Peter Kloeppel

Ich habe Angst wenn es knallt.

TV-Moderator Peter Kloeppel über Berichterstattung in Kriegen, schwierige Arbeitstage und wie er den 11. September erlebt hat

Peter Kloeppel

© RTL

Guten Tag Herr Kloeppel. Seit dem Beginn der Luftangriffe der USA auf Afghanistan stellt sich in Bezug auf die Berichterstattung immer öfter die Frage, welchen Angaben man Glauben schenken kann, unabhängige Angaben gibt es bisher kaum. Wenn Sprecher der Taliban von Hunderten von Opfern der Angriffe berichten, welches Vertrauen haben Sie dann in diese Angaben?
Kloeppel: Es ist in Kriegen überhaupt sehr schwer, die Frage eindeutig beantworten zu können, wem man glauben kann. In einem Krieg haben beide Seiten ein Interesse daran, ihre Wahrheit zu verbreiten. Wir können die Angaben der Taliban so gut wie überhaupt nicht überprüfen und auch die Angaben der Amerikaner können wir nur zum Teil überprüfen. Wir sagen das auch entsprechend in unseren Nachrichtensendungen, wenn wir eine Nachricht nicht verifizieren können. Wir haben gestern beispielweise die Situation gehabt, dass die Taliban über einen Angriff der Amerikaner berichtet haben, bei dem ein Dorf getroffen worden sein soll und mehr als hundert Zivilisten ums Leben gekommen sind. Es gab aber keinerlei Bilder davon, nur die Aussage der Taliban, 120 Menschen seien dabei ums Leben gekommen. Wir haben das als solches übermittelt und aber auch bemerkt, dass es keine Möglichkeit gibt, diese Information zu verifizieren. Aber ich denke, wenn wir deswegen ganz darauf verzichten würden, Aussagen aus Afghanistan zu übermitteln, wäre das nicht im Sinne des Journalisten. Er muss beiden Seiten die Möglichkeit geben, die Informationen zu übermitteln, die zur Verfügung stehen.

Sie haben für RTL bereits als Auslandskorrespondent gearbeitet – wünscht man sich bei so einer schwierigen Nachrichtenlage nicht gerne an die Korrespondentenstelle zurück, um am Geschehen näher dran zu sein?
Kloeppel: Ja, nur wäre ich mit Sicherheit nicht Korrespondent in Afghanistan oder Pakistan. Ich bin kein Krisenreporter und bin das auch nie gewesen. Ich habe Angst wenn es knallt und ziehe mich dann lieber in Regionen zurück, in denen ich in Ruhe berichten kann. Natürlich reizt es einen, in solchen Situationen mal wieder in Washington vor dem Weißen Haus zu stehen und dort Informationen aus erster Hand zu bekommen. Aber auf der anderen Seite habe ich auch hier im Studio eine wunderbare Position. Ich bekomme die Informationen von unseren Korrespondenten und ich kann all das, was sie leisten, zusammenfügen. Das ist auch eine Herausforderung, die sicherlich mit dem vergleichbar ist, was ein Korrespondent draußen vor Ort leisten muss.

Inwiefern haben die letzten Wochen bei Ihnen Erinnerungen an Ihre Korrespondententätigkeit in den USA während des Golfkrieges wachgerufen?
Kloeppel: Das ging eigentlich von der ersten Minute an los, als klar war, dass die Amerikaner einen Militärschlag planen. Nur war 1990 der Vorlauf für den Militärschlag sehr viel länger, zwischen der Invasion der Iraker in Kuwait Anfang August und dem ersten Militärschlag der Amerikaner am 16. Januar lagen fast sechs Monate. In dieser Vorbereitungszeit wurde natürlich sehr viel darüber spekuliert, wie sich die Amerikaner auf eine kriegerische Auseinandersetzung einstellen. Genau darüber habe ich damals sehr viel berichtet, auch als die amerikanische Militäroffensive zusammen mit den anderen Verbündeten Mitte Januar begann. Ja, da sind sehr viele Erinnerungen hochgekommen und ich kann auch auf viele Erinnerungen und Erfahrungen zurückgreifen, die ich im damaligen Konflikt gemacht habe.

