Ottfried Fischer

Politik ist kontinuierlich Wahlkampf.

Ottfried Fischer über das Wahljahr 2009, profillose Politiker und den eigenen Antrieb

Ottfried Fischer

© roland-forster.de

Herr Fischer, worauf freuen Sie sich als Kabarettist im Wahljahr 2009 am meisten?
Fischer: Ich freue mich im Wahljahr gar nicht so besonders, weil ich ja erleben muss, dass ein halbes Jahr nach der Wahl der neue Wahlkampf anfängt. Ich kann mich höchstens darauf freuen, dass manche Sachen dann pointierter werden, oder dass irgendwann mal eine besonders blöde Äußerung kommt, die vom Profilierungstrieb des Wahlkampfs geprägt in die Welt hinaus gestellt wird. Und die dann wieder zeigt, wie blöd manche unserer Volksvertreter sind.
Allerdings – und das macht einen dann wieder traurig – ist das vielen Leuten eigentlich vollkommen egal und sie wählen trotzdem Roland Koch.

Ist Politik heute eine Art Dauerwahlkampf?
Fischer: Politik ist inzwischen kontinuierlich Wahlkampf, das liegt schon daran, dass die Politiker, die das erste Mal im Amt sind, schauen müssen, dass sie auch ein zweites Mal drankommen, sie müssen auf die Rentenansprüche hinarbeiten. Und dann ist es neben dem Wahlkampf noch die Vermeidung, dass das Publikum mitkriegt, was eine Diätenerhöhung ist. Politik ist ein einziges Lavieren mit dem Wieder-Dran-Kommen.

Muss ein guter Politiker auch ein guter Schauspieler sein?
Fischer: Ein guter Politiker ist kein Schauspieler, der ist ehrlich. Aber es gibt halt wenig gute Politiker, deswegen sind die meisten Schauspieler. Und wenn einer nicht gut ist, muss er Schauspieler sein. Wenn der es dann schafft, gut rüberzukommen, ist er ein guter Schauspieler. Und wenn er ein schlechter Schauspieler ist, dann muss er in Bayern bis jetzt in der richtigen Partei gewesen sein, da war es dann wurscht – wobei darauf inzwischen auch kein Verlass mehr ist. Obwohl ein Linksruck nie stattgefunden hat und die SPD mit 18,60 Prozent etwa so miserabel dasteht wie der TSV 1860.

Sie machen seit über 20 Jahren politisches Kabarett – sind Politiker heute langweiliger als früher?
Fischer: Der Beweis, dass Politiker langweilig geworden sind, den hat die Doppelspitze in Bayern geliefert, mit Erwin Huber und Günther Beckstein, die gehen zur wichtigsten Veranstaltung der CSU in Bayern, zum politischen Aschermittwoch nach Passau, wo Franz Josef Strauß Weltpolitik gemacht hat – und da höre ich eine halbe Stunde Erwin Huber und nicht eine Beleidigung des politischen Gegners. Und zwar nicht aus Höflichkeit sondern aus Unfähigkeit. Also, das kann’s nicht sein, das haut in der CSU nicht hin, das ist der Anfang vom Ende.

Wünschen Sie sich mehr verbalen Schlagabtausch in der Politik?
Fischer: Ich wünsche mir mehr Profil. Als ich aufgewachsen bin, gab es noch eine Politikergeneration, die von Krieg und Verfolgung geprägt war. Selbst die Rechten waren markant und eckig und haben sich durchgesetzt mit unverwechselbaren Individualitäten, weil sie eben von Krieg und Kampf geprägt waren. Oder Menschen wie Willy Brandt, die von Verfolgung geprägt waren, die ein gelebtes Leben hatten und dann in die Politik gegangen sind.
Heute ist es so, dass sie von der Schulbank weg in die Uni gehen und nach dem Abschluss in die Politik abrauschen und eigentlich nix kennen außer Schule. Das ist natürlich nicht dafür geeignet, Persönlichkeiten hervorzubringen. Wenn man schon denkt, dass sogar Frau Hohlmeier, die bayerische Kultusministerin und Tochter von Strauß, ihre Kinder von der staatlichen Schule weggenommen und auf eine Waldorfschule gesteckt hat. Ja, wie sollen da Politiker rauskommen?

Haben Sie selbst jemals mit dem Gedanken gespielt, in die Politik zu gehen?
Fischer: Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, dass die Politikerlaufbahn etwas für mich sein könnte. Allerdings hast du als Politiker einen Sach- und Realisierungszwang, d.h. du kannst dich nicht, wie die Grünen in der Opposition, auf einen Standpunkt stellen und froh sein, dass du davon nicht abweichen musst. Sondern du musst gestalten. Dann musst du von deinen Idealen weggehen, auch mit deinen Widersprüchen leben – das tue ich lieber in der spielerischen Weise des Kabaretts.

Welchen Politiker könnten Sie sich als Kabarettisten vorstellen?
Fischer: Ich meine, dass zum Beispiel der Bundespräsident ein Kabarettist unter der Politikern ist, der könnte wirklich mal ein bisschen was fordern, was auch ein bisschen Witz und Esprit hätte. Aber es kommt dann nur eine Ruckrede wie beim Roman Herzog, und beim Horst Köhler weiß ich gar nicht… ich glaube, der hat noch nie eine Rede gehalten.

Hat der Schauspieler Peter Sodann das Zeug zum Bundespräsidenten?
Fischer: Peter Sodann ist mir nicht witzig genug für einen Bundespräsidenten. Ich habe bei ihm auch immer ein bisschen das Gefühl, dass eine leichte Verkniffenheit dabei ist, die zu sehr ostdeutsch geprägt ist. Er müsste schon ein Präsident aller Deutschen sein. Und da setze ich bei ihm an mit der Kritik: Sodann meint ja, dass Leute, die noch nicht in Halle waren, eigentlich da mal hin gezwungen werden sollten, um zu sehen, was da los ist. Aber es ist ihm wurscht, ob schon mal jemand in Hannover war.

