Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck

Wie James Bond für Kinder.

Die „Drei Fragezeichen“-Sprecher Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck über die erste Verfilmung, das Original und den Rechtestreit um die populäre Hörspielreihe

Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck

© Buena Vista International

Oliver, Jens, seit 1979 leiht ihr den „Drei Fragezeichen“ in der Hörspielserie eure Stimmen, nun kommt mit „Das Geheimnis der Geisterinsel“ der erste Film in die Kinos. Es gibt Fans, die sagen: „Manche Sachen darf man einfach nicht verfilmen, das raubt einem jede Illusion“. Ist der Film ein Fantasie-Killer?
Wawrczeck: Ich war selbst sehr kritisch, als ich zum ersten Mal davon hörte, dass die „Drei Fragezeichen“ verfilmt werden sollen. Jeder hat schließlich seine eigenen Bilder im Kopf, so dass es schwierig ist, die Jungs und die Zentrale der „Drei Fragezeichen“ auf der Leinwand plötzlich so konkret zu sehen. Aber ich finde den Film sehr gelungen. Im Vergleich zu anderen deutschen Kinderfilmen ist er unglaublich gut gemacht. Man merkt, dass der Film sehr sorgfältig inszeniert ist.
Rohrbeck: Für mich ist der Film eine liebevolle Umsetzung der „Drei Fragezeichen“ in Bilder und in die heutige Zeit. Unsere Hörspiele spielen ja in irgendeinem Zeituniversum, das wir gar nicht genau benennen können, das wir auch nicht benennen wollen. Wir sagen nicht genau, wann und wo es spielt. Befinden wir uns in den 60ern, in den 70ern oder in den 80ern? Wie sehen die Autos aus, die wir fahren? Wie sehen die Jungs aus? Wie sind sie gestylt? Wie kann man sich die Umgebung vorstellen? Das war alles nicht vorgegeben.

Für den Film musste man sich festlegen…
Rohrbeck: Ja, und es wird immer welche geben, die meckern werden und sagen: „Wir haben uns die Jungs aber ganz anders vorgestellt“. Aber, das muss man auch sehen: Der Film ist für ein größeres Publikum gedacht, nicht nur für die Fans der Hörspielserie und diejenigen, die schon mit fertigen Bildern im Kopf kommen. Es ist halt eine sehr moderne Umsetzung. Wie James Bond für Kinder.
Wawrczeck: Ich würde sagen, der Film ist eine schöne Mischung zwischen dem alten Hörspielkult und einer neuen Sprache. Auch Menschen, die die Serie nicht kennen, können ihn spannend und lustig finden. Nichtsdestotrotz er ist auch etwas für die Fans der Hörspielserie.

Ihr könnt also mit den Darstellern, die den „Drei Fragezeichen“ nun ein Gesicht geben, gut leben?
Wawrczeck: Mir gefällt, dass „Die Drei Fragezeichen“ von 13-jährigen dargestellt werden, weil man dadurch gezwungen ist, sich von Vornherein auf eine ganz andere Sache einzustellen. Vergleiche mit uns Hörspielsprechern sind zwecklos, das werden diejenigen, die uns live gesehen haben, sehr schnell merken. Und das ist gut so, denn so können sich die Zuschauer unbelastet auf den Film einlassen. Ich finde es auch super, dass es keine drei Models sind, sondern wirklich drei relativ durchschnittliche Jungs. Genau das war immer ein Erfolgsrezept der „Drei Fragezeichen“. Und ich glaube, das macht sie so sympathisch. Und dass sie Humor haben. Auch eine Sache, die die Hörspiele immer ausgezeichnet hat. Humor und Ironie…
Rohrbeck: Ja, und das ihnen Missgeschicke passieren, was ja auch im Film der Fall ist. Dennoch haben sie diese Fähigkeiten von James Bond. Die Geschichte spielt in einer Erwachsenenwelt, und es sind die drei Jungs, die die Erwachsenen bei Verbrechen und Lügen entlarven. Das können Kinder sonst nicht, denn normalerweise stoßen Kinder an ihre Grenzen.
Wawrczeck: Ich glaube, es macht einen irren Reiz aus, dass es da drei Jungs gibt, die in diese Erwachsenenwelt eindringen und zeigen, dass die auch nicht so perfekt ist, sondern manchmal eher verlogen. Und der kleine Junge, der die „Drei Fragezeichen“ zum Einschlafen hört, weiß: Die werden den Fall schon lösen…