Stand es für Sie von vornherein fest, dass die USA mit militärischen Angriffen auf die Anschläge vom 11. September reagieren werden?
Kloeppel: Ja, dass ein Anschlag dieser Art nicht folgenlos bleiben würde, war für mich gar keine Frage. Ich hatte auch erwartet, dass sich ein Vergeltungsschlag nicht innerhalb der ersten 48 Stunden nach dem Anschlag auf das World Trade Center abspielen würde. Ich glaube, es war richtig, dass die Amerikaner sich die Zeit genommen haben. Wir wissen, dass die amerikanische Luftwaffe Angriffe dieser Art ganz besonders plant und dass so etwas einige Wochen in Anspruch nimmt. Hinzu kommt das Problem der Amerikaner, sich ein Ziel suchen zu müssen. Im Golfkrieg war das "leichter", denn der Aggressor und das Ziel der Aktion stand klar fest. Im jetzigen Konflikt ist das nicht so leicht zu definieren, weshalb man auch nur sehr schwer vorhersehen kann, wie lange dieser Konflikt andauern wird und wie er enden wird.

Nachrichtenmoderator Ulrich Wickert ist vor kurzem mit seinen Äußerungen über Bush und Osama bin Laden sehr in die Kritik geraten – sind derartige Äußerungen in der Öffentlichkeit für Sie tabu?
Kloeppel: Ich denke, man sollte sehr genau überlegen, was man sagt und ob man sich ständig zu irgendetwas öffentlich äußern muss. Ich habe mir zum Vorsatz gemacht, mich so gut wie gar nicht zu weltpolitischen Dingen zu äußern und bin damit bisher sehr gut gefahren.

Sie wurden vor kurzem mit dem Goldenen Gong für Ihre Moderation in den Stunden nach den Terroranschlägen ausgezeichnet, für eine " informative, aktuelle und nie in billige Betroffenheit abgleitende Dauermoderation", wie zu lesen war. Wie schwierig ist es angesichts der schrecklichen Ereignisse die eigene Betroffenheit zurückzuhalten?
Kloeppel: Das ist manchmal sehr schwierig und natürlich gab es Situationen während dieser Moderation, vor allem in den ersten drei Stunden, in denen ich fassungslos vor den Bildern saß, die ich zu kommentieren hatte. Man darf aber auch dann nicht in Sprachlosigkeit verfallen. Die Fassungslosigkeit wird bei mir teilweise dadurch aufgefangen, dass ich mich zwingen muss, weiter zu arbeiten und weiter zu kommentieren. Und man muss klar sagen, dass es zu meinem Beruf dazugehört, dass ich in solchen Situationen in der Lage bin, die richtigen Worte zu finden und versuche zu erklären, was gerade passiert. So gesehen gab es für mich während dieser Moderation keinen ständigen Kampf, den ich mit mir über die Frage auszutragen hatte, wie fassungslos ich war. Sondern für mich standen die ganze Zeit im Vordergrund die Fragen: Was sehen wir? Wie kann ich das beschreiben? Welche Hintergründe gibt es dafür? Und wie kann ich die Zuschauer an die Hand nehmen und sie durch dieses Meer an völlig neuen und ungeahnten Eindrücken durchführen?

Sehen Sie diese neue Dimension, dass man die Ereignisse vom 11. September teilweise live im Fernsehen verfolgen konnte, eher mit einem kritischen Auge?
Kloeppel: Nein, es gehört nun mal zu unserer Mediengesellschaft dazu, dass Medien über das berichten, was passiert. Und so tragisch das auch ist – es gehört auch dazu, dass Bilder ausgestrahlt werden, von denen man sich bis dahin nicht vorstellen konnte, dass man so etwas jemals ausstrahlen würde. Sich aber auszublenden aus dieser Realität wäre falsch. Die Menschen wollen wissen, was gerade in New York, in Washington passiert und welche Bedrohung die Geschehnisse für sie darstellen. Davor können wir weder die Augen verschließen, noch die Fernsehkameras ausstellen.

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Ich habe mir zum Vorsatz gemacht, mich so gut wie gar nicht zu weltpolitischen Dingen zu äußern und bin damit bisher sehr gut gefahren.

Peter Kloeppel

Welche Arbeitstage Ihres Moderatorenlebens haben Sie bisher ähnlich in Anspruch genommen wie der 11. September?
Kloeppel: Es sind nicht die normalen Sendungen, die einem in Erinnerung bleiben. Sondern gerade Dauerübertragungen, wie die vom 11. September, sind Dinge, die natürlich sehr an die Substanz gehen in jeder Hinsicht. Da geht es nicht nur darum, was man persönlich verkraftet, sondern es geht auch darum, was ein Körper verkraften kann. Ähnlich war es bei der fünfstündigen Übertragung der Beerdigung von Prinzessin Diana, auch ein Ereignis, dass sehr viele Menschen interessiert und betroffen gemacht hat. Davor kann man sich auch als Moderator nicht verschließen. Man muss zwar versuchen in so einer Situation cool zu bleiben, aber ich kann nicht hinterher sagen, dass wäre für mich so einfach gewesen wie eine Nachrichtensendung, die um 18:45 Uhr anfängt und um 19:10 Uhr zu Ende ist.

