu “Keiner von uns zieht irgend ’ne Show ab.”

  1. A. und A, Bavas |

    B-seite DVD

    Ich mach von Euch einen Film!
    Das war der Anfang! Und S o f i a B a v a s hat das realisiert!Es war ihre Idee! Und es ist Gold geworden! Bin stolz auf Dich

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  2. Franzi |

    yeah yeah…klasse interview!!

    die beatsteaks sind sau sympatisch =)
    und musikalisch einfach die BEEEEESTEN!

    Antworten
  3. shisheria fanzine |

    aha…

    die schlussfrage ist echt genial. gute arbeit von allen beteiligten…

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  4. beatsteakchen |

    goil

    beatsteaks=geilste band der welt!
    joa auf jeden fall informatives interview.
    alle sehr sympathisch oder wie man des schreibt
    joa goil nä
    xD

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  5. amy |

    genau die beatsteaks sind einfach die geilsten !!!

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  6. anna |

    wow, ne geile sache

    klingt alles so verdammt ehrlich….und sympatisch., schön, dass ihr so ne erfolgreiche band seid, die trotzdem noch am boden bleibt.
    danke

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  7. Anonymous |

    super

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  8. bEaTsTeAkS-fLo |

    1 a Interview mit interessanten Fragen!!!

    Tja, die Beatsteaks sind halt die geilsten!!! gruß aus bremerhaven

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  9. die Jenne |

    top…:D

    echt sehr geilomato und verdammt interessant…

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  10. Stefanie |

    Sehr Gut!

    Hey, das Interview ist wirklich sehr gelungen! Ich mein, fragen- und antwortentechnisch… :) Jut jemacht!

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