Es soll insgesamt drei Kinofilme mit den „Drei Fragezeichen“ geben. Die Dreharbeiten für den zweiten Film, „Das Gespensterschloss“, haben bereits begonnen, anschließend folgt „Die silberne Spinne“. Seid ihr – bei über 100 Folgen, die ihr bisher gesprochen habt – mit dieser Auswahl zufrieden?
Wawrczeck: „Das Gespensterschloss“ war von den ersten Folgen immer meine Lieblingsfolge. Die fand ich spannend, toll, einfach grandios. Ich finde die Auswahl gut.
Rohrbeck: Das Problem ist, dass sich – zu einer Zeit, wo die Ansprüche so gestiegen sind – von den Originalgeschichten von Robert Arthur die wenigsten für eine Umsetzung in einem so großen internationalen Kinofilm eignen. Dafür sind die Geschichten teilweise einfach sehr dünn. Man hatte große Schwierigkeiten, überhaupt die richtige Geschichte zu finden. Selbst „Das Geheimnis der Geisterinsel“ ist vom Original abgewichen und noch einmal eine komplett neue Geschichte geworden, damit sie auf dem heutigen Kinomarkt überhaupt funktioniert. Auch die Figuren sind charakteristisch nicht so ausgeführt, wie man heute Bücher schreiben würde. Da fängt man erst an, wenn man ein genaues Profil der Figur angelegt hat.

Das hat Robert Arthur damals nicht getan?
Rohrbeck: Nein, überhaupt nicht. Die Figuren werden in den Originalbüchern sehr dünn beschrieben. Arthur hat einfach drei Jungs genommen, die auf eine Art und Weise aufwachsen, wie er in seiner Kindheit vielleicht gerne aufgewachsen wäre. Damit die sich überhaupt ein bisschen unterscheiden, ist der eine eben ängstlich, der andere total intellektuell und hat eine Logik wie ein Supercomputer, und der Dritte kann halt recherchieren. Aber mehr wissen wir über sie gar nicht.

Oliver, du hast die Regie für die deutsche Synchronfassung übernommen. Worauf habt ihr bei der Auswahl der Sprecher geachtet?
Rohrbeck: Wir haben nur erfahrene Kinder gecastet, von denen wir wussten, dass sie diese Rollen schauspielerisch überhaupt bewältigen können. Für blutige Anfänger wäre es schon ein bisschen zu schwierig gewesen. Bei der Rolle Justus war es nicht leicht, den Richtigen zu finden.

Was war so kompliziert?
Rohrbeck: Justus muss einfach diese Dominanz haben und eine gewisse Selbstsicherheit ausstrahlen. Da konnten wie keinen mit einer piepsigen Kinderstimme nehmen…

Zitiert

Es macht einen irren Reiz aus, dass es da drei Jungs gibt, die in die Erwachsenenwelt eindringen und zeigen, dass die auch nicht so perfekt ist.

Oliver Rohrbeck und Jens Wawrczeck

Was macht dir eigentlich mehr Spaß: selbst zu synchronisieren oder Regie zu führen?
Rohrbeck: Was für mich den Reiz ausmacht ist, dass ich beides machen kann. Ich habe Abwechslung sehr gerne und genieße es sehr, eine Weile eine Rolle zu sprechen. Es stellt sich ja auch noch die Frage: Was mache ich lieber: synchron oder Hörspiel? Es ist zwar beides Schauspiel und hat beides damit zu tun, Worte zu beseelen. Aber beim Synchron versuchen wir natürlich, das Original wiederzugeben und die gleichen Gefühle in die Stimme zu legen. Beim Hörspiel kreieren wir selber, insofern finde ich Hörspielproduktionen noch eine Spur kreativer. Mittlerweile stehe ich beim Hörspiel auch vor und hinter dem Mikrofon. Da habe ich jetzt eine Erfüllung gefunden, die mir extrem viel Spaß macht. Ich werde zwar auf jeden Fall weiter Hörspiele und Hörbücher sprechen und weiter synchronisieren, aber ich muss sagen: Hinter den Kulissen zu produzieren und Regie zu führen ist für meinen Lebensabschnitt, in den ich jetzt neu eingetreten bin, eine sehr schöne spannende Perspektive für die nächsten Jahre. Auf die Aufgabe freue ich mich. Von meinem Ego her kann ich sehr gut hinter den Vorhang treten und muss mich nicht ständig selber produzieren.

Du hast im Film du einen kleinen Gastauftritt…
Rohrbeck: Das war eigentlich gar nicht geplant. Wir wurden eingeladen, an den Drehort zu kommen, weil den Filmemachern unsere Meinung wichtig war. Das fanden wir natürlich toll.
Ich wurde dann gefragt, ob ich nicht Lust hätte, – wie früher Alfred Hitchcock in seinen Filmen – einmal durchs Bild zu laufen. Als Verbeugung vor den Fans, die uns seit über 25 Jahren begleiten, fand ich die Idee sehr schön.

Auf Grund eines Rechtsstreits um Lizenzrechte zwischen dem Hamburger Hörspiele-Label Europa und dem Jugendbuchverlag Franckh-Kosmos wurde die Hörspielserie vor zwei Jahren in die „Die Dr3i“ umbenannt. Habt ihr damals kurzzeitig überlegt, ob ihr ganz aufhört?
Wawrczeck: Ja, gerade am Anfang, als noch nicht klar war, auf welche Weise man weitermachen kann. Als sich dann herauskristallisiert hat, dass die Serie mit den Veränderungen, die es jetzt tatsächlich gibt, weitergehen könne, haben wir gesagt: Lieber so, als dass die Serie völlig eingestampft wird. Nun lautet der Titel etwas anders, und die Namen sind anders.