Ihre Ehefrau ist US-Amerikanerin, wie hat Ihre Familie den 11.S eptember erlebt?
Kloeppel: Ich war ja leider nicht zu Hause und konnte dort leider niemandem helfen. Es wäre mit Sicherheit besser gewesen, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, mit meiner Frau in dieser Situation zu reden. Das war nicht möglich, ich habe nur einmal für eine Minute mit ihr und meiner Tochter telefoniert, die natürlich wissen wollte, wieso ich nicht nach Hause komme. Allerdings ist meine Frau Journalistin und Producerin, sie hat im amerikanischen Fernsehen auch in Krisenzeiten gearbeitet, wir haben im Golfkrieg zusammengearbeitet – wir wissen, was es bedeutet, in solchen Situationen Fernsehen zu machen. Für mich bedeutet das auch, dass das Privatleben in so einem Moment einfach hinter dem Job zurückstehen muss. Aber trotzdem haben wir natürlich die Möglichkeit uns darüber auszutauschen, es ist nicht so, dass ich nach der Moderation sprachlos nach Hause komme. Sicher war es für meine Frau am 11. September schwer, alleine zu Hause zu sein. Aber sie hat sich, wie viele andere Menschen auch, an das Fernsehen gehalten und war mir auf diese Weise auch sehr nah, sie wusste was ich mache, was ich sehe und was ich kommentiere.

Wenn in Deutschland ein Unglück, wie der 11. September geschehen wäre, hätte RTL in jeder Sendung die Flagge der Bundesrepublik eingeblendet, wie es die amerikanischen Fernsehstationen vorgemacht haben?
Kloeppel: Das ist eine sehr hypothetische Frage. Wir wissen ja, dass es in Deutschland mit den patriotischen Gefühlen lange nicht so stark ausgeprägt ist, wie es in Amerika der Fall ist. Ich denke, wenn ein Angriff auf die eigene Nation geschieht, dass jede Nation sehr unterschiedlich darauf reagiert. Ich kann es nicht sagen, wie die Deutschen reagieren würden. Sie würden mit Sicherheit genauso fassungslos und zutiefst erschrocken reagieren wie die Amerikaner. Ob sich das dann in einem Patriotismus äußert, wage ich nicht zu sagen.

Sie arbeiten für RTL schon seit über 15 Jahren – haben Sie eigentlich nie mit einem öffentlich-rechtlichen Sender geliebäugelt?
Kloeppel: Nein, mir hat RTL in den 15 Jahren, die ich hier als Journalist und Moderator arbeiten konnte, so viele journalistische Möglichkeiten gegeben, dass ich nie das Gefühl hatte, ich wollte zu irgendeinem anderen Sender. Ich kann auch mit großem Glück sagen, dass ich hier eine Karriere gemacht habe, die ich mir selber nie hätte vorstellen können.

Schauen Sie sich noch andere Nachrichten-Formate an, um am eigenen Format weiterzuarbeiten?
Kloeppel: Ja, ständig. Wir gucken uns amerikanische Nachrichtensendungen an, Nachrichten von den Kollegen aus Großbritannien, Frankreich, Spanien und auch aus Italien. Und wir sehen natürlich, was sich auf dem deutschen Markt tut, wobei wir sagen müssen, hier gibt es keine Modelle, von denen wir lernen könnten. Bei unseren Nachrichten ist ein ständiges Fine-Tuning angesagt, aber da beziehen wir unsere Ideen und die Kreativität eher aus dem eigenen Bauch und aus dem Ausland.

Das Leben ist ein Comic – welche Comic-Figur sind Sie?
Kloeppel: Hm…weiß ich nicht, da erwischen Sie mich auf dem falschen Fuß.

Oder vielleicht gibt es eine Filmfigur, die Sie schon immer sein wollten?
Kloeppel: Nein, ich gucke so gut wie überhaupt keine Filme und bin auch die letzten Jahre sehr selten im Kino gewesen. Ich lese lieber Bücher, das finde ich viel spannender.

Ein Geheimtip?
Kloeppel: Ich würde jedem, der sich in irgendeiner Weise für Journalismus interessiert, immer noch das Buch von Bob Woodward und Carl Bernstein "All the presidents Men", über den Watergate-Skandal empfehlen – ein Buch, von dem ich sage, dass es in jeden Journalistenschrank gehört. Und wer sich noch weiter für dieses Thema interessiert, der sollte unbedingt die Autobiographie von Katharine Graham lesen, der Herausgeberin der Washington Post, die leider vor ein paar Monaten verstorben ist. Auch ein Buch, wo ich denke, da lernt man sehr viel über die Welt, mehr wahrscheinlich, als aus dem Kino.

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