Zitiert

Ein guter Politiker ist kein Schauspieler, der ist ehrlich. Aber es gibt halt wenig gute Politiker, deswegen sind die meisten Schauspieler.

Ottfried Fischer

Ist Ihr Antrieb als Kabarettist die eigene Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen?
Fischer: Man darf einen Fehler nicht machen: Man darf nicht glauben, dass Kabarettisten nicht eitel sind. Ein wesentlicher Antrieb des Kabarettisten ist, dass er sich auf der Bühne zeigen will. Natürlich hat er noch eine Komponente mehr dabei, dass er sich was ausgedacht hat, nachgedacht hat, erkannt hat, und das auch unter die Leute bringen will. Kabarett heißt laut nachdenken und das verbreiten zu wollen, publizistisch tätig zu sein. Wenn man ein Kabarett-Programm macht, dann muss einem schon was unter den Nägeln brennen. Wenn es das nicht tut, merkt man das und dann ist es kein gutes Kabarett-Programm.

Sind Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier kalauertauglich?
Fischer: Ich weiß nur, als Kurt Beck seinen Fauxpas mit der Linkspartei begangen hat, da sollte auf einer Geburtstagsfeier von dem mir befreundeten Waldemar Hartmann auch der Peer Steinbrück vorbeischauen, um zu gratulieren – und da hat der Harald Schmidt, der auch da war, gesagt: Beck muss sich bei den Stones melden. Da habe ich auch erstmal auf der Leitung gestanden. Aber klar, „Stones“ das sind Steinmeier und Steinbrück. Und das hat schon ein bisschen was von Kalauer.
Insofern, es gibt eigentlich nichts, was nicht kalauertauglich ist, ich würde sogar soweit gehen, dass in der ganzen Welt der Kalauer laufen kann. Wenn man sich zum Beispiel überlegt, was Chorknabe auf Chinesisch heißt, kommt man irgendwann „Singabur“.

Lässt sich auch die Profillosigkeit der Politiker fürs Kabarett nutzen?
Fischer: Es ist so, dass man auch über nicht profilierte Politiker Kabarett machen kann. Weil die reden ja dann dummes Zeug und das ist dankbar für einen Kabarettisten, der den Blödsinn dann noch überhöhen darf.
Aber im Großen und Ganzen geht es beim Bühnenkabarett nicht so sehr darum, was tagespolitisch aktuell ist, bei mir zumindest nicht. Es sind ein paar kleine Versatzstücke, man erwähnt das auch mal mit zwei, drei Sätzen. Doch insgesamt muss ein modernes Kabarettprogramm den aktuellen Tendenzen gerecht werden und versuchen aufzuzeigen, wo etwas hinführt, wenn man es nicht ändert, bzw. wo was herkommt. Es ist einfach der Versuch, eine Zeit in ihren Erscheinungsformen zu werten. Da gehört sicher auch mal ein Politikerzitat dazu oder eine tagespolitische Aktualität. Nur ist das nicht die Hauptsache.

Sie sind 2008 mit Ihrer Parkinson-Erkrankung an die Öffentlichkeit gegangen und haben kurz darauf Ihren Auftritt beim Aschermittwoch der Kabarettisten mit den Worten begonnen: „Keine Angst, ich mache keine Schüttelreime“ – ist Humor die beste Medizin?
Fischer: Lachen und Humor ist die beste Medizin. In diesem Fall war es aber auch der beste Wegweiser, wie man mit einem umzugehen hat, wenn man nicht weiß, wie man mit ihm umzugehen hat. Ich habe diesen Spruch gesagt, weil ich festgestellt habe, dass Personen in meinem Bekannten- und Freundeskreis nicht mit der Situation klarkommen, dass einer von ihnen auf einmal krank ist. Die haben das totgeschwiegen, was eine gewisse Verkrampftheit gebracht hat. Da habe ich mir gedacht: Man muss einen Witz drüber machen, damit die merken, dass man nicht gleich in Tränen ausbricht, wenn das Thema angesprochen wird.

Dann haben wir noch einige kurze Schlussfragen: Was ist Ihr Leitspruch?
Fischer: Man muss sich selber treu bleiben, zumindest so lange man es sich leisten kann.

Was wollten Sie als Kind werden?
Fischer: Ich wollte eigentlich mal Fernfahrer werden, das habe ich meiner Mutter gesagt, die mich dann gleich geschimpft hat und dann dachte ich: Aha, da ist anscheinend ein Haken dabei. Dann wollte ich eigentlich Schauspieler werden, wobei das heißt, ich wollte es nicht werden aber habe gesagt: Ich werde einer. Heute sagen sie alle, ich bin keiner, weil ich sowieso nur mich selber spiele. Aber das muss man auch erstmal bringen.

Spielen Sie ein Instrument?
Fischer: Ich bin mit einem alten Vinyl-Plattenspieler schon fast überfordert, wenn er nicht schon angeschlossen ist. Und mit ein Instrument kann ich leider noch weniger dienen.

Und wenn der Plattenspieler mal läuft, welche Musik kommt dann heraus?
Fischer: Ausläufer der 60er Jahre und ich mag ab und zu auch mal was Jazziges. Aber im Großen und Ganzen sind es so die Sixties und die Folgen. Und, was mir natürlich wahnsinnig aufs Gemüt geht und was ich deswegen mit großem Vergnügen höre, das ist die Operette.

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