Die stimmen jetzt wieder mit denen aus den Originalbüchern von Robert Arthur überein.
Wawrczeck: Ja, das wir das Original als Quelle genommen haben, war immerhin ein kleines Trostpflaster für uns. Jetzt heißt Peter Shaw halt „Peter Crenshaw“ und Justus Jonas ist eben „Jupiter Jones“…
Rohrbeck: Endlich habe ich auch einmal einen coolen englischen Namen! Ich hatte als einziger immer diesen komischen deutschen Namen und musste mich in Malibu hinstellen und sagen: „Mein Name ist Justus Jonas.“ Das klang immer total uncool. Aber es hatte natürlich auch eine gewisse Skurrilität. Und, klar: Das hat sich jahrelang in die Herzen der Leute eingebrannt. Dennoch glaube ich, dass wir bei den Leuten das gleiche Gefühl auslösen. Egal, ob er jetzt Justus oder Jupiter heißt.

Viele Fans haben großes Unverständnis gezeigt.
Wawrczeck: Ja, aber wäre es besser gewesen, nicht weiter zu machen?

Das ist die große Frage…
Wawrczeck: Ich glaube nicht. Wir drei sind in der Konstellation genauso geblieben. Und auch die Figuren sind genauso geblieben. Es ist so, als würde man statt Jens, „Jan“ zu mir sagen. Ich bin dann ja trotzdem noch ich.
Rohrbeck: Wir waren auch nicht begeistert davon. Vor allem können wir nicht davon begeistert sein, dass auf einem Thema, das völlig behütet und rein war, der Schatten eines solchen Rechtsstreits drüber hängt. Wir bedauern das total, gerade im Sinne der Fans.
Wawrczeck: Aber wir mussten in den sauren Apfel beißen. Sonst hätte man sagen müssen: Wir begraben das komplett. Das stand jedoch in keinem Verhältnis zu den Veränderungen.

Ihr sagtet, der Kinofilm sei eine komplett neue Geschichte geworden. Was ist denn von den Original-„Drei Fragezeichen“ noch übrig geblieben?
Wawrczeck: Ich würde sagen, es sind komplett andere Sachen, aber im Grund genommen immer noch die gleichen…
Rohrbeck: Die Geschichten funktionieren halt heute anders. Man würde auch die „Fünf Freunde“ heute nicht genau nach dem Vorbild der Enid Blyton-Bücher verfilmen. Die sind nämlich überhaupt nicht political correct. Da wird andauernd gesagt: „Hier ist was aus dem Felsenhaus gestohlen worden. Ist in der Nähe nicht ein Zigeunerlager?“ Und schon ist der Verdacht gelegt. Heutzutage kann man das so gar nicht mehr machen. Das ist so was von unkorrekt, da würde es sofort einen wahnsinnigen Aufschrei geben. Um ein positives Bild von den „Fünf Freunden“ zu haben, müsste man die total modern machen. Ich glaube, genau das ist bei diesem Film mit den „Drei Fragezeichen“ passiert.
Wawrczeck: Ja, aber er hat trotzdem viel von den alten Folgen…
Rohrbeck: Es sind eben drei Jungs, die sich nicht mit Computerspielen beschäftigen, sondern die lieber echte Verbrechen aufklären, rumgrübeln und irgendwelche Sachen austüfteln.
Wawrczeck: …und die auch dieses Freundschaftsideal verkörpern. Die halten einfach zusammen, obwohl sie sehr unterschiedlich funktionieren. Das ist der Geist, der weiterlebt.

Sind „Die drei Fragezeichen“ Vorbilder für die Jugend von heute?
Rohrbeck: Auf jeden Fall. Wir haben auch in letzter Zeit gemerkt, dass wieder viele Kinder neu hinzugekommen sind. Eine Zeit lang war unser Publikum zu 80 Prozent zwischen 20 und 35. Inzwischen sind davon wieder die Hälfte Kinder. Die Kinder von heute hören wieder Kassetten. Auch wenn sie wahrscheinlich nebenbei chatten und telefonieren, so wie das heutzutage üblich ist.
Wawrczeck: Wir sehen das auch bei unseren Live-Hörspielen. Die Leute sitzen ruhig da und hören sich anderthalb Stunden lang ein Hörspiel an. Ich glaube, dass es an der Sehnsucht vieler Menschen liegt, dieser täglichen Beschallung mit tausenden Impulsen für kurze Zeit zu entgehen. Denn das ist einfach alles zu viel. Ich sehe hier eine Rückwärtsbewegung: man sitzt wieder da und hört zu.

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